15. Die soziale Gesetzgebung.
45
dem Unternehmer zur Last fallende Erhöhung des Krankengeldes von y2
ans 2/3 des durchschnittlichen Tagelohnes ein. Außer den Kosten der
Heilung wird dem Verletzten eine Rente gewährt, die bei völliger Hilf-
losigkeit dem vollen Jahresverdienst gleichkommt und sich im übrigen nach
dem Grade der Erwerbsunfähigkeit abstuft; bei völliger Erwerbsunfähig-
keit beträgt sie 2/3 des Jahresverdienstes; an ihre Stelle kann freie Ver-
pflegung in einer Heilanstalt treten. Im Falle der Tötung wird den
Hinterbliebenen als Sterbegeld V15 des Jahresverdienstes, jedoch mindestens
50 Mark und eine Rente gewährt, die für die Witwe ein Fünftel und
für jedes Kind unter 15 Jahren ein weiteres Fünftel, jedoch im ganzen
nicht mehr als drei Fünftel des Jahresverdienstes beträgt. Auch Ver-
wandte in aufsteigender oder absteigender Linie, die der Verstorbene unter-
hielt, erhalten ein Fünftel des Jahresverdienstes. Die Kosten der Unfall-
versicherung werden durch jährliche Umlagen auf die Mitglieder der Bernfs-
genossenschaft im Verhältnis der in ihren Betrieben verdienten Gehälter
und Löhne und der festgesetzten Gefahrentarife aufgebracht. Für solche
Genossenschaften, die leistungsunfähig werden, tritt das Reich ein. Zn
der gewerblichen Unfallversicherung ist eine landwirtschaftliche und See-
unfallversicherung getreten. Die Unfallversicherung, in der (die Doppel-
versicherungen abgerechnet) beinahe 23 Millionen Menschen versichert waren,
versorgte im Jahre 1910 mehr als 1 Million Verletzte, dazu 82000 Witwen
und über 100000 Kinder mit einem Aufwand von mehr als 164 Millionen
Mark. Von 1885 bis 1909 haben die Arbeitgeber mehr als 2 Milliarden
an Beitrügen aufgebracht. Das vorhandene Vermögen betrug im Jahre 1909
beinahe 511 Millionen Mark.
Die Invalidenversicherung ist notwendig, da die Kranken- und
Unfallversicherung nur einen Teil der dem Arbeiter drohenden Notstände
beseitigen. Für Erwerbsunfähigkeit, die durch Krüfteabnahme infolge von
Siechtum, Gebrechen oder hohem Alter verursacht wird, bieten sie keine
Hilfe. Diesen Notständen wird durch die Invalidenversicherung abgeholfen.
Sie umfaßt alle männlichen und weiblichen Lohnarbeiter, Gesellen, Lehr-
linge, Dienstboten und Schiffer vom 16. Lebensjahre ab sowie alle gegen
Entgelt beschäftigten Privatbeamten, Lehrer, Techniker und kaufmännischen
Angestellten, sofern ihr Gehalt 2000 Mark nicht übersteigt. Bei höherem
Verdienst bis zu 3000 Mark ist diesen Angestellten und Gewerbetreibenden
freiwillige Teilnahme erlaubt, sofern sie nicht über 40 Jahre alt sind; auch
können Versicherte beim Aufhören der Pflicht die Versicherung fortsetzen
oder erneuern. Versicherungsfrei sind Staats- und Gemeindebeamte, denen
ein Anspruch auf Ruhegehalt sowie Witwen- und Waisenversorgung zu-
steht, ferner Personen des Soldatenstandes, Beamte und Lehrer, die zu
ihrer Berufsausbildung gegen Entgelt beschäftigt werden.
Die Höhe der Beitrüge richtet sich nach dem Durchschnittseinkommen.
Danach sind 5 Lohnklassen aufgestellt von 350 Mark Höchsteinkommen in
der untersten bis zu 1150 Mark Mindesteinkommen in der obersten Klasse.
Die Beiträge, welche wöchentlich durch Aufkleben einer Marke auf eine
tfísf
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
12
Ii. Der Preußische Staat.
das Kgl. Hausministerium), besonderer strafrechtlicher Schutz (Strafgesetz-
buch tz 394—97) und für die großjährigen Prinzen Anspruch auf einen
Sitz im Herrenhause. Dieselben Vorrechte haben die Standesherren, d. h.
die ehemals reichsunmittelbaren Fürsten und Grafen, doch ist die Freiheit
von der Staatseinkommensteuer gegen Entschädigung aufgehoben.
