243
Nach und nach bildeten sich hier im nördlichen Deutschland mehre -
Handelsstädte, besonders Lübeck und Hamburg. Jene ward seit 1200 1200
das Haupt aller Städte an der Ostsee: und diese war im Besitz des
inländischen Verkehrs mit den westlichen Ländern. Sie handelten be-
sonders mit deutschen Produkten: Holz zum Schiffbau und zur Feuerung,
kostbarem Pelzwerk, Leder, Seife, Wachs, Honig, auch mit Pferden.
Dann waren die Sachsen und Friesen durch ihre Leinwand berühmt,
und wie Karl der Große den arabischen Fürsten nichts Schöneres zu
schenken wußte, als deutsche Weberarbeiten, so läßt sich leicht denken,
daß die Kaufmannsstädte unter den Sachsen einen nicht unbedeutenden
Handel auch hiermit getrieben haben, und daß wiederum der Gewinn,
welchen der Weber und die Spinnerin von ihrer Arbeit hatten, den
Kunstfleiß der Norddeutschen reizte.
Was aber den Handel störte, war Mangel an Sicherheit auf
Reisen. Nicht allein Räuberbanden griffen an und plünderten, sondern ^
selbst die Ritter hielten es nicht für entehrend, von ihren Raubschlössern
herab reisende Fuhrleute zu überfallen und auszuplündern, oder reich
beladene Schiffe auf offenem Strome anzuhalten. Und auf der Ost-
und Nordsee war man nicht vor den dänischen und normännischen
Schiffen sicher, die dort auf gleiche Weise, wie die Ritter auf dem
festen Lande, raubten und plünderten. Um sich gegen solche gewalt-
same Plünderungen zu schützen, schlossen Lübeck und Hamburg um
1241 ein Bündniß mit einander. Bündniß aber oder Gesellschaft 1241
hieß in der alten Sprache Hansa (ein Bundesgenoß oder Gesell Hans,
wie noch jetzt im Dänischen Hans der Seinige, das Seinige bedeutet);
daher sagt man, dies sei der Anfang der berühmten Hansa, wiewohl
in jener Zeit der Name noch nicht vorkömmt, auch später der Haupt-
zweck der eigentlichen Hansa Erweiterung des auswärtigen Handels
war. Beide Städte sollten Schiffe rüsten und Soldaten bewaffnen,
um die Landstraße zwischen der Trave und Elbe und die Gewässer
von Hamburg bis in die Nordsee zu sichern. Später schlossen mehrere
Städte zu ähnlichem Zwecke sich an: Braunschweig, Bremen, Wismar,
Rostock, Stralsund, Greifswalde und andere; es wurde so viel Mann-
schaft zusammengebracht, daß die Land- und Wasserstraßen zwischen
den Hansastädten völlig gesichert werden konnten; und um 1300 zählte
der Bund über 00 Städte vom Niederrhein an bis nach Preußen und
Liefland. Köln am Rhein gehörte dazu; Salzwedel in der Altmark,
welches in lebhaftem Handelsverkehr mit Hamburg und Lübeck stand;
es lieferte vorzüglich den Waid, ein Färbekraut, dessen Blätter blau
färben, Torf, Hopfen und Bier; denn die märkischen Biere waren be-
rühmt, und selbst die Markgrafen von Brandenburg legten sich Hopfen-
gärten an. Auch wurden in der Mark viele Tücher, Hüte, Strümpfe
und Rasche gewebt, die meist nach Hamburg und Lübeck gingen. Ferner
waren berühmte Hansastädte Stettin, Thorn, Danzig, Königsberg,
Riga, Reval, Narva. Sie bildeten zusammen einen Kriegsstaat, der
ganze Heere zu See- und Landschlachten aufstellen konnte, der mit
anderen Staaten Bündnisse schloß und sich allen nördlichen See-
mächten furchtbar machte.^ Auswärtige bewarben sich um die Gunst
dieser deutschen Handelsstädte und räumten ihnen bequeme Stapel-
16*
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
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TM Hauptwörter (200): [T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T113: [Wein Seide Baumwolle Handel Zucker Kaffee Wolle Tabak Reis Getreide], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T119: [Fluß See Kanal Strom Lauf Wasser Land Ufer Mündung Elbe]]
Extrahierte Personennamen: Karl_der_Große Karl Hans
244
Plätze*) ein. Besonders erhielt die deutsche Hansa vier große Hauptnieder-
lagen zu Novgorod in Rußland, zu Bergen in Norwegen, zu Brügge in
Flandern und in London, dessen Handel sich damals aber mit unserem
Deutschen noch gar nicht vergleichen konnte. — Dieser für Deutschland
so wohlthätige Städteverein erhielt sich bis ins 16. Jahrhundert. Da
sing er an, sich aufzulösen, theils durch innere Streitigkeiten und durch
die Anmaßungen Einzelner, theils in Folge der neuentdeckten Handels-
wege, auf welchen die kostbarsten Produkte des Auslandes von anderen
Nationen, Portugiesen, Spaniern, Engländern, Holländern und Fran-
zosen nach Europa gebracht wurden, wodurch diese Nationen zugleich
eine so bedeutende Seemacht erlangten, daß sie die früher den Hansa-
städten zugestandenen Vorrechte aufheben und ihnen überhaupt den
Handel nach ihren Küsten wehren konnten.
