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1. Theorie und Praxis der Heimatkunde - S. 1

1905 - Leipzig : Wunderlich
(8. Schuljahr.) 1. Unsere Heimat. Schon sank die Sonne hinter Wolkenbergen, Von ihrer Wonne noch ein letzter Strahl Blinkt aus den erdenfernen, lichten Höhen Als Abschiedsgruß ins heimatliche Tal. Der Tag hat seine Kinder müd gemacht, Und von den Bergen schreitet leis die Nacht. Doch zwischen all dem Abendfrieden klingen Des Lebens Stimmen dumpf und rastlos fort, Maschinengang und Rädersurren tönet Bis an den ruhesamen Heimatort. Rings leuchten tausend Lichter in der Runde, Als stünden Sonnen auf zur nächt'gen Stunde. Der Wald der Essen sprühet Feuerlohe, Des Rauches trübe Säule schwebt empor, Die hohen, dunklen Halden glühn und funkeln, Und oben strahlt der ew'gen Sterne Chor. Vom Tal herauf ertönet Hammerschlag So frisch und stark, als wär's am jungen Tag. Wo ist dein Frieden hin? Am Bergesrande Winkt noch ein Waldsaum, seine letzte Spur. Die Riesen sind gefallen, dort im Tale Bedeckt ein Häusermeer die grüne Flur, Und fröhlich sprießt empor ein neuer Same, Du kennst ihn, Fleiß der Arbeit ist sein Name. Venter, Niederplanitz. 1 Jochen, Lesebuch.

2. Theorie und Praxis der Heimatkunde - S. 3

1905 - Leipzig : Wunderlich
3 Schutz vor den Überfällen der wilden Tiere. Zur Kriegszeit bewährte sich die Besiedelung im Rundling vortrefflich. Man zog rings um den Ort einen tiefen Graben und errichtete hinter diesem eine dichte Hecke. Der einzige Eingang in den Ort aber wurde gut verschanzt und wacker verteidigt. Aus dem Rundling entstand bei manchen Orten eine andere Form der Besiedelung. Da sich neben der Viehzucht der Ackerbau mehr und mehr entwickelte, wurden die Bewohner seßhaft. Wollten sich nun bei dem Wachstum der Einwohnerzahl Familienglieder selbständig machen und ein eigenes Anwesen gründen, so mußten sie ihre Wohnungen am Dorfeingange, zu beiden Seiten der Straße, errichten. Dadurch ge- wannen manche Dörfer nach und nach die Form eines Beutels. Später baute man viele Ortschaften überhaupt mehr länglich als rund und ließ sie an beiden Seiten offen, so daß die Dorfstraße an dem einen Ende hinein-, am anderen wieder herausführte. Beim Eintritte in das Dorf teilte sie sich oft in zwei Arme, die längs der Häuserreihen hinführten und sich vor dem Austritte wieder vereinigten. So wird aus dem Rundlinge das Straßendorf. Beide Formen lassen sich noch heute bei vielen Orten wiedererkennen, doch kann man aus ihnen nicht unbedingt auf sorbische Gründung schließen, weil auch die später einwandernden Deutschen oft die sorbische Besiedelungsform nachahmten. Selbst die aufgefundenen Urnengräber geben keinen Aufschluß- denn sowohl die Ger- manen, wie auch die Sorben hatten zweierlei Formen, die Toten zu bestatten. Entweder beerdigten sie ihre Helden in voller Rüstung mit dem Streitrosse, oder sie verbrannten die Leichen und füllten die Asche in Urnen, die sie dann in gemeinsame große Gräber stellten. Deutlicher schon weisen die Namen der Orte auf ihre Erbauer hin. Die sorbischen Ortsnamen sind in den meisten Fällen leicht zu er- kennen, weil in ihnen die Beziehung zu einem deutschen Stammworte fehlt. Sie enden oft auf ig, itz, itzsch, au und weisen häufig Zisch- und K-laute auf. In unserer Gegend tragen die Orte Zwickau, Schedewitz, Wilkau, Culitzsch, Vielau, Planitz, Niedercrinitz und Crossen sorbische Namen. Hören wir, was uns die Sprachgelehrten über ihre Bedeutung sagen. Meist gehörten die Erbauer eines sorbischen Ortes einer einzigen großen Familie oder Sippe an, und nach ihrem Namen wurde nun auch der Wohnplatz genannt. Die Familiennamen aber waren, wie bei uns, die Namen der Stammväter. Zwickau heißt soviel wie Ort des cvik, des Schlauen, also Schlauenheim, Schedewitz Ort des Graukopfs, Wil- kau Wolfsheim, Culitzsch Ort des colek, des Rundmanns, also Rund- mannsdorf, Vielau Ort des Narren. Andere sorbische Namen weisen auf die natürliche Lage der Orte hin. Bockwa bedeutet Buchenort, Planitz Schwemmort, Crinitz Krummbach. Der Name Crossen aber gibt die Beschäftigung seiner Bewohner an- er bedeutet Weberdorf. Bei den Orten, die einen Familiennamen tragen, ist sicher anzu- nehmen, daß sie auch von den Sorben gegründet worden sind. Bei den 1*

