411
Das französische Kaiserreich.
Godop sich klagend an ihn wandten und ihn somit zum Schiedsrichter zwischen
Vater und Sohn machten, um die ganze Familie mit den Stricken einer falschen
und heimtückischen Politik zu umgarnen. Ohne seine Gesinnung und Absicht kund
zri geben, lud er sowohl das alte Königspaar mit ihrem Friedensfürsten als Ferdi-
nand zu einer persönlichen Unterredung nach B apon ne. Vergebens warnten
die Freunde des letztern vor dieser Reise; vergebens suchte das Volk im Vorgefühl
des kommenden Unheils durch Ausspannung des Wagens den Prinzen an der
Fortsetzung der verhängnisvollen Reise zu hindern, der kraftlose Ferdinand wagte
nicht, dem Gewaltigen zuwiderstreben. Erbegab sich nach Bay onne, wo er-
den Friedensfürsten und seine Eltern bereits vorfand. Hier wurde der schwach-
sinnige Karl Iv. durch den von Napoleon gewonnenen Godoy beredet, die Thron-
entsagung zurückzunehmen, aber nur, um sich der wiedererlangten Krone sür sich
und seine Nachkommen zu Gunsten Napoleons und seines Geschlechts abermals
zu entaußern und den verhaßten Sohn seines Erbes zu berauben. Der charakter-
lose Ferdinand, eines kräftigen Entschlusses unfähig, wurde durch Napoleons Dro-
hungen und Ranke zur Anerkennung dieses diplomatischen Gewaltstreichs gebracht.
Jur Genüsse einer Jahresrente lebte er fortan in Frankreich, unbekümmert um
den großen Kampf, den sein Volk um Freiheit und Nationalität führte. Napo-
leon ließ durch eine Versammlung spanischer Notablen (Constitutions-Junta) sei-
nen Bruder Joseph als König von Spanien anerkennen, umgab ihn mit einem
klug gewählten Ministerium und suchte die Nation durch eine freisinnige, an die
alte Cortesverfassung sich anschließende Constitution und ein treffliches Gerichts-
wesen sür die neue Ordnung zu gewinnen; allein der fürchterliche Aufstand in
Madrid, wodurch noch vor Beendigung des diplomatischen Spiels in Bayonne
gegen 1200 französische Krieger aus Mürats Heer der Volksrache zum Opfer sie-
len, bewies, daß die Nation sich der fremden Zwingherrschast nicht so leicht fügen
werde als das kraftlose Königshaus. Karl Iv. starb rühmlos und vergessen in
Rom, wohin er sich mit seiner Familie und dem Friedensfürsten zurückgezogen.
§. 756. Der spanische Krieg. Noch ehe Joseph Bonaparte,
nach Abtretung des Königreichs Neapel an seinen Schwager Mürat, mit
einem französischen Heer seinen feierlichen Einzug in Madrid hielt, hatte sich
das von einem Theil des Adels und der zahlreichen Priesterschaft geleitete
Volk allenthalben erhoben und durch Errichtung von Junten in den bedeu-
tendsten Städten und durch blutige Aufstände wider die Franzosen ffeinen
Haß gegen die neue Ordnung zu erkennen gegeben. Erstaunt blickte Europa
auf die ungewohnte Erscheinung eines Volkskrieges, der sich von Spanien
nach Portugal ausdehnte und von Napoleons tapfern Streitern nicht be-
zwungen werden konnte.
In allen Landschaften bildeten sich bewaffnete Schaaren abgehärteter Bauern
unter kühnen Führern, die, begünstigt durch die Schluchten und Berghöhen ihres
Landes, den französischen Truppen hart zusetzten; die Städte verschlossen ihre
Thore und der Heldenmuth, womit Saragossa unter Pala fox, Girona
unter Alvarez, Hostalrich, Murviedro (das alte Sagunt), Valencia
u. a. O. die stürmenden Franzosen zurückschlugen, erinnert an Numantia
und Sagunt. Die Engländer, erfreut, daß dem französischen Gebieter ein
neuer mächtiger Feind erstanden, leisteten den Spaniern und Portugiesen kräftigen
Vorschub und begannen dann, von den Eingebornen unterstützt, in der pyrenäi-
schen Halbinsel den ersten erfolgreichen Landkrieg wider ihre Gegner. Wahrend
6. Juni
1808.
2. Mai
1808.
