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1. Teil 3 - S. 44

1895 - Leipzig : Wunderlich
— 44 - Die Leute, die hier wohnen, sind — wie das Gedicht uns lehrt — einfach und schlicht, gerad und offen in Wort und That. Mit Zähigkeit halten sie fest an alten Sitten und Gebräuchen. Neue Einrichtungen sind ihnen ein Greuel. Ihrem Heimatlande sind sie in warmer Liebe zugethan, und wer genötigt ist, fern von der Heimat seine Tage zuzu- bringen, gedenkt in Rührung und Liebe seines Volks und seines Landes. Zur sachlichen Besprechung. a. Haben nicht die Bewohner Westfalens ihre Abneigung gegen das Fremde und ihre Liebe zur Heimat schon in alter Zeit bewiesen? Zweimal haben sich die Bewohner erhoben zum Kampfe für ihre Heimat. Einmal zur Zeit Hermanns (Römer!) und einmal zur Zeit Karls des Großen (Sachsenkriege!) ■— Gieb das aus der Geschichte Bekannte an! b. Warum nennt der Dichter Westfalen „das Land der roten Erde"? (Farbe der Erden und Steine — Rotliegendes!) b. 3id: Wir hören heute, womit man sich in den übrigen Teilen der Provinz Westfalen beschäftigt. 1. Wie man sich im nordwestlichen Teile beschäftigt, ist uns bekannt. Da treibt man vorzugsweise Ackerbau und Viehzucht. Dort liegen die stattlichen Bauernhöfe, die wir in letzter Stunde kennen lernten. 2. Im nordöstlichen Teile ist die Beschäftigung eine andere. Hier finden wir haupsächlich Weberei. Auf weiten Feldern gedeiht hier der Flachs mit seinen wundervollen himmelblauen Blüten. Tausend Hände sind beschäftigt, aus seinen Stengeln Garn zu gewinnen und dasselbe dann weiter mit Hilfe großer Webstühle zu Leinwand zu verarbeiten. Der Hauptort der Weberei ist Bielefeld (Zeige und bestimme seine Lage! — Am Fuße des Teutoburger Waldes!) Hier werden jährlich viele tausend Meter Leinwand hergestellt. Die fertige Leinwand ist zu- nächst noch grau und unansehnlich. Man trägt sie hinaus auf die großen, gutbewässerten Wiesen vor der Stadt, spannt sie dort aus und läßt sie im heißen Sonnenschein liegen. Männer gehen zwischen den ausgespannten Stücken hindurch und begießen sie mit Wasser. Wochenlang liegt die Leinwand draußen auf dem grünen Plane, bis sich die graue Farbe nach und nach ins schönste Weiß verwandelt hat. Blinkt das Linnen wie Schnee, so wird es getrocknet und zusammengerollt. Die fertigen Stücke werden entweder in große Ballen in alle Welt versandt, oder in Viele- feld zu „weißer Wäsche" verarbeitet, also zu Hemden, Handtüchern, Bett- Wäsche u. s. w. 3. Im südlichen Teile Westfalens finden wir regen Bergbau. In der Nähe der Stadt Iserlohn (Zeige und bestimme die Lage!) birgt