Gewisser ist, daß man eine Zeit lang die ostindischen Waaren,
wahrscheinlich von der Wolga aus, über Land in den Lanais (Don), und
so in das schwarze Meer brachte. Von hier holten griechische Schiffe
sie nach Konstantinopel, und von dieser Hauptstadt des morgenländischen
Kaiserthums aus ward das griechische Reich und Italien mit Seide,
Baumwolle und Gewürzen versorgt. — Doch war auch dieser Weg
noch immer sehr langweilig und machte die Waaren sehr kostbar. Man
suchte daher jenen näheren über den persischen Busen wieder in Gang
zu bringen; und nachdem die Araber von ihren Kriegszügen ruheten,
kamen wieder die Waaren aus Indien zu Schiffe in den persischen
Busen, den Euphrat und Tigris hinauf nach Bagdad, dann auf Ka-
meelen nach den Handelsplätzen der syrischen Küste Aleppo, Tripoli
und anderen, und von hier holten die Italiener sie ab, besonders die
Venetianer, Genueser und Pisaner. — Daher waren den Italienern
die Kreuzzüge der abendländischen Christen gar nicht unwillkommen:
sie unterstützten dieselben vielmehr sehr thätig, thaten aber auch als
Kaufleute nichts umsonst. Sie wußten die eroberten Seeplätze sehr-
gut zum Nutzen ihrer Handlung zu gebrauchen und erhielten mehre
in Syrien und Palästina sogar zum Eigenthum, unter der Bedingung,
sie gegen die Heiden zu vertheidigen. Dies thaten sie indeß nur so
lange, als es ihrem Handel Vortheil brachte. Denn als Saladin sich
1175 zum Sultan in Aegypten erhob und den Befehl ertheilte, alle
Christen zu vertreiben, wußten die Genueser es dahin zu bringen, daß
sie davon ausgenommen wurden: sie versprachen, den christlichen Königen
von Jerusalem weiter keinen Beistand zu leisten.
Zugleich benutzten die Genueser die Kreuzzüge zur Beschränkung
des griechischen Handels. Sie gewannen sich Landungsplätze am schwar-
*) Stapelplatz, wo man Waaren aus Schiffen ausladet, entweder
um sie von da zu Lande oder in anderen Schiffen weiter zu führen, oder sie
zum Verkauf auszubieten. Und weil die Kaufleute gewöhnlich nach der
Messe ihre Waaren zum Verkauf ausstellten, weil sich in jenen Zeiten alter
Frömmigkeit nirgend in der Regel die Menschen aller Stande so zahlreich
beisammen fanden, als zu Gebet und heiliger Andacht; so nannte man jede
größere Versammlung von Kaufleuten, die Waaren zum Verkauf ausbot,
auch Messe.
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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TM Hauptwörter (200): [T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T186: [Stadt Insel Hauptstadt Tunis Handel Afrika Land Hafen Küste Algier], T126: [Land Handel Europa Meer Osten Zeit Westen Volk Deutschland Jahrhundert], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T113: [Wein Seide Baumwolle Handel Zucker Kaffee Wolle Tabak Reis Getreide]]
Extrahierte Ortsnamen: Norwegen Flandern London Deutschland Europa Konstantinopel Italien Indien Bagdad Aleppo Tripoli Syrien Palästina Jerusalem Stapelplatz
245
zen Meere, besonders auf der Halbinsel Krimm, zerstörten die Stadt
Theodosia, bauten sie wieder auf und nannten sie Kassa, welches die
Hauptniederlage ihrer Waaren wurde. Hier wußten sie die ostindischen
Waaren, welche während der Christenkriege in Palästina nicht so häufig
an die syrische Küste kamen, an sich zu ziehen und führten sie nun
auf ihren Schiffen nach Konstantinopel und dem übrigen Europa. Auch
erkannten die griechischen Kaiser bald den bedeutenden Vortheil, den
ihr Land und ihre Hauptstadt insbesondere von diesem Handelsverkehr
hatte, und begünstigten daher die Genueser durch mancherlei Vorrechte.
Diese aber danken es ihnen schlecht: sie betrugen sich fast immer feind-
selig gegen die Griechen, nahmen ihnen Länder und Städte; ja man
erzählt, daß sie die furchtbarsten Feinde der Christen, die Türken, über
die Meerenge von Konstantinopel gesetzt haben, um den Lohn der
Ueberfahrt zu verdienen. Wäre dies wahr, so hätte ihre Untreue sie
selbst gestraft. Denn die Türken eroberten nach und nach das ganze
griechische Kaiserthum, in Asien und Europa, und 1453 endlich auch 1453
die Hauptstadt Konstantinopel, wodurch dem morgenländischen Reiche
fast 1000 Jahre nach der Zerstörung des abendländischen (476) ein
Ende gemacht wurde. Hierauf aber wandten sich die Türken auch
gegen die Genueser; und bald nach der Eroberung Konstantinopels
wurde Kassa belagert, erobert, und die Genueser von allem Handel
auf dem schwarzen M^r? ausgeschlossen. Wie es scheint, hatte sich
der Zug der ostindischen Waaren hierher auch verloren; er müßte
wenigstens sehr unbedeutend gewesen sein, denn es werden in dieser
Zeit unter den Handelsartikeln vom schwarzen Meere her keine ostin-
dische Produkte weiter genannt*).
