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1. Die Geschichten des sächsischen Volks - S. 49

1834 - Dresden [u.a.] : Arnoldi
49 einen glänzenden Hofstaat, der oft dem der Könige dama- liger Zeit wenig nachgab. Sie batten gleich diesen vier Erbhofbeamte, dann einen Kanzler, Schatzmeister und Kämmerer; auch hielt sich der vornehmste Landcsadel an ihrem Hofe auf. Der große Glanz des Landgräftichen Hofes beförderte aber das Aufblühen der Künste und Wissen- schaften. Die Wartburg war, wie allbcreits erwähnt^ ein hoch gefeierter Sitz der Dichtkunst. Auch die Bau- kunst wurde von den Landgrafen begünstigt, wovon noch eine Menge aus jener Zeit vorhandene herrliche Bauwerke zeugen. Die übrigen Künste wurden gleichfalls nicht ver- nachlässigt, und nicht nur der Landesherr, sondern auch der begüterte Adel, die im Ueberstusse lebende Geistlichkeit setzten die Künstler in Thätigkeit und bedurften kunstreicher Gußarbeitcn von edlen Metallen zum Schmuck der Altäre und der Tafeln, Bildhauerarbeiten zur Zierde der Gebäude und der Grabmähler und Gemälde zu ähnlichem Zweck. Wenn aber die Künste blühen, so ist dies nur eine Folge des Gedeihens der Gewerbe, und diese standen damals in bestem Flor. Ein kräftiges Bürgerthum erwuchs durch die Zünfte, Gilden und Innungen, wodurch zugleich das Gedeihen der Gewerbe gefördert wurde. Die Zünfte weckten und erhielten den Gcmeinsinn und die Bür- gerehre, und gaben dem Handwerker eine angemessene Stel- lung in der bürgerlichen Gesellschaft, sie hielten Tüchtigkeit und ehrbare Sitten aufrecht bei den Handwerkern und sicherten ihnen den Lohn ihres Fleißes. Mögen auch die Zünfte und Innungen im Laufe der Zeiten manches Uebcr- stüssige und Verkehrte in sich ausgenommen haben, und mögen manche ihrer Einrichtungen gegenwärtig nicht mehr passend seyn, so ist doch nicht zu bestreiten, daß sie die Grundlagen des Flors der Gewerbe und der Ehrenhaftigkeit des deutschen Bürgerthums gewesen sind. Der Handel, obgleich ec damals noch mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, wurde in Thüringen doch lebhaft betrieben und bereicherte eine Menge Menschen. Der Mittelpunkt des thüringischen Handels war und blieb Erfurt, welches schon seit Karl des Großen Zeiten eine Stapelstadt war, und viele Kaufleute aus fernen Ge- genden herbeizog. Der vergrößerte Handelsverkehr zu Ende

2. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 32

1906 - Leipzig : Hahn
32 leuchtete weithin die Inschrift: Vale 86nex impsrutor! Damit sagte die trauernde Hauptstadt dem greisen Heldenkaiser das letzte Fahre- wohl auf seinem Heimgänge zur stillen Gruft im Mausoleum zu Charlottenburg. Nach Westen zu schließt die Straße das 20 w hohe Branden- burg e r T o r. Es ist gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts nach dem Vorbilde der Propyläen in Athen erbaut. Das Tor hat fünf durch dorische Säulen voneinander geschiedene Durchgänge. Das Ganze krönt imposant und wirkungsvoll ein in Kupfer getriebenes, 5 m hohes Viergespann der Viktoria. Im Jahre 1807 schickte Napoleon dasselbe als Siegesbeute nach Paris. Mit Schmerz und Ingrimm im Herzen blickten damals alle Patrioten auf das seines Schmuckes beraubte Tor. Seit 1814 prangt die Viktoria wieder aus dem Tore. In Erinnerung an jene Kriegszeit schmückt sie jetzt ein Eisernes Kreuz. Treten wir durch eins der Portale, so haben wir die prächtigen Laubbäume des Tiergartens vor uns, durch deren Zweige von rechts her auf hoher Säule eine goldene Statue winkt. Es ist die Siegessäule mit der Borussia. „Das dankbare Vaterland dem siegreichen Heere", so lautet die Inschrift der Säule. Den Unterbau schmücken vier Bronzereliefs zur Erinnerung an den dänischen Krieg 1864, den österreichischen Krieg 1866, den französischen Feldzug 1870 und den Einzug des siegreichen Heeres in Berlin 1871. Der 20 m hohe Säulenschaft ist von drei Reihen vergoldeter dänischer, österreichischer und französischer Geschützrohre umgürtet. Auf der Säule steht die 8 ra hohe, vergoldete Borussia vom Bildhauer Drake, rechts den Lorbeerkranz, links das mit dem Eisernen Kreuze geschmückte Feldzeichen haltend. Die Gesamthöhe beträgt 61 rn. An der Ostseite des Königsplatzes erhebt sich das Reichs- tagsgebäude, der vornehmste und großartigste Bau der deutschen Kaiserstadt, 1884—94 nach Wallots Entwürfe mit einem Kosten- aufwande von 22 Millionen Mark aufgeführt. An den vier Ecken ragen 46 m hohe Türme empor. Die Mitte des Gebäudes, die der Sitzungssaal einnimmt, überdeckt eine Glaskuppel mit reichvergoldeten Kupfergürtungen, überragt von einer säulenumgebenen Laterne, deren Dach in eine Kaiserkrone ausläuft. Über der Tür erblickt man in Stein gehauen den Ritter Georg mit der Reichsfahne, der die Gesichts- züge Bismarcks trägt. Auf dem Giebel steht die in den Sattel ge- hobene Germania von Begas. Südlich vom Königsplatze durchschneidet die breite Sieges- allee den östlichen Teil des Tiergartens, die Kaiser Wilhelm Ii. von den hervorragendsten Künstlern mit 32 Marmorstandbildern brandenburgisch-preußischer Herrscher ausschmücken ließ. Nördlich vom Königsplatze, am Alsenplatze, zieht das umfang- reiche General st absgebäude, in dem Graf Moltke am 24. April 1891 starb, die Aufmerksamkeit auf sich.

3. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 33

1906 - Leipzig : Hahn
33 Kehren wir nun durch das Brandenburger Tor zur Straße „Unter den Linden" zurück und durchschreiten wir dieselbe nach Osten hin, so erblicken wir neben einfacheren Privatgebäuden mit herrlichen Geschäftsläden stattliche Paläste, die teils von Vornehmen des Reiches und ausländischen Gesandten bewohnt, teils Dienstgebäude preußischer Ministerien sind. Der Glanzpunkt der Straße ist aber der östliche Teil. Hier zieht zunächst das 13 m hohe Denkmal Friedrichs des Großen von Rauch die Blicke auf sich. Es zeigt uns den großen König mit Dreimaster und Krückstock. Neben dem Denkmal steht das Kaiserliche Palais, das seiner Zeit Kaiser Wilhelm I. bewohnte. Sobald damals die auf dem Palais wehende Purpurstandarte seine Anwesenheit anzeigte, sah man täglich zur Mittagszeit um das Denkmal dichtgedrängte Menschen- massen stehen. Wilhelm I. unterließ es nie, von dem historischen Eckfenster aus der um diese Zeit hier vorüberziehenden Wache zuzusehen und sich dabei der erwartungsvollen Menge zu zeigen, die ihn mit lauten Hochrufen begrüßte. Mancher hat von dieser Stelle aus das Bild des greisen Helden, in dessen Zügen sich Ernst und Leutseligkeit vereinigten, mit in die Heimat genommen. Hier enden die Linden, und die freie Straße erhält die Namen: Platz am Opernhause und Platz am Zeughause. Zu beiden Seiten stehen hier hervorragende Gebäude: die Königliche Bibliothek, das Opernhaus und das Palais derkaiserinfriedrich, die Akademie, die Universität, die K ö n i g s w a ch e und das Zeughaus mit der durch Kaiser Wilhelm I. begründeten groß- artigen Waffensammlung. Alle diese Gebäude sind durch Straßen, Plätze oder Baumanlagen, von denen die größte das Kastanienwäldchen heißt, von einander getrennt. An der Straße selbst stehen die von Rauchs Meisterhand herrührenden Standbilder der Kämpfer aus den Freiheitskriegen: Blücher, Gneisenau, Bülow und Scharnhorst. Wir betreten jetzt die Schloßbrücke, die über den westlichen Spreearm führt. Die Brücke ist mit acht Marmorgruppen geschmückt, welche das Leben des Kriegers darstellen. Pallas unterrichtet den Jüngling in den Waffen, Nike krönt den Sieger, und Iris führt den gefallenen Sieger zum Olymp. Vor uns liegt der Lustgarten mit dem mächtigen Kaiserlichen Schloß, dem Dom und dem Alten Museum. Auf dem Kaiserlichen Schlosse weht die stolze Kaiser- flagge und zeigt uns an, daß Wilhelm Ii. darin Wohnung genommen. Das Schloß hat einen bedeutenden Umfang. Es bildet ein Rechteck von 200 w Länge und 117 m Breite, hat zwei Höfe und erhebt sich in met' Geschossen 30 m, in der Kuppel bis zu 70 m hoch. Vier Jahr- hunderte haben daran gebaut. Seine heutige Gestalt ist im wesent- lichen ein Werk des genialen Bildhauers und Baumeisters Schlüter, der unter dem Könige Friedrich I. namentlich die herrliche, dem Schloßplatz zugewendete Südstont baute. Unter Friedrich Wilhelm Iv. 8«Ubuch f. Kort^r-uns,»schulen rc. Allg. Teil. 3

4. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 34

1906 - Leipzig : Hahn
34 wurde schließlich die Terrasse nach dem Lustgarten hinzugefügt und von Schlüter die kuppelgeschmückte Kapelle im Westflügel erbaut. Von den 700 Zimmern des weiten Schlosses ist das berühmteste der Weiße Saal, der bei allen im Schloß stattfindenden großen Staats- seierlichkeiten benutzt wird. Er ist mit vielen Statuen und Gemälden geziert und steht durch ein Treppenhaus mit der ebenfalls reich geschmückten Schloßkapelle in Verbindung, die an 700 Personen faßt. Vom Schloßplatz führt die Kurfürstenbrücke über die eigentliche Spree in das alte Berlin. Auf derselben steht das unsterb- liche Werk Schlüters, das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten. Es stellt den siegreichen Helden in ruhiger Majestät dar, in der Hand den Feldherrnstab, das kühne Auge dem Schlosse zugewendet. Jenseits der Brücke liegen die Anfänge Berlins, das aus einem Fischerdorfe sich zur Kaiserstadt entwickelte. Westlich vom Schlosse, an der Schloßfreiheit, zeigt sich dem Auge das Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. Das Denkmal ragt bis 20 m empor. Roß und Reiter haben die gewaltige Höhe von 9 m. Der Kaiser im Feldmantel zügelt das Roß, das von einem Friedensgenius geleitet wird. Verschiedene allegorische Figuren versinnbildlichen den Kampf und den Frieden. Eine Sand- steinhalle, deren Eckpavillons bronzene Viergespanne tragen, umgibt das Denkmal auf drei Seiten. Welche gewaltige Entwicklung liegt zwischen der Zeit, die das Denkmal Kaiser Wilhelms verkörpert, und derjenigen, die durch das Standbild des Großen Kurfürsten dargestellt wird! Als der Große Kurfürst 1640 die Regierung antrat, zerfleischten sich die deutschen Stämme im wildesten Bruderkriege, und das schwache Kurfürstentum Brandenburg hatte im 30jährigen Kriege keine ausschlaggebende Rolle zu spielen vermocht. Unter Kaiser Wilhelm aber sehen wir Preußen nach einem siegreichen Kampfe mit unsern westlichen Nachbarn, den Franzosen, an der Spitze der deutschen Stämme und Deutschland wieder mächtig und stark, das Sehnen der Väter erfüllt: Ein Kaiser Und ein Reich ! Nach H. Albrecht. 23. Einkehr in der Herberge. In der Schuhmacherhcrberge zu Lüneburg klopfte es an die Stuben- tür. Timotheus Schneck, ein wandernder Schustergeselle, trat ein und sagte: „Schönen guten Abend, Frau Mutter! Ist der Herr Vater nicht da?" Die er so begrüßte, war eine ältere, aber noch rührige Frau mit rundem, rotem Kopf und hellen Augen darin. Von ihrem Haar war nichts zu sehen; denn sie hatte ein gelbes Tuch um den Kops geschlungen, daß der Knoten gerade auf dem Scheitel saß und die zwei langen Zipfel wie ein Paar Hörner steif zu beiden Seiten standen. „Der Herr Vater ist nicht zu sprechen," sagte sie, „er hat sich zu Schanden gemacht, hat

5. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 125

1906 - Leipzig : Hahn
125 welche Gefahren überwunden werden! welche Handelsgeschäfte waren durch Geschäftsreisen, Briefwechsel, Buchführung und Geldverkehr durchzuführen! wie viel geistige Arbeit war unablässig auf die Ver- vollkommnung aller Arbeitsvorgänge gerichtet! wie viele Millionen Menschen waren mit irgend einem Handgriffe, mit irgend welcher Tätigkeit an der Vollendung dieses einen Regenschirmes beteiligt! Bedenkt man nun gar, was alles erforderlich war, um die un- ermeßliche Menge der aufgeführten Hilfsmittel zu schaffen, deren Vorbereitung oft in ferne Zeiten zurückgreift, so kann man eine Vor- stellung von dem gewaltigen Getriebe der Weltwirtschaft erlangen, durch die sich der Mensch die Naturkräfte und Naturerzeugnisse des ganzen Erdballs dienstbar macht. Alan vergleiche mit dieser Welt- wirtschaft die Einzelwirtschaft des wilden, der alle seine Bedürfnisse seiner nächsten Umgebung entnimmt und selbst anfertigt, seine Hütte, seine Nahrungsmittel, feine Werkzeuge, seine Waffen, seine spärliche Rleidung, seinen Schmuck und selbst seine Götzen. Nach Launhardt. Wetivrebsrnitlel. Die Ersetzung des Werkzeuges durch die Maschine, bei der die bewegende Kraft nicht mehr von Menschen ausgeht, hat eine vollständige Umgestaltung der Technik des Prodnktionsvorganges hervorgerufen. E. v. Phiuppovich. 62. Im Arbeitsraum einer Fabrik. Das Gebäude, in dem ich täüg zu sein hatte, war bequem, hell, luftig und geräumig angelegt. Es hatte die Höhe eines zwei- bis drei- stückigen Hauses und erinnerte mich immer an das Innere einer Kirche. Es hatte keine Etagen. Man konnte in der Mitte des Raumes bis hinaus zum Dache sehen, das zum großen Teil aus Glasplatten bestand, um mehr Licht hereinzulaffen. An den beiden Langseiten liefen je zwei übereinander gebaute breite Emporen hin, zu denen von unten steile einfache Hvlztteppen hinaufführten, die namentlich bei großen Trans- porten beschwerlich zu passieren waren. Auf der einen Empore befand sich der Probiersaal, wo eben vollendete Maschinen ausprobiert wurden, und wohin der Zutritt der großen Verunglückungsgefahr wegen nur deiten ge- stattet war, die einen Auftrag dorthin hatten. In einem andern Teile war der Drehersaal. Die übrigen Emporen standen augenblicklich fast leer. Denn der eine Zweig unsrer Maschinenproduktion, der hier seinen Sitz hatte, lag sehr danieder. Auf dem östlichen Ende und der bo rügen Schmalseite des ganzen Baues fehtten die Emporen bis auf eine einzige kleine ganz; dadurch war ein weiter, geräumiger Platz geschaffen lichter und fteundlicher — gleich dem Altarplatze einer Kirche. Und wo in unsern

6. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 159

1906 - Leipzig : Hahn
159 „Geschicklichkeit hat er besessen," nahm jener wieder das Wort, „aber den jetzt lebenden Steinmetzen, einem Adam Ar afft kommt er nicht gleich, Hier an der Frauenkirche, da könnt Ihr sehen, was der eine und was der andere leistet. Die Airche ist von Echonhofer. aber die kunstreiche Aapelle über dem Portal ist von unserem Araffn dem geschicktesten Baukünstler und Bildhauer." A)ie angezaubert stand ich noch an dem Brunnen. Da schlug die Uhr der Frauenkirche, und paumgärtner zwang mich, nach der Airche zu gehen, um das In ä n n l e i n l a u f e n zu sehen. Es hieß das kunstreiche Uhrwerk über dem Eingang der Airche, weil jede stunde bewegliche, bunt bemalte Figuren hier einen Hm> zug hielten. Das sah ganz possierlich aus. Auf dem Throne faß Aaiser Karl. Ein Herold erschien, und ihm folgten vier Posaunen- bläser und darauf die sieben Aurfürsten mit den Reichskleinodien. Jene, sobald sie vor dem Aaiser waren, setzten die Posaunen an den Mund, und diese nahmen fein zierlich die Hermelinmützlein ad. Über dem siegprangenden Aaiser hieß es: „Mensch, bedenke dein Ende"; denn der Anochenmann schlug mit der Eense die stunden an die Glocke. Die Figuren waren in Aupfer getrieben und vom Meister Eebastian Lindenast verfertigt, der vom Aaiser Max dafür allerlei Freibriefe erhielt. Auf den Rat paumgärtners begab ich mich jetzt nach der Lorenzkirche, um daselbst das Eakramentshäuschen von Adam Arafft zu sehen, das er mir als das kunstvollste Merk schilderte. Der gerade U)eg führte mich über die Holzbrücke, von der das Auge die gelblichen Fluten der Pegnitz sich an den Borden fruchtbarer Inseln brechen sieht. Ich stand jetzt vor dem Lorenzmünster, und die Frauen- kirche war vergessen. Als ich zwischen den beiden goldgedeckten Türmen den Giebel mit dem runden, sternförmigen Fenster, die reichen Bildwerke des Eingangs sah, da meinte ich, daß die Baukunst nichts höheres erschaffen könnte; doch als ich in die Airche trat und die himmelanstrebenden Gewölbe erblickte, ward ich zweifelhaft. Erhebend ist ein Blick zwischen die Pfeilerreihen, deren Bogen sich wie zu einem Laubgange vereinigen. Unbegreiflich, wie die Steine ihre Natur ver- leugneten und emporstiegen auf das Machtgebiet der Aunst, als wenn der Etämme Lebenskraft die Zweige aufwärts zöge l Ich ging in den ungemessenen Räumen umher ungewissen Schrittes, bis ich an einem Pfeiler zunächst dem Hochaltar staunend weilte, Hier ragte nämlich das kunstvolle Gebäude schlank und zierlich empor, in dem des Bischofs Hand die Hostie verwahrt. Nicht aus Etein schienen hier die Aste, Ranken und Blätter gehauen, sondern Blätter, Ranken und Aste versteinert. Es war das Eakramentshäuscheu, das wohl 60 Fuß hoch emporstieg. Unten erblickte man das Bild des Meisters selbst, der mit zwei Gesellen knieend die Balustrade trug, die das Gebäude umgab; der Meister, ein ehrwürdiger Aahlkopf mit langem Barte, blickte mild hinauf,

7. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 271

1906 - Leipzig : Hahn
271 an der Kette, um den jeder scheu herum ging, sah finster und mürrisch aus wie immer. Er dachte wahrscheinlich an seinen vornehmen Vetter draußen in der Heide vor dem Tore, der mit seinem gemauerten Unterbau und den vier runden, durch Balken verbundenen Säulen hoch in der Luft meilenweit sichtbar war. Man nannte ihn nicht gern; denn wer spricht gern vom Hängen? Auch der hölzerne Esel neben dem Brunnen auf dem Markte streckte seine langen Ohren träumerisch in den Sonntagsmorgen hinein, wahrscheinlich verwundert, daß seit längerer Zeit kein Verspotteter auf seinem schmachvollen Nucken gesessen hatte. Die Glocken läuteten zur Kirche, und die Gläubigen folgten dem feierlichen Ruse. Ernste Männer, Ratsherren, Sülftneistcr und Hand- werker in pelzverbrümten Schauben oder in geschonten Leibröcken aus dunklem Tuch schritten langsam, bedächtig dahin. Geschmückte Frauen mit gold- und silbergestickten Schapeln und schönen Gürtelketten, an denen die faltigen, sammetbesetzten Kleider geschürzt waren, und sittsame Jung- frauen mit niedergeschlagenen Augen, das Gebetbuch in den gefalteten Händen, wandelten an der Seite der würdigen Eheherren, während Knechte und Mägde sich ihnen bescheiden anschlossen. Auch im Böttcherhause durfte nicniand zurückbleiben. Die Tochter ging mit der Mutter voran, und Meister Henneberg folgte ihnen nüt seinen Söhnen zur benach- barten Nikolaikirche, die zu Anfang des Jahrhunderts mit Hilfe von Stiftungen der in ihrer Nähe wohnenden Schiffer und Salztonnenböttcher erbaut war. Hoch oben im Mittelschiff lief an der Wand unter dem schließenden Gewölbe ein schmaler, schwindelerregender Gang rundum, der nur von einem dünnen Eisenstab umzäunt war und der Mönchsgang hieß. Auf den seitlichen Emporen waren die Wappenschilder der vor- nehmen Geschlechter in der Gemeinde und unten im Schiff die Sitzreihen für den Bürger und Handwerker gleichfalls mit den geschnitzten und gemalten Wappen der Gilden bezeichnet, die hier ihre besümmten Bänke für die Meister und deren Angehörige hatten. Hier ließ sich auch Meister Henneberg mit den Seinen nieder, um seinem Gott zu danken. 118. Pfingsten. Julius Wolff. Sein schönstes Fest, sein Fest im Freien, sein Freudenfest begeht das Jahr. Schmückt Tür und Tor mit grünen Maien, mit Maien Gräber und Altar! Stellt Rotdornzweige und Holunder ins ärmste Armcnstübchen heut! Das Fest der Zeichen und der Wunder hat sonnenfunkelnd sich erneut. Im Blütendufte stehn die Reben, in allen Stämmen quillt der Saft — die alte, heil'ge Lust am Leben flammt wieder auf mit starker Kraft.

8. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 350

1906 - Leipzig : Hahn
350 Die Stille der Versammlung hielt noch einen Augenblick an. Da rief der Großherzog von Baden: „Seine Kaiserliche und Königliche Majestät, Kaiser Wilhelm, lebe hoch!“ und entzündete die allgemeine Begeisterung. Die Musik spielte: „Heil dir im Siegerkranz“, der Kronprinz aber beugte seine Knie, um als der Erste dem kaiserlichen Vater zu huldigen und ihm die Hand zu küssen, doch dieser hob ihn auf, zog ihn an seine Brust und küßte ihn auf beide Wangen. Drauf reichte er dem Schwieger- söhne die Hand und ebenso den andern anwesenden Fürsten. Die Geistlichen und die Offiziere traten einzeln und in Gruppen heran, verbeugten sich und schritten zur Seite. Doch bald stieg der Kaiser herab mitten unter die Seinen und ging durch die Reihen, mit Offizieren und Gemeinen leutselig sprechend. Unter den Klängen des Hohenfriedberger Marsches verließ der hohe Herr, begleitet von den Prinzen und Fürsten, den Festsaal. Staude und Göpfert. Die Anbahnung des Verständnisses der humanen wirtschaftlichen und politischen Aufgaben, die einer Nation nach den Gesetzen ihrer geschichtlichen Ent- wickelung gestellt sind — ohne diese Schule gelangt kein Volk zum rechten Gebrauch der ihm verliehenen politischen Rechte. Schulze-Delitzsch. 148. Kaiser Wilhelm l Kaiser Wilhelm war von hoher, edler Gestalt. Wer das Glück hatte, ihn zu sehen, mußte staunen über die straffe, soldatische Haltung des Heidengreises. Mit einem echt königlichen, majestätischen Wesen vereinigte er die größte Milde und Leutseligkeit. Andern Freude zu machen, war seine Lust, und auch für Kinder hatte er oft ein freund- liches Wort. Wenn er in Ems im Bade war und spazieren ging, streckten ihm die Emser Büblein nicht selten zutraulich die Hand ent- gegen, die er dann mit freundlichem Lächeln herzlich schüttelte. Der Kaiser hatte ein kindlich frommes Herz. Ihn hatte das Glück nicht übermütig, der Ruhm nicht stolz gemacht. Sein Wahlspruch war: „Gott mit uns!" Wenn der Kaiser in Berlin weilte, so bewohnte er nicht das prächtige Königliche Schloß, sondern sein einfaches Palais am Eingänge „Unter den Linden", dem Denkmale Friedrichs des Großen gegenüber. Das erste Fenster links in der Front ist das „historische Eckfenster", nach welchem die Fremden in Berlin oft stunden- lang hinüberschauten, um ihren geliebten Kaiser zu sehen, wenn er vom Arbeitstische aufstand und einmal ans Fenster trat, um sich zu erholen. So oft sich der Kaiser zeigte, brausten ihm Jubelrufe entgegen, und manche Mutter hob ihr Kind auf, daß es des alten Kaisers freund- liches Gesicht sähe. Der Kaiser Wilhelm war in allem sehr einfach. Als Schlafstättr

9. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 126

1906 - Leipzig : Hahn
126 Kirchen oft die Sakristeien zu sein pflegen, stand hier das Maschinenhaus mit dem eisernen, stöhnenden Ungeheuer, das seine riesigen Kräfte durch den ganzen Raum ausströmte und Dutzende schwerer Maschinen und hundert Menschen in Atem und Bewegung hielt. Daneben ragte der große Schornstein auf, dessen rußige, rauchende Spitze auch zum Himmel wies. Zwar fehlte Glockenklang und Orgelton. Aber dafür brausten andre gewalttge Töne unaufhörlich durch die Halle: das Gehämmer und Gefeile der Schloffer, das Ächzen und Dröhnen der Maschinen, das Quietschen und Schlagen der Räder. Und was die schwarzen, blaukitteligen Männer da schafften — wars nicht auch ein Gotteswerk, ein Gottesdienst? Konnte es nicht wenigstens einer sein? Platz war gleichwohl nicht viel in dem großen, hohen Raume. An den Fenstern der beiden Langseiten standen die Schraubstöcke der Schloffer; an den Säulen, die die Emporen trugen, und wo sonst immer ein ge- eigneter Platz und halbwegs genügendes Licht sich befand, waren die großen und kleinen Arbeitsmaschinen aufgestellt; die größte, eine gewalttge Bohrnmschine, legte sich quer durch den ganzen Raum und war bei der Passage und vor allem bei Transporten oft sehr unbequem und hinderlich. Um die einzelnen Arbeitsplätze herum, am ziegelsteingepflasterten und häufig sehr holprigen und beschwerlichen Boden lagen Eisenteile, die in Arbett kommen sollten oder eben bearbeitet waren, in der Nähe der Schloffer halb oder ganz ferttge Maschinen großen oder kleinen Kalibers. Hier standen ausrangierte Stücke, in gerader Linie aufgereiht, dort lehnten Bretter und lange eiserne Wellen. In einer Ecke war der Blasebalg, da- neben das Terrain für die Packer; am entgegengesetzten Ende des Raumes nahm die frühere, jetzt ausrangierte und zu einem Gelegenheitsverkaus bereitliegende große Dampfmaschine unsrer Fabrik, in ihre einzelnen Teile zerlegt, viel Raum ein und hinderte die Bewegungsfteihett. Ein gewalttger Kran, viel benutzt und von zwei Mann an der Kurbel in mühsamer Kraftaufwendung fortbewegt, lief durch den ganzen Raum, zwei kleine be- dienten in dem Teile, den ich oben mit dem Allarplatz einer Kirche ver- glich, die dort Arbeitenden. Unter den durch die Emporen gebildeten Decken liefen die langen Wellen hin, die durch die Dampfmaschine in rasender Drehung gehalten wurden und durch Riemenscheiben und die ver- bindenden Treibriemen die allerhand kleinen und großen Arbeitsmaschinen mit der Kraft nie ruhender Bewegung speisten. In den ersten Tagen nach meinem Eintritt in die Fabrik vermochte ich mich nur schwer und unsicher zwischen dem allen zurecht zu finden. Scheinbar wirr und planlos lag, stand, bewegte sich in dem Raume alles durcheinander. Erst allmählich sah das Auge die Ordnung, die doch herrschte, fand der Fuß die schmalen Gänge zwischen den Maschinen hindurch, die die übliche Passage von dem einen zum andern und durch den ganzen Raum hin bildeten und die uns den Transport umfangreicher Stücke wegen ihrer Enge und Gewundenheii oft sehr erschwerten. Nur an dem schon oben geschilderten fteundlicheren, helleren Ende war es auch in dieser Beziehung bester. Das war der Arbeitsplatz der Hundertzwanzig bis Hundertfünfzig,

10. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 158

1906 - Leipzig : Hahn
158 gerät u. dgl. empfingen, sondern auf besonderen Hufen angesiedelt waren und jene Lebensbedürfnisse selbst zu beschaffen hatten. In der Folge griff dann die Kundenarbeit der Fronhofshandwerker über die Schranken der grundherrlichen Wirtschaft hinaus. Einzelne erreichten wohl gar, daß ihnen die Teilnahme am Marktverkehr vergönnt wurde. Das Handwerk hat in diesem Zeitraum entschieden Fortschritte gemacht. Ts hat aufgehört, bloßer landwirtschaftlicher Nebenberuf zu fein, es hat infolge beginnender Arbeitsteilung neben der Landwirtschaft eine gewisse selbständige Bedeutung gewonnen und sich in technischer Be- ziehung vervollkommnet. Aber noch immer erscheint es an ländliche und naturalwirtschaftliche Verhältnisse gebunden. Noch immer wird Ware um Ware getauscht. Von einem durch Geld als allgemeinen Wertmesser vermittelten Güteraustausch sind nur die ersten Ansätze zu bemerken- Mithin entbehrte das gewerbliche Leben noch zweier Haupt- dedingungen für freiere und reichere Entfaltung: es fehlte der Geld- verkehr, und es gebrach an dauernden und sicheren Mittelpunkten des Handels und Wandels. Erst nach dem Übergang von der Natural- wirtschaft zur Geldwirtschaft, erst durch die Entwickelung städtischen Lebens konnte das Handwerk zu voller Blüte gelangen. vr.ñ.oá 73. Würuöergs Krruñmerkwürdigleiten. Ein Besucher des mittelalterlichen Nürnberg erzählt: Der Schenkwirt zur Goldenen Rose wies mir eine Treppe hoch rm heiteres Eckzimmer an. „Hier vor Euch, werter Herr, seht Ihr die Sebalduskirche und hier zur Seite das Rathaus, die beiden vor- nehmsten Gebäude der Stadt." So sprach der Wirt, der mit einer behaglichen Wohlbeleibtheit ein ruhiges und gemächliches Wesen verband. Raum hatte ich einige Erquickungen zu mir genommen und den Staub von meinen Füßen geschüttelt, so verließ ich schon die Schenke. Längs des Rathauses ging ich in die gerade Straße und gelangte auf den großen Marienplatz, der etwa mitten inne zwischen jener Kirche und der des heiligen Loren; sich befindet. Raum betrat ich den Markt, so fesselte meinen Blick der s ch ö n st e Brunnen, den es geben mag. Ein zierliches Türm- chen von ansehnlicher Höhe mit tausend Bogen und Giebeln, kunst- reich durchbrochen, umringt von vielen Bildsäulen, ragt stattlich übn Sem Becken empor. Die Bildsäulen schienen lauter Heldengestalten zu sein, von denen manche der Kurfürstenmantel schmückte. Als ich vor dem Brunnen stand, gesellte sich ein junger, hübsch gekleideter Mann zu mir. Der Jüngling hieß H>aumgärtner und war Albrecht Dürers Freund. Als ich ihn fragte, wer dieses Kunstwerk verfertigt hätte, zeigte er mir auf der Rüstung einer Bildsäule, die Karl Iv. darstellte, den Namen Schonhofer. „Das ist ein alter Meister," sagte er, „von dem man sonst nichts weiß." „Man weiß genug Von ihm," erwiderte ich, „wenn man den Brunnen gesehen hat."
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# Name Treffer  
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