2. Teil 3 - S. 151

1895 - Leipzig : Wunderlich
— 151 — Schnell griff sie nach dem Eimer, um Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen, aber — sonderbar! — das Wasser strömte fort und fort aus dem Brunnen, so daß sie bald bis über die Knie im Wasser stand. Sie rief um Hilft, aber niemand hörte den Ruf. Das Wasser stieg immer höher, und immer höher kletterte die Alte in Todesangst, bis sie endlich ans der Spitze ihres Hauses stand. Da ging die Sonne unter und der Bann war gelöst. Aber nun entstand ein See, der immer größer und Zuletzt so groß ward, daß er das Land überschwemmte und von Rügen das Stück Land abtrennte, welches jetzt nach Frau Hidden heißt: Hiddensee. Nach Pfeil. 2. Der Lügenstein in Halberstadt. In Halberstadt aus dem Domplatze befindet sich ein großer runder Fels. Man nennt diesen Stein Lügenstein, und zwar auf Grund einer Sage. Hildegrim, der erste Bischos von Halberstadt, wollte in dieser Stadt einen Dom bauen lassen, und dazu berief er einen tüchtigen Baumeister, der einen Plan zu dem Bauwerke entwerfen mußte. Das ging freilich nicht so schnell, denn der Bischof hatte an dem Plane bald dies bald das auszusetzen. Endlich fand der Plan die Genehmigung des Auftrag- gebers. Nun ließ der Baumeister geschickte Gesellen kommen und ver- sprach diesen einen hohen Lohn, wenn sie es fertig brächten, den Bau in kurzer Zeit zu vollenden. Die Gesellen gingen ans Werk. Bevor der Grundstein gelegt wurde, hielt der Baumeister eine Rede, in welcher er sagte, daß das zu bauende Hans dazu ausersehen sei, dem Herrn zu dienen und den durstenden Seelen aus dem Born der ewigen Wahrheit Labung zu bieten. Als der Meister von den durstenden Seelen sprach, glaubte der fernstehende Teusel es handle sich um den Bau eines Wirtshauses, und da ein solches seinen vollen Beifall fand, weil er da manche Seele zu gewinnen hoffte, so nahm er sich vor, den Bau zu fördern; er legte deshalb selbst Hand ans Werk und trug das Baumaterial mit herbei. Kamen die Gesellen früh zum Bauplatz, waren sie nicht wenig verwundert, denn der Bau hatte während der Nacht ersichtlich zugenommen. So vergingen einige Wochen. Da merkte der Teufel endlich, daß er an der Errichtung eiues Gotteshauses mit gearbeitet habe, und er beschloß, den Bau samt den Arbeitern zu vernichten. Als eines Morgens der Baumeister der Arbeit seiner fleißigen Gesellen zuschaute, erschien hoch oben in der Luft der Teufel mit einem großen, mächtigen Felssteine und rief den Arbeitern zu: „Ich habe euren Bau gefördert, weil ich glaubte, daß ihr ein Wirtshaus schaffen wolltet; jetzt sehe ich, daß meine Arbeit vergebens gewesen ist, nun will ich mich rächen und euch unter den Trümmern eures Baues begraben!"

3. Teil 3 - S. 154

1895 - Leipzig : Wunderlich
reichsten Handelsherren in Flandern und den Städten der Hansa. Natur- lich trieben sie auch demgemäß vielen Luxus. Einer aber unter ihnen, ein gewisser Dietbold, der von Antwerpen nach Köln übersiedelt war, übertraf sie alle an Reichtum und Schwelgerei. Leider verdankte Diet- bold sein Vermögen nicht nur seinem Fleiße, sondern er hatte viel Geld durch Wucher erworben. An seinem Reichtums hingen zahlreiche Thränen, ja das Volk erzählte sogar, der Erwerb des Geldes sei nicht ohne Blut abgegangen, wie denn der genannte Handelsherr kein unrechtes Mittel scheute, um Geld zu erwerben. Einst richtete Dietbold das Hochzeitsfest seiner einzigen Tochter aus, und zwar mit einem solchen Prunk, daß alle Gäste darin übereinstimmten, in Köln niemals etwas Ähnliches gesehen zu haben. Das Gastmahl brachte die feinsten und kostbarsten Gerichte, die man ans allen Erdteilen mit ungeheuren Kosten hatte erlangen können. Und die Getränke be- standen ans den ausgesuchtesten Weinen. Schon nahte sich das Mahl seinem Ende, da öffnete sich die Thüre des Saales und unter die über- mütige Gesellschaft trat ein finsterer Mönch in der schwarzen Kutte eines Karthäusers, er schritt auf dem Hausherrn zu und sprach mit dumpfer Stimme: »memento mori« („Gedenke, daß du sterben mußt!") Schauer überlief die Gäste, während der Bräutigam, der die Erscheinung des Mönchs für eiuen schlechtgewählten Scherz hielt, ihm einen Becher reichte und ihn aufforderte, mit ihm zu trinken. Der fremde Gast that dies auch, aber er wiederholte seinen Spruch. Als der Brautvater Mut faßte und mit ihm wirklich anstoßen wollte, da wies er ihn zurück mit den schrecklichen Worten: „Ich trinke nicht mit dir, dein Becher ist mit Blut gefüllt!" Vor Schreck über diese Worte ließ Dietbold den Becher fallen — da sahen die entsetzten Gäste, wie ans demselben rotes Blut über das weiße Tischtuch hinab aus den Boden floß. Der Mönch führte gleichzeitig drohend hinzn, der Reiche werde bald ärmer sein als der ärmste Bettler in Köln, denn das Maaß seiner Sünde sei voll. Nun ergriff den Kauf- Herrn fürchterliche Wut, er rief laut aus: „Eher kriechen die gesottenen Krebse dort aus der Schüssel, ehe meine Habe zu Grunde geht!" Nach diesen Worten befahl er seiner Dienerschaft, den Frechen hinaus- zuwerfen; ehe dieselben sich aber an den Fremden vergreifen konnten, er- schütterte ein Donnerschlag das Haus in seinen Grundmauern, Blitze fuhren durch die Fenster, die rotgesottenen Krebse krochen aus den Schüsseln, auf denen sie ausgetragen waren, über den Tisch, und der Mönch, auf den der Kaufherr mit gezücktem Schwerte losstürzte, ver- schwand in der Erde. Plötzlich kamen Flammen aus allen Ecken des Saales heraus. Brautpaar und Gäste hatten genug zu thun, ihr Leben zu retten, alles; das Haus und die gefüllten Speicher, waren mit Tages-

