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1. Von der germanischen Urzeit bis zur Französischen Revolution - S. 111

1911 - Leipzig : Wunderlich
Gustav Ädolf. Von Dietrich Schäfer. Als 16jähriger Jüngling ist Gustav Adolf an die Spitze seines Reiches getreten. Es war im Kalmarkriege; die Dänen standen im Lande. Sie hatten im Osten Kalmar, im Westen Elfsborg erobert. Elfsborg ist nach dem Frieden in ihren Händen geblieben. Das damalige Schweden war eng umgrenzt. Wir sind auf Grund statistischer Nachrichten^ die gerade für Schweden früh einsetzen, in der Lage, von der damaligen Bevölkerungszahl ziemlich genaue Vorstellungen zu gewinnen. Sie hat in ihrer Gesamtheit, Finnland eingeschlossen, schwerlich eine Million erreicht. Daß sie durch Boden und Klima ärmer war als die irgend eines anderen europäischen Landes, braucht kaum bemerkt zu werden. Des Königs letztes Silber ist in die Münze gewandert, als er 1619 von der Pfandsumme von einer Million Taler die letzte Rate zahlte, ohne deren pünktliche Erlegung Elssborg den Dänen geblieben wäre. Urteilt man allein nach den materiellen Erträgen, so hätte man Schweden nicht höher einschätzen dürfen als etwa die süddeutschen protestantischen Territorien Württemberg, Ansbach und Baden, wie denn zum Beispiel tatsächlich bei den Bemühungen um Dänemarks Beitritt zur Union erwogen wurde, daß dieses im Vergleich zu Schweden doch weitaus volkreichere und wohlhabendere Land „nicht viel vermöge; Württemberg zum Beispiel noch um die Hälfte mehr". Und es war nicht nur der Krieg mit Dänemark, der auf Schweden lastete, als Gustav Adolf die Regierung übernahm. Man stand zugleich gegen Rußland und Polen im Felde. Gustav Adolf erzwang von dem durch innere Unruhen geschwächten Zarenreiche im Frieden von Stol-bowa 1617 die Abtretung Jngermanlands und des Küstenstriches rechts der Newa zwischen diesem Flusse, dem Ladogasee und der finnischen Grenze. Bei der Grundlegung der Feste am Zusammenfluß von Ochda und Newa, die der Vorläufer Petersburgs war, glaubte er erklären zu dürfen, daß nun der Russe auf ewig von der Ostsee ausgeschlossen sei. Der Zwist mit Polen, der von König Sigismunds Ansprüchen auf die schwedische Krone herrührte, war von längerer Dauer. In zahlreichen Feldzügen hat Gustav Adolf zu Estland noch Livland und Kurland gewonnen, seit 1626 den Gegner an der Weichsel bekriegt und