3. Das Staalsministerium und die übrigen Zentralbehörden.
Die Minister sind die verantwortlichen Berater des Königs und
bilden die Zentralverwaltungsbehörde des Staates. Die älteste derartige
Behörde war der vom Kurfürst Joachim Friedrich 1604 eingesetzte Ge-
heime Rat. König Friedrich Wilhelm I. begründete 1723 das General-
oberfinanz-, Kriegs- und Domänendirektorinm, das unter dem Vorsitz des
Königs tagte und in fünf Departements zerfiel, deren Zuständigkeit teils
nach Gegenständen, teils nach Provinzen abgegrenzt war. Daneben wurde
zur schnelleren Erledigung gewisser Geschäfte ein bureaumäßig eingerichtetes
Kabinettsministerinm geschaffen; ein Überrest davon ist das Militär- und
das Zivilkabinett, welche die persönlichen Angelegenheiten bearbeiten; zu
ihnen ist noch das Marinekabinett getreten.
Eine durchgreifende Änderung brachten die Stein-Hardenbergschen
Reformen der Jahre 1808—1810, die im Grunde noch heute maßgebend
sind. Die Geschäfte wurden, um der Verwaltung größere Einheit zu ver-
leihen, lediglich nach Gegenständen verteilt und einzelnen Ministern über-
tragen. Ursprünglich gab es fünf Ministerien: für Auswärtiges, Krieg,
Justiz, Finanzen und Inneres; ihre Zahl ist jetzt durch Abzweigungen
von dem Ministerium des Innern auf neun gestiegen. Es sind folgende:
1. Das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten,
zugleich Auswärtiges Amt des Deutschen Reiches.
2. Das Kriegsministerium. Der preußische Kriegsminister ver-
waltet die Angelegenheiten des preußischen Heeres und der mit ihm ver-
bundenen Kontingente. Die Rechnung wird auf Kosten des Reiches geführt.
3. Das Justizministerium, die oberste Justizverwaltungsbehörde;
eine Einwirkung auf die Rechtsprechung steht ihm nicht zu.
4. Das Finanzministerium, in welchem das Etats- und Kasten-
wesen, die direkten und indirekten Steuern bearbeitet werden. Auch die
Generalstaatskasse, die Königliche Seehandlung (Preußische Staatsbank),
die Hauptverwaltung der Staatsschulden und die in der Not des Sieben-
jährigen Krieges gegründete Staatslotterie sind diesem wichtigen Mini-
sterium untergeordnet. Mit dem Finanzminister müssen sich die übrigen
Minister in betreff des Haushaltplanes ihres Geschäftskreises verständigen.*)
*) Die Einnahmen und Ausgaben Preußens belaufen sich im Jahre 1912 auf
beinahe 41/2 Milliarden Mark. Die Staatseisenbahnen bringen einen Reinertrag von
226 Millionen, die direkten Steuern beinahe 400 Millionen, die Zölle und indirekten Steuern
über 70 Millionen, die Domänen, Forsten und Bergwerke etwa 90 Millionen. Die preu-
ßische Staatsschuld beläuft sich auf mehr als 9 Milliarden Mark, die 390 Millionen zur
Verzinsung und Tilgung erfordern; ihr steht der Besitz des Staates an Eisenbahnen,
Domänen, Forsten, Bergwerken und Salinen mindestens ausgleichend gegenüber.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T35: [König Bismarck Wilhelm Kaiser General Minister Stein Berlin Graf Moltke], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]
Extrahierte Personennamen: Joachim_Friedrich Friedrich Friedrich Wilhelm_I.
18
Ii. Der Preußische Staat.
Die meisten Städte haben Schulden, denen jedoch entsprechende Wert-
objekte, wie Grundbesitz, Elektrizitätswerke, Straßenbahnen, Schlachthäuser,
Gasanstalten und Wasserwerke, gegenüberstehen.
Städte, die mehr als 25000 Einwohner (in Westfalen 30000, in
der Rheinprovinz 40000) haben, können aus dem Kreise ausscheiden und
einen eigenen Stadtkreis bilden. Die Oberbürgermeister der größeren
Städte können auf Vorschlag in das Herrenhaus berufen werden.
Die Landkreise umfassen eine Anzahl von Gemeinden. Der oberste
Beamte ist der Königliche Landrat (s. o. S. 15), der zugleich die Selbst-
verwaltung des Kreises leitet. Die Vertretung der Kreiseingesessenen ist
der Kreistag, der über die Kreisangelegenheiten berät und beschließt.
Die Zahl seiner Mitglieder richtet sich nach der Bevölkerungszahl; sie
werden zu je einem Drittel von den zum Kreise gehörigen Städten, den
Landgemeinden und den größeren Grundbesitzern auf sechs Jahre gewählt.