Auch hatten in der Zeit die Sultane Aegyptens den alten Weg
von Indien her wieder aufgefunden und die indischen Waaren zu"
Schiffe den arabischen Busen hinauf bringen lassen. Hier durften sie
nur eine kleine Strecke zu Lande bis an den Nil gebracht werden, und
so nach Alexandrien, von wo sie dann in das übrige Europe verbreitet
wurden. Da man die Waaren auf diesem Wege wohlfeiler liefern
konnte; so läßt es sich leicht denken, daß die anderen Handelswege,
seit dieser Weg häufiger gewählt wurde, sich nach und nach verlieren
*) Noch jetzt meint man Nachkommen ehemaliger Genuesischer Kolo-
nisten in dem großen festen Dorfe Kubescha, in den hohen Gebirgen Kau-
kasus zwischen dem schwarzen und kaspischen Meere zu finden. Die Ein-
wohner sind Mahomedaner, reden aber eine ganz eigene Sprache, treiben
wenig Ackerbau, und sind fast alle Künstler. Sie machen das beste Feuer-
gewehr, Säbel und Panzer, haben aus Kupfer gegossene Kanonen, und be-
sonders zeichnen sie sich aus durch ihre Gold- und Silberarbeiten. Es geht
unter ihnen die Sage, daß sonst hier Bergwerke gewesen, aus denen man
Silber, Kupfer und andere Metalle gewonnen habe; und um diese Metalle
zu verarbeiten, seien von Genuesern Fabriken angelegt, und Arbeiter hinge-
sandt. Als nachher die Araber, Türken und andere asiatische Horden in Eu-
ropa eingedrungen, seien die Bergwerke und Fabriken zerstört worden, die
Künstler aber seien zurückgeblieben, und ihre Kunst habe sich auf ihre Nach-
kommen fortgepflanzt.
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
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Extrahierte Ortsnamen: Theodosia Kassa Palästina Konstantinopel Europa Konstantinopel Asien Europa Konstantinopel Indien Dorfe_Kubescha
269
J506 ward der Handel mit Ceylon eröffnet: man suchte die Ma-
homedaner immer mehr von den ostindischen Handelsplätzen auszu-
schließen, ja sogar den persischen und arabischen Meerbusen zu sperren.
Darum kam es zum Kriege, besonders mit dem Sultan von Aegypten,
der von den Venetianern unterstützt wurde; denn auch diese litten durch
den neuerfundenen Seeweg nach Ostindien sehr in ihrem Handel, da
sie jetzt nicht mehr von Alexandrien aus die indischen Waaren dem
übrigen Europa zuführen konnten. Alfons Albuquerque eroberte die
Insel Ormus, am Eingänge des persischen Busens, den allgemeinen
Stapelplatz der persischen, arabischen und ägyptischen Kaufleute. Der
bisherige König dieser Insel hatte dem Perserkönige eine Abgabe be-
zahlen müssen. Als diese jetzt auch von den Portugiesen gefordert
wurde, ließ Albuquerque den Gesandten ein Becken mit Degenspitzen
und Kanonenkugeln überreichen und setzte hinzu: Dies ist die Münze,
in welcher die Könige von Portugal Tribut bezahlen! Er hatte schon
eine Festung gebaut, welche die beiden vortrefflichen Häfen der Insel
beschützte, als die Eifersucht der Seinigen ihn zwang, die Insel wieder
den Mahomedanern zu überlassen. Doch schwur er im Weggehen, sich
nicht eher den Bart abnehmen zu lassen, als bis er Ormus wieder ge-
wonnen hätte. Er ward oarauf Unterkönig über ganz Ostindien, er-
oberte 1510 Goa, und erhob es zur Hauptstadt der Portugiesischen
Eroberungen. 1511 eroberte er Malakka, machte ungeheuere Beute,
eröffnete Handelsverbindungen mit Java und Sumatra, und ein Theil
derflotte drang weiter vor und eroberte die Molukken, das Vaterland
der feinsten Gewürze. 1513 segelte er nach der Küste Arabiens und
eroberte die Stadt Aden; von hier gelangte er in's Rothe Meer, wo-
hin noch nie ein Portugiese gekommen war. Jetzt erst kam Albu-
querque auf seinen alten Plan zurück, Ormus wegzunehmen und da-
durch den Mahomedanern den Weg nach Indien ganz zu verschließen.
Sein schneeweißer Bart war indeß so lang geworden, daß er ihm bis
über den Gürtel hinabreichte. Er rückte 1515 vor die Stadt und be-
schloß mit ihrer Eroberung die lange Reihe seiner glänzenden Thaten.