3. Theorie und Praxis der Heimatkunde - S. 14

1905 - Leipzig : Wunderlich
— 14 — (6. Schuljahr.) 7. Das Schloß Hartenstein. Auf waldiger Höhe östlich von der Stadt Hartenstein liegt das Schloß Hartenstein. Wann dasselbe erbaut worden ist, läßt sich nicht genau sagen- jedenfalls ist es aber viel älter als die gleichnamige Stadt. Eine Urkunde aus dem Jahre 1297 ist von einem der Burggrafen auf dem Hartenstein unterzeichnet^ es steht aber fest, daß schon vorher Meißner Burggrafen auf dem Schlosse gewohnt haben. Im Jahre 1406 verkaufte der letzte dieser Burggrafen, welcher 20 Jahre später bei Aussig im Kampfe gegen die Hussiten fiel, die Graf- schaft Hartenstein an das Haus Schönburg um den Preis von 8000 Rheinischen Gulden. Das Schloß galt ehemals als Festung, war rings von Mauern und Gräben umgeben und von größerem Umfange als jetzt. Im 16. Jahrhundert wurde es unter dem Grafen Hugo Ii. zum großen Teile umgebaut. Er war ein sehr frommer Herr und ein be- geisterter Anhänger vr. Martin Luthers und seiner Lehre. Einst äußerte er seinem Hofprediger Zechendorf gegenüber: „Sehet da" — mit diesen Worten zog er seinen Petschaftring vom Finger — „wir Herren von Schönburg führen in unserem Wappen weiß und rot. Weiß erinnert mich an das reine Wort Gottes; rot aber an das Blut Christi. Ehe ich nun schädliche, vergiftete Lehre annehmen wollte, eher wollte ich mich von diesem hohen Hause herunterstürzen lassen." Seine protestantische Gesinnung trieb ihn auch dazu, eine alte Rüstkammer in eine Kapelle umzuwandeln imb sie für die evangelischen Gottesdienste einzurichten. Diese Kapelle wurde ungefähr hundert Jahre später weiter ausgebaut und nach Hugos Gemahlin Sophienkapelle genannt. Jetzt wird in ihr katholischer Gottesdienst abgehalten. Geschichtlich bekannt ist das Hartensteiner Schloß dadurch geworden, daß 1455 die beiden Prinzen- räuber, die Ritter von Mosen und von Schönfels, den Prinzen Ernst auf dem Schlosse ablieferten, und daß der Prinz die erste Nacht nach seiner Befreiung hier zugebracht hat. — Solche hohe Gäste hat aber das Schloß noch häufig gesehen. Im Laufe der Jahrhunderte haben gar oft edle Fürsten hier Einkehr gehalten, so die Könige Friedrich August und Johann von Sachsen. Doch auch ungebetene und unwill- kommene Gäste haben das Hartensteiner Schloß und das dazu gehörige Rittergut aufgesucht. Die Banernunruhen vom Jahre 1525 warfen ihre Wellen auch bis in die Hartensteiner Gegend. Ernst von Schön- burg schritt energisch gegen diese Bewegung ein, indem er fünf auf- rührerische Bauern in Hartenstein enthaupten ließ. — Im dreißigjährigen Kriege wurden Schloß und Stadt Hartenstein wiederholt von feindlichen Scharen heimgesucht. Die kaiserlichen Soldaten unter dem gefürchteten Feldherrn Holk und später die Schweden richteten viel Unheil an.