Die laufende Verwaltung führt unter dem Vorsitze des Landrats der
Kreisausschuß, der ans sechs vom Kreistage aus sechs Jahre gewählten
Mitgliedern besteht und das Verwaltungsgericht erster Instanz bildet. Die
Bedürfnisse des Kreises (Ban und Unterhaltung von Straßen und Brücken,
Wohltätigkeits-, Besserungs-, Unterrichts-, gewerbliche und landwirtschaft-
liche Einrichtungen) werden durch Kr eis steuern bestritten, die in einem
bestimmten Prozentsatz von der Grund- und Gebäudestener, Gewerbesteuer
und Einkommensteuer der Kreiseingesessenen erhoben wird. Viele Kreise
unterhalten auch Sparkassen, die einen erheblichen Gewinn abwerfen.
Der weiteste Kreis der kommunalen Selbstverwaltung ist die Provinz,
deren Vertretung der Provinziallandtag ist. Die Mitglieder werden
von den Vertretungen der Stadt- und Landkreise der Provinz im Ver-
hältnis zu der Einwohnerzahl auf sechs Jahre gewählt.
Die Verwaltung führt der Provinzialansschuß, welcher aus 7—13
vom Provinziallandtage gewählten Mitgliedern besteht; das ausführende
Organ ist der Landesdirektor oder Landeshauptmann, der vom
Provinziallandtag auf 6—12 Jahre gewählt und vom König bestätigt
wird. Der Provinz fallen alle diejenigen Aufgaben zu, welche über die
Kräfte der einzelnen Kreise hinausgehen und für die ganze Provinz von
Bedeutung sind, wie Bau und Unterhaltung der durchgehenden Straßen
(Chausseen), das Landarmenwesen, Wohltätigkeits- und Irrenanstalten,
milde Stiftungen, Fürsorge für verwahrloste Kinder, Taubstumme, Blinde
und Blödsinnige, Feuerversicherung, Landesaufbesserung und landwirt-
schaftliches Unterrichtswesen, Kunst und Wissenschaft (Provinzialmuseen).
Mit der Berufung von Provinzialständen begann in Preußen 1823 ver-
fassungsmäßiges Leben. Der 1847 nach Berlin berufene „Vereinigte
Landtag" bestand aus den acht Provinziallandtagen.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
Extrahierte Ortsnamen: Westfalen Rheinprovinz Berlin
7. Rechte und Pflichten der Staatsbürger.
23
Steuerzuschlag für die Beamten nicht mehr als 125 v. H. betragen; ein
höherer Satz darf nur von seinem Privateinkommen, nicht von seinem Ge-
halt erhoben werden. Außerdem ist nach der Miquelschen Steuerreform
den Gemeinden die Gewerbe-, Grund- und Gebändesteiler zur Nutzung über-
wiesen. Auch die kirchlichen Gemeinschaften erheben besondere Steuern,
die in Prozenten nach der Staatseinkommensteuer berechnet werden.
Weniger fühlbar als die direkten sind die indirekten Stenern,
d. h. Verbrauchs- und Verkehrsstenern. Preußen erhebt eine allgemeine
Stempelsteuer, die bei Abschluß von Kauf-, Tausch- und Mietverträgen, bei
Stiftungen, Schuldverschreibungen, Versicherungen usw. entrichtet wird.
Der Wechsel- und Börsenstempel sowie der Spielkartenstempel sind Steuern
des Reiches, dem auch alle andern indirekten Steuern überlassen sind.
Welche Rechte stehen nun diesen mannigfachen Pflichten gegenüber?
Darauf antwortet der Titel 2 der Preußischen Verfassung, der von den
Rechten der Preußen handelt.
Zunächst genießt der Staatsbürger für sich und seine Angehörigen
den Schutz der Person und des Eigentums gegen alle widerrechtlichen
Handlungen; d. h. der Staat verfolgt durch seine gerichtlichen Organe
die Urheber solcher Handlungen, hält sie, wenn möglich, zum Ersatz an
und vollzieht an ihnen die gesetzmäßige Strafe. Der Staat sichert die
Person und das Eigentum seiner Angehörigen auch im Auslande durch
seine Gesandten und Konsuln, die ihren Landsleuten in allen Arten von
Rechtsgeschäften zur Seite stehen. Dabei gilt kein Ansehen der Person:
alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich; Standesvorrechte finden
nicht statt. Die öffentlichen Ämter sind für alle dazu Befähigten gleich
zugänglich. Der Adel hat noch die Befugnis der Führung von Titel
und Wappen; seine Bedeutung ist aber nur eine gesellschaftliche.