Denn als er nach Goa zurücksegeln wollte, erhielt er vom Könige seine
Entlassung; und ein Mensch, den er selbst zur Strafe nach Portugal
zurückgeschickt hatte, wurde zu seinem Nachfolger bestimmt. Diese Nach-
richt kränkte ihn tief, und schon entkräftet von einer gefährlichen Krank-
heit wollte er gern Goa noch einmal sehen: er sah es und entschlum-
merte kurz vorher, ehe sein Schiff in den Hafen einlief, den 10. Sep-
tember 1515. Seine Soldaten betrauerten ihn als ihren Vater, die
Bewohner der von ihm bezwungenen Städte verdankten ihm die Ein-
führung besserer Gesetze und einer guten Ordnung, die besiegten Völker
rühmten dankbar seine Menschlichkeit und Mäßigung, und es hat wenig
Heloen gegeben, in denen so große Kraft mit ,o vieler Güte vereiniget
gewesen ist. Viele Jahre nach seinem Lode wünschte man seine Ge-
beine in Lissabon zu haben; aber die Einwohner von Goa konnten nur
erst nach langem Streit durch einen päbstlichen Befehl dahin gebracht
werden, diesen theuern Ueberreft ihres großen Statthalters herauszu-
geben, dessen Schatten noch jetzt von den so hart bedrückten Eingebor-
nen mit Wehmuth angerufen wird.
1506
1510
1511
1513
1515
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270
1518
1518 ward der Handel mit China eröffnet. Die Portugiesen
fanden hier einen stark bevölkerten, gesitteten und wohleingerichteten
Staat, der sie in Erstaunen setzte; dabei aber ein ungewöhnliches Miß-
trauen gegen Fremde. Sie bezwangen einen Seeräuber, der den Chi-
nesen vielen Schaden gethan hatte und erhielten dafür die kleine Insel
Makao, als Stapelort ihres Handels: denn in China selbst einzudrin-
gen ward ihnen nicht erlaubt. Die vorzüglichsten Waaren, welche man
hier fand, waren Thee, Seide und Porzellan, unter denen jetzt Thee
einer der wichtigsten Handelsartikel geworden ist. — Er besteht aus
den Blättern eines 5 bis 6 Fuß hohen Baumes, die mit der größten
Vorsicht und Aufmerksamkeit einzeln gepflückt werden. Die erste Lese
ist im Anfange des März, wo die Blätter noch nicht ganz entfaltet
und ausnehmend fein sind. Diese geben den sogenannten Blumenthee
oder Kaiserthee und werden nur für den Kaiser und fürstliche Personen
aufgehoben. Die zweite Sammlung geschieht im Anfange Aprils und
die dritte und letzte im Mai. Frisch haben die Blätter keinen merk-
lichen Geruch und einen widrigen Geschmack; der Aufguß davon ver-
ursacht Betäubung und Schwindel. Sie werden aber noch an dem-
selben Tage, an dem sie eingesammelt sind, geröstet, und dann ver-
liert sich jene schädliche Eigenschaft. Sobald sie geröstet sind, was mit
großer Sorgfalt geschehen muß, verschließt man sie in zinnerne Gefäße,
denn der Zugang der freien Lust nimmt ihnen ihre beste Kraft, trinkt sie
aber erst nach einem Jahre, denn früher berauschen und schaden sie der
Gesundheit, in China ohne Zucker und Milch, wie die Araber den
Kaffee: und glaubwürdige Reisende versichern, daß man sich von dem
köstlichen Geruch und Geschmack, den dies Getränk in China selbst habe,
auswärts keine Vorstellung machen könne. Auch der beste Thee, welcher
nach Europa geschickt wird, hat hier seine Kraft nicht mehr. Doch
hat der Thee, welchen Rußland durch seine Karawanen jetzt nach Europa
bringt, große Vorzüge vor dem, welchen wir über Meer erhalten: ver-
muthlich kömmt dies von dem Unterschiede der See- und Landluft. Es
kommen jährlich über 24 Millionen Pfund Thee aus China nach Europa,
und die Chinesen nehmen dagegen keine oder wenige europäische Manu-
fakturwaaren: sie verlangen Silber, Edelsteine, Elfenbein, Gewürze,
Metalle u. s. w. Doch haben die Portugiesen dieses Gewächs nicht
gleich anfangs zu schätzen gelernt; erst seit 1600 ward es durch die
Holländer in Europa bekannt, und allgemeiner getrunken wird Thee
erst seit 1700.
Von China aus erreichten die Portugiesen endlich Japan. Dieser
Staat besteht aus drei großen und einigen kleineren Inseln, von denen
die größte Nipón heißt. Japan hat zwei Oberhäupter, gewöhnlich
Kaiser genannt, den Dairo oder den geistlichen und den Kubo oder
weltlichen Gebieter, seine eigene Sprache und Religion. Die Letztere
im Wesentlichsten schamanisch oder buddistisch, hat in den äußern Cere-
monien manche Aehnlichkeit mit der Katholischen; die Zahl der Tempel,
der Mönchs - und Nonnenklöster ist außerordentlich groß. Auch hier
fanden die Portugiesen ein Reich, das an Bevölkerung, Bildung und
Reichthum dem chinesischen gleich kam, ja dessen Bewohner in Bear-
beitung der Metalle, besonders des Stahles, noch geschickter waren, als
die Chinesen. Die Portugiesen wurden mit Freundlichkeit aufgenom-
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Extrahierte Personennamen: Dairo
Extrahierte Ortsnamen: China China China China Europa Europa China Europa Europa China Japan Japan
271
men: man ließ sie ungehindert das Christenthum predigen, die reichsten
Japanerinnen heirathen und einen einträglichen Handel an sich ziehen.
