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1. Bd. 1 - S. 4

1854 - Leipzig : Engelmann
4 Geschichte der alten Welt. mehrte sich indessen bald wieder so sehr, daß die jungem, von seinen drei Söhnen, Sem, Ham und Japhet abstammenden Generationen sich über die benachbarten Länder verbreiten mußten, weil die Heimath sie nicht mehr zu fasten vermochte. Da kamen sie auf den Gedanken, „aus Ziegelsteinen und Erdharz als Mörtel" den Thurm von Babel zu bauen, dessen Spitze in den Himmel ragen und ihnen ein sietes Erkennungszeichen sein sollte. Dieses vermessene Beginnen vereitelte der Herr, indem er ihre Reden verwirrte und durch die Scheidung der Sprache eine Trennung herbei- führte. Sie zogen aus nach allen vier Himmelsgegenden, bevölkerten die Länder der drei ältesten Erdtheile: Asien, Afrika und Europa und bildeten nach Verschiedenheit der Sprachen verschiedene Völker und Nationen. Sems Geschlecht, zudem man alledem semitischensprach- stamme angehörenden Völker, als H eb r äer, Ch a l d ä er, Syrer, Araber, rechnet, behielt die ursprünglichen Wohnsitze in Asien, indeß Hams Nach- kommen sich über Aegypten und Afrika verbreitet und Iaphets Abkömm- linge Kleinasien und den größten Theil von Europa bevölkert haben sollen. 2. Menschenrassen, Sprachstämme und Lebensweisen. §. 2. Die Vergleichung der unter den Bewohnern des Erdbodens ob- waltenden Verschiedenheiten führte zu der Annahme von drei oder fünf durch geistige Anlage, Kraft und Bildungsfähigkeit wie durch Körperbau, Kopf- und Gesichtsbildung und Hautfarbe verschiedenen Menschenstäm- men (Rassen): 1. Der zur Freiheit und Herrschaft berufene kaukasische Stamm, demdienationen indogermanischer Zunge, d.h.die Europäer (mit Ausnahme der Lappen und Finnen), Vorderasiaten, Inder und Nord- afrikaner angehören und der vermöge seiner Culturfähigkeit vorzugsweise Gegenstand der Geschichte (Historie) ist. Er ist ausgezeichnet durch Ebenmaß der Glieder und durch Schönheit der Körper- und Gesichtsbildung und enthält die mannichfachsten Uebergänge von der weißen Hautfarbe des blonden Nordeuropäers bis zum dunkelfarbigen schwarzbehaarten Südländer und Hindu. 2. Die afrikanische und durch den Sclavenhandel nach Amerika und Westindien verpflanzte Negerrasse mit mehr oder weniger schwarzer Hautfarbe und schwarzkrausigem wolligen Haar. 3. Die mongolische Rasse in den nördlichen Polargegenden der alten und neuen Welt (Mongolen; Hunnen; Hinterinder; Chinesen; Japanesen; Kalmücken; Finnen; Lappen; Eskimos u. a.) mit schlichtem schwarzen Haar, eingedrückter Nase, geradlini- gen, weitauseinanderstehenden Augen und einer vom Gelben bis zum Licht- braunen abwechselnden Hautfarbe.'—Neben diesen drei vorzugsweise den alten Erdtheilen angehörenden Stammen nimmt man noch zwei untergeordnete Mittel- rassen an. 4. Diemalayi sch e (australische) mit schlichtem oder wenig gekräuseltem schwarzen Haare, schwarzbrauner, mehr oder minder dunkler Hautfarbe; alsllcber- gangsform von der kaukasischen zur äthiopischen Rasse. Zu ihr gehören die Ein-