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Extrahierte Personennamen: Godop Ferdinand Karl_Iv Karl Napoleon Napoleons Ferdinand Napoleons Joseph Karl_Iv Karl Joseph_Bonaparte Napoleons Alvarez
Extrahierte Ortsnamen: Napoleons Napoleons Frankreich Spanien Madrid Bayonne Rom Neapel Madrid Europa Spanien Portugal Napoleons Saragossa Girona Valencia
413
Das französische Kaiserreich.
den Truppen Jünots freie Ueberfahrt nach Frankreich zugestanden hatten —
da schien die Sache der Franzosen in der pyrenaischen Halbinsel verloren.
tz. 757. Die Constitution vom Jahre 1812. Sollte aber Na-
poleon mit seinen kriegskundigen Heeren, die Könige entthront und Nationen
unterjocht hatten, vor ungeübten Schaaren zurückweichen und den verhaßten
Engländern das Feld raumen? Diesen Gedanken ertrug sein Stolz nicht.
Nachdem er durch neue Aushebungen seine Truppen verstärkt, rückte er selbst
an der Spitze mächtiger, wohlgerüsteter und von trefflichen Führern, wie
Soultu. A. befehligter Heere über die Pyrenäen. Die aller Zucht, Ord-
nung und Uebung ermangelnden Schaaren der Spanier, die ohne Kriegs-
plan dem größten Schlachtengewinner entgegen traten, wurden leicht über-
wunden (bei Burgos, Espinosa, Tudela, Somosierra), so daß der Kaiser
schon nach vier Wochen als Sieger in Madrid einziehen und seinem Bruder ^8o“°
Joseph den Thron zurückgeben konnte. Jndeß Napoleon in der Hauptstadt
neue Einrichtungen traf, die Spanier durch Milde und Drohungen zur An-
erkennung Josephs zu bewegen suchte und über einige der Schuldigsten stren-
ges Strafgericht hielt, bestanden seine Feldherren blutige Kämpfe gegenisos —
Bandenführer und Engländer. Saragossa wurde nach der verzweifeltsten 3°i8ot'
Gegenwehr („das Mädchen von Saragossa") eingenommen und Palafox
als Gefangener nach Frankreich geführt; die englischen Heere beschränkten 1809,
sich auf die Vertheidigung Portugals (nachdem jedoch Moorc's Helden-
kampf und Heldentod bei Coru nn a und Welkes ley's swellington'sj i«. Ja«.
Sieg bei Talavera bewiesen, daß die britischen Landheere an Muth28.Juli.
und Tapferkeit den Kriegern der Marine nicht nachständen); auch Sevilla
und ganz Andalusien und Granada geriethen in die Hände der Fran-
zosen. Und dennoch hielt sich Spanien aufrecht. — Je siegreicher die
Feinde im Felde waren, desto planmäßiger bildete sich der kleine Schaaren-
krieg (Guerilla) aus, besonders als es dem von Napoleon absichtlich nach
dem fernen Dänemark entsendeten Marquis La Romana auf die Kunde
von der Erhebung seines Vaterlandes gelungen war, mit 18,000 Spaniern,
dem Kern der Nation, auf englischen Schiffen von Dänemark aus in die
Heimath zu entweichen. Der kriegerische Geist der alten Spanier erwachte
wieder und indeß die Nationalregierung (höchste Regentschaft) in Ca-
d ix (das allein allen Stürmen der Feinde Trotz bot und darum nach dem
Falle von Sevilla zur politischen Hauptstadt des Landes erhoben ward) ihre
Dekrete gegen Joseph und seine Anhänger schleuderte und durch Einberufung
einer Nationalrepräsentation die für Spaniens Zukunft so folgen-
reiche neue Cortesverfassung herbeiführte, hielten verwegene Banden-
sührer Kriegsmuth, Fanatismus und Selbstvertrauen im Volke wach.
Es war ein merkwürdiges Geschick, daß in demselben Augenblick, wo das Volk mit
Wuth und Begeisterung gegen die Franzosen und ihre Einrichtungen kämpfte, die durch
Volkswahl bestimmten und größtentheils dem gebildeten und gelehrten Stande angehörigen
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Extrahierte Personennamen: Espinosa Joseph Napoleon Napoleon Joseph
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Burgos Tudela Somosierra Madrid Josephs Saragossa Frankreich Sevilla Granada Fran- Spanien Ca- Sevilla Spaniens