Sie führten indische, chinesische und eurcmäische Waaren ein und führ-
ten dagegen aus: Gold, sehr feines gelautertes Kupfer, welches man
auch noch jetzt für das beste hält, Kampfer, Porzellan.
So breitete Portugal seine Macht im östlichen Asien aus, erwarb
sich die weitläuftigsten Besitzungen in Indien, zog den indischen, per-
sischen, chinesischen Handel an sich und ward.eins der reichsten Länder
in Europa. Allein diese Blüthe des Reichthums und der Macht ging
bald vorüber, und das Volk, welches den reichsten Handel aller Länder
in seinen Händen hatte, ward arm und fiel eben so schnell von seiner
Höhe, als es sie erstiegen hatte. — Denn, "wie die Spanier in Amerika,
erbitterten die Portugiesen in Ostindien durch Ungerechtigkeiten die Völ-
ker und straften mit Grausamkeit; die Unzufriedenen aber in Schranken
zu halten, hatten sie nicht die Macht der Spanier; und die Anführer
der Macht, die noch da war, waren meist unter sich uneins. — Phi-
lipp H., ein grausamer König Spaniens, zwang 1380 auch Portugal,
ihn als Oberherrn anzuerkennen und drückte das Land mit wilder
Härte, so daß die Portugiesen, um der spanischen Habgier zu genügen,
ihre ostindischen Besitzungen immer mehr erschöpfen mußten. — Mit
Spanien führten damals die Holländer Krieg, die sich von der des-
potischen Regierung Philipps 11. losgerissen hatten. So wie sie hör-
ten, daß Portugal eine spanische Provinz geworden sei; sahen sie Alles,
was den Portugiesen gehörte, als spanisches oder feindliches Eigen-
thum an und meinten daher, es angreifen zu dürfen. Sie suchten und
fanden den Seeweg nach Ostindien. Die Portugiesen hier hatten nicht
mehr den tapferen Geist ihrer Vorfahren, der ersten Entdecker; Reich-
thum und Wollust hatten sie in diesen heißen Ländern entnervt; und
ihre Habsucht und andere Laster hatten sie zum Abscheu der Indianer
gemacht. Diese vereinigten sich daher sogleich mit den Holländern gegen
die Portugiesen, und da die spanische Regierung nicht daran dachte,
Hülfe und Vertheidigung von Europa aus zu schicken; so gingen die
reichen ostindischen Besitzungen für Portugal auf immer verloren. Am
Ende behielten die Portugiesen nur einen unbedeutenden Rest von ihrer
glänzenden Macht in Indien, nehmlich Goa, Diu, Makao; alles
übrige eroberten die Holländer um 1600, und behaupteten es. Auch igoo
Brasilien hatten sie besetzt, von dort aber wurden sie 1634 wieder
vertrieben. — So wurde seit 1600 Holland, wie klein auch an Flächen-
inhalt, einer der reichsten Staaten Europa's; daher aber auch oft in
Kriege verwickelt. Diese schwächten den kleinen Staat bald, so daß
auch seine Blüthe nicht von langer Dauer war. Nach 1714 hörte
Holland auf, einer der ersten Staaten Europa's zu sein; und nur die
Eifersucht der übrigen Seefahrenden Nationen gegen einander schützte
das machtlose Ländchen, daß man ihm nicht alle seine ostindischen Be-
sitzungen nahm. Kam es aber in den letzten achtzig Jahren zum Kriege,
so konnte sich Holland nicht vertheidigen. Dies erfuhr es z. B. 1780,
als England Krieg ankündigte; alle holländischen Schiffe wurden ge-
nommen, und mehrere der auswärtigen Besitzungen durch die Englän-
der erobert. In dem unglücklichen Kriege seit 1793 sind alle ostin-
dffchen Besitzungen der Holländer, Ceylon, Kochin, Malakka, die Ge-
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Philipps Philipps Makao Malakka
Extrahierte Ortsnamen: Portugal Indien Europa Amerika Ostindien Spaniens Portugal Spanien Portugal Ostindien Europa Portugal Indien Holland Holland Holland England Ceylon
272
würzinseln von den Engländers weggenommen, auch das Kap der
guten Hoffnung; und wiewohl nach dem Frieden von Amiens 1802
der größte Theil dieser Eroberungen den Holländern wieder zurück ge-
geben werden sollte; so ward doch schon 1803 aufs neue den Hollän-
dern von England der Krieg angekündiget, und säst alle Inseln und
Festungen Ostindiens kamen wieder in die Gewalt der Engländer.