2. Von der germanischen Urzeit bis zur Französischen Revolution - S. 141

1911 - Leipzig : Wunderlich
Würdigung König Friedrich Wilhelms I. 141 war die des Oberquartiers Geldern aus der oranischen Erbschaft. Hier am Niederrhein gedachte er aber kraft seiner Ansprüche auf die Erbschaft von Jülich-Berg noch weitere, viel erheblichere Gebietsstücke für Preußen zu erlangen, insbesondere die ausgedehnten Herzogtümer Jülich-Berg mit ihren Bodenschätzen und der schönen Stadt Düsseldorf, in der das pfälzische Haus nach dem Aussterben der bergischen Herzoge eine der blühendsten Kunststätten geschaffen hatte. Diese Konsolidierung des preußischen Besitzes am Rhein wurde der Gedanke der auswärtigen Politik des Königs. Seine Verwirklichung hoffte er dadurch zu erreichen, daß er sich ganz in den Dienst Habsburgs stellte, in dem holder: Wahn, daß dies Hans seine Treue belohnen würde. Am 12. Oktober 1726 schloß er deswegen mit Österreich in seinem geliebten Wusterhausen, jenem wenige Meilen südöstlich von Berlin in märkischer Waldesstille gelegenen Jagdschloß, wo eine der eigenartigsten Tafelrunden der Weltgeschichte, das Tabakskollegium, tagte, einen Vertrag ab, der im Dezember 1728 zu einem engen Bündnis zwischen beiden Mächten führte. Dieser Allianz zuliebe scheute er nicht davor zurück, es auf die schlimmsten häuslichen Zerwürfnisse ankommen zu lassen und Lieblingsgedanken seiner nächsten Angehörigen mit beispielloser Rücksichtslosigkeit entgegenzutreten. Nach langen Jahren, bei Abschluß des Bündnisses zwischen Österreich und Frankreich am 3. Oktober 1735, mußte er es schließlich erleben, daß alle seine Liebesmüh umsonst gewesen, daß er völlig hinters Licht geführt, von Österreich treulos im Stich gelassen worden war. Schon bei einer Zusammenkunft mit Kaiser Karl Vi. in Böhmen im Jahre 1732 hatte er erfahren, daß er von dessen Freundschaft nicht viel zu erwarten hatte, indem man ihm damals trocken erklärte, daß er mit einem Teile des Herzogtums Berg vorlieb nehmen und auf Düsseldorf verzichten müsse. Sein treuer Minister Heinrich von Podewils durfte darum nachher schreiben: „Die Zusammenkunft zu Prag wurde das Grab der Freundschaft mit dem Kaiser." Seit 1735 aber hatte es der allzu vertrauensselige König verbrieft und besiegelt, daß er nichts mehr wegen Jülich und Berg zu hoffen habe. Die Verträge, die er mit Österreich geschlossen, hatte Habsburg schmählich zerrissen. Sein uraltes Recht auf die niederrheinischen Besitzungen war ihm endgültig verweigert worden. Alle Hilfe, die er dem Kaiser in gefährlichen Zeiten geleistet hatte, war umsonst gewesen. In der Erkenntnis dieser Sachlage und zur Abwehr gegen Entstellungen hat Friedrich Wilhelm im Februar 1736 seinem Sekretär jene „Speziesfakti" über seine Politik seit 1725 diktiert, um sein Herz und sein Gewissen zu erleichtern und Österreichs Untreue vor seinem Nachfolger zu brandmarken. Rührend ist die Klage des um seine Hoffnungen Betrogenen zu seinem mnftigen Nachfolger: „Mein lieber Sohn, ich sage dir, daß ich meinen ^od zu Priort geholt habe" (wo er mit dem kaiserlichen Gesandten Graf Seckendorfs ein Gespräch hatte, das ihn die Sachlage zum erstenmal