2. Bd. 1 - S. 5

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Einleitung. 5 wohner Neuhollands und der Inseln des stillen Oceans. 5. Der amerikanische Menschen stamm mit kupferbrauner Hautfarbe und dünnem struppigen Haar, welcher die noch übrigen Urbewohner Amerika's, die Mexicaner, Peruaneru.s. w. umfaßt und den Uebergang von der kaukasischen zur mongolischen Nasse bildet.— Durch diese Rassenverschiedenheit kamen viele Gelehrte zu dem Schluß, daß jeder Erd- thcil oder jede größere Inselgruppe seine eigenthümlichen dem Lande selbst entstammten Einwohner (Autochthonen) habe und folglich die Abstammung von Einem Menschcnpaare unhaltbar sei; Andere aber schlossen aus verschiedenen Gründen, namentlich aus deraehn- lichkeit des Lebcnsprozcsses bei allen Stämmen, aus der Uebereinstimmung des innern Baues und Knochengerüstes, und aus dem Umstande, daß alle Rassen fruchtbare Ver- mischungen eingehen können (wie sich denn in Amerika Abkömmlinge von Europäern und Negern, Mulatten genannt, und von Europäern und Amerikanern Mestizen, u.drgl. m. vorsinden), daß die verschiedenen Menschenarten nur Varietäten Eines und des- selben Urstammes seien und daß trotz der aus der Einwirkung der Klimate, der Sit- ten, Gebräuche, Lebensart und anderer erklärbaren Verschiedenheit der einzelnen Rassen die Abstammung von Einem Menschenpaar die größte Wahrscheinlichkeit für sich habe. — Wie man die verschiedenen Bewohner des Erdbodens in die erwähnten fünf Men- schenstämme eintheilte, so suchte der forschende und denkende Geist auch die verschiedenen aus 2000 berechneten Sprachen auf einzelne Sprachstämme zurückzuführen und aus den in allen obwaltenden Aehnlichkeiten eine e in zig e a llg em e ine U r spr a ch e darzuthun. 1. Dem kaukasischen Menschenstamme eigenthümlich sind folgende drei Sprachstämme: a) der indogermanische (indo-europäische), zu dem man die vorderindische, die persische und alle europäischen Sprachen (mit Ausnahme der ungarischen, b a s kisch e n und einiger andern) rechnet, b) Der semitische, den oben erwähnten semitischen Völkern, ferner den Abyssiniern, so wie auch den Phöniziern, Puniern u.a. eigenthümliche Sprach- stamm. o) Der nordafrikanische, das Altägyptische, das Koptische und die meisten Sprachen der alten Bewohner Nordafrika's umfassende Sprachstamm. 2. Ein im nord- östlichen Asien und Europa weitverbreiteter, sowohl kaukasischen als mongolischen Völkern zugehörender, Sprachstamm ist der finnisch-tartarische, dessen sich die zahlreichen Stämme der Finnen (zu welchen auch die Magyaren in Ungarn, sowie die Bewohner von E sth la nd und L iev l and gerechnet werden), der Tart aren (wozu auch die o s- manisch en Türken, Kirgisen, Baschkiren u.a. gehören) und mehre mongolische Völ- ker (Tungusen, Kamtschadalen u. A.) bedienen. 3. Im Südosten Asiens herrscht der den mongolischen Völkern eigenthümliche chinesisch-hinterittdische Sprachstamm in China, Hinterindien, Tübet u. a. O. und in Japan und dem ostasiatischen Archipel der sap attisch ckurilische. -4. Die auf den Inseln des stillen Weltmeers gesprochenen Sprachen werden zu dem matayisch-polpnestschen Stamme gerechnet. 5. Die Sprachen und Sprachdialekte der kupferbraunen Raste lassen sich ebenfalls unter einen gemeinschaftlichen Stamm, den amerikanischen bringen; die der afrikanischen Negerstämme dagegen find noch zu wenig erforscht, als daß man sie ordnen und einen gemeinschaftlichen Cha- rakter Nachweisen könnte. §. 3. Nach der Verschiedenheit der Wohnsitze wählten die Menschen auch verschiedene Lebensweisen und Beschäftigungen. Die Bewohner der Steppen und Wüsten, wo sich nur hie und da fruchtbare Weideplätze finden, wählten ein Hirten leb en und zogen als wandernde Stamme mit ihren Zelten und Heerden von Ort zu Ort. Sie werden Nomaden genannt und ihre Hauptbeschäftigung ist Viehzucht. Die Ansiedler wohlgelegener Meeresküsten entdeckten bei zunehmender Entwickelung und Bevölkerung bald die Vortheile ihrer Lage. Sie trieben Schifffahrt und Handel und erzielten Wohlstand und

3. Bd. 1 - S. 7

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Einleitung. 7 Übereinkunft (Convenienz) zum friedlichen Verkehr, zur Ge- sellschaft, zu einem sittlichen Ganzen sich verbunden haben. §. 5. 9lad) der Verschiedenheit der Regierungssormen oder Verfassungen zerfallen die Staaten in monarchische und republikanische. Monarchie heißt der Staat, worin ein Einzig er an der Spitze steht und das Regiment führt, dieser Einzige hat nach dem räumlichen Umfang seines Gebietes bald den Titel Kaiser oder König, bald die Benennung Herzog oder Fürst u. dgl. — Republik oder Freistaat (Gemeinwesen) heißt man diejenige Staatsordnung, in welcher die Regierungsgewalt in die Hände Mehrerer gelegt wird. Hierbei findet aber eine große Mannichfaltigkeit statt. Wird nämlich die Regierung blos von einigen durch Geburt (Adel) oder Reichthum ausgezeichneten Geschlech- tern geführt, so heißt man die Staatsverfaffung eine aristokratische Repu- blik, und geht dieses Vorrecht in die Hände einiger weniger Familien oder Personen über, so entsteht eine Oligarchie. Werden dagegen die verantwort- lichen Leiter der Regierung von und aus dem Gesammtvolke gewählt, sei es in allgemeinen Versammlungen oder gemeindeweise, und besitzt das Volk das Recht der Gesetzgebung, so heißt eine solche Verfafsungsform eine Demo- kratie oder demokratische Republik; üben aber dabei die untersten Klas- sen einen vorherrschenden Einfluß, so entsteht eine Ochlokratie, eineherrschaft der Masse. Jede dieser drei Verfaffungsformen galt im Alterthum für gesetzlich, wenn das allgemeine Staatswohl und das Interesse des Ganzen als oberster Zweck aufgestellt war und die Regierungsgewalt Gesetz und Herkommen als über sich bestehend anerkannte; für entartet, wenn Unrechtmäßigkeit und Willkür das Recht des Starkern an die Stelle des Hergebrachten setzte, ihr Privatinteresse zum Staatszweck erhob, und dasselbe dem einzelnen Bürger als Gesetz aufdrängte. — Die m anarchische Form ist entweder unbeschrankt (absolut), wenn der erbliche Regent ohne Zuziehung des Volks Gesetze einführt, Steuern auflegt und die Regierung und Rechtspflege einrichtet, oder beschränkt (gemischte Staats form), wenn dies nur mit Zuziehung der Vertreter (Repräsen- tanten) des Volks geschehen darf. Die beschränkte Monarchie, wobei der Regent unverantwortlich ist, sich aber mit verantwortlichen Groß- beamten (Ministern) zu umgeben hat, kann doppelter Art sein, je nachdem das Gesammtv o lk vertreten ist (Repräsentativ-Verfassung, consti- tutionelle Monarchie), oder die einzelnen Stän d e desselben (Stände- vecfassung im engern, alten Sinn). Tritt die Willkür des Regenten an die Stelle des Gesetzes, so artet die absolute Monarchie in Despotie aus; ist bei der conftitutionellen Monarchie dievolkssouveränetät ausdrück- lich als Quelle der Regierungs-Macht hingestellt, so nähert sich dieselbe der repu- blikanischen Staatsform. — Diese Verfaffungsformen entwickelten sich jedoch erst allmählich, ja eine derselben, die constitution elle Monarchie, gehört erst der neuern Zeit an. §. 6. Die ältesten Staaten waren einfach und einförmig und hatten größtentheils die freiheitbeschränkende Einrichtung der Kasten. Darunter versteht man eine strenge Scheidung der Menschen nach Stand und Beruf, die in fester Ordnung vom Vater auf den Sohn vererben, und wobei weder eine Vermischung noch ein Uebergang aus einer in die andere gestattet ist. Die erste Kaste bildeten die Priester, die allein die Kenntniß der religiösen Satzungen und Gebräuche, so wie der bürgerlichen Gesetze besaßen und ihr