Nach Art. 5 der Verfassung ist die persönliche Freiheit gewähr-
leistet, d. h. sie darf weder durch irgendeine Form der Hörigkeit noch
durch willkürliche Verhaftung beschränkt werden. Verhaftungen dürfen
nur auf Grund richterlichen Erkenntnisses vorgenommen werden. Wenn
die Polizei sich genötigt sieht, zur Aufrechthaltung der Ordnung oder
aus andern Gründen eine Verhaftung vorzunehmen, so muß sie entweder
den Verhafteten nach Feststellung seiner Person entlassen oder ihn binnen
24 Stunden dem Untersuchungsrichter vorführen.
In Frankreich konnten zur Zeit des absoluten Königtums Unschuldige
durch eine lettre äe eneiiet hinter den Mauern der Bastille verschwinden;
in Deutschland wurden Männer wie Schubart und Moser jahrelang auf
dem Hohenasperg und Hohentwiel auf ein Machtwort des Fürsten hin
eingekerkert. In England sicherte sich das Parlament gegen die Willkür des
Königs durch die Habeas-Corpns-Akte (1679).
Ferner ist die Wohnung unverletzlich. Das Eindringen in die-
selbe, Haussuchungen und Beschlagnahme von Papieren sind nur in den
gesetzlich bestimmten Fällen zulässig. Dasselbe gilt von dem Brief-
geheimnis. Ferner darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
Extrahierte Personennamen: Schubart Moser
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Deutschland Hohenasperg England
10. Die Reichsfinanzen.
33
Kreuzerrechnung, wie lästig der Unterschied der verschiedenen Maß- und
Gewichtssysteme! Allem dem ist jetzt abgeholfen. Die Grundlagen des ein-
heitlichen Maß- und Gewichtssystems sind das von dem Erdumfang her-
genommene Meter und das Kilogramm mit dezimaler Teilung und
Vervielfachung. Auf dem Gebiete des Münzwesens herrscht die Gold-
währung, deren Rechnungseinheit die Mark bildet. Aus einem Pfund
Gold werden 1395 Mark an Wert geprägt. Auch hier ist das Dezimal-
system durchgeführt. Die Scheidemünze besteht ans Silber-, Nickel- und
Kupfermünzen. Der Gesamtbetrag der Silbermünzen darf 20 Mark, der
der Kupfer- und Nickelmünzen 2l/t Mark für den Kopf der Bevölkerung
nicht übersteigen. Mehr als 20 Mark braucht bei Zahlungen niemand
in Scheidemünze anzunehmen.
10. Die Reichsfinanzen.
Das alte Deutsche Reich ist hauptsächlich durch seine mangelhaften
Finanzen zugrunde gegangen. Die Haupteinnahmen des Königs waren
die Erträge der Königsgüter und die Regalien (nutzbare königliche Rechte,
wie Zölle, Marktrecht, Bergwerke, Münzrecht, Gerichtsgefälle und Bußen).
Beide Einnahmequellen kamen durch Schenkungen und Verleihungen all-
mählich in die Hände der Landesfürsten, und dem König oder dem Kaiser
als solchem blieb schließlich nur ein Einkommen von etwa 13000 Gulden.
Infolgedessen war er bei allen wichtigen Unternehmungen aus seine Haus-
macht und auf die finanzielle Hilfe der Landesfürsten angewiesen, die
diese nur zu gern versagten. Der unter Maximilian I. 1495 gemachte
Versuch, eine besondere Reichssteuer, den gemeinen Pfennig, einzuführen,
scheiterte klüglich, besonders an dem Mangel von Reichsbeamten, welche
die Steuer erheben konnten.
Seitdem bewaffnete sich das Reich nach der „Reichsmatrikel", in
welcher die Truppen der Einzelstaaten verzeichnet waren, denen es an jeder
gemeinsamen Ausbildung fehlte. Welche regel- und zuchtlose Gesellschaft
infolgedessen die sogenannte Reichsarmee war, ist ja bekannt.
Nach der Errichtung des neuen Deutschen Reiches war es deshalb
die Hauptsorge des großen Staatsmannes Bismarck, das Reich finanziell
zu sichern. Zunächst wurden die aus den Zöllen, den gemeinschaftlichen
Verbrauchssteuern und aus dem Post- und Telegraphenwesen fließenden
Einnahmen dem Reiche zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben
überwiesen. Insoweit diese durch die Einnahmen nicht gedeckt werden
konnten, wurden sie durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maß-
gabe ihrer Bevölkerung aufgebracht. Diese „Matrikularbeiträge" *), die sich
auf mehrere Hundert Millionen beliefen, wünschte Bismarck zu beseitigen,
damit das Reich nicht mehr „als lästiger Kostgänger oder mahnender
*) Von Matrikel (matricula) — Verzeichnis. Vgl. Immatrikulation = Einschrei-
bung in das Verzeichnis der Studierenden, Exmatrikulation — Löschung in dieser Liste.
Ruhpersberg, Staatslehre. 2. Aufl. 3
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten]]
34
Iii. Das Deutsche Reich.