3. Von der germanischen Urzeit bis zur Französischen Revolution - S. 146

1911 - Leipzig : Wunderlich
146 Reinhold Koser. Um von der Ausdehnung der Frondienste ein Bild zu gewinnen, ließ sich Friedrich 1748 von dem Generaldirektorium eine nach Provinzen geordnete Zusammenstellung einreichen. Das Ergebnis war für die Laude jenseits der Weser ein sehr günstiges. Im Herzogtum Kleve leistete die Mehrzahl der Bauern das ganze Jahr über nur zwei, vier oder sechs Tagesftonen, die Schlüterei Kleve ausgenommen, wo die einen wöchentlich zu zwei, die andern monatlich zu zwei oder auch nur einem Dienste verpflichtet waren. Ebenso waren die Untertanen in Geldern im ganzen Jahre höchstens zu viermaligem Dienste, teilweise nur zu drei-, zwei- oder einmaligem gehalten. In Ostfriesland waren bis aus wenige Ausnahmen die Dienste schon seit 1611 in eine geringe Geldleistung verwandelt. In Minden und den übrigen westfälischen Landesteilen hatten die Bauern, soweit sie erbuntertänig waren, allerdings regelmäßig zu fronen, aber doch nie tagtäglich, und überall waren die Verpflichtungen schriftlich festgestellt, während die geleisteten Dienste in Quittungsbüchern bescheinigt wurden. Je zufriedener der König mit dieser Sachlage war, um so mehr beklagte er die Uberbürduug der Bauern in den mittleren und östlichen Provinzen. Daß auf Bauernhöfen die Verpflichtung zu täglicher Stellung eines Gespanns lastete, gehörte nicht zu den Ausnahmen, oder die Fronen waren gar ungemessene, ganz in die Willkür der Grundherrschaft gestellt. In Pommern gab es Domänen, denen Hand- und Spanndienste in einer Zahl geschuldet wurden, daß der Pächter nicht nötig hatte, eigenes Gespann oder Gesinde zu halten. Der König stellte jetzt für die Erneuerung der Pachtverträge den Grundsatz auf, daß die Untertanen nirgends mehr als drei- bis viertägigen Wochendienst leisten sollten; den adeligen Grundherrschaften ließ er vorstellen, daß die gleiche Einrichtung zu ihrem eigenen Vorteile gereichen würde. Noch bestärkt wurde er in seiner Abneigung gegen das Fronwesen durch eine Darlegung des Obersten Retzow, daß erfahrungsmäßig die im Frondienst bestellten Acker bei weitem nicht den Ertrag der Wirtschaft mit eigenem Gespann ergäben; er verfügte deshalb 1755, daß bei den Ämterverpachtungen in Zukunft die Spanndienste durchgängig auf ein Dienstgeld umgerechnet werden sollten. Gegen körperliche Mißhandlung hatte wieder schon Friedrich Wilhelm I. die Bauern schützen zu wollen erklärt. 1738 sah man ein Prügelmandat öffentlich in den Dorfkrügen ausgehängt, das den Domänenpächtern und ihren Wirtschaftshilfen „das barbarische Wesen, die Untertanen mit Prügeln oder Peitschen wie das Vieh anzutreiben," bei schwerer Ahndung verbot; immerhin hatte Friedrich Wilhelm dabei Littauen und Preußen ausdrücklich ausnehmen zu müssen geglaubt, da das Volk dort noch gar zu faul und gottlos fei. Friedrich Ii. ließ diese traurige Ausnahmestellung einer großen Provinz aufhören und wachte überhaupt ungleich stetiger als sein Vorgänger über die Einhaltung der zur Abschreckung erlassenen Gebote. Wo er auf einer Reife einen Do-

4. Von der germanischen Urzeit bis zur Französischen Revolution - S. 68

1911 - Leipzig : Wunderlich
68 Karl Lamprecht. erhalten sind; allein auch hier tritt wieder die heikle Frage auf, wieviel Seelen denn hinter jedem Steuerzahler gestanden haben. Geht man unter der durch alle diese und andre Schwierigkeiten auferlegten Zurückhaltung an die Aufstellung von Bevölkerungsziffern, so wird man eine mittlere Stadt auf höchstens 10 000 Einwohner schätzen dürfen; in neuerer Zeit ist Basel auf höchstens 15 000, Nürnberg auf etwa 20 000, Straßburg, wohl zu hoch, auf 50 000 Seelen berechnet worden.*) Zudem gelten alle diese Ziffern nur für das spätere Mittelalter; aber wie stets in Zeiten rasch erfolgenden Aufblühens, blieb das Bevölkerungsverhältnis der einzelnen Städte zueinander keineswegs dasselbe. So wird noch im 12. Jahrhundert Mainz, der Brennpunkt des oberrheinischen durch die schwierige Passage des Binger Lochs zum großen Teil vom Niederrhein getrennten Handels, als das Haupt des Reiches, die goldene, die größte Stadt bezeichnet, aber schon im 14. Jahrhundert wurde es von Straßburg erreicht, und im 15. Jahrhundert kam Frankfurt neben diesem auf, um es bald zu übertreffen. In den Niederlanden aber gab es im 12. Jahrhundert nur drei große Städte, Gent, Brügge und Jeperen, im 13. Jahrhundert dagegen kamen die braban-tifchen industriereichen Städte empor und schlugen dann die flandrischen Städte im 14. Jahrhundert wohl durchweg"an Zahl der Einwohner. Mit diesem Jahrhundert endlich hoben sich an Volksreichtum vor allem die Städte des Ostens, Hamburg, Lübeck, Danzig und andre; hier war die Zufuhr durch große Flüsse und zur See erleichtert, die Absperrung durch Territorialmächte geringer, und der lebhafte Handel der Hanse führte weithin zu tatsächlicher Freizügigkeit auch der ländlichen, nun in die Städte strömenden Bevölkerung. Indes wie hoch auch immer sich die Volkszahl mittelalterlicher Städte belaufen haben mag, jedenfalls wäre es falsch, von einer relativ geringen Bevölkerungsziffer auf die geringe politische Bedeutung dieser Zentren zu schließen. Schon die Geschichte des Reiches im 14. Jahrhundert müßte diese Annahme verbieten; sie bleibt ohne Anschlag der gewaltigen Kraftäußerungen der Städte unverständlich. Und diese Kraftäußerungen setzen bedeutende materielle Mittel voraus, wie sie bei verhältnismäßig so geringer Seelenzahl nur eine durchschnittlich wohlhabende Bevölkerung aufbringen konnte. In der Tat erreichte der mittlere Wohlstand des deutschen Bürgertums in dieser Zeit, soweit diese Frage bisher unter-sucht worden ist, alle Vorstellungen, die sich an blühende Epochen irgerw einer uns bekannten Kultur knüpfen können. Von den 15 000 Einwoh- *) Straßburg hatte im Jahre 1580 195 Gassen mit 3618 Häusern; vgl. C. Schmidt, Straßburger Gassen- und Häusernamen, 2. Aufl. S. 21. Schmidt nimmt dieselbe Größe für das 15. Jahrhundert an. Antwerpen wird für Ende des 14. Jahrhunderts auf etwa 20 000 Einwohner berechnet, ebenso Löwen, Brüssel auf 40 000(?), s. Vanderkindere S. 380. Ein schönes Beispiel zur ge° wohnlichen Überschätzung der Bevölkerungshöhe noch im 16. Jahrhundert bietet Luther, Tischr. 2964.