4. Teil 3 - S. 158

1895 - Leipzig : Wunderlich
—Ü158 — mir, Herr Kaiser, daß ich Euch ein besseres Mittel vorschlage, den Schimpf zu tilgen, ihn ungeschehen zu machen." „Nun, sag an!" rief, noch immer zornig, der Kaiser. „Tas Allereinfachste von der Welt", sprach lächelnd der Übelthäter, zieht Euer Schwert und schlagt mich zum Ritter. Tann bin ich so edel wie irgend einer in dieser Versammlung und werfe meinen Handschuh jedem hin, der es wagt, unehrerbietig von meiner Königin zu sprechen." Während er diese Worte sprach, schoß wieder ein Blitz so wild- freudigen Kampsesmntes aus seinen Augen, daß keiner, am wenigsten der Kaiser und die Kaiserin, an der Aufrichtigkeit seiner Rede zweifelte. Cb der Kaiser diesen Vorschlag erwartet hatte? Wohl kann?, denn er schien sichtlich überrascht von der Kühnheit desselben. Aber nur einen Augenblick schwankte er, denn er sah schnell ein, daß der Vorschlag unter den gegebenen Umständen der weiseste war, daß aller Schimpf nur durch die Verwirklichung dieser Worte getilgt werden konnte. „Tu bist eil? Schelm", sagte der Kaiser lächelnd, „aber dein Rat ist gut und da du durch die Verwegenheit deines Vergehens gezeigt hast, daß du die vornehmste Rittertugend, Mnt, besitzest, wohlan — und dabei gab er ihm den Ritterschlag — so erhebe ich dich hiermit in den Stand der Edlen: der du deines Frevels wegen als Bittender vor mir auf den Knien liegst, stehe ans als Ritter! Und weil du als Schelm gehandelt hast, so sollst du vou nun an Schelm von Bergen heißen!" Ta brauste durch den großen Saal ein dreifaches freudiges Hoch dem Kaiser und dem neuen Ritter zu Ehren, der sich so schnell erhoben hatte, um nochmals vor der Kaiserin sich bittend auf ein Knie niederzu- zulassen, und lauter Jubel erscholl, als beide wieder und immer wieder leichten, zierlichen Schwunges die langen Reihen des Saales tanzend hinauf- und hinabflogen. Das ist die Sage vom Ritter, vom Schelm, Erhoben zum Schelm von Bergen — Lang blühte am Rhein das edle Geschlecht, Jetzt ruht es in steinerneu Särgen. Pfeil. 7. Die Entstehung der westfälischen Pforte. Einst in uralten Zeiten quälte der Teufel die Bewohner des Weser- tbales, ihm zu dienen, aber sie wollten nicht. Ta dämmte er die Wall- lüde, eine Schlucht im Gebirge unweit Bergkirchen, durch welche die Weser ihre Wasser in die Ebene nach Norden ergoß, und nun schwoll der Strom im Thale an und stieg fast bis zur Krone des Gebirges. Die Leute retteten sich auf die Berge, aber immer höher wurde das Gewässer und immer größer die Not der armen Menschen. Plötzlich kam ein Gewitter und ein gewaltiger Sturm. Ein Blitzstrahl spaltete