4. Bd. 1 - S. 9

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Einleitung. 9 mué), geriethen die Aethiopen in Afrika und Aegypten, und die mongo- lischen Stämme Hochasiens auf einen häßlichen Thierdienst, indem sie Götter in Thiergestalt verehrten, oder sie erwiesen leblosen Dingen göttliche Ehre (Fetischismus). Dieselbe Verschiedenheit zeigt sich auch im C u l tu s und in den Opfern. Die Griechen und Römer veranstalteten ihren Göttern fröhliche Feste, an denen sie die geopferten Thiere und dargebrachten Früchte im Freundeskreise verzehrten, indeß minder cultivirte Völker auf ihren Altä- ren Menschen schlachteten, um durch Blut den Groll der feindseligen Mächte (als welche sie sich ihre Gottheiten dachten) zu versöhnen, und die phönizi- schen und syrischen Stämme sogar ihre eigenen Kinder als Sühnopfer bei Unglücksfällen in die Arme eines glühenden Götzenbildes, Moloch, legten. §. 8. Religionsw esen d er Griechen und Röm er. Am heitersten gestaltete sich der Polytheismus bei den Griechen, deren Göttersagen (My- then, daher Mythologie) die Römer spater größtentheils annahmen und mit ihrem einheimischen Religionswesen verbanden oder verschmolzen. Nach der reli- giösen Anschauungsweise der Griechen, die in ihrer Mythologie eine Periode der weltschöpferischen Naturkräfte (theogonisches System) und der weltreg i eren den Machte (olympische Götter) unterscheiden, war im Anfang das Weltall eine rohe, formlose Masse, Chaos, aus dem sich die „breit- brüstige" Erde (Gaa, Ge), die Unterwelt (Tartaros), der Himmel (Uranos) und das schöpferische Urwesen, die Liebe (Eros) als selbständige Götterwesen ausschieden. Die Erde erzeugte dann Wesen von übermenschlicher Größe und Kraft, die Titanen, die zuerst die Herrschaft führten, bis ein gei- stigeres Geschlecht, das sich um den Himmelskönig Zeus (Jupiter) gruppirte, sie ihnen abnahm, die himmelstürmenden Titanen und Giganten bezwang und sie in den Abgrund der Erde begrub. Nachdem so die wilden Naturkräfte und die Gewalt der Elemente gebändigt waren, thronte Zeus auf dem „vielge- zackten" Olympos, während Pluton das finstere Reich der Unterwelt (Ha- * des, Tartaros, Orcus) beherrschte und Poseidon mit seinem Dreizack den Wogen des Meeres gebot. Daneben sind Wälder und Berge, Felder und Wiesen, Flüsse und Seen mit einer Unzahl göttlicher Wesen (Nymphen, Nereiden, Tritonen, die durch zauberischen Gesang ins Verderben lockenden Sirenen u. A.) belebt, die oft in die menschlichen Schicksale eingreisen; und ein Heroen- geschlecht, das von Zeus seinen Ursprung herleitet, steht als verbindende Kette zwischen den Göttern und Menschen da, so wie wieder die Kluft zwischen dem sinnlichen Menschen und dem Thierreiche durch das niedere Göttergeschlecht der Satyrn und Faune, die menschliche und thierische Eigenschaften vereinigt be- sitzen, vermittelt ist. Die Beziehungen des Menschen zu dieser mit Freiheit und Schönheit begabten und in den vollendetsten Werken griechischer Kunst und Poesie dargestellten Götterwelt sind sehr mannichfaltig. Von der Geburt an steht dem Menschen durchs ganze Leben ein Dämon (Genius) zur Seite und wirkt auf seine Entschließungen und Handlungen ein, ohne jedoch die Freiheit seines Wil- lens zu beschränken. Der häusliche Heerd ist der Sitz heiliger Haus- und Fa- miliengötter (Laren, Penaten), welche die menschliche Wohnung vor Unheil bewahren; und jedes wichtige Lebensereigniß steht unter der Obhut einer besonderen Gottheit. Durchorakel und Weissagungen gestatten die Himm- lischen dem Erdbewohner einen Blick in die Zukunft. Im Gegensatz zu der christ- lichen Anschauung, wonach das Erdenleben nur als Prüfungs- und Uebergangs-