5. Lektüre zur Geschichte des 19. Jahrhunderts - S. 189

1910 - Leipzig : Wunderlich
Stellung d. deutschen Kolonialpolitik innerhalb d. kolonialen Bestrebungen usw. 189 in Entstehung begriffenen Gebildes erschien der wirtschaftlich unter- nehmendste Kopf unter den Souveränen Europas, König Leopold. Allein die benachbarte wichtigste Kolonialmacht, das alte Portugal, und das allgegenwärtige England waren nicht gewillt, in dem aus- gedehnten Gebiete des Kongos einen so gefährlichen Konkurrenten auf- kommen zu lassen; und so gingen sie auch ihrerseits mit Landkäufen und Vertragsschlüssen vor. Dabei beruhigten sie sich aber bald nicht bloß mit der Absicht, den Einfluß der Kongogefellschaft zu vernichten; sie wollten vielmehr die Nutznießung der Gebiete des Kongobeckens für sich monopolisieren und einigten sich zu diesem Zwecke im Februar 1884 auf einen Vertrag, dessen Durchführung Portugal vor allem ein Recht der Zollerhebung an der Kongomündung gegenüber allen Mächten (mit Ausnahme natürlich Englands), England aber wesentlich die poli- tische Herrschaft im Hinterlande und damit den Hochsitz an einer der wichtigsten Stellen für eine künftige Verbindung der Kapbesitzungen und Ägyptens zu geben bestimmt war. Indes die beiden Staaten drangen mit ihren selbstsüchtigen Plänen nicht durch. Die anderen Mächte prote- Merten unter Führung des Deutscheu Reiches gegen den Vertrag; eine Konferenz zur Ordnung der Kongofrage, die von November 1884 bis Februar 1885 in Berlin tagte, führte schließlich dazu, daß die Vereinigung der Territorien der Kongogesellschaft innerhalb bestimmter Grenzen als selbständiger Staat anerkannt wurde; und im August nahm Leopold Ii. den Titel eines Souveräns des unabhängigen Kongostaates an. Wir haben hier nicht auf die inneren, entwicklungsgeschichtlich über- aus lehrreichen Schicksale des Kongostaates einzugehen — sie zeigen wie an einem Schulbeispiele, welchen Wandlungen und Gefahren ein auf den Prinzipien moderner Unternehmung und wissenschaftlicher Technik auf- gebauter Staat ausgesetzt sein kann —, wir nehmen auch nur vorüber- gehend davon Notiz, daß dieser Staat inzwischen kommerziell wie poli- tisch in ein immer engeres Verhältnis zu Belgien getreten ist: für unsere Betrachtung erscheint es als vornehmlich wichtig, daß es die Bildungs- triebe eben dieses Staates vor allem gewesen sind, die den jüngsten politischen Wettbewerb um Afrika eröffneten. In diesen Wettbewerb traten nun neben England, Frankreich und dem Deutschen Reiche auch Italien, im Hintergrunde mit gewissen Neigungen für Abeffinien und Umgegend auch Rußland ein: mit Aus- nähme Österreichs also alle Großmächte Europas. Von diesen Mächten blieb zunächst Italien hinter den übrigen zurück. Es machte seit dem Jahre 1882, zum Teil wohl, um sich über die Fort- schritte Frankreichs in Tunis zu trösten, eine Reihe von Erwerbungen an der afrikanischen Nordostküste, die später zu der Kolonie Erythräa ver- einigt worden find. Aber die stolze Absicht, es von hier aus zur Beherr- schung der gesamten Nordostecke und namentlich Abessiniens zu bringen, scheiterte. Nach einem unglücklichen Kriege gegen den Negus in den