4. Theorie und Praxis der Heimatkunde - S. 16

1905 - Leipzig : Wunderlich
16 (5. Schuljahr.) 8. Wildenfels. An der alten Sorbenstraße, die unsere Kreisstadt mit Böhmen ver- band, fast in der Mitte zwischen Zwickau und Schneeberg, liegt das Städtchen Wildenfels. Es wurde, wie der Name andeutet, auf einem Felsen erbaut. Dieser Felskegel erhebt sich aus einem kesselförmigen Tale, das ringsum von Höhenzügen umgeben ist. Der Ort hat ein ehrwürdiges Alter- schon 1233 werden in einem Stiftungsbriefe des Klosters Geringswalde zwei Wildenfelser Einwohner als Zeugen genannt. Refl^ einer alten Stadtmauer in der Nähe des Pfarrhauses bezeugen ebenfalls das Alter des Städtchens und würden, wenn tote Steine reden könnten, von schlimmen Tagen des Krieges und der Not erzählen. Und wahrlich, Wildenfels hat eine bewegte Ver- gangenheit hinter sich! Nicht weniger als dreimal wurde es durch Brand- unglück hart heimgesucht. Auch im dreißigjährigen Kriege blieb es nicht verschont. „Des Obristen Leutnants Stritzys Dragoner neben etlichen kaiserlichen Truppen taten großen Schaden." Zweimal wütete auch die Pest und entvölkerte fast den Ort. Trotzdem erholte sich die Stadt von solchen Schlägen. Der Fleiß ihrer Bewohner verwischte bald die Spuren der Verwüstungen. Terrassenförmige Anlagen nach dem südlichen Tale, die noch heute erkennbar sind, wurden mit Wein bepflanzt, und auf den Fluren zog der Landmann wieder fröhlich seine Furchen. Später bestand der weitaus größere Teil der Bewohner aus Strumpf- wirkern und Handwerkern. Die Wirkerei ist jetzt ganz verschwunden, und auch das Handwerk nährt nur noch wenige Leute. Zwei im Orte eingeführte Erwerbszweige, die Schiffchenstickerei und die Herstellung von Segeltuch, sowie in der Nähe liegende Fabriken geben den Bewohnern Arbeit und Verdienst. Manche Leute gehen auch in die Bergwerke und Kalkbrüche der Umgebung. In früherer Zeit wurde in letzteren sogar schöner, schwarzer Marmor gefunden, der bei Ausschmückung der katho- lischen Hofkirche in Dresden und auch in der Kirche des Ortes Ver- wendung fand. Im oberen Teile der Stadt erblickt man das Schloß, dem das Städtchen seine Gründling verdankt. Es war in alter Zeit eine stark befestigte Burg. Sie soll schon zur Zeit der Völkerwanderung von einem vornehmen Römer erbaut worden sein. Doch das ist nur eine Ver- mutung. Sicherlich aber hat die Burg ein hohes Alter und wird einer der ersten deutschen Rittersitze in hiesiger Gegend gewesen sein. Die Bewohner des Schlosses vor dem Jahre 1100 sind nicht zu er- mitteln. Die nachweisbar ältesten Besitzer waren die Herren von Mynime. Sie entstammten vielleicht einem sorbischen Adelsgeschlechte oder waren Deutsche, die den Namen der Stammburg angenommen hatten. Im Jahre 1222 werden die Herren von Wildenfels zuerst