524 Die Zeit des französischen Bürgerkönigthums.
ten, die Kinder je nach dem Geschlechte dem Glauben der Eltern folgten. Dieses
Gewohnheitsrecht hatte in die Gesetzgebung verschiedener Lander von gemischter
Bevölkerung, als dem Grundsätze der Rechtsgleichheit entsprechend, Eingang ge-
funden. Im Jahr 1825 wurde das preußische Gesetz, wornach bei Mischehen
die Kinder sammtlich im Glauben des Vaters erzogen werden sollten, wenn nicht
der einmüthige Wille beider Eltern anders verfügte, auch auf Westfalen und die
Rheinprovinz ausgedehnt. Da hier nun häufiger der Fall eintrat, daß protestan-
tische Männer der altern Provinzen sich mit katholischen Töchtern des Landes
vermahlten, als umgekehrt, so gerieth die Geistlichkeit in Besorgniß, die katholi-
sche Kirche möchte verkürzt werden. Die rheinischen Bischöfe holten in Rom Ver-
sa. März haltungsbefehle ein. Ein Breve des Papstes erklärte gemischte Ehen für unerlaubt,
1830- doch für gesetzlich gültig, und gestattete die kirchliche Einsegnung nur unter der Be-
dingung, daß das Brautpaar die katholische Erziehung sammtlicher Kinder vor-
her gelobe, sei dies nicht der Fall, so könne die Trauung zwar in Gegenwart des
Geistlichen statt finden, aber ohne alle kirchliche Feier. Durch Unterhandlungen
mit den rheinischen Bischöfen erwirkte jedoch die preußische Regierung eine still-
schweigende Ermäßigung des Breve und erlangte, daß die meisten Mischehen auch
ohne jene Vorbedingung eingesegnet wurden. Auch der Weihbischof Clemens
Droste zu Visch er ing, ein strengkirchlicher, von ultramontanen Einflüsien
1836. geleiteter Mann, gab bei seiner Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl zu Köln
das Versprechen, gemäß dieser Uebereinkunft zu verfahren. Kaum war er aber
im Besitz seiner Würde, als er seiner Geistlichkeit gebot, sich genau an das Breve
zu halten und die Trauung nur nach vorausgegangener Zusage katholischer Kin-
dererziehung zu verrichten. Einflüsterungen im Beichtstuhl prägten den Frauen
die Nothwendigkeit der kirchlichen Einsegnung zur Gültigkeit der Ehe und zum
Seelenheil ein und verwirrten die Gewissen. Zu gleicher Zeit ließ sich der Erzbischof
von seiner ultramontanen Umgebung zu einem strengen Verfahren wider die Her-
mesianer bewegen. Umsonst erinnerte die preußische Regierung an das Ver-
sprechen und drohte mit Amtsentsetzung; der Erzbischof beharrte aus seinem
^1837°"' ®'nne* Da wurde er plötzlich verhaftet und nach der Festung Minden abgesührt,
„weil er sein Wort gebrochen, die Gesetze untergraben und unter dem Ein-
flüsse revolutionärer Parteien die Gemüther aufgeregt habe." Dies gab das
Signal zu einem heftigen Streite sowohl zwischen der preußischen Regierung und
dem römischen Stuhle, der vor jeder Unterhandlung die Wiedereinsetzung des
gefangenen „Märtyrers" verlangte, als zwischen den streitlustigen Gelehrten bei-
der Confessionen. Die öffentliche Meinung war getheilt. Die Katholiken sahen
in dem Verfahren eine Unterdrückung der Kirche durch den Beamtenstaat und
erhoben den Ruf nach Unabhängigkeit der Kirche vom Staate; die
Protestanten faßten den Streit auf als „Kampf deutscher Freiheit und römischer
Herrschaft." Die „kirchlichen Wirren" nahmen noch zu, als der Erzbischof Du-
nin von Gnesen und Posen ein ähnliches Verbot der kirchlichen Trauung von
Mischehen ohne Zusicherung katholischer Erziehung ergehen ließ und, nach Berlin
geladen, sich der ihm auferlegten Haft durch die Flucht entzog, dann aber nach
der Festung Colberg abgeführt ward. Unter diesen Umstanden bestieg Friedrich
7'is4oni ® iifyetm Iv. den preußischen Thron und richtete seine ganze Sorgfalt auf die
Beruhigung der Kirche. Er setzte den Erzbischof Dunin auf eine sehr zweideutige
Zusage hin in Freiheit, er gestattete den unmittelbaren Verkehr der Bischöfe mit
Rom; er entließ den Erzbischof Droste seiner Haft und sprach ihn in einein ehren-
vollen Brief von aller Schuld an revolutionären Umtrieben frei, nachdem er mit
ihm und dem römischen Stuhl übereingekommcn, daß er selbst wegen Kränklich-
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Extrahierte Personennamen: Clemens
Droste Friedrich
7'is4oni Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Westfalen Rom Gnesen Posen Berlin Rom
547
Die pyrenätsche Halbinsel.