5. Teil 3 - S. 159

1895 - Leipzig : Wunderlich
— 159 — das Gebirge und bildete eine Schlucht, durch die das Wasser absloß, so daß die Thäler und Tiefen nach und nach srei wurden. Als der Teufel sah, daß ihm das Spiel verdarben war, geriet er in Wut, erhob sich in die Luft, eilte in die Höhen, packte einen ganzen Berg, nahm ihn auf den Rücken und wollte ihn in die Schlucht stopfen und so die Bergscharte zudämmen. Doch die Last wurde ihm unterwegs zu schwer; an der Grenze des heutigen lippischen Landes fiel er mit seiner Bürde zu Boden, und die Masse begrub ihn. Tie Höhe heißt jetzt Bonstapel oder Boben- stabel, und noch soll der Teufel dort sitzen und von Zeit zu Zeit rumoren. Die Bergschlucht aber ist die westfälische Psorte. Grösse. U 8. jder westfälische Pumpernickel. - Emst reiste ein Franzose durch Westfalen, dem wollte das schwarze^ dort übliche, Pumpernickel genannte Brot nicht munden. Er reichte es seinem Pferde mit den Worten: „Bon pour Nickel!" b. h. gut für Nickel. Nickel war aber der Name seines Pferdes. So soll das westfälische Brot seinen Namen bekommen haben. Andere sagen, es habe denselben von dem Backer Nickel Pumper, der es im 16. Jahrhundert zu Osna- brück zuerst gebacken habe. 9. Der grosze Rosenstock am Dome zu Hildesheim. Der Kaiser Ludwig, der eiu frommer Mann war, trug stets einen Rosenkranz zum Gebete bei sich. Als er einst auf der Jagd war im Walde Hils, von dem die Stadt Hildesheim ihren Namen erhalten haben soll, verlor er denselben. Das verursachte dem Kaiser großes Herzeleid; alle seine Diener mußten das verlorne Kleinod suchen, und er gelobte und sprach: „Wo der Rosenkranz wiedergesunden wird, da will ich eine Kapelle bauen lassen zur Ehre Gottes, meines Herrn." Endlich sand man ihn an dem Zweige eines wilden Rosenstocks, der stand in voller Blüte, obgleich es mitten im Winter war und hoher Schnee die Gegend bedeckte. Der Kaiser hielt sein Gelübde und ließ an der Stelle eine Kapelle bauen, die war das erste Gebäude von Hildesheim; auch verlegte er deu Bischofsplatz, den sein Vater Karl der Große zu Elze errichtet hatte, hierher. Wo der Rosenstock gestanden hatte, war jetzt der Altar des Gotteshauses. Die Wurzeln aber trieben unter dem Mauerwerke einen neuen Schößling hervor, und der wuchs sröhlich und blieb auch verschont, als die spätere Domkirche durch eine Feuersbrunst eingeäschert wurde. An der nördlichen Mauer des nenen Domes ist er wie ein Wein- stock emporgewachsen, seine Krone ist gegen 9 na hoch, während sie sich