Gläubiger" bei den Einzelstaaten herumgehe, sondern zu ihrem „frei*
gebigen Versorger" werde. Das von Bismarck erstrebte Reichstabaks-
monopol (d. h. das Recht der alleinigen Herstellung und des Vertriebs
des Tabaks durch das Reich), welches in den meisten europäischen Staaten
eingeführt ist und hier bedeutende Erträge abwirft sin Frankreich etwa
300 Millionen Fr.), wurde zwar im Reichstage mit Rücksicht auf die heimische
Tabakindustrie und die Belastung der ärmeren Bevölkerung („ba§ Pfeifchen
des armen Mannes") abgelehnt, aber eine Erhöhung der indirekten
Steuern und eine Vermehrung der Zölle, durch die die heimische Land-
wirtschaft und Industrie gegen den Wettbewerb des Auslandes geschützt
werden sollte, wurde beschlossen. Doch gelangte infolge der sogenannten
Frankensteinschen Klausel nur ein Teil dieser Erträge (130 Millionen Mark)
an das Reich; der Mehrbetrag wurde den Bundesstaaten im Verhältnis
zu den von ihnen entrichteten Matrikularbeiträgen überwiesen, während
diese Beitrüge selbst beibehalten wurden, aber nach dem jeweiligen Be-
dürfnis schwankten. Um diesem unklaren Verhältnis durch Beseitigung
der Matriknlarbeiträge ein Ende zu machen und dem steigenden Bedarf
des Reiches (Fehlbetrag 1909: 240 Millionen) zu genügen, war eine
Finanzreform unerläßlich. 500 Millionen Mehrertrag an Reichssteuern
schienen erforderlich. Da die indirekten Stenern hauptsächlich die minder-
bemittelten Klassen belasten, so wünschte man zum Ausgleich eine Steuer
einzuführen, die den Besitz treffen sollte. Zu diesem Zwecke wollte man
die 1906 eingeführte Reichserbschaftssteuer, welche die Anfälle an Nach-
kommen und Ehegatten freiläßt, zu einer Nachlaßstener erweitern, die
alle Erbfälle über 20000 Mark treffen sollte; doch dieser Vorschlag wurde
von der Mehrheit des Reichstages abgelehnt und dafür teils die alten
Verbrauchs- und Verkehrsstenern erhöht, teils neue eingeführt (Zigaretten-,
Leuchtmittel-, Zündwaren-, Fahrkarten-, Wechsel- und Scheckstener). Um
das finanzielle Verhältnis des Reiches zu den Einzelstaaten festzustellen
und diese vor plötzlich auftretenden Mehrfordernngen zu sichern, sind die
Matriknlarbeiträge nach Abzug der Überweisungen (180 Millionen Mark)
auf 481/2 Millionen Mark (80 Pfennig auf den Kopf der Bevölkerung)
festgesetzt. Den etwaigen Mehrbedarf hat das Reich ans eigenen Mitteln
zu decken. An der von den Gemeinden erhobenen Wertznwachssteuer hat
das Reich einen Anteil von 40^. Alle Einnahmen und Ausgaben des
Reiches werden in dem Reichshaushaltsetat zusammengefaßt und sind jähr-
lich dem Bundesrate und dem Reichstage zur Genehmigung vorzulegen.
Die Ausgaben des Reiches belaufen sich auf beinahe 3 Milliarden
Mark. Davon beansprucht das Reichsheer etwa 810 Millionen, die Kaiser-
liche Marine 450, der allgemeine Pensionsfonds 153, das Reichsschatzamt
205*), die Reichsschuldentilgung 280, die innere Verwaltung 90, die Reichs-
post- und Telegraphenverwaltung 644 Millionen.
*) Darunter 160 Millionen Überweisungen an die Bundesstaaten und 40 Millionen
Kapitalansammlung zur Durchführung der Witwen- und Waisenversorgung.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]
44
Iii. Das Deutsche Reich.
Wöchnerinnen erhalten nach 6 monatlicher Versicherung 8 Wochen lang
Wochengeld oder entsprechende Pflege. Auch wird ein Sterbegeld in
20—40facher Höhe des Durchschnittslohnes bezahlt. Die Krankenkassen
werden unter der Aufsicht der Behörde von den Mitgliedern verwaltet, die
einen Vorstand wählen. Auch Frauen haben dabei das aktive und passive
Wahlrecht. In den Leistungen der Kassen ist eine gewisse Freiheit gelassen,
die durch die Satzungen der einzelnen Kassen geregelt wird. Übertretungen
können mit Geldbuße oder Haft bestraft werden. Über Beschwerden ent-
scheidet das Versicherungsamt.