Mar oto, der, wahrend er sich das Vertrauen des finstern, mißtrauischen In-
fanten zu erhalten wußte, mit Espartero geheime Unterhandlungen anknüpfte,
die endlich zu dem Vertrag von B erg ara führten, worin von Seiten der
Insurgenten Niederlegung der Waffen, von Seiten Espartero's Amnestie gelobt
und Bestätigung der baskifchen und navarrefischen Fueros in Aussicht gestellt
wurde. Umsonst erließ Don Carlos einen Aufruf, worin er Maroto für einen
Verrather erklärte; sein Ansehen war dahin und das Vertrauen seiner Um-
gebung auf einen erfolgreichen Ausgang dermaßen geschwächt, daß die meisten
seiner Offiziere und gegen 300 Priester nach Frankreich flüchteten, worauf er
selbst mit seiner Familie den Schutz der französischen Regierung ansprach. Nach
einem mehrjährigen Aufenthalt in Bourges erhielt er, nach Abtretung sei-
ner Ansprüche an seinen ältesten Sohn (Graf v.montemolin) die Er-
laubniß, sich nach Italien zu begeben. — In Catalonien setzten die Karlisten
den Kampf noch ein Jahr lang fort, bis auch sie, von Espartero überwältigt,
auf französischem Gebiete Zuflucht suchen mußten. An 30,000 Karlisten über-
schritten mit ihrem Führer Cabrera die Pyrenäen, und sprachen, an Allem
Mangel leidend, die Hülfe des Nachbarvolks an.
tz. 828. Parteikampfe und Ho fintri grien. Bald darauf wurde
Espartero, nunmehr zum Herzog von Vittoria erhoben, der Retter der
spanischen Volksrechte gegen die Ranke des Hofs und die diplomatischen Künste
der Rückfchrittspartei. Christine nämlich, eine sinnliche, leidenschaftliche und
selbstsüchtige Frau, war weit entfernt, dem Freiheitsbedürfniß des Volks durch
zeitgemäße Reformen Rechnung zu tragen. Sie bediente sich der Cortes nur,
um die Ausschließung des Jnfanten Don Carlos und seiner ganzen Linie von der
Erbfolge und die Einziehung seiner Güter dekretiren zu lasten; im Uebrigen
regierte sie, getreu den Lehren und dem Beispiele ihres Freundes Louis Philipp,
nach dem alten System und beleidigte das Ehrgefühl des Volks durch ihre rück-
sichtslose Hingebung an den schönen Kammerherrn Munnoz (Herzog von
Rianzares), mit dem sie sich zuletzt zur linken Hand trauen ließ. In vielen
Städten kam es zu unruhigen Auftritten; Klöster wurden zerstört, Mönche ver-
folgt und ermordet, Gräuel aller Art begangen; der Ruf nach der Constitu-
tion vom Jahr Zwölf (§. 757.) ertönte durchs ganze Land. Die Re-
gentin suchte durch einen Ministerwechsel und durch verschiedene Zugeständniste
den Sturm zu beschwören, aber die Opposition der Cortes war so mächtig, daß
sich die Regierung zu wiederholten Kammerauslösungen gezwungen sah; die ganze
Nation war jetzt nicht mehr in Liberale und Servile, sondern in Exa l-
tados (P r og r essi st e n) und Moderados getheilt. Die erstern forderten
mit Ungestüm die Constitution von 18 12 (mit Einer Kammer) und
als Christine deshalb Madrid in Kriegsstand erklärte und die Nationalgarde
auflöste, da zog eine Abtheilung Bürgermilizen nach La Granja (St. Ilde-
fonso), dem Aufenthaltsort der Königin, und zwang sie zur Aufhebung des Be-
lagerungszustandes, zur Herstellung der Nationalgarden und zur Einführung der
Constitution vom Jahr Zwölf, bis die neu einzuberufende constituirende Ver-
sammlung eine neue Verfaffung entworfen haben würde. Diese kam im nächsten
Jahr mit der Abänderung in ein Zweikammersystem und mit andern paffenden
Modisicationen zu Stande; allein es erwies sich bald, daß die Königin, trotz aller
Zusagen, wenig Lust hatte, in ächt constitutionellem Sinn zu regieren. Durch
wiederholte Kammerauflösungen und Wahlumtriebe brachte sie die Moderados in
die Cortes und in die Regierung und erließ ein unvolksthümliches Gemeindegesetz.
Da bildeten sich in Madrid und in verschiedenen Städten Aufstände und Junten,
35 *
31. Aug.
1839.
1845.
1835.
Auaust
1836.
1839.
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Extrahierte Personennamen: Carlos Maroto Espartero Cabrera Vittoria Christine Carlos Louis_Philipp Philipp Christine
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Italien Catalonien La_Granja Madrid
548
Die Zeit des französischen Bürgerkönigthums.
was die Regentin nöthigte, das Haupt der Exaltados, Espartero, zum Mi-
nisterpräsidenten zu ernennen und ihm die Bildung eines Cabinets zu übertragen.