6. Teil 3 - S. 164

1895 - Leipzig : Wunderlich
— 164 — wie auf einem Schlachtfelde. Und als er sich erschrocken umblickt, um die Ursache von diesem sonderbaren Rauschen und Rasseln zu erspähen, da steht vor ihm die Gestalt eines geharnischten Kriegers und spricht: „Was rief dich, Unglückseliger, in diese Wildnis her? Was rief dich hierher, um uns aus tiefen, schweren Träumen zu wecken? Wisse, da drunten in den Höhlen, in meilenweitem Gange, schlafen Heere schon Jahrhunderte lang. Die Frevel verruchter Söhne, der Bruch geschworner Treue hat längst schon auf uns des Himmels Strafe geladen. Vernimm die grause Kunde: du stehst an derselben Stelle, wo Ludwig der Fromme von seinem Heere verrathen wurde. Wir schlössen dichte Reihen bis an die fernen Berge, um den königlichen Herrn zu schirmen, da zog die Heeresschaar der Söhne in blanken Waffen herbei und von dumpfem Rauschen dröhnte der weite Rasenplan. Sie stürmten heran, die frevlen Brüder, in ihren Fäusten Schwerter, in ihren Blicken Zorn, der türkische Lothar schlüpfte durch unser Lager und bot uns blanke Münzen und glatte Worte dar. Ja, selbst der heilige Vater bethörte uns den Sinn, schlich durch unsere Reihen und stellte uns vor, daß die Treue Frevel sei, die mau dem Sünder erweise; er streute schlimme Saat, bis wir uns verblendet dem Verrathe fügten. Draus schlugen die vernichten Söhne die Hand des Vaters, die dieser bereits znm Frieden entgegen- streckte, in schweres Eisenband, sie rissen ihm die Krone vom silberweißen Haupte und führten den verlassenen Greis hinweg. Da hob der Betrogeue Augen und Hände gen Himmel und sprach im bittersten Schmerzgefühl: „Es giebt keine Treue mehr anf Erden! Gefchworne Treue und Kindesliebe sind nur Trug." Dann verfluchte er seine entarteten Söhne und ihre Kampfgenossen. Weh, falsche Söldnerschaaren, so feil und so verrucht! Weh dir, o Lügenstätte — ihr seid fortan verflucht! Und der Himmel hat das Racheflehen des Kaisers erhört! In meilenweiten Gräbern liegen hier anf öder Heide alle jene Meineidigen, die das Unglück des frommen Kaisers verschuldeten. Da schlafen auch die frevelnden Söhne, und wie sie ihrem Vater des Lebens Glück und des Herzens Ruhe geraubt habeu, so kommen sie selber in aller Ewigkeit nicht zur Ruhe; denn nimmermehr wird der Fluch von diesem Felde ge- nommen, das seit jeneni Tage das Lügenfeld heißt!" So schloß der gespenstische Krieger seine Erzählung, dann versank er vor den Augen des erschrockenen Wanderers in den Erdboden, der sich mit dumpfem Dröhueu öffnete und wieder schloß, nachdem er seine Beute verschlungen hatte. — Der Wandersmann sich kreuzet und thut zur selben Stund' Im Thanner Münster drüben die Märe beichtend kund. Nach Pfeil.

