damals die Köpfe und ahnten sicher nicht, daß die Stadt- und Ringbahn
heute jährlich mehr als 100 Millionen Fahrgäste befördert, die Straßen-
bahn gar 300 Millionen.
Doch der Verkehr solch einer Riesenstadt, die jährlich um 50000
Einwohner wächst, fordert immer neue Verkehrsmittel. Nachdem die
Pferdebahnen in „Elektrische" umgewandelt worden waren, konnten die
verkehrsreichen Straßen Berlins die ungeheure Flut der Fuhrwerke aller
Art nur mit knapper Not aufnehmen, eine weitere Vermehrung der
elektrischen Straßenbahnen war kaum noch möglich. Da trat 1902 ein
neues Riesenwerk in den Dienst des Verkehrs, die „Hoch- und Unter-
grundbahn".
Eine Hoch- und Untergrundbahn! Die Mär, über die man sich
erst gar nicht beruhigen konnte, ist längst zur Wahrheit geworden. Die
Bahn führt, wenn auch nicht über die Häuser dahin, so doch in der
Höhe des ersten Stockwerks. Sie führt gelegentlich durch Häuser hindurch;
sie erklimmt einmal die Höhe eines dreistöckigen Hauses und verschwindet
an andern Stellen ganz unter dem Pflaster der Straße.
Der größte Teil der Strecke, etwa zehn Kilometer, ist als Hoch-
bahn erbaut. Als solche beginnt sie ganz im Osten Berlins, an der
Warschauer Brücke, ihren Lauf, überschreitet die Spree auf der Ober-
baumbrücke und schlängelt sich auf etwa drei Meter hohem Eisenbau,
der in der Regel die Mitte der Straßenzüge innehält, bis zur Mitte
des Südens. Ich will nicht behaupten, daß sie gerade zum Schmuck
der Straßen dient, trotzdem die Erbauer das möglichste getan haben,
sie dem Auge angenehm zu machen und die sehr zweckmäßig gebauten
kleinen Bahnhöfchen hübsch herauszuputzen. Aber die Bahn hat einen
bedeutenden Vorzug vor der Stadtbahn, an die sich der Berliner ge-
wöhnt hat. Das Geräusch der fahrenden Züge ist, dank dem elektrischen
Betriebe und dank der ganzen Bauart, die den Schall möglichst mildert,
so gering, daß kaum irgend jemand wesentlich belästigt wird. Die
Stadtbahn mit ihrem Lokomotivbetrieb und ihren langen Zügen ist ein
wahrer Grobian der Hochbahn gegenüber.
Solch ein Hochbahnzug sieht schon ganz anders aus, hat etwas viel
Zutraulicheres als ein gewöhnlicher Eisenbahnzug. Er besteht in der
Regel nur aus drei sehr schmucken, bequemen Wagen; in der Mitte läuft
ein purpurn leuchtender für die Ii. Klasse, vorn und hinten ein gelber
für die Iii. Klasse. Die beiden Wagen Iii. Klasse haben an beiden
Enden einen Führerstand, so daß der Zug, ohne umgesetzt zu werden,
in beiden Richtungen fahren kann. Vom Führerstand aus wird durch
einen Gleitschuh der elektrische Strom von der dritten Schiene jedes
Geleises abgenommen, die dicht neben einer der beiden andern liegt. Sie
ist gut geschützt, und das Publikum kann mit ihr in keine Berührung
kommen. Sonst möchte man ihm doch zurufen: „Bitte, nicht anfassen!"
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25. Der Mensch als Schöpfer der Kulturlandschaft.
Von Hlfred Kirchhofs.
Mensch und Erde. 2. Auflage. Leipzig 1905. 8. 59.
mehr sich die wirtschaftliche Kultur eines Volkes hebt,
und je mehr sich dessen Zahl steigert, desto viel-
seitiger spiegelt das von ihm bewohnte Land seine
Tätigkeit wider, indem zuletzt wenig mehr übrigbleibt
von dessen ursprünglichem Antlitz als das Relief
des Bodens. Das großartigste Schauspiel fast ur-
plötzlicher Umwandlung von Wildland in Kulturland
haben uns im Laufe der Neuzeit Nordamerika und Australien geboten.