5. Theorie und Praxis der Heimatkunde - S. 19

1905 - Leipzig : Wunderlich
19 aber wieder zurück und schlossen Zwickau nochmals ein. Aber sie ver- mochten der wohlbewachten Stadt nichts anzuhaben. Der Zwickauer Büchsenmeister hatte ein großes Feuerrohr auf den Turm der Kirche „zu unsrer lieben Frau" schaffen lassen, lud mit Blei umgossene Steine hinein und schoß nun mit dieser Kanone gegen die andringenden Feinde. Da mußten die Hussiten unverrichteter Sache wieder abziehen. Ergrimmt darüber brannten sie die Vorstädte von Zwickau vollständig nieder und wandten sich dann über Reichenbach und Plauen nach Franken und Bayern, wo sie überall fürchterlich hausten. Nun konnten die nach Zwickau geflüchteten Planitzer in ihren Heimatsort zurückkehren. Mit Schaudern sahen sie die Verwüstungen. Viele Häuser waren gänzlich niedergebrannt, die andern zertriimmert und ausgeraubt. Das Schloß war zum großen Teil eine Ruine, in welcher noch die ermordeten Bewohner umherlagen. Mehrere Jahre dauerte es, bis die Spuren des Hussitenkrieges vertilgt waren. Die Bewohner aber dachten noch lange mit Schmerz und Trauer an den Schreckenstag von Planitz. Perl, Oberplanitz. (4. Schuljahr.) 10. Silberstraße. Wer würde bei Nennung dieses Namens nicht unwillkürlich an die reichen Silberschätze erinnert, die einst der Schneeberger Bergbau lieferte! Daß beide tatsächlich in Beziehung zueinander stehen, läßt sich wohl ohne weiteres erraten. Um aber genaueren Aufschluß hierüber zu er- langen, müssen wir uns im Geiste in jene Zeit zurückversetzen, in welcher der Silberbergbau in Blüte stand. Damals sah es hier allerdings noch etwas anders aus als jetzt. Ein schmaler, ausgefahrener, holpriger Weg führte am Rittergute und den wenigen mit Schindeln oder Stroh gedeckten Häuschen vorüber. Doch war diese Straße für den Verkehr sehr wichtig,- denn sie bildete die Verbindung zwischen „Zwickau und dem Gebirge- ja selbst Kirchberg war auf sie angewiesen. Über die Mulde gelangte man auf einer hölzernen Brücke. Diese war aus starken Stämmen zusammengefügt, an den Seiten mit Brettern verschlagen und überdeckt und gehörte zu den besten Brücken- bauten in weiter Ümgegend. In jener Zeit mußte sie von dem Rate der Stadt Schneeberg im Stande erhalten werden, wofür derselbe als Ent- schädigung Zoll und Brückensteuer (25 Gulden jährlich) von dem Amte Zwickau zu bekommen hatte. In den Talniederungen zogen sich Äcker und Viehweiden hin, während weiter hinauf noch dichter Wald die aanze Gegend bedeckte. 2*