7. Teil 3 - S. 150

1895 - Leipzig : Wunderlich
— 150 — Die Frau — es war die Schwiegertochter der Mutter Hidden — ließ den Bettler in die Stube eintreten, in welcher nur noch wenige Kohlen glimmten, während in einer Ecke des Zimmers zwei halbnackte Kinder aus eiuem Haufeu alter Lumpen schliefen. Sie brachte dem er- müdeten Greise eine warme Suppe, die sich dieser wohlschmecken ließ, dann bereitete sie ihm ein Lager von Binsen und Schilf auf der Erde. Er legte sich nieder und schlief bald ein. Die Frau blieb uoch auf und wartete ängstlich auf ihren Mann, der ans den Fischfang ausgefahren war, um etwas für Frau und Kinder zu verdienen. Als derselbe am andern Morgen noch nicht zu Hause war, sprach der Fremde der be- kümmerten Frau Mut du; er meinte, ihr Mann werde wegen des Un- Wetters irgendwo ein Unterkommen gesucht und gefunden haben. Der Gast entfernte sich wieder; ehe er aber fortging, sagte er: „Gebt Acht, gute Frau, die Arbeit, die ihr heute zuerst beginnt, wird ench den ganzen Tag gelingen!" Nachdem der Mann sort war, holte die Fran ein Stückchen Lein- wand aus der Lade, um soviel abzuschneiden, als sie zu einem Hemdchen für ihr jüngstes Kind bedurfte. Sie nahm die Elle, nin ansznmesfen, wieviel sie noch übrig behalten werde, aber je länger sie maß, desto mehr behielt sie noch zu messen übrig; schließlich hatte sie in der Stube gar keinen Raum mehr und so maß sie denn bis zum Hause hinaus, und als ihr Mann zurückkehrte, hatte sie soviel Leinwand gemessen, daß der Haufen bis zum Dache 'der Hütte reichte. Nun konnte sie die Elle nicht mehr halten, sie hörte auf, und da war auch das Stück zu Ende. Sobald die Nachbarn erfuhren, welchen Segen der alte fremde Mann in das Haus gebracht hatte, kamen sie von allen Seiten herbei, um die schöne weiße Leinwand zu kaufen. Und da sich die Leute im Preise überboten, waren die Armen schnell aus alker Not. Die Kuude von dem Glücke der armen Fischerfamilie gelangte anch zur Schwiegermutter, zur Frau Hidden. Natürlich machte sie sich nun Vorwürfe darüber, daß sie den Bettler von der Thür gewiesen hatte. Der Gedanke, daß sie ebenso glücklich wie die junge Frau sein könnte, ließ ihr keine Ruhe; sie wanderte umher und suchte den alten Mann, und nachdem sie ihn gefunden, lud sie ihn ein, indem sie hinzufügte, sie sei an jenem Abende in einer gereizten Stimmung gewesen. Der Alte erschien am Abende. Als er am andern Morgen fortging, verabschiedete er sich mit demselben Versprechen, mit dem er sich einige Tage zuvor von der Schwiegertochter getrennt hatte. Frau Hidden war nun voller Freude, endlich am Ziel ihrer Wünsche zu sein; sie beschloß, die Arbeit zuerst zu beginnen, von der sie sich den meisten Vorteil ver- sprach: Geld zählen. Schon hatte sie ans dem Kasten 'einen alten, ledernen Beutel geholt und wollte ihn eben ausschütten, um zu zählen, da hörte sie ein klägliches Brüllen aus dem Stalle und nun besann sie sich erst, daß sie am gestrigen Tage vergessen hatte, die Kuh zu tränken.

8. Teil 3 - S. 153

1895 - Leipzig : Wunderlich
— 153 — kostbarer Ring weggekommen, den er von feinem Busenfreunde, dem Bischof Gerhard von Meißen, zum Geschenk erhalten hatte. Nun hatte der Bischof einen alten, wegen seiner Rechtschaffenheit allgemein geachteten Kammerdiener und einen etwas jüugeren Leibjäger. Letzterer trng aber schweren Groll gegen ersteren im Herzen, weil er glaubte, daß jener ihm hinderlich sei, wie er es wünsche, in der Gunst seines Herrn zu steigen. Derselbe hatte den Raben verschiedene Worte gelehrt, unter anderen auch den Spruch: „Hans Dieb!" Als nun der Bischof, nachdem er den Dieb- stahl erfahren, außer sich vor Zorn alle seine Leute streng befragte, um den Dieb herauszubekommen, da schrie der Rabe auf einmal: „Hans Dieb! Hans Dieb!" Unglücklicherweise hieß oer alte Kammerdiener Johannes, und der Bischof hielt den Spruch des Vogels gerade in diesem Augenblicke für ein Gottesurteil; trotz alles Leugnens und Beteuerns seiner Unschuld wurde der Greis ergriffen, ins Gefängnis geworfen, vor das bischöfliche Gericht gestellt und lediglich auf deu durch das Vogel- geschrei erregten Verdacht hin verurteilt und hingerichtet. Einige Zeit nachher trng es sich zu, daß bei einem heftigen Sturme das Rest des Rabeu vom Turme herabstürzte; darin fand sich mancherlei güldenes und silbernes Kleinod und auch des Bischofs Ring, um den der fromme Kammerdiener unschuldig hingerichtet worden war. Das traf des Bischofs hartes Herz wie ein Blitzstrahl, und es ergriff ihn eine bittere Reue wegen seines Jähzorns, der ihn zu dem ungerechten Urteile veran- laßt hatte. Er legte sein bisheriges Familienwappen ab und nahm ein neues an, d. h. er setzte in das Schild einen Raben, der einen Ring im Schnabel trug, und oben aus der Krone hoben sich zwei Arme und Hände, deren Finger einen Ring faßten. Dieses Wappen ließ der Bischof überall anbringen, damit es ihn stets an seine Unthat erinnern möge und zu steter Buße mahne, innen und außen am bischöflichen Palast, im Dome, an den Mauern, in den Zimmern, auf deu Gängen, auch an vielen Häusern der Stadt. Dasselbe Wappen und über demselben das Bild des hingerichteten Kammerdieners mit aufgehobenen Händen ohne Kopf erblickt man auch an seinem messingenen Grabdenkmale, welches im Dome zu Merseburg errichtet worden ist. Zum ewigen Andenken an diese Begebenheit wird noch heute ein Rabe in einem stattlichen Käfig auf dem äußeru Schloßhofe zu Merse- bürg gehalten. Der Wärter desselben genießt eine Pension von 12 Scheffeln Korn und 12 Thalern, muß aber, wenn der Rabe stirbt, einen andern anschaffen. Marie Schäling. 5* Die Krebse zu Köln. Die Stadt Köln war im Mittelalter eine der bedeutendsten Handels- städte, namentlich blühte das Tuchmacherhandwerk daselbst, und viele Kölner Kaufleute ließen ihre Schiffe auf der See gehen, wie die