Am 16. Sept. J 840 hielt der Herzog von Vittoria seinen feierlichen Einzug in
die Hauptstadt, und stellte alsbald an die Königin die Forderung, das Gemeinde-
(Ayuntamiento-) Gesetz zurückzunehmen, die Camarilla zu entfernen und die
Cortes aufzulösen. Dadurch in ihrem Herrscherstolz gekrankt und doch außer
Stande, die Anmuthung zurückzuweisen, dankte die König-Regentin ab und
Octvber. begab sich nach Frankreich, worauf Espartero von der neugewählten Cortes-
Sí8?íni Versammlung zum Regenten ernannt ward. Die Regierung des Herzogs-Re-
genten, vortheilhaft für Handel, Industrie und innern Verkehr, war von kurzer
Dauer. Die Intriguen der von Frankreich unterstützten, mit unermeßlichen
Schätzen versehenen Königin Christine, der Neid seiner mit jedem Tag sich meh-
renden Gegner, und der Haß, den sich der englisch-gesinnte Herzog und seine
als A n g l o - Ay a euch o s bezeichneten Anhänger durch die blutige Unterdrückung
aller Aufstandsversuche in Barcelona, Madrid (Diego Leon) und andern Orten
zuzog, erschwerten ihm die Regierung und erzeugten, als er zuletzt auch noch mit
dem Papst und der Geistlichkeit zerfiel, eine solche Gährung im ganzen Lande,
daß er sich nicht länger halten konnte. Als der von Christina gewonnene und mit
Geld reichlich versehene General Narva ez in Valencia landete und mit einem
zahlreichen Heer auf die Hauptstadt losrückte, zog sich Espartero mit seinen
Truppen nach der Sierra Morena und dann, als die Kunde von der Uebergabe
;!() 3uü Madrids zu ihm gelangte, nach Cadix, von wo er sich nach England überschiffte.
1843. Der Fall des Regenten und die Verfolgung der Ayacuchos war ein Sieg der
französischen Politik über die englische. Bald nachher wurde die junge Königin
Novbr. Isabella für volljährig erklärt, Narvaez, nachdem er mehrere Aufstandsversuche
strenge unterdrückt, zum Herzog von Valencia und zum Ministerpräsidenten
erhoben und Maria Christina nach Spanien zurückgerufen. Von deni an herrschte
die französische Politik in Madrid, und Louis Philipps Klugheit umstrickte Spa-
nien wie Frankreich mit den Netzen einer volksfeindlichen, freiheitgefährdenden
Staatskunst. Nach französischer Eingebung wurde durch Maria Christina und
die wieder zur Herrschaft gelangten Moderados die Verfassung zu Gunsten der
Königsmachtabgeändert, die Volkssouveränetät gestrichen, die Preßfreiheit be-
schränkt und wegen eines Concordats mit dem päpstlichen Stuhle Einleitungen
getroffen. Die Krone setzte aber Louis Philipp seiner Politik durch die spanische
Doppelheirath auf. Nachdem nämlich die europäische Diplomatie Jahre
lang geschäftig gewesen, der jungen Königin von Spanien einen passenden die
Interessen keiner der Großmächte gefährdenden Gemahl auszusuchen und deshalb
bald einen neapolitanischen Prinzen (Prinz von Trapani), bald den Grafen von
Montemolin, bald andere eingeborne und fremde Bewerber vorschlug, brachte
es Louis Philipp in Verbindung mit Maria Christina dahin, daß die verzogene,
von ihrer Mutter sittlich und geistig verwahrloste Isa b el la mit ihrem Vetter
Franz von Assis vermählt ward, und zu gleicher Zeit ihre jüngere Schwester ihre
Hand und damit die Anwartschaft auf den spanischen Thron dem Herzog von
Montpensier, dem jüngsten Sohne Louis Philipps, reichte. Dieses durch
die Ränke des französischen Königs und der herzlosen Mutter Isabella's zu selbst-
süchtigen Zwecken geschmiedete Ehebündniß, das eine merkliche Spannung zwi-
schen der englischen und französischen Regierung erzeugte, erwies sich nur zu bald
als ein unheilvolles. Die junge Königin, von ihrer ausschweifenden, habsüch-
tigen Mutter nur auf Sinnengenüsse hingewiesen, aller höhern und edlern Ideen,
Gefühle und Regungen unfähig, wurde ihres körperlich und geistig schwachen
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Extrahierte Personennamen: Vittoria Christine Diego_Leon) Christina Narva Espartero Isabella Maria_Christina Maria Louis_Philipps Philipps Maria_Christina Maria Louis_Philipp Philipp Louis_Philipp Philipp Maria_Christina Maria Franz_von_Assis Franz Louis_Philipps Philipps
Extrahierte Ortsnamen: Espartero Frankreich Frankreich Barcelona Madrid Valencia Madrids Cadix England Valencia Spanien Madrid Frankreich Spanien
74
Das Zeitalter der Reformation.