Es gibt jetzt im Deutschen Reiche über 23000 Krankenkassen mit bei-
nahe 14 Millionen Mitgliedern; demnach gehört mehr als ein Fünftel der
Bevölkerung des Reiches diesen Kassen an. Im Jahre 1910 wurden von
sämtlichen Krankenkassen mehr als 356 Millionen für Krankheitskosten
vergütet. Von 1885 bis 1909 sind für die Krankenversicherung einschließ-
lich der Verwaltungskosten über 4 Milliarden Mark ausgegeben worden,
während sich das Gesamtvermögen der Kassen im Jahre 1909 auf 286
Millionen belief.
Im Jahre 1884 wurde das Unfallversicherungsgesetz erlassen.
Das Haftpflichtgesetz vom Jahre 1871 hatte den Mangel, daß der Unter-
nehmer nur für solche Unfälle haftbar war, die durch sein oder seiner
Beamten Verschulden geschehen waren. Es traf also die Fälle nicht, in
denen ein Arbeiter durch eigenes Verschulden oder durch einen unglücklichen
Zufall zu Schaden kommt. Außerdem nötigte es den Betroffenen, die
Schuld des Arbeitgebers nachzuweisen, was in vielen Fällen gar nicht
möglich ist, und wirkte außerdem durch die Nötigung des Arbeiters zur
Klage gegen den Arbeitgeber ungünstig auf die gegenseitigen Beziehungen
ein. Das Unfallversicherungsgesetz dagegen versichert den Arbeiter schlechthin
gegen die Folgen der bei dem Betrieb sich ereignenden Unfälle. Dem
Versicherungszwang unterliegen jetzt alle Arbeiter, die in gefährlichen
Betrieben beschäftigt sind, und außerdem die Betriebsbeamten, wenn ihr
Einkommen 5000 Mark im Jahre nicht übersteigt. Versicherungsberechtigt
sind kleinere Unternehmer und die Betriebsstätte besuchende nicht ver-
sicherungspflichtige Personen. Für Körperverletzung oder Tötung beim
Betriebe wird dem Verletzten oder dessen Hinterbliebenen eine Entschädigung
gezahlt, falls dieser sich die Verletzung nicht vorsätzlich oder bei Begehung
einer Straftat zugezogen hat. Die Kosten der Versicherung fallen aus-
schließlich den Unternehmern zur Last, die zu diesem Zwecke sich zu
Berufsgenossenschasten vereinigt haben. Für streitige Fälle sind
Schiedsgerichte eingesetzt. Die oberste Aufsicht führt das Reichsver-
sicherungsamt, das zugleich die höchste Instanz bei Streitigkeiten ist.
Es besteht aus ständigen (Beamten) und 18 nicht ständigen Mitgliedern,
von denen 6 vom Bundesrate und je 6 von Arbeitgebern und Arbeit-
nehmern gewühlt sind.
Für die ersten 13 Wochen nach dem Unfall ist der Geschädigte ans
die Krankenkasse angewiesen; doch tritt bereits mit der fünften Woche eine
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt]]
15. Die soziale Gesetzgebung.
47
rente des Verstorbenen für eine Waise und für jede folgende dieser
Beträge. Waisenrenten allein dürfen nicht mehr als den einfachen, mit
der Witwenrente zusammen nicht mehr als den 1'/2 fachen Betrag der
Invalidenrente des Verstorbenen ausmachen. Als einmaliges Witwengeld
wird der zwölffache Monatsbetrag der Witwenrente und als Waisenaus-
steuer der achtfache Monatsbetrag der bezogenen Waisenrente nach Voll-
endung des 15. Lebensjahres gewährt. Das Reich gewährt zu jedem
Witwengeld einen Beitrag von 50 Mark und zu jeder Waifenausstener
162/g Mark.
Diese Beträge können durch freiwillige Zusatzversicherung noch erhöht
werden. Alle Versicherungspflichtigen und Berechtigten können Zusatz-
marken einer beliebigen Versicherungsanstalt im Werte von 1 Mark jeder-
zeit in beliebiger Anzahl in ihre Quittungskarte einkleben. Für jede solche
Zusatzmarke erhält der Versicherte als jährliche Zusatzrente sovielmal 2 Pf.,
als beim Eintritt der Invalidität Jahre seit Verwendung der Zusatzmarke
vergangen sind.
Diese Bezüge schützen den Erwerbsunfähigen vor der Not, und er
empfängt die Unterstützung nicht als ein Almosen, sondern als eine Leistung,
auf die er sich einen rechtlichen Anspruch erworben hat. Die Versicherung
erfordert jedenfalls bedeutende Aufwendungen. Die Invalidenversicherung,
der beinahe 16 Millionen Personen angehören, hat im Jahre 1910
196 Millionen Mark ausbezahlt, wozu das Reich 52 y2 Millionen bei-
gesteuert hat. Im ganzen hat das Reich von 1891 bis 1909 587 Milli-
onen zu der Invalidenversicherung zugeschossen, deren Gesamtleistungen in
dieser Zeit beinahe 2 Milliarden betrugen.