5. Bd. 1 - S. 10

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10 Geschichte der alten Welt. zeit zu einem höheren gilt, haben die lebensfrohen Griechen alle Freuden dem ir- dischen Dasein zugewiesen und das Schattenleben in der Unterwelt als eine trüb- selige Fortsetzung desselben vorgestellt. Doch glaubten sie an eine Vergeltung und an ein ewiges Leben und hielten an einer Verbindung der Todten mit den Lebendigen fest. Die Abgeschiedenen werden von dem Todtenführer Hermes vor die drei Richter der Unterwelt (Minos, Rhadamanthys, Aeakos) gebracht und nach deren Ausspruch entweder in den Aufenthaltsort der Gerechten (Elysion, glückselige Inseln) oder der Verdammung (Tartaros) ge- wiesen. Den Seelen oder Schatten (Manen) der Gestorbenen werden von den Hinterbliebenen auf den Gräbern mancherlei Todtenopfer dargebracht. Große Frevler (wie Tántalos, Tityos, Sisyphos) werden mir der qualvollen Fortsetzung derjenigen Lüste bestraft, denen sie im Leben übermäßig gefröhnt. Aus der Menge der griechischen Stamme und Völkerschaften, von denen alle ihre eigenen oft mit den übrigen verwandten, oft verschiedenen Nationalgottheiten besaßen, sind die große Zahl von Götterwesen und die mannichfachen Eigenschaften und Benennun- gen derselben zu erklären. Als Beweis für die innige Verbindung der Gottesver- ehrung mit den ältesten Zuständen des griechischen Volkes kann die Sage vom goldenen Weltalter dienen, der man den Sinn beilegen darf, „daß die un- mittelbare Verehrung der umgebenden Natur und ihrer Kräfte alle Aeußerungen des täglichen und geselligen Lebens mit dem Bewußtsein göttlicher Nähe erfüllte." — Die italischen Gottheiten haben mit den griechischen viele Aehnlichkeit, theils weil der menschliche Geist bei übernatürlichen Betrachtungen leicht auf verwandte Anschauungen kommt, theils weil schon in uralten Zeiten vielfacher Verkehr und Wechselberührung zwischen beiden Ländern obwaltete, theils weil später die Römer mit der dem Heidenthume eigenthümlichen Toleranz die fremden Götter den ihri- gen beigesellten. In Italien hatten nicht nur die einzelnen Volksstämme und Völkerschaften ihre eigenen Gottheiten, sondern sogar die Geschlechter und Fami- lien. Ueberhaupt gilt bei allem Polytheismus die Grundregel, „daß die bestimmte Lebensart eines Volkes die wesentlichste Quelle für seinen Cultus und durch diesen »auch für seinen Mythus selbst ist." §. 9. Das thcogonische Göttersystem der Griechen. Die Erde (Gäa, Ge), erzeugte aus sich den H immel (Uranos) und das wüste, unfruchtbare Me er (Pon- tos). Aus ihrer Verbindung mit dem Uranos gingen die Titanen hervor, die theils in und auf der Erde walten, wie der Flußgott O kea n o s und die von ihm herrührenden Wassergöt- ter (O kea nidi sch e Ny mp h en), die blitzschmiedenden Kyklopen und die hundert- armigen Naturgewalten (Briarcus u. A.); theils dem Himmel und der Lustregicn an- gehören, wie die verschiedenen Lichtwesen, Hyperion (Urlicht), Theia (Tageshclle), Helios (Sonne); S el en c (Mond), E o s (Morgenröthe), die Winde (Zcphyros ; Bo- reas ; Notos ; Euros ;) und der n ä ch t l i ch e H i m m e l mit seinen Sternen (L e t o und Asteria); theils die Schicksale und Richtungen des Menschengeistes vorstellen, wie J a- petos und seine Söhne, der starksinnige Atlas, der den Himmel trägt, der übermüthige Men ö tio s, der schlaue Prometheus, der den Göttern das Feuer stiehlt und den Men- schen zusührt, dafür aber von Zeus an den Kaukasus geschmiedet wird, wo ihm ein Geier seine Leber zerfrißt, und der schwachsinnige Epim eth eus, der die Pandora mit ihrem Leidcnsgefäß bei sich ausnimmt, durch dessen Ocffnung alles Elend über die Welt kommt (in dieser Sage, so wie in dem Mythos von ihren Nachkommen Deukalion und Pyrrha, den Stammeltern des Menschengeschlechts nach der Ogygischcn Fluth, scheinen Reminis- cenzen an den Sündcnfall und diesündfluth zu liegen); theils die freundlich oder feindlich in der Menschenwelt waltenden Kräfte darstellen, wie Themis, die ehrwürdige Leiterin gesetzlicher und sittlicher Ordnung, die Mn cm osyne (Erinnerung), die Mutter der neun

6. Bd. 1 - S. 15

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Einleitung. 15 auf Bergen verehrt.— Dionysos (Bakchos), mit dem altitalischen Liber verwandt, eine uralte pelasgische Naturgottheit von tiefsinniger, mystischer Bedeutung, daher er auch nebst der Demeter Hauptgegenstand der Verehrung in den Mysterien war. Sein Cul- tus wurzelt in Böotien, wo die Thebanerin Sem ele, die von dem im Feuerglanz erscheinenden Zeus verzehrt ward, als seine Mutter erscheint. Dionysos wird von Zeus dem brennenden Mutterleib entrissen, in des Vaters Hüfte gereist und von Nymphen groß- gezogen. Der Dionysosdienst verbreitete sich nach Unteritalien (Tarent), nach den In- seln des ägeischen Meers (Lesbos, Naxos, wo sich der Gott mit Ariadne vermählt), nach Asien u. a. O., welche Verbreitung durch den in der Kunst vielbenutzten Mythos von seinem in Begleitung von Nymphen, Satyr en und dem trunkenen Silenos unter- nommenen Zuge nach Indien angedeutet scheint. Unter ihm dachte man sich zunächst die Naturkraft, die den Weinstock zur Reife bringt und der Traube dieberauschende Kraft verleiht; allgemeiner gefaßt ist er „der Gott des Winters, mit dem was voraus geht und folgt, ein Bild der absterbenden und wiederauflebcnden Natur," oder der Reprä- sentant der Naturfülle, die sich im Weine kund gibt. Der Dionysosdienst gab zu vie- len wilden und lärmenden Festen (Bacchanalien) Veranlassung; so in Attika die kleinen (ländlichen) und großen Dionysien; die Lenäen; die Anthesterien; um Delphi wurden im Winter die Triet erika gefeiert, wobei die Weiber sich sammelten und gleich Rasenden (Maenaden, Bacchantinnen) auf dem Parnassos umher- schwärmten; und die zahlreichen Frü h lin g s - und Herbstfeste fanden größtentheils ihm zu Ehren statt. Die bei den Festen der Weinlese üblichen ländlichen Aufzüge und Mummereien gaben den dramatischen Spielen, Tragödien und Komödien ihre Entstehung. — Auch die auf den Inseln Lemnos, Jmbros und Samothräke verehrten pelasgischen (oder phönizischen) Kabiren gehören dem Kreise der chthonischen, die Erzeugungskrast der Natur symbolisch andeutenden Gottheiten an. — Auf Kreta, Rhodos u. a. Inseln wurden die Daktylen und Telchinen als Er- finder von Kunstwerken, besonders in Metallarbeiten verehrt und als Zauberer dargestellt. 12. D i e H er o en w elt. Abgeschiedene Helden der Vorzeit, Stammhäupter, Städtegründer, Colonienführer erlangten bei den Griechen göttliche Verehrung. Sie bil- den eine abgeschiedene Welt für sich, die jedoch mit den Göttern in innigster Verbindung steht. Jeder Stamm, jede Stadt, ja jedes bedeutende Geschlecht hatte seinen eigenen He- ros, dem Feste gefeiert und Opfer dargebracht wurden. — Der verbreitetste und sagen- reichste Heroencult ist der des Alkidcn Herakles (Hercules), der, ursprünglich in Aegypten und Ph önizien heimisch, sich allmählich über alle griechische Länder ver- breitete und sogar nach Spanien und zu den c e l t o - g erm a n i sch en Völkern ge- langte. Während er aber im Orient als Sinnbild der Sonne, als Alles bewältigender Naturgott auftritt, nimmt er in Griechenland eine vermenschlichte Heroengestalt an und erscheint als „Symbol der höchsten menschlichen Heldenkraft, die durch ein unermüdliches Kämpfen und Ringen den Widerstand, der ihr durch ein göttliches Geschick überall entge- gentritt, damit sie sich daran erprobe, überwindet, aller Widersacher und Naturschrecken Meister, und nach Abbüßung der menschlichen Schwächen den Göttern gleich wird. Er stellt die Menschheit dar, die sich vermöge ihrer halbgöttlichcn Abstammung trotz aller Un- gunst feindlicher Gewalten zum Olymp emporzuschwingcn vermag." Er ist Sohn des Zeus und der Thebanerin Alk m êne und Stammhaupt der dorischen, thessalischen und makedonischen Königsgeschlechter. Durch den Neid der Hera zum Dienst des argivi- schen Fürsten Eurystheus verdammt, vollbringt Herakles in dessen Auftrag die zwölf Arbeiten, indem er den Peloponnes und andere Länder von Ungeheuern und Raubthie- ren befreit, die Ställe des Königs Au g ras in Elis reinigt, mit Hülfe des Atlas, für den er das Himmelsgewölbe auf einige Zeit trägt, die goldenen Aepfcl aus den Gärten der Hesperiden in Nordafrika holt, dann über die Säulen des Hercules nach