9. Teil 3 - S. 155

1895 - Leipzig : Wunderlich
— 155 — anbruch von der Feuersbrunst verzehrt. Von dem Kaufherrn und seinen Gästen gab nichts mehr Kunde. Jahre vergingen, die Brandstätte in der Brückenstraße blieb unauf- gebaut, denn niemand wollte den Grund und Boden übernehmen, auf dem sich so Fürchterliches zugetragen hatte. Die Tochter des Kauf- Herrn war wenige Tage nach jenem Schreckenstage gestorben, ihren Vater glaubte man von den Trümmern des eingestürzten Hauses erschlagen und andere Erben hatten sich nicht eingefunden, überhaupt war auch nichts zu erben, denn kurz nach dem schrecklichen Ereignisse hatten unvorhergesehene Unglücksfälle alles Eigentum Dietmolds verzehrt. Eines Abends erschien ein alter Mann bei dem in der Kirche zu St. Columban im Beichtstuhle sitzenden Priester und bat diesen, ihm zu folgen und einem Sterbenden die letzte Wegzehrung zu geben. Der Priester machte sich auf den Weg und folgte seinem Führer bis in eine am Ende der Stadt liegende ärmliche Hütte, in welcher er aus elendem Lage einen Sterbenden antras. Dieser gestand, daß er der todtgeglanbte Dietbold sei; er beichtete alle seine Sünden und teilte noch mit, daß er durch seinen treuen alten Diener aus den Flammen gerettet und hier in diese Hütte geschafft worden sei. Mit seinem Diener habe er späterhin oft des Nachts die Brandstätte besucht und daselbst aus dem Schutte noch ziemlich viel seiner Habe gerettet; diese möge jetzt der Priester aus seinen Händen in Empfang nehmen und den größten Teil unter diejenigen ver- teilen, die er in seinem Leben betrogen habe, zu welchem Zwecke er ihm ein Verzeichnis von Namen einhändigte. Den Rest bestimmte er aber dazu, daß Messen für sein Seelenheil gelesen werden sollten. Der Geist- liche versprach feierlich, diese Wünsche zu erfüllen. Bald daranf starb Dietbold reumütig; sein alter Diener trat in das Kloster, dem der Priester angehörte. An der Stelle, an welcher sonst das Haus des Reichen stand, ward ein neues stattliches Gebäude errichtet und über der Thür desselben das Standbild eines Greises angebracht, der zur Erinnerung an das Schicksal Dietbolds in der Rechten einen großen Krebs hielt. Dieses Denkmal befand sich bis zum Jahre 1817 in einer Spitzbogennische des ehemaligen Nesselroder Hofes auf der Brückenstraße. Seit jener Zeit kam es weg, weil es ganz verwittert war. Jetzt befindet es sich in dem sogenannten Wallrasfiannm zu Köln. Nach Pfeil. 6. Der Schelm von Bergen. Auf dem Römer zu Frankfurt am Main war Maskenball; es galt der Krönungsfeier Karls des Großen. — Hierzu waren in dem glänzend erhellten Saale viele Fürsten und Ritter versammelt in ihren Prachtgewändern und in den verschiedensten