Denn diesen ist es jetzt leicht, hier neue Eroberungen zu machen, da
sie in Ostindien seit 1756 durch allerhand Kunstgriffe einen Nabob
(Fürsten) nach dem andern ihrer Obergewalt zu unterwerfen verstanden
haben, so daß ihnen jetzt der größte Theil der Halbinsel diesseit des
Ganges Unterthan ist, und sie auf den Inseln fast überall gleiche Herr-
schaft mit den Holländern schon vor dem letzten Kriege übten. Durch
diese Erwerbungen hat sich England zum ersten Seestaate und dem
reichsten Lande Europa's erhoben: in Ostindien bauen die englischen
Kolonisten Reis, Baumwolle, Seide und Zucker, lauter allgemein ge-
suchte und kostbare Waaren; nicht weniger Pfeffer und Indigo; und
neue Anpflanzungen von Zimmt- und Muskatennußbäumen, die man
gemacht hat, um den Holländern den Alleinhandel mit diesen Gewür-
zen zu entreißen, gedeihen sehr gut. Man berechnet, daß England
durch den ostindischen Handel jährlich vom übrigen Europa an dreißig
Millionen Thaler baares Geld einnimmt.
53.
Erfindung des Schießpulvers > der Kanonen und
Feuergewehre.
Der Krieg ist eins der furchtbarsten Uebel des Menschengeschlechts.
Er mordet das Leben von Tausenden, verstümmelt weit Mehre, als ge-
tödtet werden, und macht sie oft die noch übrige Lebenszeit siech und
elend, zerstört das Wohlsein einzelner Familien und ganzer Staaten
durch Verarmung und Seuchen, verheert angebaute Länder und hin-
dert die Ausbildung der erfreuenden Künste des Friedens. Wie schreck-
lich auch diese Geißel der Menschheit, so finden wir doch auch hierbei
manches Große und Gute, das er geweckt und veranlaß! hat. Er hat
viele und große Seelenkräfte aufgereizt, die fast vielleicht auf immer
geschlummert hätten; er hat die wichtigsten Erfindungen veranlaßt und
so manchen Beweis edler Selbstüberwindung, unbesieglicher Standhaf-
tigkeit und liebevoller Aufopferung im schönsten Glanze dargestellt.
Wie viele Helden zeigt uns die Geschichte in einer bewundernswürdigen
Größe! Wie mancher opferte freudigen Muthes sein Leben für die
Freiheit des Vaterlandes, für Glauben und Wahrheit, für die Erhal-
tung von Vater und Mutter, von Weib und Kind! Die Völker aber,
die kriegerischen Muth nicht übten und achteten, versanken in Sklaverei,
Ohnmacht und Verachtung.
Einige der Erfindungen, die der Krieg veranlaßt hat, sollen hier
erzählt werden.
Die Waffen der alten Völker waren Wurfspeere, die aus einem
langen hölzernen Schaft mit einer eisernen Spitze bestanden, und aus
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Ortsnamen: Amiens England Ostindien England Ostindien England Europa
273
einiger Entfernung auf den Gegner geworfen wurden, Lanzen von
gleicher Beschaffenheit, mit denen man stieß, Bogen und Pfeile, Stein-
schleudern und große Schwerdter. Man verwahrte sich dagegen durch
metallene Helme mit großen Haarbüschen meist von Roßschweifcn, mit
Panzern, die stark mit Eisen ausgelegt waren, und mit Schildern, von
denen die besseren so groß waren, daß sie vom Kopfe bis zu den
Füßen reichten und nur mühsam getragen wurden. Die Bogenschützen
und Schleuderer konnten auch aus der Ferne verwunden, waren aber
eben deswegen nie hochgeachtet. Mit den übrigen Waffen konnte man
nur in der Nähe angreifen. Daher erforderten die Kriege des Alter-
thums einen hohem Grad persönlicher Tapferkeit: es focht immer
Mann gegen Mann; aber deswegen waren sie auch grausamer und
wurden mit weit größerer Erbitterung geführt. Es war nichts Selte-
nes, daß, wenn 80,000 Menschen mit einander kämpften, 20,000 todt
oder verwundet auf dem Schlachtfelde blieben; und für die Verwundeten
ward weit weniger gesorgt, als in unseren Tagen.
Doch genügten diese Mittel des Angriffes und der Vertheidigung
nicht, und die Noth zwang neue zu erfinden. So wandte Archimedes,
212 vor Christi Geburt, die Bemerkung, daß man auch schwere Masten,
als Steine, Klumpen Metall, Balken Holz durch Kunst weit fortschleu-
dern könne, zur Vertheidigung seiner Vaterstadt Syrakus auf Sicilien
an. Er soll es sogar schon verstanden haben, glühende Kugeln zu werfen,
und dadurch die feindlichen römischen Schiffe vor Syrakus in Brand
gesteckt haben. Aehnliche Erfindungen hat der Grieche Kallinikus ge-
macht, um 676 n. Chr., Konstantinopel gegen die Angriffe der Araber
zu vertheidigen; und sein griechisches Feuer ist wahrscheinlich eine
Mischung gewesen, die mit unserem Schießpulver Aehnlichkeit hatte.