6. Lektüre zur Geschichte des 19. Jahrhunderts - S. 191

1910 - Leipzig : Wunderlich
Stellung d. deutschen Kolonialpolitik innerhalb d. kolonialen Bestrebungen usw. 191 Eine weitere Gefahr für die englischen Absichten ergab sich dann aus der Kollision, in die sie mit den Plänen Frankreichs auf ein großes Reich des nördlichen Afrikas geraten mußten, sobald dessen Grenzen im Osten bis zum Nil hin vorgeschoben wurden. Das geschah 1898; in diesem Jahre drangen die Franzosen vom Kongo her bis nach Fafchoda vor. Aber sofort erhob sich England drohend und^rücksichtslos; es kam zu englischen Flottendemonstrationen in den Frankreich'benachbarten Gewässern, und Frankreich, zu einem Seekrieg gegen England nicht gerüstet, ließ sich einschüchtern und gab nach. Aus diesen Vorgängen, die hier nur in den größten und einfachsten Linien geschildert werden konnten, ergibt sich, wie ernst es England mit einem künftigen britischen Afrika ist; fast scheint es, daß hier schon der Ersatz gesucht wird für ein künftig etwa nicht mehr zu haltendes Indien; nur so große Zusammenhänge und so wichtige Zukunftsideale erklären auch einigermaßen den düsteren Ernst und die Unmenschlichkeiten des späteren Krieges gegen Transvaal und den vranischen Freistaat. Übersieht man aber das Verfahren der europäischen Großmächte in Afrika im ganzen, so ergibt sich, daß es in den Zeiten jüngster Vergangen- heit und in der Gegenwart auf afrikanischem Boden eigentlich nur noch drei große Rivalen gab und gibt: England, Frankreich und das Deutsche Reich. Denn der Kongostaat hat sich wiederholt nachgiebig gezeigt und neutral erklärt; die anderen Mächte kommen wenig in Betracht. Wie stellt sich da nun bisher die geschichtliche Bilanz der drei Mächte? Sofort fällt in die Augen, daß Frankreich wie England nach ganz bestimmten Zielen ringen: sie treiben eine wirklich große Kolonial- Politik — vielleicht eine, die sich in späteren Zeiten, denkt man die gegen- seitigen Ziele logisch durch, gründlich ausschließen mag —, vorläufig eine solche, in der Kollisionen nur bei gegenseitiger Machtüberschreitung zu gewärtigen sind. Kann man für das Deutsche Reich von gleich klaren und klar auch schon zutage tretenden Zielen reden? Keineswegs! Die deutschen Erwerbungen sind da gemacht worden, wohin gerade der einzelne deutsche Kaufmann und Unternehmer durch die, vom politischen Stand- punkte aus gesehen, zumeist rein zufällig^Neigung seines Erwerbsinnes verschlagen worden war; höchstens bei der Gründung von Deutsch- Ostafrika haben von vornherein bestimmtere Ziele vorgeschwebt. So hat denn der deutsche Besitz, ins'ganze^betrachtet, zunächst den Charakter des Zufälligen; er klebt ihm an sich aus der Art der Erwerbung her noch uu- weigerlich an. Verwischt werden könnte'er nur durch eine große, geschlos- sene Gesamtpolitik: und schon allein die Tatsache,^daß dies so ist, macht eine solche unbedingt/notwendig. Ob sie nun wenigstens dem Keime nach bereits besteht? Allein das Abkommen zwischen England und dem Deutschen Reiche vom Jahres 1898, das allgemeiner Annahme nach über die Zukunft der portugiesischen Besitzungen in West- und Ost- asrika gewisse Bestimmungen trifft, könnte hierüber Aufschluß geben:

7. Lektüre zur Geschichte des 19. Jahrhunderts - S. 193

1910 - Leipzig : Wunderlich
Stellung d. deutschen Kolonialpolitik innerhalb d. kolonialen Bestrebungen usw. 193 sich an zahlreichen Stellen Polynesiens fest. Frankreich begann, freilich erst im späteren Verlaufe des 19. Jahrhunderts, die Verluste wieder einzuholen, die es England gegenüber erlitten hatte; es setzte sich in Hinterindien fest, es machte Erwerbungen in Kochinchina, Kambodscha, Annam und Tongking und griff mit seinem Einfluß und seinem Erwerbs- Hunger immer mehr hinweg über den Süden der chinesischen Grenze. Während so das zivilisierte Europa in dieser Periode im fernen Osten vor allem durch die wichtigsten damaligen Staaten seines west- lichen Zentrums und damit durch die doppelte, in sich uneinige und mit- einander rivalisierende Macht Frankreichs und Englands vertreten war, näherte sich demselben Osten von Osteuropa her eine einzige, zäh von Ziel zu Ziel fortschreitende Macht: Rußland. Die Moskowiter hatten 1552 Khasan und 1554 Astrachan erobert; 1587 war ihr Einfluß bis Tobolsk vorgeschoben, 1604 bis Tomsk; Jrkutsk wurde 1632 erreicht und Jakntsk und Ochotsk 1637 und 1638; um 1707 war man herrschend bis Kamtschatka vorgedrungen, und nun folgte, vornehmlich freilich erst mit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts, eine Wendung nach den Südgebieten des asiatischen Kontinents hin: wie der Russe zu sagen pflegt, hin zu den warmen Meeren. Es war eine stetige, ungeheure, mit der Wucht des Schicksalsmäßigen auftretende Vergrößerung, die man wohl auf eine bestimmte Anzahl von Geviertmeilen für das Jahr hat berechnen wollen; und feit der Mitte des 19. Jahrhunderts war sie derart nach Süden zu fortgeschritten, daß ihre spätere Berührung mit dem von Süden nach Norden verlaufenden Vordringen Englands und Frankreichs wahrscheinlich wurde. Bahnten sich damit ohne weiteres schwere Verwicklungen an, wie sie zunächst freilich nur in dem noch heute wichtigsten und die Politik des fernen Ostens an erster Stelle beherrschenden Gegensatze zwischen England einerseits und Rußland und Frankreich andererseits zum Ausdruck gelangten, so wurde in einer dritten und jüngsten Periode, die erst um wenige Jahrzehnte zurückreicht, das Bild noch viel belebter. Denn jetzt traten drei neue starke und modern expansive Mächte in den Wettbewerb um die Kolonisation und Kultivation, ja in abgeschwäch- tem Siune auch um die Handelshegemonie des Ostens ein: Japan, das Deutsche Reich und die Vereinigten Staaten. Das Moment, das die Bestrebungen dieser neuen Mächte unter- einander verknüpft, ist, daß sie die Stelle, an der vermutlich einmal die Entscheidung über die Hegemonie des fernen Ostens fallen wird, China, nicht so sehr, wie zunächst England, Frankreich und Rußland, von Süden und Westen her und zu Lande erreichen können, wie vielmehr zur See und vom Osten aus. In dieser Sachlage ist es gegeben, zumal auch die europäischen Ost- und Westmächte zugleich und teilweise vornehmlich als Seemächte in Betracht kommen, daß innerhalb des chinesischen Machtbereiches es wieder die Küstenländer und die sie umspülenden Schmied er, Lektüre zur Gesch. des 19. Jahrh. 1z