Für die gesamten Arbeiterversichernngen wurden 1910 794 Millionen
Mark aufgebracht, und zwar 428 Millionen von den Arbeitgebern und
366 Millionen von den Versicherten. Von 1885 bis 1909 sind insgesamt
beinahe 8 Milliarden an Unterstützungen für Arbeiter oder deren Ange-
hörige ausgezahlt worden. Die Arbeiter haben 3 Milliarden mehr be-
kommen, als sie eingezahlt haben; das Vermögen der Arbeiterversicherung
beläuft sich auf 2'/2 Milliarden Mark. Die Löhne der Arbeiter sind seit
dem Jahre 1889 um 52 v. H. gestiegen, freilich ist die ganze Lebenshaltung
in denselben Jahren viel teurer geworden.
Zu den gesetzlich notwendigen Aufwendungen kommen noch die frei-
willigen Fürsorge-Einrichtungen der Arbeitgeber. Für diese sind in den
Jahren 1885 bis 1905 mehr als 550 Millionen Mark verwendet worden.
Es gibt keinen Staat in Europa, der nur annähernd so viel für seine
Arbeiterbevölkerung aufwendet wie das Deutsche Reich.
Durch das Arbeiterschutzgesetz von 1891 sind die Unternehmer
verpflichtet worden, alle erforderlichen Einrichtungen zur Sicherung von
Leben, Gesundheit und Sittlichkeit ihrer Arbeiter zu treffen. In den
Betrieben müssen die nötigen Sicherheitsmaßregeln vorgesehen werden, die
Sonntagsarbeit ist verboten oder doch möglichst beschränkt; die Arbeitszeit
der jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen ist geregelt; der Besuch von
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
2. Der König.
11
jährige Agnat (Verwandte aus der männlichen Linie) die Regentschaft.
Er hat sofort den Landtag zu berufen, der in vereinigter Sitzung über
die Notwendigkeit der Regentschaft beschließt.
Bei vorübergehender Verhinderung entscheidet das freie Ermessen des
Königs über seine Vertretung. Bei der Erkrankung des Königs Friedrich
Wilhelm Iv. im Jahre 1857 wurde sein Bruder Prinz Wilhelm zunächst
mit der Stellvertretung beauftragt; erst als das Leiden des Königs sich
als unheilbar herausstellte, übernahm er 1858 die Regentschaft.
Wenn kein volljähriger Agnat vorhanden und nicht bereits vorher gesetz-
liche Fürsorge für diesen Fall getroffen ist, so beruft das Staatsministerium
den Landtag, welcher in vereinigter Sitzung einen Regenten erwählt. Bis
zum Antritt der Regentschaft führt das Staatsministerium die Regierung.
Der Regent übt die dem Könige zustehende Gewalt in dessen Namen
ans. Er schwört vor dem Landtag denselben Eid, den der König nach
seinem Regierungsantritt leistet. Bis zu der Eidesleistung bleibt das
Staatsministerium für alle Regierungshandlungen verantwortlich.
Zur Bestreitung seiner Hofhaltung ist dem König ein bestimmtes
Einkommen (die sogenannte Zivilliste) von Staats wegen sichergestellt.
Die Hauptquelle des landesherrlichen Einkommens waren ursprüng-
lich die Krongüter oder Domänen, die teils Privatgüter der fürstlichen
Familie (Schatullengüter), teils Staatseigentum (Domänen) waren. Da
beides nicht streng geschieden wurde, kam es darüber vielfach zu Streitig-
keiten zwischen den Landesherren und den Stünden. 1718 wurde von
Friedrich Wilhelm I. der Unterschied zwischen beiden aufgehoben und
beide für unveräußerlich erklärt. In Preußen überwies das Landrecht
von 1794 das Eigentumsrecht an den Domänen dem Staate, die Nutzung
aber dem Landesherrn. Bei der Regelung des Staatsschuldenwesens im
Jahre 1820 wurde dem Kronfideikommiß*) eine Rente von 2500000 Tlr.
Gold — 7719296 Mk. aus den Domänen überwiesen. Diese Krondotation
wurde 1859 um 500000 Tlr., 1868 um 1 Million Tlr., 1889 um
3500000 Mk. und 1910 mit Rücksicht auf die selbständigen Hofhaltungen
der Prinzen um 2 Millionen Mk. erhöht, so daß sie jetzt 17 719296 Mk.
beträgt. Dazu kommt ein Zuschuß von 1500000 Mk. für die Unter-
haltung der königlichen Theater. Außer dem Kronfideikommiß bezieht
der König und seine Familie Einkünfte aus dem von König Friedrich
Wilhelm I. begründeten Hausfideikommiß, dem von Friedrich Wilhelm Iii.
gestifteten Prinzlichen Familienfideikommiß und dem von demselben König
ersparten Krontresor von 5 Millionen Tlr.