6. Theorie und Praxis der Heimatkunde - S. 20

1905 - Leipzig : Wunderlich
20 Durch den Bergbau war etwas mehr Regsamkeit in das vordem abgeschlossene, eintönige Leben gekommen. Der wirtschaftliche Aufschwung, der sich an die Entdeckung der reichen Silberlager im Schneeberge 1471 knüpfte, war auch hier bemerkbar. In der stillen Hoffnung auf glück- lichen Erfolg wurde, wie überall im Gebirge, auch in hiesiger Gegend nach Erzen gesucht. Wo die Wünschelrute verborgene Schätze an- zeigte, da trieb man Stollen in das Gestein. Das Glück war freilich nur sehr wenigen hold, und die meiste Arbeit war vergebens. Durch den Bergbau aber entfaltete sich besonders auf der Straße ein regeres Leben. Die reichen Silberschätze von Schneeberg wurden nach Zwickau gebracht, da hauptsächlich Bürger dieser Stadt an der Ausbeutung als Fundgrübner beteiligt waren. Anfänglich führte man die Erze, wie sie aus der Grube kamen, später aber das ausgeschmolzene Metall in sogenannten Silberkuchen dahin. Als Beförderungsmittel verwendete man dabei Schleifen, aus Holz gebaute Fahrzeuge, die niedrigen Schlitten glichen. Da das Lob des Schneebergs weithin erschollen war, kamen viele Fremde zum Besuche desselben herbei. Leute aus allen Ständen, dar- unter selbst Fürsten und Grafen mit ihrem Gefolge, sah man jetzt hoch zu Roß oder bescheiden zu Fuß, selten im Wagen, hier vorüberziehen. Dabei wurde natürlich auch das Gut und Dörfchen „zur Armen Ruh", so hieß nämlich Silberstraße damals, recht bekannt. Dies veranlaßte seinen Besitzer Herrn Uttenhof zu der Bitte, „der Kurfürst wolle ihm seines Guts und Dorfs Namen in der Landtafel auslöschen und hin- gegen dasselbe Silberstraße nennen lassen, solches würde ihm ein größer Ansehen bei den Leuten machen". Da das Gesuch gewährt wurde, erhielt der Ort den jetzigen Namen. Die Erinnerung an die alte Zeit hat sich im Volke erhalten, und ein neu angelegter Teil von Silberstraße wurde deshalb „die neue Ruh" benannt. Der Silberbergbau hatte für das ganze Erzgebirge große Bedeu- tung. Durch ihn entstanden neue Ansiedelungen, von denen sich viele gleich zu Städten entwickelten, und die vordem unwegsame Waldwildnis wurde für den Verkehr erschlossen. Somit knüpft sich an die Entdeckung des Silbers ein neuer Abschnitt in der Geschichte unseres Gebirges. Durch die Ausbeutung der Erzlager nahm auch der Wohlstand verhältnismäßig rasch zu/ besonders aber häuften einzelne Familien, z. B. die Römer in Zwickau, ansehnlichen Reichtum auf. Ferner fanden dabei viele Leute Beschäftigung und lohnenden Erwerb. Ja, der Bergbau beeinflußte den gesamten Gewerbebetrieb und gab diesem ein ganz besonderes Gepräge. Schließlich hatten auch die Landesfürsten in ihm eine reiche Einnahme- quelle, denn sie mußten von den gewonnenen Silberschätzen den zehnten Teil erhalten. „Und jetzt?" wirst du nun fragen. Jetzt freilich heißt es wie im Märchen: „Es war einmal!" Infolge der niedrigen Silber- preise und der geringen Ausbeute sieht sich die sächsische Staatsregierung gezwungen, den Bergbau selbst in Freiberg aufzugeben. An vielen an-