8. Lektüre zur Geschichte des 19. Jahrhunderts - S. 27

1910 - Leipzig : Wunderlich
Das neue Deutschtum, 27 Zeitgenossen spurlos vorüberging und die Lage des Vaterlandes sich immer trauriger gestaltete, da starb der Ungeduldige durch eigene Hand — ein Opfer seiner angeborenen krankhaften Verstimmung, aber auch ein Opfer seiner finsteren, hoffnungslosen Zeit. Es bezeichnet den großen Umschwung des nationalen Lebens, daß jetzt ein Mann aus den alten brandenburgischen Soldatengeschlechtern mit der ganzen Farben- Pracht der neuen Dichtung dies preußische Soldateutum verherrlichte, das so lange, verständnislos und unverstanden, der modernen deutschen Bildung fern geblieben war. Wie lebhaft beteiligte sich doch nunmehr das starre, trotzige Junkertum der Marken an dem geistigen Schaffen der Nation: eine lange Reihe seiner Söhne, Kleist, Arnim und Fouque^ die Humboldts und L. von Buch standen mit obenan unter Deutsch- lands Dichtern und Gelehrten. Das banausische Wesen des alten Preußentums war endlich völlig überwunden. Und seltsam, niemand hat diese große Wandlung im deutschen Volksgemüte, das Erstarken des freudigen nationalen Selbstgefühls mächtiger gefördert als Goethe. Er tat es fast wider seinen Willen, durch ein Werk, das ursprünglich einem ganz anderen Zeitalter an- gehörte. Es blieb sein Schicksalsberuf, immer das rechte Wort zu finden für die eigensten und geheimsten Empfindungen der Deutschen. Im Jahre 1808 erschien der erste Teil des Faust. Goethe war jetzt an sechzig Jahre alt, seit nahezu vier Jahrzehnten eine anerkannte Macht im deutschen Leben; eine Wallfahrt nach Weimar zu dem würdevollen, feierlich ernsthaften Altmeister gehörte längst zu den Anstandspslichten der jungen Schriftsteller. Aber niemand erwartete von dem alten Herrn noch eine schöpferische Tat, eine Teilnahme an den Kämpfen des neuen Deutschlands; wußte man doch, wie kühl und vornehm er die Heißsporne der Romantik von sich abwies. Wohl nahm er die Widmung des Wunder- Horns freundlich auf und gab der Sammlung den Segenswunsch mit auf den Weg, sie möge in jedem deutscheu Hause ihren Platz unter dem Spiegel finden. Er selber hatte einst in seinen glücklichen Straßburger Zeiten, von wenigen verstanden, das Lob der gotischen Baukunst ver- kündigt. Wenn er jetzt nach langen Jahren seine Saat aufgehen und alle Welt für die alte deutsche Kunst begeistert sah, so meinte er be- friedigt, die Menschheit zusammen sei erst der wahre Mensch, und hatte seine Freude an Sulpiz Boisserees liebenswürdigem Eifer. Doch das aufgeregt phantastische Wesen und das trotzige nationale Pathos des jungen Geschlechts blieben ihm zuwider. Seine Bildung wurzelte in dem weltbürgerlichen alten Jahr- hundert. Niemals wollte er vergessen, was er und alle seine Jugend- genossen den Franzosen verdankten. Kleists dämonische Unruhe erregte dem Beschaulichen Grauen; in den Briefen an seinen Altersgenossen Reinhard urteilte er sehr scharf über Arnims und Brentanos fratzen- Haftes Treiben und verteidigte den alten ehrlichen Rationalismus gegen