Während noch im vorigen Jahrhundert das große Viereck der Ver-
einigten Staaten von heute im Ostdrittel bis über den Mississippi
hinaus von prachtvollen, bunt gemischten Wäldern rauschte, im ebenen
Mitteldrittel, das allmählich zum hochgelegenen Fuß des Felsengebirges
ansteigt, ein Gräsermeer sich ausbreitete, das nur dem Wild zustatten kam,
donnerartig durchdröhnt vom tausendfältigen Hufschlag der Büffel, und
dann die kahle Hochlandwüste folgte, die Stätte der ungehobenen Gold- und
Silberschätze, — ist jetzt der Wald ungefähr wie bei uns in Deutschland
ans etwa ein Viertel der Gesamtfläche eingeschränkt worden. Goldene
Weizenfelder wogen an Stelle der Steppengräser, die größten Mais- und
Baumwollenernten der Welt spendet der nämliche Boden, der vordem öde
Wildnis war; ans zahllosen Gruben fördert man Eisenerz und Kohlen
samt Erdöl an den Alleghanies, in deren Umgebung wahre Wälder von
rauchenden Schornsteinen die Jndustriebezirke kennzeichnen; der zentrale
Riesenstrom ist gebändigt, daß er bis zum Meer die größten Flnßdampfer
gehorsam auf seinem Rücken dahingleiten läßt; das großartigste Netz von
Eisenbahn- und Kanallinien verflicht das Mississippital mit der Atlantischen
Küste wie mit den Kanadischen Seen, wo Chicago als ein Seehafen mit
Weltverkehr mitten im Kontinent zu einer Millionenstadt erwuchs; selbst
durch die vorher in Todesschweigen liegenden Jagdgründe der Indianer
des fernen Westens zieht das Dampfroß schrillen Pfiffs seine Eisen-
straße zum wirtschaftlichen Zusammenschmieden der früher kaum sich
kennenden atlantischen und Südseefront; die weiße Kalkwüste an: blauen
Salzsee von Utah ist durch künstliche Bewässerung in ein grünes Garten-
gefilde verwandelt; Nevada nebst Kalifornien schütten ihre Milliarden ans,
wo vorher kaum ein paar streifende Horden von Rothäuten ein kümmer-
liches Dasein fristeten; San Franzisco erstand in 50 Jahren aus dem
Nichts zur stolzen Königin der Westküste, ein strahlendes Gegenüber zu
New Jork, der Beherrscherin des Ostens, dieser volkreichsten Stadt der
Welt nächst London, wo vormals an der Hudsonmündnng die Wigwams
eines Jndianerdörfchens standen.
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Extrahierte Personennamen: Hlfred_Kirchhofs
Extrahierte Ortsnamen: Wildland Nordamerika Australien Ostdrittel Deutschland Chicago Utah Nevada San_Franzisco London
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und zur Verpflanzung in eil! anderes Land gegangen; aber alle die nach
West- und Südeuropa ausgesandten Eroberungs- und Kolonisationsscharen
sind gestorben und verdorben. Und so liegen denn auch heute die Sitze
der Deutscheu nicht gar viel anders als zu der Zeit, wo Tacitus ihnen
Weichsel und Rhein zu Grenzen gab, und wo sie für die spätern Römer
zwischen Alpen und Nordsee saßen. Es liegt etwas Großes, Beherzigens-
wertes in dieser Beständigkeit, die nach allen Ausbreitungen in die alte
Schwerpunktslage zurückkehrt. Es ist auch eine tröstliche Lehre, die Deutsche
nicht vergessen sollten, daß das Leben ihres Volkes immer am gesundestem
war, wenn es fest dieses sein altes Gebiet zusammenfaßte. Wenn Italien,
Spanien, Frankreich, als von der Natur selbstumgrenzte Länder, sich seit
vielen Jahrhunderten wesentlich in derselben Lage und Größe erhalten
haben, so liegt darin kein Verdienst; daß aber die Deutschen ihren alten
Boden behauptet und immer wieder erworben haben, ist ein Werk der
Kraft und Ausdauer, auf das sie stolz sein können.
Mit seiner Zugehörigkeit zur Alten Welt steht Deutschland in der
Reihe der Länder, die als alte den jungen Gebilden des Westerdteils
gegenüberstehen. Es trägt daher im Vergleich zu diesen die Merkmale
der Reife, aber auch die Zeichen des Alters. Es ist ein Land der alten
Geschichte, der geschichtlichen Landschaften, des dicht besetzten Bodens,
zahlreicher Städte, der starken, ununterbrochenen, längst zur Notwendigkeit
gewordenen Auswanderung.
Deutschland hat mit den andern Ländern ähnlicher Lage und Ge-
schichte in West- und Mitteleuropa gemein, daß man seine Bedeutung
weniger in der Weite seines Raumes als in der Zahl, Tätigkeit und
Bildung seiner Bevölkerung suchen muß. Dabei ist es sehr wichtig, daß
die natürliche Gliederung dieses Teils von Europa die Bildung mehrerer
Staaten begünstigte, die in dem Wettstreit um Macht zu ähnlicher Größe
herangewachsen sind. Dadurch entstand das, was die Politiker das
europäische Gleichgewicht nennen. Wichtiger scheint uns, daß die Ähnlich-
keit der Machtstellung die Völker, in deren Mitte Deutschland liegt,
ebenso wie die Deutschen selbst, zwingt, danach zu streben, daß ihre
Kräfte nicht erlahmen.
Deutschland ist umgeben von drei Großstaaten: Rußland, Österreich-
Ungarn, Frankreich, von drei kleineren Königreichen: Holland, Belgien
und Dänemark, und von der Schweiz und Luxemburg. In Freud und
Leid hat es die Folgen davon zu empfinden gehabt, daß es so das
nachbarreichste Land Europas ist. Wenn sich die Nachbarn befehdeten,
fochten sie ihre Streitigkeiten am bequemsten auf dem Boden aus, der sie
trennte; vertrugen sie sich dann wieder, so lag es nahe, daß sie einander
Zugeständnisse auf Kosten dieses Bodens machten, den sie fast schon wie
ein gemeinsames „Niemandsland" ansahen. Im weiten Umkreis Europas
gibt es kein Volk, von den Spaniern bis zu den Mongolen und von den
P o rger-Wolff, Lesebuch für Knaben-Mittelschulen. V. Hessen-Nassau. 33
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