7. Bd. 1 - S. 17

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Einleitung. '17 Mutter zu rächen, banden sie die letztere an den Schweis eines Stiers und schleiften sie zu Lode (farnesischer Stier). In Böotien und Attika heimisch ist die Sage von Te- reus, dem uralten König der mythenreichen um den See Kopais seßhaften Thraker, und seiner Schwester und Schwägerin Prokne und Phil o m ele, die nach Lödtung von Lereus'sohn in eine Schwalbe und eine Nachtigall verwandelt wurden.-------In dem roßreichen Thessalien wurzelt die Sage von den in einen vierfüßigen Pferdeleib en- digenden Kentauren (Stiertödtern), die mit den Lapithen große, in der bildenden Kunst vielfach dargcstellte Kämpfe führten. Der gerechteste unter den wilden Kentauren war der kräuterkundige Chiron, der Lehrer des Asklepios und Achilleus.— In Athen war Thcseus der Nationalheros. Er galt als der Gründer der Stadt, indem er die zerstreuten Bewohner zu einem Gemeinwesen vereinigte. Er ist der Sohn des athe- nicnsischen Königs Aegeus, aber in Korinth erzogen; nachdem er unter einem gewalti- gen Felsblock das Schwert und die Sandalen des Vaters hervorgeholt und dadurch den Beweis großer Stärke abgelegt, reinigt er bei der Rückkehr in die Heimath den Isthmos von wilden Räubern (Prokrustes u. A.) und befreit dann die Athener von dem harten Tribut von sieben Knaben und sieben Mädchen, die sie dem kretischen Minotauros alle neun Jahre darbringen mußten, indem er das Ungeheuer, das aus einem menschlichen Leibe ein Stierhaupt hatte, tödtet und mit Hülfe des von der Königstochter Ariadne über- kommenen Fadens den Ausweg aus dem Labyrinthe wieder findet. Aegeus, in der Meinung, sein Sohn sei umgekommen, weil dieser vergessen hatte, das schwarze Segel des Schiffes mit einem weißen zu vertauschen, stürzte sich verzweiflungsvoll ins Meer, das von ihm den Namen des ägeischen erhalten haben soll. Theseus hängt innig mit dem Culte des P ose i d o n zusammen, zu dessen Ehren er die i sthmis ch e n Spiele einsetzt; auch in der Liebesgeschichte seiner zweiten Gemahlin Ph ädra mit seinem Sohne Hippoly- tos bewirkt Poseidon den tragischen Ausgang. ■— Die Thcseussage hat viele Verwandt- schaft mit dem Mythos von Herakles; wie dieser steigt auch er in die Unterwelt hinab. — §,13. Die italischen Göttersystem e. Die alten Bewohner Italiens waren theils Stammverwandte der griechischen Pelas g er, mit denen daher ihre religiösen An- schauungen, wie ihre Baudenkmale (Schatzkammern, Thesauren u. A.) große Aehnlichkeit haben, theils eingeborene Stämme, wie die Sabeller und O sker, theils später ein- gewanderte Völkerschaften, wie im Norden die G a llier, im Süden und Osten die Hel- lenen (mehr §. 136). Tyrrhenische Pelasger bildeten'den Kern der Etrusker, deren religiöse und priesterliche Einrichtungen, so wie ihre Kunstwerke, ihre Geheimlehren und Wahrsagergebräuche in der Folge auf die Römer übergingen. Von den altitali- schen Völkerschaften, die einen eigenthümlichen Religionscultus besaßen, kommen haupt- sächlich die Sabiner und Latiner in Betracht. — I. Der republikanische Fö- derativstaat der Etrusker, bestehend aus zwölf von einer hierarchischen Aristo- kratie geleiteten städtischen Gemeinwesen, deren Mitte Tarquinii bildete, führt seine religiösen Einrichtungen auf einen der Erde entstiegenen Dämon, Tages, zurück. (Die Lagetischen Bücher in tuscischcm Versmaße, enthaltend die Wissenschaft der Blitze, Regeln der Städtcgründung und Prophezeihungcn allgemeinen Inhalts, waren die Quelle der verschiedenen etruskischen und römischen Wahrsagcbücher.) Die etruskische Götterlehre ist der griechischen sehr ähnlich. Tina entspricht dem Zeus, wie Kupra (Quiritis, Cu- ritis, Lanzengöttin) der Hera auch im äußern Cultus; Menerfa (Minerva) war, wie Pallas Athene, Erfinderin der Flöte und der Kriegs trompete; Vertumnus, der vielgestaltete, mit dem Dionysos verwandte Hauptgott der Etrusker repräsentirt den Wech- sel der Jahreszeiten (Fest der V e r tum n al i en im Oct.) und die Fülle und Mannichfal- tigkeit der Jahreserschcinungen. Die Schicksalsgöttin Nortia von Volsinii, die der For- tuna von Antium entspricht und später als Göttin der Zeit galt; die Mater Matuta von Cäre, die Mutter des jungen Tags und Gcburtsgöttin; Summanus, der blitz- Weber, Geschichte. 6. Ausl. 2