9. Das Altertum - S. I

1913 - Leipzig : Wunderlich
Lektüre zur Geschichte aus Meisterwerken der Geschichtschreibung 111. Teil! Das Altertum Für höhere Lehranstalten herausgegeben von Prof. Dr. phil. 3. Schmied Georg-Eckert-Institut für inl:>rr aiicnale Schulbuchforoch urig Bräunschweig ■3chulbuchbibliothek Preis M. 1.20 n M. 1.6 ^Ste^ //: c Leipzig 19l\* Verlag von Ernst & Inventarisiert untsr Isßl-Sti 8310

10. Lektüre zur Geschichte des 19. Jahrhunderts - S. 128

1910 - Leipzig : Wunderlich
128 Otto Fürst v. Bismarck. Haft, daß wir die Errungenschaften des Feldzuges in ferneren Kriegen zu verteidigen haben würden, wie Friedrich der Große die Ergebnisse seiner beiden ersten schleichen Kriege in dem schärferen Feuer des Siebenjährigen. Daß ein französischer Krieg auf den österreichischen folgen werde, lag in der historischen Konsequenz, selbst dann, wenn wir dem Kaiser Napoleon die kleinen Spesen, die er für seine Neutralität von uns erwartete, hätten bewilligen können. Auch nach russischer Seite hin konnte man zweifeln, welche Wirkung eintreten werde, wenn man sich dort klar machte, welche Erstarkung für uns in der nationalen Ent- Wicklung Deutschlands lag. Wie sich die späteren Kriege um die Be- hauptung des Gewonnenen gestalten würden, war nicht vorauszusehen; in allen Fällen aber war es von hoher Wichtigkeit, ob die Stimmung, die wir bei unseren Gegnern hinterließen, unversöhnlich, die Wunden, die wir ihnen und ihrem Selbstgefühl geschlagen, unheilbar sein würden. In dieser Erwägung lag für mich ein politischer Grund, einen trinmphie- renden Einzug in Wien, nach Napoleonischer Art, eher zu verhüten als herbeizuführen. In Lagen, wie die uuferige damals war, ist es politisch geboten, sich nach einem Siege nicht zu fragen, wie viel man dem Gegner abdrücken kann, sondern nur zu erstreben, was politisches Bedürfnis ist. Die Verstimmung, die mein Verhalten mir in militärischen Kreisen ein-- trug, habe ich als die Wirkung einer militärischen Ressortpolitik be- trachtet, der ich den entscheidenden Einfluß auf die Staatspolitik und deren Zukunft nicht einräumen konnte. Iii. Als es darauf ankam, zu dem Telegramm Napoleons vom 4. Juli Stellung zu uehmeu, hatte der König die Friedensbedingungen so skizziert: Bundesreform unter preußischer Leitung, Erwerb Schleswig- Holsteins, Osterreichisch-Schlesiens, eines böhmischen Grenzstrichs, Ost- srieslands, Ersetzung der feindlichen Souveräne von Hannover, Kur- Hessen, Meiningen, Nassau durch ihre Thronfolger. Später traten andere Wünsche hervor, die teils in dem Könige selbst entstanden, teils durch äußere Einflüsse erzeugt waren. Der König wollte Teile von Sachsen, Hannover, Hessen annektieren, besonders aber Ansbach und Bayreuth wieder an sein Haus bringen. Seinem starken und berech- tigten Familiengesühl lag der Rückerwerb der fränkischen Fürstentümer nahe. Ich erinnere mich, auf einem der ersten Hofseste, denen ich in den dreißiger Jahren beiwohnte, einem Kostümballe bei dem damaligen Prinzen Wilhelm, diesen in der Tracht des Kurfürsten Friedrich I. ge- sehen zu haben. Die Wahl des Kostüms außerhalb der Richtung der übrigen war der Ausdruck des Familiengefühls, der Abstammung, und selten wird dieses Kostüm natürlicher und kleidsamer getragen worden sein als von dem damals etwa 37 Jahre alten Prinzen Wilhelm, dessen
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