10. Teil 3 - S. 157

1895 - Leipzig : Wunderlich
— 157 — „Nein, nein", antwortete lächelnd die Kaiserin, „ich lässe dich nicht fort, bevor ich dein Antlitz gesehen habe." Noch einmal bat er flehend: „Majestät, gebt mir Urlanb, mein längeres Weilen bringt Schrecken in diesen Saal." „Ich fürchte mich nicht — ich muß dein Antlitz schauen", befahl die Kaiserin. Der Unbekannte öffnete das Visier. Niemand erkannte das stolze, edle Gesicht mit den geistreichen Zügen und den ernstblickenden, seelenvollen Augen. Keiner hatte ihn jemals im Gefolge des Königs gesehen oder war ihm begegnet bei festlichen Turnieren oder auf sonstiger Ritterfahrt: nur daß er ein stattlicher, zu ernstestem Kampfe befähigter und anch bereiter Ritter sei, das sahen alle; denn wie die Augen aller auf ihn gerichtet waren, schien seine Gestalt zu wachsen und aus seinen Augen schoß plötzlich ein so scharfer Blitz von Mut und Mannhaftigkeit, daß keiner von allen an seiner Ritterbürtigkeit zu zweifeln wagte. Aber was war denn das? Plötzlich ging dnrch die Versammlung Schrecken und Entsetzen! Die Damen flohen mit leisem Schrei aus- einander, die Herren standen starr und sahen, keines Wortes mächtig, auf den schwarzen Tänzer der Königin, der sich jetzt zu erkennen gab als — der Scharfrichter von Bergen! Der letzte Mann aus dem Volke, derjenige, dem sein Gewerbe das Brandmal der Unehrlichkeit aufdrückte, er hatte es gewagt, sich in die Versammlung von Fürsten und Herren zu drängen; mehr noch, er hatte die Frechheit begangen, unter der schützenden Maske die verehrte Person der Königin zu entwürdigen, er hatte die Krone beschimpft — er mußte sterben! Vor Zorn glühend, befahl der Kaiser, den frevlerischen Majestätsbeleidiger zu ergreifen und zum Tode zu führen. Aber wunderbarer Weise erschrak der Sünder nicht vor dem Zorngebote des Gewaltigen. Bereits schickten sich einige an, die Verhaftung auszuführen, da ließ sich der Verurteilte in edlem Anstände vor dem Kaiser aus ein Knie nieder und sprach: „Großmächtiger Herr! Es ist war, ich habe schwer gefrevelt an all den Edlen, die hier versammelt sind, 4m schwersten an Euch selber und Eurer liebreizenden Frau Gemahlin, die durch meinen frechen Übermut beschimpft und tief beleidigt worden ist. Ich bekenne mich schuldig, durch mein Eindringen in Eure und Eurer Edlen Gesellschaft, mehr noch da- durch, daß ich es wagte, die edle Königin zum Tanze zu führen, ein Majestätsverbrechen begangen zu haben. Aber kann selbst durch mein Blut gesühnt, die Schande abgewaschen, getilgt werden, die ich Euch an- gethan habe? Nimmermehr! Laßt Ihr mich töten, wird es heißen: Der Scharstichter von Bergen hat beim Krönungsmaskenballe zu Frank- furt mit der Gemahlin Kaiser Karls des Großen getanzt, und der Schimpf wird für alle Zeiten an Eurem glorreichen Andenken haften. Erlaubt
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