8. Bd. 1 - S. 19

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19 Einleitung. reichen Tempel aus dem römischen Forum wurde ein immerwährendes Feuer von jungfräulichenprieste rinnen (Vestalinnen)/ die in hohem Ansehen standen und mit vielen Vorrechten begabt waren, unterhalten. Große Verehrung genoß auch die For- tuna, die Schicksalsgöttin inpräneste undantium, die ihre Orakel durch Loose ertheilte. Ferentina war die Bundesgöttin der Latiner, wie die von den Sabinern überkommene Feronia, in deren Hain die Bundesversammlungen stattfanden. Da die Latiner ein acker- bauendes Volk waren, sogabcsbei ihnen eine große Zahl agraris cher Götter, die sich auf Saat, Fruchtbarkeit, Jahressegen und Feldmark bezogen, wie Anna Perenna, V e n u s u. a. m. — Iii. Sabiner. Stammgott der Sabiner war der weissagende Sancus, Vater dessa- bus. Ihre Bundesgöttin Feronia war eine Erdgottheit, der man Blumen und Erstlinge der Ernte darbrachte; ihr mit dem chthonischen Gotte Diespater gemeinschaftliches Hauptsest fand auf dem Sorakte statt. Als ein kriegerischer Volksstamm verehrten die Sabiner hauptsächlich zwei Kriegsgötter, Mars und den mit ihm verwandten Quirinus. Der altitalische Mars hat eine tiefere Beziehung zu Staat und Leben als der griechische Gott des Kriegsgetümmels. Man verehrte ihn anfangs unter dem Bilde der Schutz- und Trutzwaffen, des Schildes und der Lanze, wie man aus der römischen Sage von dem vom Himmel gefallenen und als Reichspalladium verehrten Wunderschilde, dem man noch eilf andere beifügte, (Ancilien) ersieht. Dem Marscultus gehört der dem sabellischen Stamme eigenthümliche für Colonisation wichtige heilige Lenz (ver sacrum) an, eine Sitte, wvrnach alle in einem gewissen Jahre gebornen Menschen und Thiere den Göttern geweiht waren, worauf jene im 20. Jahre auswanderten und neue Ansiedlungen gründeten, diese sogleich geopfert wurden. Auf diese Weise sind die P icener, die der heilige Vogel des Gottes, P ic u s (Specht), führte und die Hirpiner, die einem andern dem Mars ge- weihten Thiere, dem Wolf, folgten, entstanden. Quirinus war eine uralte sabinische Speer- oder Kriegsgottheit, die nach Rom verpflanzt und hier mit Romulus, dem Gründer der Stadt, verbunden wurde. Auch S ol (Sonne) und Luna (Mond) waren altsabinische Götterwesen.-Da die Bevölkerung Roms aus Latinern, Sabinern und Etruskern bestand, so sind auch alle diesen angehörenden Götter und Religions- institute nach dieser Stadt gekommen. An der Spitze des römischen Religionswesens stan- den die P o ntisices als Wächter der Staatsreligion und der P ontifcx Marimus als höchste kirchliche Autorität. Die heiligen Gebräuche wurden von Priestern (Flami- nes) vollzogen, von denen jeder der bedeutenden Götter und Tempel einen oder mehrere besaß, worunter jedoch der auf dem Palatinus wohnende Flamen Dialis das größte Ansehen hatte. Dem Dienste des Mars stand das Priestcrcollegium der Salier vor; die Arvalisch en Brüder dienten dem Janus, dem Jupiter und derjuno. In späterer Zeit, als hie Philosophie in Rom auskam, bildete man eine große Zahl von B egriffs g o t t- h eiten aus, denen pantheiftischc Ideen zu Grunde lagen, so daß dieselben nur als allego- rische Begriffsbestimmungen gelten können, so Victoria, Coneordia, Roma, Fides, Ouies, Febris, Mephitis u. a. m. Die spätern Berührungen mit den Griechen vermehrten noch die Zahl der römischen Gottheiten; auch der Cultus der weissagenden Sibyllen, besonders der von Kumä, und ihre Orakelsprüche, die sibyllinischen Bü- cher, scheinen aus Großgriechenland zu stammen. — §. 14. Die heidnischen Religionssysteme des Orients. 1. Inder. Die Religion der Inder ist das Emanationssystem, wornach die ganze sichtbare und unsichtbare Welt aus der Gottheit hervorgeht und nach großen Zwischenräumen wieder in dieselbe zurückkehrt. Mittelpunkt ihrer Reli- gion ist die Lehre von der Seelenwanderung (M etemp s y ch ose). Nach dieser Lehre ist die menschliche Seele nur zur Strafe, die sie in einem frühem Dasein (praexistirend) verschuldet, dem irdischen Körper zugesellt und ihr Streben und Ziel Wiedervereinigung mit der göttlichen Weltseele. Darum 9*