1533.
1534.
1539,
einer Scheidung zu erlangen. Gestützt auf eine Reihe von Gutachten einhei-
mischer und auswärtiger Universitäten und gelehrter Körperschaften über die
Unzulässigkeit seiner Ehe, ließ er sich durch den zum erzbischöflichen Stuhl von
Canterbury erhobenen Thom. Cranmer eigenmächtig scheiden, nachdem er
sich schon vorher mit Anna hatte trauen lassen (1532); er nöthigte ferner
den Klerus, ihn als Oberhaupt der englischenkirche anzuerkennen
und brachte das servile Parlament zu einer Reihe von Beschlüssen, durch die
des Papstes Autorität über England abgeschafft wurde. Der hoffärtige Kar-
dinal Wolsey, der bisher den König unbeschränkt geleitet, starb in Un-
gnade, weil er die Scheidung lässig betrieben und Thomas Cromwell, ein
dienstfertiger Knecht seines despotischen Gebieters, erlangte die Kanzlerwürde
und leitete, in Verbindung mit Cranmer, die kirchlichen Neuerungen nach
Heinrichs Laune.
Die zahlreichen Klöster wurden gewaltsam aufgelöst; die Mönche und
Nonnen kaum vor Hunger geschützt und die reichen Klostergüter theils der Krone
verliehen, theils an Höflinge verschenkt, theils zu wohlthatigen Anstalten ver-
wendet. Gegen die Schatze alter Kunst und Wissenschaft verfuhr man dabei mit
rohem Vandalismus. — Nächst den Klöstern wüthete der König besonders gegen
Gnadenbilder und andere Gegenstände einer abergläubischen Verehrung.
Beckets (§. 372.) Grab mit dem reichen Altäre wurde geschändet und beraubt
und das Andenken des alten Heiligen durch eine lächerliche Procedur gehöhnt;
mit hölzernen Heiligenbildern zündete man die Flammen an, die Papisten wie
Lutheraner verzehrten; die erstem traf der Zorn des despotischen Königs, weil
sie, wie der ehrwürdige Bischof Fisher und der von klassischer Bildung und hel-
lenischem Witz durchdrungene Thomas Morus (§. 433.), seine Gewaltmaß-
regeln wider Papst und Kirche mißbilligten; die letztern der Grimm des scholasti-
schen Theologen, der seine einst gegen Luther behaupteten Ansichten auch später
noch festhielt. Darum ließ er nicht nur alle Dogmen, Gebräuche, Eeremonien
und hierarchische Einrichtungen der alten Kirche bestehen, sondern er beschränkte
auch den anfangs gestatteten Gebrauch der von dem flüchtigen Tindall über-
setzten englischen Bibel und gebot durch das S ta tu t der sech s „B lu t"-
Artikel bei Todesstrafe die Beobachtung des Cölibats, der Ohrenbeichte,
der Mönchsgelübde, der Sti llmessen, der Substanzverwandlung
und der Kelch entzieh un g.
§. 502. Wie Heinrich Viii. mit dem religiösen Bewußtsein des Volks
ein tyrannisches Spiel trieb, so auch mit dem Leben seiner Unterthanen und
den Köpfen seiner Frauen. Als die Enthauptung Fishers und More's
und die blutige Verfolgung der Karthäuser und anderer päpstlich Gesinnter
die Rache des römischen Hofs hervorrief, und ein furchtbarerbannfluch gegen
den König und seine Anhänger ausging und von dem englischen Kardinal
Pole, einem Verwandten des Königs, verbreitet wurde, ließ dieser die
80jährige Mutter desselben, den letzten Sprößling der glorreichen Planta-
genets, und alle seine Freunde auf dem Blutgerüste oder am Galgen ster-
den; und als die Unzufriedenheit über die Auflösung der Klöster im Norden
des Reichs eine Empörung unter dem Landvolk erregte, wobei Mönche die
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Extrahierte Personennamen: Canterbury Anna Thomas_Cromwell Heinrichs Heinrichs Fisher Thomas_Morus Heinrich_Viii Heinrich Fishers
28
Das Zeitalter der Reformation.