7. Theorie und Praxis der Heimatkunde - S. 21

1905 - Leipzig : Wunderlich
21 deren Orten ist es schon langer damit vorbei. Hier und da fristet er noch ein bescheidenes Dasein, und nur in der Umgebung von Schneeberg hat der Abbau von Kobalt und Wismut noch einige Bedeutung. Lieb old, Kirchberg. (6. Schuljahr.) 11. Wie Luther nach Zwickau kam. Der Frühling des Jahres 1522 hatte seinen Einzug gehalten. Am 28. April betraten zwei Fremde die Stadt Zwickau und fanden in dem Hause des Bürgermeisters Mühlpfort freundliche Aufnahme. Die beiden Männer waren der große Reformator vr. Martin Luther und sein Ge- leitsmann, den ihm der fürsorgende Kurfürst Friedrich der Weise zum Schutze beigegeben hatte. Zwei Tage nach seiner Ankunft in Zwickau stand Luther auf der Kanzel der Barfüßerkirche und predigte in feurigen Worten über den wahren Glauben und über den Ehestand. Am Nach- mittage sprach er an demselben Orte über die guten Werke. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht von der Ankunft des großen Reformators in der weiteren Umgebung der Stadt« ja selbst in das Gebirge hinauf wurde die Kunde gebracht. Darum herrschte in Zwickau am 1. Mai ein lebhaftes Treiben. Die Landbevölkerung der näheren und weiteren Umgebung Zwickaus, ja selbst Bürger aus Anna- berg und Schneeberg hatten sich in der Stadt eingefunden, um den be- rühmten Gast Zwickaus zu sehen und zu hören. Aber die Kirchen ver- mochten nicht, diese Volksmenge zu fassen/ darum wandte sich alles auf den Marktplatz. Endlich zeigte sich Luther an einem Fenster des Rathauses und predigte von hier aus der lauschenden Menge. Nur den Mönchen war die Predigt dieses Mannes ein Greuel. Sie versuchten sie dadurch zu stören, daß sie mit Steinen, die zum Baue des Gewandhauses auf dem Marktplatze aufgefahren waren, einen großen Lärm verursachten. Die letzte Predigt hielt Luther in dem Schlosse Osterstein. Während des fünftägigen Aufenthalts in Zwickau besuchte er auch die nähere Umgebung der Stadt und weilte gern an den Ufern der Mulde. Die liebliche Gegend gefiel ihm so, daß er sie als ein Paradies bezeichnete. Diesem Ausdrucke Luthers soll der bekannte Gasthof „Zum Paradies" seinen Namen verdanken. Nachdem Luther fünf Tage die Gastfreundschaft des Bürgermeisters Mühlpfort genossen und der Rat ihm zu Ehren auf dem Rathause einen großen Abschiedsschmaus veranstaltet hatte, reiste er über Borna und Eilenburg wieder nach Wittenberg zurück. Warum unternahm Luther die weite Reise von Wittenberg nach

8. Theorie und Praxis der Heimatkunde - S. 22

1905 - Leipzig : Wunderlich
22 Zwickau? Ein Jahr vorher war Thomas Münzer als Prediger an der Katharinenkirche in Zwickau angestellt worden. Er war ein Anhänger Luthers und der Reformation und suchte ihr in Zwickau Eingang zu verschaffen. Leider wählte er nicht die besten Mittel. Schon in seiner Antrittspredigt „donnerte" er gegen die Mönche, hetzte gegen die böse Obrigkeit und veröffentlichte Schmähschriften gegen die Prediger Zwickaus und der benachbarten Dörfer, ja er forderte später auch die Bauern auf, sich von der Leibeigenschaft und den harten Fronen zu befreien. Wegen dieser ruhestörenden Umtriebe sah sich der Rat Zwickaus genötigt, Münzer seines Amtes zu entsetzen und aus der Stadt zu verweisen. Darüber aufgebracht und von Münzer selbst aufgewiegelt, rottete sich dessen An- hang im April 1521 in einem Hause der Burgstraße bewaffnet zusammen und würde großes Unheil angerichtet haben, wenn nicht die Obrigkeit kräftig eingeschritten wäre und die Rädelsführer festgenommen hätte. Aber auch nach Münzers Weggange von Zwickau trat die ersehnte Ruhe nicht ein. Münzers Freunde, insbesondere die Tuchknappen unter Anführung ihres Meisters Storch und des Gelehrten Stübner, wiegelten das Volk noch mehr auf und forderten vor allem Gütergemeinschaft, Ausrottung der Obrigkeit, Abschaffung der Kindertaufe und an Stelle dieser die Taufe der Erwachsenen. Um die in Zwickau ausgebrochenen Unruhen zu beschwichtigen und das überhandnehmende Treiben Storchs und seiner Freunde, die man Wiedertäufer nannte, zu dämpfen, kam Luther auf den Wunsch des Kurfürsten und Stadtrates nach Zwickau. Leider schweigen die Berichte über den Erfolg seiner Predigten. Tatsache aber ist, daß trotz Luthers „Donnerpredigten" und der wiederholten Stadtverweistmgen der Aufrührer auch im Jahre 1523 in Zwickau noch Wiedertäufer ihr Wesen trieben. Heinze, Reinsdorf. (6. Schuljahr.) 12. Die Fronen. Im Altertume und Mittelalter belohnten die Landesfürsten ihre tapfersten Helden dadurch, daß sie ihnen große Landflächen zur Verwal- tung und Benutzung iiberließen. Die neuen Herren konnten aber die weit ausgedehnten Gebiete nicht allein verwalten und beschützen. Sie gaben deshalb wieder kleinere Striche denjenigen Rittern zum Lehen, die sich im Kampfe ausgezeichnet hatten. Die letzteren erbauten sich Schlösser und Burgen auf den Höhen der Berge und Felsen, damit sie die andringenden Feinde nach allen Seiten erspähen und sich erfolgreich verteidigen konnten. Um sich für Kriegsgefahr eine bestimmte Anzahl Kämpfer zu sichern, traten die Ritter wiederum kleine Teile ihres Grund- besitzes als Lehen an Unfreie ab, die ihnen dafür nicht nur im Kampfe