Unser Schießpulver ist ein Gemisch von Salpeter, Kohle und
Schwefel, welches bei seiner Entzündung eine außerordentlich große
explodirende (heftig ausbrechende) Kraft äußert und auf nahe liegende
Körper oft eine ungeheure Wirkung ausübt; denn es verwandelt sich
fast augenblicklich in elastische Luftarten und Dämpfe. Schon die ent-
stehenden Luftarten wollen einen 400 bis 500 Mal größeren Raum
einnehmen, und der Umfang wird noch mehre tausendmal größer, wenn
man die starke Erhitzung und die Dämpfe mit in Anschlag bringt.
Ist nun das entzündete Pulver in einen engen Raum eingeschlossen,
z. B. in einem Schießgewehre, so will es augenblicklich jenen großen
Raum einnehmen, kann aber nicht; es muß also wegen jenes Slrebens
nach Ausdehnung mit ungeheurer Gewalt auf diejenigen Körper wirken,
welche der ausdehnenden Kraft der sich entwickelten elastischen Dämpfe
im Wege sind. Dies erklärt leicht das weite Hinwegtreiben von Ka-
nonenkugeln, Flintenkugeln u. s. w. Die Verfertigung von Pulver
geschieht auf Pulvermühlen, Pulverfabriken. Als allgemeines Mischungs-
verhältniß der drei Materialien wird meistens angenommen: 6 Theile
Salpeter,^ 1 Theil Kohle und 1 Theil Schwefel, jedoch richtet sich die-
ses Verhältniß nach den Gebrauch, den man von dem Pulver machen
will, ob zum Kriege, zur Jagd oder zum Sprengen. Bei der Be-
reitung des Pulvers muß die größte Vorsicht angewendet werden, da
der kleinste Funke, der mit einigen Pulverkörnern in Berührung kommt,
leicht die übrige Menge entzünden kann, wodurch die größte Zerstörung
Bredow u. Erz. a. d. allg. Weltg. 13. Aufl. 18
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Extrahierte Personennamen: Christi Kallinikus Funke Bredow
274
verbreitet wird. Beispiele von solchen Unglücksfällen sind nicht selten.
In einem sehr ausgedehnten Maße fand eine solche Zerstörung 1809
in der Stadt Leyden in Holland statt, wo ein Schiff mit Pulver
beladen unter einer der Brücken der Stadt liegend sich plötzlich ent-
zündete und nicht allein die Brücke mit allem darauf Befindlichen in
die Luft sprengte, sondern fast die Hälfte der Stadt zerstörte und viele
Menschen tödtete und verstümmelte. Im Jahre 1850 sprang das
Laboratorium in der Festung Rendsburg auf und weit über 100 Men-
schen wurden getödtet, und große Beschädigungen an den Gebäuden
der Stadt dadurch veranlaßt. Häufiger noch sind Beispiele von solchen
Pulverexplosionen aus Kriegsschiffen. Die bekanntesten und bedeutend-
sten Fälle sind das Ausstiegen des französischen Linienschiffs L'orient
in der Schlacht von Abukir, das eine Besatzung von 1100 Mann
hatte, von welchen nur einige Wenige noch lebend wieder aufgefischt
wurden, und in der neuesten Zeit das Auffliegen des dänischen Linien-
schiffs Christian Viii. in der Bucht von Eckernförde, nachdem es in
Brand geschossen war, wobei glücklicherweise nur 200 Menschen um-
kamen, da die übrigen von dem brennenden Schiffe schon abgeholt
waren.
Den größten Nutzen leistet das Pulver beim Sprengen von großen
Steinmassen, theils um die Steine in solche Stücke zu zerspalten, daß
sie zu Bau- oder Mühlsteinen u. s. w. benutzt werden können, theils
aber und hauptsächlich solche Steinmaffen aus dem Wege zu räumen,
wo sie hinderlich sind, z. B. in Flußbetten, wo sie den Lauf des
Flusses hemmen oder beengen, und in Gebirgsgegenden, wenn Wege
hindurch gearbeitet werden sollen, was in neuerer Zeit beim Anlegen
von Eisenbahnen häufig vorkommt.