mit der politischen Unabhängigkeit siegend einzog, zu dem sich im Süden von
Frankrech über 2000 Gemeinden bekannten, der in Italien und
Spanien, in der Nahe des Papstes und des Kaisers, Anhänger zählte
und der in seiner äußersten Strenge als presbyterische Kirche in
Schottland auf dentrümmern der Kloster und Domkirchen sein Panier auf-
pflanzte. — Auch nach Deutschland drangen Calvins Grundsätze und ver-
größerten die Spaltung und Zerrissenheit. In der Rheinpfalz gelangte
der im Heidelberger Katechismus niedergelegte Calvinische Lehr-
begriff zur Herrschaft, was bei den lutherischen Fürsten solche Erbitterung
hervorrief, daß sich der Kurfürst durch ein Bündniß mit auswärtigen Staa-
ten (Niederlanden, England und Frankreich) gegen Angriffe sichern zu müssen
glaubte. In Frankreich rang die neue Kirche lange mit der alten um den
Sieg. Franz I., im Bunde mit den protestantischen Fürsten Deutschlands
und mit dem schismatischen König von England, hatte manche Aufforderun-
gen zum Abfall von Rom. Auch ging er mehrmals mit dem Gedanken einer
Reformation um und ließ an Melanchthon dringende Einladungen ergehen.
Aber theils seine Verbindung mit dem Papst, der die Besetzung der geist-
lichen Stellen dem König überließ *) und ihm zur Wiedererlangung des
Herzogthums Mailand unentbehrlich schien, theils sein despotischer Sinn,
der jede freie Volksbewegung haßte, hielten ihn bei der alten Kirche fest.
Am Hofe selbst dachte man über Religion so gleichgültig wie in Italien;
und wie hätten wollüstige und genußsüchtige Hofleute an der calvinischen
Sittenstrenge Gefallen finden sollen? Bald ergingen daher Verbote gegen
das Einbringen calvinischer und lutherischer Schriften; die verwegensten
Reformations-Prediger starben in den Flammen und die Zerstörung mehrerer
von Waldensern bewohnten Ortschaften in der Provence bewies die ernste
Absicht des Hofes, die alte Kirche bei ihren herkömmlichen Rechten zu
erhalten.
’*) Durch das zwischen Franz I. und Leox. (14. Dcc. 1515) abgeschlossene Concor-
dat wurden die alten Freiheiten der gallicanischen Kirche, wornach die geistlichen Corpo-
rationen ihre Obern selbst wählten, sehr beschränkt; der König erlangte dadurch die Be-
fugniß, zu allen geistlichen Stellen (10 Erzbisthümer, 85 Bisthümer, 527 Abteien) mit
geringen Beschränkungen zu ernennen, was ihm große Vortheile brachte und den Klerus
der Krone unterordnete; von dem an wurden einträgliche Pfründen von dem Hofe als Be-
lohnung für Verdienste im Felde oder Kabinet oder aus Gunst ertheilt; dem Papst wurden
dafür die an das Recht der Bestätigung geknüpften Ann aten und die von den Concilien
zu Constanz und Basel bestrittene Superiorität über die Kirche zuerkannt.
§. 448. „Nach Spanien kamen die Gedanken der Reformation in
des Kaisers Gefolge, umgaben vielleicht noch sein Sterbebett und wurden
von Einzelnen mit hoher Begeisterung ausgenommen. Aber der Katholicis-
mus, besonders die Heiligenverehrung ist tief verwachsen in den zähen Volks-
charakter; Reinheit des Glaubens galt dem Spanier so hoch als Reinheit
des Bluts und der Bruder erschlug den abtrünnigen Bruder" (Diaz). Bald
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Extrahierte Ortsnamen: Frankrech Italien Spanien Schottland Deutschland Rheinpfalz Heidelberger_Katechismus England Frankreich Frankreich Deutschlands England Rom Herzogthums_Mailand Italien Basel Spanien
30
Die Zeitalter der Reformation.
des Volks, wenn gleich Englands Machthaber durch tyrannische Gesetze und
Gewaltschritte den Religionsbeschlüssen des Parlaments auch dort Geltung
zu verschaffen bemüht waren und das ganze irische Kirchenvermögen der eng-
lischen Hierarchie und Aristokratie zutheilten.
2. Die deutsche Reformation.
r») Die Stimmung in Deutschland.