9. Theorie und Praxis der Heimatkunde - S. 23

1905 - Leipzig : Wunderlich
23 beistehen, sondern auch sonst bestimmte Arbeiten verrichten und Abgaben zahlen mußten. Man nannte diese Leute Hörige und ihre Dienst- leistungen Fronen. Aus den Hörigen entwickelte sich der Bauernstand. Die Frondienste waren also eine natürliche Folge der damaligen Verhältnisse und für Ritter und Bauern recht und billig. Solange die Gutsherren ein einfaches Leben führten, waren ihre Bedürfnisse gering und die Fronen erträglich. Die Bauern lieferten jährlich etwas Ge- treide, Flachs, Obst, ein Stück Vieh, eine Henne, Eier und andere Er- zeugnisse ihres Besitztums ab. Außerdem verrichtete jeder Mann einige Tage Handarbeit auf dem Rittergute oder leistete eine Anzahl Fuhren bei Bauten und bei anderen Gelegenheiten. Die Bedürfnisse des Adels stiegen aber nach und nach, und die Lehnsherren erhöhten die Abgaben. Die Fronen wurden willkürlich ver- mehrt und oft bis zur größten Härte gesteigert. So wurden die Bauern der niedrigste und gedrückteste Stand im Mittelalter. Ihre Wohnungen waren elende Hütten, aus Lehm und Holz gebaut und mit Stroh ge- deckt. Ihre Speise bestand aus schwarzem Roggenmehl, Haberbrei und gekochten Erbsen und Linsen. Eine Zwilchhose, ein Leinwandkittel und ein Filzhut bildeten die Kleidung. „Nie bxtrften sich die Bauern Ruhe gönnen- denn sie mußten auch die Acker ihrer Gutsherren umsonst mit bestellen und vom Ertrag ihrer eignen Wirtschaft den zehnten Teil an die Herrschaft abliefern. Wollte der Gutsherr einen Hirsch jagen, so wurde die ganze hörige Bauernschaft zum Treiben aufgeboten. Stundenlang mußte sie dann hinter dem Wilde herhetzen und ohne Murren ihre mühsam bestellten Felder zerstampfen und zerwühlen sehen oder gar selbst niedertreten. Wollte oder konnte ein Bauer die Frondienste nicht persönlich leisten, so mußte er eine hohe Geldsumme bezahlen. Auf jede Art und Weise suchte der Ritter von seinen Hörigen Geld zu erpressen. Für jedes Gebäude wurde unter den sonderbarsten Namen ein besonderer Zins gefordert. Geburten, Hochzeiten, Sterbefälle und andere Familienereignisse brachten den Herren viel Geld ein. So war es unter anderem üblich, daß dem Herrn beim Tode eines seiner Bauern das „Beststück", d. h. das beste Stück Vieh aus dessen Stalle, abgeliefert wurde. Jagd, Weide, Fischerei und Holzung, die ehemals frei waren, nahmen die Ritter für sich allein in Anspruch und belegten jeden Eingriff in ihre angemaßten Rechte mit den härtesten Geld-, Freiheits- und Körperstrafen. Meist hatten die Gutsherren auch Recht über Leib und Leben ihrer Hörigen, durften sie schlagen, peitschen, ihnen Hab und Gut nehmen und sie töten lassen. Alle Versuche der Bedrückten, ihr trauriges Los zu bessern, schlugen fehl. Erst durch die wechselnden Verhältnisse in den nächsten Jahrhun- derten, durch den Rückgang der Macht des Adels und die fortschreitende Gesittung wurde auch das Los der Bauern nach und nach besser. Ausführliche Frondienstordnungen, die die beiderseitigen Rechte und Pflich- ten festsetzten, wurden aufgestellt, z. B. 1696 eiue solche in Stenn. Viele