Den ersten Erfinder der Mischung des Schießpulvers kennt man
nicht; man weiß nicht einmal zuverlässig, bei welchem Volke sie zuerst
bekannt gewesen ist. Die Chinesen geben sie für eine alte Erfindung
ihres Volkes aus, und wollen das Pulver schon vor 1600 Jahren ge-
kannt haben. Von ihnen, meint man, sei es zu den Arabern gekom-
men, die sonst nach Indien handelten, und durch die Araber nach Eu-
ropa. Es läßt sich wenigstens nicht läugnen, daß schon vor dem Jahre
1300 die Europäer Pulver gekannt und gebraucht haben, nur nicht zu
den wilden Geschäften des Krieges; und die frühesten Spuren finden
sich in Spanien, wo die Mauren oder Araber seit 711 herrschten. Im
zwölften Jahrhundert brauchte man Feuer und eine Art Pulver zur
Sprengung des Gesteins im Rammelsberge bei Goslar. Dieser Berg-
werksgebrauch gab Gelegenheit, daß ein Sohn Heinrichs des Löwen,
der auch Heinrich hieß, im Jahr 1200 auf eben die Weise die Mauern
eines feindlichen Schlosses sprengte. — Der kriegerische Gebrauch des
Schießpulvers in Europa, es in Mörser einzuschließen und dadurch
schwere Massen, z. B. Steine oder Kugeln, fortzutreiben, ist jünger;
und vielleicht war es Berthold Schwarz, ein deutscher Mönch, der so
das Schießpulver zuerst anwandte, daß man ihn daher gewöhnlich als
den eigentlichen Erfinder des Schießpulvers überhaupt ansieht. Er
lebte ums Jahr 1350, war ein Freund der Chemie und beschäftigte
sich gern mit Auflösung der Metalle. Einst stampfte er zufällig Sal-
peter, Schwefel und Kohlen in einem Mörser, legte einen Stein darauf,
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Extrahierte Personennamen: Christian_Viii Heinrichs Heinrichs Heinrich_hieß Heinrich Berthold_Schwarz
Extrahierte Ortsnamen: Holland Indien Spanien Goslar Europa
275
und indem er in der Nähe des Mörsers Feuer anschlug, siel ein Funken
hinein; die Materie entzündete sieb und warf den Stein, welcher dar-
über lag, mit Heftigkeit in die Höhe. Dies, meint man, habe ihn auf
die Erfindung geleitet, in mörserähnliche Röhren, die daher auch den
Namen Mörser behielten, jene Mischung zu werfen, davor Steine zu
schieben und dann hinten an dem geschlossenen Boden des Mörsers ein
kleines Loch zu bohren, wodurch man das Pulver anzünden konnte.
Hieß derjenige, der diese Erfindung machte, auch nicht Berthold Schwarz,
so ist diese Erfindung doch nicht unwahrscheinlich auf eine so zufällige
Weise und um diese Zeit gemacht worden. Nach dem Jahre 1350 findet
man Pulver und die Kanonen häufiger in Gebrauch. Damals hießen
sie gewöhnlich Bombarden, Donnerbüchsen, oder, wie schon angeführt
ist: Mörser. Jetzt hat man Kanonen, Mörser und^ Haubitzen. Die
Kanonen sind nach Verhältniß zu ihrem Umfang beträchtlich lang, und
die Bahn des aus ihnen abgeschossenen Körpers weicht auf eine ziem-
liche Strecke wenig von einer geraden Linie ab; die Mörser sind sehr
kurz, und der aus ihnen abgeschossene Körper beschreibt einen stark ge-
krümmten Bogen in der Luft, weshalb man die Mörser auch Wurf-
maschinen nennt, während die Kanonen Schießmaschinen heißen; die
Haubitzen hingegen, welche bei ihrer mittelmäßigen Länge zum Schießen
und Werfen zugleich dienen, machen ein Mittelding zwischen beiden
aus. In den frühesten Zeiten waren die Kanonen entweder von mehr-
facher röhrenartig zusammengewundener und mit eisernen Reifen um-
gebener Leinwand, oder eben so von Leder, oder von Holz, oder aus
eisernen Stäben, nach Art der Fässer mit eisernen Ringen umgeben.
Jetzt wird das grobe Geschütz gegossen entweder aus Eisen oder aus
Metall, d. h. aus einer Mischung von Kupfer, Zinn und Zink (dem
Stückgut, Kanonenmetall). Nach dem Gusse werden die Kanonen
hohl gebohrt. Die Ladung eines solchen Geschützes besteht aus einer
hinreichenden Menge Pulver und aus einer oder mehren Kugeln zu-
gleich. Die Kugeln sind massiv von Eisen oder Stein oder hohl mit
brennbaren Materien angefüllt.
Später als das große ward das kleine Geschütz erfunden, das ein
Mensch tragen und nach Willkühr regieren konnte. Dies waren an-
fangs Kanonen im Kleinen: enge metallene Röhren, unten geschlossen,
mit einem Zündloche; es ward Pulver hineingethan, Stein oder Kugel
darauf, und dann mit der Lunte oder Zündruthe aus freier Hand das
Pulver am Zündloche angebrannt. Man nannte sie daher auch Büch-
sen, wie eine Art des groben Geschützes hieß: auch Musketen, von
dem lateinischen Worte Uuebetus, welches einen Sperber bedeutet.
Man hat auch kleinere Handfeuergewehre, Karabiner, Pistolen, Terze-
rolen u. s. w. Mehrere Feuergewehre hatten ihre Namen von Raub-
vögeln, z. B. eine Art kleiner Kanonen Falkonet von Falken. Diese
Büchsen oder Musketen scheinen eine deutsche Erfindung zu sein, wie
die Kanonen, und das älteste Zeugniß, das man bis jetzt von dem
Alter der Handbüchsen kennt, ist vom Jahr 1381, wo der Rath in
Augsburg, in dem Kriege der Reichsstädte mit den Edelleuten von
Franken, Schwaben und Baiern, zu dem Heere der Städte 30 Büch-
senschützen stellte. Augsburg und Nürnberg hatten auch lange den
Ruhm, Kanonen sowohl als Handbüchsen vorzüglich gut zu verferti-
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