Dem Kronfideikommiß fällt auch die kostspielige Unterhaltung der
zahlreichen königlichen Schlösser, Parks und Gärten zu. Die Verwaltung
der königlichen Einkünfte untersteht dem Minister des Königlichen Hauses.
Besondere Vorrechte der Mitglieder des Königlichen Hauses sind
Freiheit von Steuern (außer Verbrauchssteuern) und Einquartierungslast
sowie ein bevorzugter Gerichtsstand (durch den Geheimen Jnstizrat und
*1 Fideikommiß ist ein unveräußerlicher Besitz.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T64: [Vater Sohn Jahr Tod Mutter Regierung König Kind Heinrich Bruder], T157: [Friedrich Wilhelm Iii Kaiser König Karl groß Preußen Kurfürst Jahr]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich Wilhelm Wilhelm Friedrich Wilhelm_I. Friedrich Wilhelm_I. Friedrich_Wilhelm_Iii Friedrich Wilhelm
5. Die Selbstverwaltung.
17
Bürgerschaft in drei nach den Steuersätzen geschiedenen Abteilungen auf
sechs Jahre gewählt werden. Alle zwei Jahre scheidet ein Drittel der
Stadtverordneten aus, kann aber wiedergewählt werden. Die Hälfte der
von jeder Abteilung zu wählenden Stadtverordneten muß aus Hausbe-
sitzern bestehen. Staatliche Anfsichtsbeamte, Gemeindebeamte, Geistliche,
richterliche Beamte, Beamte der Staatsanwaltschaft und Polizeibeamte
dürfen nicht Mitglieder der Stadtverordneten-Versammlung sein, damit kein
Widerstreit der Pflichten und Interessen eintritt. Auch dürfen Vater und
Sohn sowie Brüder nicht zugleich Stadtverordnete sein. Wahlberechtigt
ist jeder selbständige Preuße, der mindestens 24 Jahre alt ist, seit einem
Jahre seinen Wohnsitz in der betreffenden Stadt hat, im Besitz der bürger-
lichen Ehrenrechte ist, keine öffentliche Armenunterstützung genießt und
im Stadtbezirk entweder ein Wohnhaus besitzt oder Grund- und Gebäude-
steuer im Mindestbetrage von 6 Mk. entrichtet oder ein Einkommen von
mehr als 660 Mk. bezieht. Aktive Militürpersonen gehören nicht zur
Stadtgemeinde. Jeder stimmfähige Bürger ist verpflichtet, ein unbesoldetes
Gemeindeamt mindestens drei Jahre lang zu versehen. Wenn er sich
ohne triftigen Grund dessen weigert, so kann er durch die Stadtverordneten
auf drei bis sechs Jahre des Bürgerrechtes verlustig erklärt und stärker
zu den Gemeindeabgaben herangezogen werden. Die Stadtverordneten-
Versammlung kann ans Antrag des Staatsministeriums durch königliche
Verordnung aufgelöst werden. In diesem Falle besorgt bis zur Ein-
führung der binnen sechs Monaten neu zu wählenden Stadtverordneten
der Bezirksausschuß deren Geschäfte.
Die städtische Verwaltung hat außerordentlich wichtige Aufgaben.
Die gesamten Volksschulen werden von den Gemeinden unterhalten;
die Volksschnllehrer werden auf Vorschlag der städtischen Schuldeputation
von der Regierung angestellt. Viele Städte unterhalten auch höhere
Schulen, zum Teil mit staatlicher Unterstützung. Ferner fällt die Armen-
pflege den Gemeinden zu. Ununterbrochener zweijähriger Aufenthalt
an einem Orte begründet den Anspruch auf Armenunterstützung (Unter-
stützungswohnsitz). Ferner haben die städtischen Verwaltungen die Straßen
innerhalb des städtischen Weichbildes instand zu halten, Kanäle und
Wasserleitungen sowie Schlachthöfe anzulegen, im Bedarfsfälle auch Kranken-
und Siechenhäuser zu bauen. Viele Städte haben eigene industrielle An-
lagen, wie Gasanstalten, Elektrizitätswerke, Straßenbahnen, und erzielen
daraus erhebliche Einnahmen. Weitere Einnahmen der Städte sind:
1. Einnahmen aus eigenem Vermögen (Grundbesitz).
2. Zuschlüge zu der staatlichen Einkommensteuer.
3. Die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer.
4. Verschiedene Steuern, wie Warenhausstener, Schankkonzessions-
steuer, Biersteuer, Wanderlagersteuer, Hundesteuer, Lustbarkeitssteuer,
Jmmobilien-Umsatzstener, Wertzuwachssteuer.
Ruppersberg. Staatslehre. 2. Aufl.
2
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]