10. Theorie und Praxis der Heimatkunde - S. 24

1905 - Leipzig : Wunderlich
24 Bauern wurden wohlhabend und kauften sich frei. Die auf den ärmeren Leuten ruhenden Lasten wurden nach und^nach durch Landesgesetze be- seitigt oder durch Renten abgelöst. Ein Überrest ,der Lehnsherrlichkeit ist das Patronatsrecht, das die Adelsfamilien heute noch über die Kirchen ihrer früheren Lehnsherrschaft ausüben. Der deutsche Bauer aber be- baut jetzt seine eigene Scholle. Aus den Hörigen sind Herren geworden, von denen manche ihre früheren Lehnsherren an Besitz und Ansehen übertreffen. Perl, Oberplanitz. (6. Schuljahr.) 13. Die Bauernunruhen in Reinsdorf. Einmal versuchten die Bauern, ihr schweres Joch abzuschütteln. Sie faßten ihre Forderungen in zwölf Artikel zusammen und sandten diese cm ihre Obrigkeit. Sie verlangten die Abschaffung der Fronen und Zinsen und Rückgabe der von den Grundherren widerrechtlich angemaßten Wäl- der, Äcker und Wiesen an die Gemeinden. Auch wollten sie künftig ihre Geistlichen selbst wählen. Bei diesen Forderungen beriefen sie sich auf die heilige Schrift, in der nichts stehe von Fronen, Zinslasten und der Dienstbarkeit der Bauern. Die Bauern wandten sich auch an Luther und hofften auf seine Hilfe; denn sie legten die von Luther gelehrte evangelische Freiheit zu ihrem Vorteile als Befreiung von ihren Lasten aus. Er antwortete mit einer Ermahnung zum Frieden, forderte aber auch die Herren auf, „nicht weiter zu schinden und zu schätzen, Pracht und Hochmut zu führen, bis es der arme Mann nicht länger ertragen könne und möge". Auf die Seite der Bauern stellten sich Thomas Miinzer, Storch und andere Aufwiegler und schürten die Unzufriedenheit und den Haß gegen Edelleute, Geistliche und Mönche. In Stadt und Land fanden die zwölf Artikel begeisterte Aufnahme. Sendboten eilten durch Deutschland, um für die Sache der Bauern zu wirken. Im Jahre 1525 standen ganz Süddeutschland, Hessen und Thüringen in hellem Auf- ruhr. Die Bauern zwangen die Herren zur Anerkennung der zwölf Artikel oder plünderten und brannten die Schlösser nieder und erschlugen die Edelleute. Auch in unserer Gegend, wie im ganzen mittleren Erzgebirge, erhoben sich die Bauern. Regen Anteil an den Freiheitsbestrebungen nahmen besonders die Reinsdorfer. Diese waren zum größten Teile dem Herrn von Wildenfels, zum kleineren aber dem Herrn von Stein und dem Kloster Grünhain fron- und zinspflichtig. Sie rotteten sich am 7. Mai 1525 zusammen. Ihnen schloffen sich die Bewohner von Wild- bach, Langenbach und St. Egidien an. Ihre Ausrüstung war aber eine sehr mangelhafte. Sie trugen Schwerter, die sie aus Pflugscharen, und Lanzen, die sie aus Sicheln und Sensen geschmiedet hatten. Die
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