9. Bd. 1 - S. 20

1854 - Leipzig : Engelmann
20 Geschichte der alten Welt. betrachtet der Inder das Leben auf Erden für eine Straf- und Pcüfungszeit, die man nur durch einen heiligen Wandel, durch Gebet und Opfer, durch Büßungen und Reinigungen, oder „durch ein beschauliches, ascetisches Leben, das sich im Contempliren der Gottheit gefallt und von den Ansteckungen der befleckten Welt rein zu erhalten sucht," verkürzen könne. Verabsäumt der Mensch diese Selbst- reinigung und sinkt durch Entfernung von der Gottheit immer tiefer ins Böse, so geht seine Seele „wenn sie das abgenutzte Gewand ihres Leibes" ausge- zogen hat, nach dem Urtheile der Todtenrichter, wieder in einen andern oft nie- drigeren (Thier-)Körper und muß die Wanderung von Neuem beginnen, indeß die Seele des Weisen, Helden oder Büßers ihren Gang nach Oben durch leuch- tende Gestirne antritt und endlich mit dem geistigen Urwefen, von dem sie aus- gegangen, wieder vereinigt wird. Nach der brahmanischen Lehre hat das unter drei Hauptgestalten (Trimurti), als Schöpfer (Brahman), Er- halter (W i sch n u) und Zerstörer (S i w a) erscheinende göttliche U r w e- sen (Brahma) der Welt im Anfang eine bestimmte Ordnung gesetzt, nach wel- cher sie von selbst ihren Gang geht. Aber von Zeit zu Zeit gerath sie in Stocken und Verwirrung und muß dann durch den verkörperten Wischnu als Krisch na wieder hergestellt werden. Für die achte Verkörperung (Jncarnation) Wisch- nu's gab sich Buddha aus, der Gründer des weitverbreiteten, Tugend und Menschenliebe lehrenden rationalistischen Buddhaismus. Im Anfang war nach den heiligen Sagen der Inder Brahma (Parabrahma) das uncrschaffne Urgroße, in dem Alles seinen letzten Grund und Bestand hat und von dem die ganze Natur durchdrungen ist. Brahma selbst ist undarstellbar; „die Sonne ist der vollkommenste Abdruck dieses erhabenen Wesens, die Andeutung seiner persönlichen Sichtbarwerdung in der Natur" und darum Hauptgegenstand der Verehrung. „Faßte man sie als Frühlingssonne so hieß sie Brahman d. i. der Leuchtende; faßte man sie (in der Sommer son ne) als befruchtende Kraft auf, so wurde sie Wischnu d. i. der Durch d ringer genannt; faßte man sie aber als zerstörende (Feuer-) Kraft, so nannte man sie Siwa d. i. der, durch Wachsthum sich entfal- tende, Gott der Fortpflanzung." Aus diesen drei Auffassungen des göttlichen Urwcsens gingen die drei Hauptrcligionsparteicn Indiens hervor; die Bekenner des Brahman, des wellschöpferischen, allmächtigen und ewigen Lich tg o ttes, dessen Gattin Saras- v a t i, die Göttin der Weisheit und Rede, alsurvernunft beider Schöpfung zugegen war; die Anhänger des in der Gestalt des Wassers verehrten Wischnu, des bald als ruhend bald als thatig gedachten Weltcrhaltcrs, der in zehn Jncarnationen (menschlichen Verkörpe- rungen) auf Erden erschien ; und die Anbeter des unter dem Bilde des Feuers dargestelltcn gr oß c n G o t tes (Mah ad ev a) S iw a oder Zerstörers , als dessen Gattin die schreck- liche Kali, das Symbol der zerstörenden Zeit angesehen ward. Außer dieser dreigestaltigcn Urgottheit kommen noch acht Untergötter als Welthüter vor, worunter Indra, der Gott des Himmels, der oberste ist. Die Götter thronen in ewiger Kraft und Herrlichkeit aus den höchsten Gipfeln des Himülaya in paradiesischen Gärten und Palästen. — Nach Buddha's religionsphilosophischer Lehre entstand aus dem Le er en d. i. dem Alles aus sich gebährendcn und wieder in sich ausnehmenden ewigen Raume die dreifache Welt, die gestaltlose ätherische; die geistige Gestaltenwelt, und die materielle. Diese letztere von der Materie zu erlösen und die Menschheit zur Erkenntniß des durch die Vernunft (Medita- tion) erfaßbaren höchsten Wesens und zur Tugend, wodurch man sich demselben nähert, zu führen, ist Zweck der Erscheinung (Jncarnation) Buddha's. Darum wird, obwohl die Welt unter der Waltung eines starren Schicksals (Fatum) steht, die Freiheit des Men- schen nicht aufgehoben, vielmehr dieser nach seinen Werken gerichtet. —

10. Bd. 1 - S. 21

1854 - Leipzig : Engelmann
Einleitung. 21 Gegen die obige Auffassung der indischen Religion wurden dem Verfasser von namhafter Seite Aus- stellungen gemacht, die wir, ohne den frühcrn Tert zu ändern, zur Ergänzung oder Verbesserung hier einschalten: „Die drei höchsten Götter, Brahma, Vischnu, Siva, sind erst von später« Philo- sophen in ein gewisses Verhältnis zu einander gebracht worden. Ursprünglich sind sie drei Grundwesen, die in verschiedenen Gegenden Indiens und von verschiedenen Stämmen als höchste Götter verehrt wur- den. Auch später hielten sich die Sekten an den einen oder andern als den höchsten.— B r a hman (das Neutrum, im Nominativ bräbwa) bedeutet nicht: der Leuchtende, sondern wörtlich: das Große, daher das schlechthin große, erhabene Wesen, in welchem ursprünglich Alles ist und zu dem Alles zurückkehrt. Es ist die ewig in sich vollendete Einheit der Welt und aller Wesen, die als reine Einheit nicht personificirt und nicht durch menschliche Begriffe bezeichnet werden kann. Schon in den Vedas erscheint dieß absolute göttliche Sein als innerer, ewiger Lichtquell und ganz unabhängig von der Sonne. — Aus dieser abstrakten Einheit, aus dem Neutrum B ra h m a , das als solches immer die Sub- stanz von Allem bildet, trat ein zweites, konkretes Wesen heraus, ein treues Abbild des Urwcsens, das Maskulin Brahmau (im Nominativ Brahma). Dieß ist der ewigelogos, die Urvernunft, welche die wirkliche Welt und das Menschengeschlecht geschaffen hat. Er hat die heiligen Bücher, die Vedas, die Gesetze des Manu u. s. w. den Menschen mitgetheilt. Dieser männliche Brahma wird allein im Kultus verehrt, nicht aber senes abstrakte Urwesen, das als reine Einheit kein darstellbares Objekt sein kann. — Vischnu ist ebenfalls eine persönliche Offenbarung jenes Urgeistes; der Name aber bedeutet nicht der „D ur ch d r in g e r" (v. vsp) sondern der B e sch ütz e r, Erhalter (von der Wurzel ui und der Bildungssilbe su», die wegen des Vokals in selmu übergeht). In dieser appellativen Bedeutung kommt der Name noch vor. — Er ist Erhalter, Erlöser und ewige Herstellung der sittlichen Welt- ordnung, indem er zum Heil der Menschheit mehrmals selbst Mensch wird und das Böse bekämpft.— Den Verehrern des Vischnu galt er zugleich als Schöpfer, Erhalter und Zerstörer, d. i. Auflöser der alten und Hersteller einer neuen Ordnung. (Dieß letztere besonders, wegen seiner Kämpfe bei seinen Verkör- perungen.) V ischnu ist nicht eigentlich als W asser (oderluft) verehrt worden; es stellt ihn gewisser- maßen nur vor. Das Wasser wird dann als Princip und als Grundkraft alles Wirklichen augeschaut. Der Kult dieses Gottes entstand in Bengalen und den Niederungen des Ganges, wo alle Fruchtbarkeit und aller Segen durch die Ueberschwemmungen des Stromes (wie in Aegypten) bedingt ist. Fast die ganze indische Literatur gehört den Vischnuiten an. Sie sind mild, verletzen und tödten kein Thier, nicht ein- mal eine Laus! Der Buddhaismus ging aus dieser Sekte hervor. — Der Kultus des dritten Gottes, Siva, entstand in den gebirgigen Nordländern Indiens und hat sich von da aus über das ganze Land verbreitet. Er hat ursprünglich seinen Sitz auf Bergen, besonders auf den: Himütaja, und ist ein Berggott. Er heißt daher auch Herr der Berge, und seine Gemahlin, Pàrvaii, die Berg- geborene. Zur Erscheinung kommt dieser Gott als Feuer. In dieser Anschauung liegt etwas Dop- peltes: einmal das zerstörende und seinen Gegensatz verzehrende Element; andrerseits ist das Feuer und die Wärme das Princip des Lebens und der Zeugung. Danach stellt Siva die wilde Lebenskraft der Natur überhaupt vor und vereinigt in sich die 2 Seiten der Natur: die lebenzeugende und die zerstörende Seite, die ewig mit einander wechseln wie Sommer und Winter. — Der Dienst des Siva bildete die eigentliche Volksreligion in Indien, und hat einen rohen und wilden Charakter. — Der großen Naturmacht, bhavânî, welche in Verbindung mit dem Feuer Alles erzeugt, wurden blutige Opfer, besonders auch Menschenopfer gebracht. Namentlich kommen häufig Selbstopserungen vor. Man stürzt sich in die Quelle des Ganges am Himalaja, um sich ganz dieser absoluten Macht hinzugeben. An sich ist Siva nichts weniger als ein zerstörender oder gar böser Gott. Er bekämpft vielmehr die bösen Dämonen. Sein Hauptsymbol ist das Geschlcchtsglied, der Phallus oder Lingam; doch scheint ihn: dieß erst später bei den südlichen Völkern beigelcgt zu sein. Auch der Stier ist ein Symbol des Siva. Der Name Siva bedeutet als Adj. im Sanskrit „glücklich," ursprünglich wohl „glänzend." — Siva's Frau ist sein weibliches Gegenbild und gar nicht „Symbol der zerstörenden Zeit." Ihr Hauptname ist Parvati, die Bergige, Berggeborene, auch dungà, die Schwerzugängliche, oder bhavànî (cpvoig) von bhava Ursprung, Dasein, und daher Beiname des Siva. Die drei Hauptgötter gehören der epischen Poesie an. — In der ältesten Zeit, in den Vedas, erscheint brahma als Urgeist, als ideale Welteinheit; aber als höchster wirklicher Gott regiert Indra, der Gott des Himnlels, der über Blitz und Regen gebietet, die bösen Geister vertilgt und überhaupt alles Gute bewirkt. Die übrigen Naturgötter treten nicht so selbständig auf (z. B. Sonne, Morgenröthe, Tag, Wind, Wasser, Feuer) und sind einer höhern Einheit untergeordnet. Indra entspricht dem deutschen Donner, Thor. Sein Name steht in der epischen Poesie schon für G o tt überhaupt wie vous. — Vgl. Lassen, indis che Alterthumskunde, S. 755—792." 2. Zend-Volk. Ein merkwürdiges Religionssysiem hatte das uralte Z end-Volk in Baktrien. Es lehrte ein doppeltes Urwesen (Dua- lismus), den Lichtgeist O rmuzd und den bösen Geist derfinsierniß Ah riman.
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