§. 449. Seitdem die Hoffnungen, die man auf die großen Concilien
in Constanz und Basel gesetzt, verschwunden waren, herrschte in Deutschland
unter allen Standen Verstimmung und Unzufriedenheit über die kirchlichen
Zustande. Die Fürsten zürnten, daß alle Mahnungen an die Papste zu
einer freiwilligen Selbfterneuerung unbeachtet geblieben; daß die
geistliche Gerichtsbarkeit den weltlichen Rechtsgang hemmte; daß der päpst-
liche Hof durch Ausdehnung seiner Dispensationsrechte und anderer Befug-
nisse Alles an sich reiße; daß durch die Annaten, die Pfründenverleihung an
auswärtige Cardinäle, die Sportelerhebung und die mannichfache Besteue-
rung der Landeskirchen das Geld aus dem Lande gehe; die deutschen Prä-
laten waren ungehalten über die Eingriffe der römischen Curie in ihre
Rechte; die niedere Geistlichkeit sah mit Neid auf die Bettelmönche,
die, von dem römischen Stuhle mit hohen Vorrechten begabt, jene um allen
Einfluß bei dem Volke brachten. Die Frommen nahmen Aergerniß an
dem weltlichen Treiben der Prälaten und der Sittenlosigkeit so vieler Geist-
lichen; die Aufg eklärten waren empört über den beim Volke absichtlich
genährten Aberglauben, der sich in dem übertriebenen Bilder- und Reliquien-
dienst und in der Verehrung der Heiligen kund gab; die Gelehrten sahen
mit Verachtung auf die Unwissenheit, den Stumpfsinn und die Geiftestrag-
heit so vieler Mönche und Geistlichen herab, während sie zugleich den künst-
lichen Bau der Scholastik und Kirchenlehre erschütterten, theils mit den phi-
losophischen Waffen des klassischen Alterthums, theils durch Forschung in
der dem Volke gänzlich entzogenen heiligen Schrift und den
ersten Kirchenvätern (so Joh. Goch, Joh. Weffel, Joh. v. Wesel u. A.).
Die Reichsstädte sahen sich durch die Befreiung der Geistlichen von ihren
Gesetzen und Einrichtungen vielfach beeinträchtigt; ihre Zunftrechte wurden
häufig verletzt, das Asylrecht hemmte die Handhabung der städtischen Justiz
und Polizei, die Klöster und vielen Feiertage begünstigten Bettelei und
Vagabundenleben, dem der ehrsame Bürgerstand vor Allem gram war —
kein Wunder also, daß die Volks literatu r, die damals in den Städten
blühte, ihre Angriffe und ihren Spott gegen Mönche und Geistliche richtete
und hierin mit dem Streben der Humanisten zusammentraf (s. Anhang
§. 33 ff.). — Noch war in Sachsen und den Nachbarländern der Same der
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Extrahierte Ortsnamen: Englands Deutschland Constanz Basel Deutschland Goch Wesel Sachsen
34
Das Zeitalter der Reformation.
16. Juni suchte, und eilte damit nach Rom, wo er eine sehr gute Aufnahme fand.
1520. sem Betreiben wurde eine Bulle erlaffen, in der eine Reihe von Luthers
Sätzen als irrgläubig verdammt, seine Schriften zum Feuer verurtheilt und
er selbst mit dem Bann beladen wurde, wenn er nicht innerhalb 60 Tagen
widerriefe. Triumphirend kehrte Eck nach Deutschland zurück, wo er als päpst-
licher Bevollmächtigter mit großem Uebermuth die Bulle bekannt machte.
Aber nur in Köln, Mainz und Löwen kam man der gebotenen Verbrennung
der lutherischen Schriften nach, in Sachsen wurde die Bulle gar nicht zuge-
lassen, und in ganz Deutschland war man erzürnt über das Verdammungs-
urtheil, das der römische Hof, ohne den Angeklagten gehört zu haben, unter
dem Einflüsse seines größten Gegners erlassen. Bei dieser Stimmung mach-
ten Luthers zwei Schriften: an den christlichenadel deutscher Na-
tion und von der babylonischen Gefangenschaft und christ-
lichen Freiheit einen mächtigen Eindruck. In der ersten deckt er mit der
ganzen Kraft seiner kernhaften Sprache alle Bedrückungen und alle Schmach,
die Deutschland seit Jahrhunderten von Rom erfahren, schonungslos auf
und fordert zur Abstellung verjährter Mißbräuche und unbiblischer Lehrmei-
nungen und Einrichtungen auf*). In der zweiten Schrift erhebt er Zweifel
über die Wandlungslehre (Transsubstantiation), bestreitet die Siebenzahl-
der Sakramente, spricht dem Volke den Genuß des Kelchs beim Abendmahl
zu, und stellt die beseligende Allmacht des Glaubens über die äußere Werk-
heiligkeit der Kirche. — Ermuthigt durch die Begeisterung, mit der diese
Schriften ausgenommen wurden und durch den Ruf der Freiheit, der durch
die deutschen Gauen schallte und sich namentlich in den kecken Satiren eines
Hutten (tz. 434.) kund gab, wagte Luther nunmehr einen Schritt, der ihn
10i520c' durch eine unübersteigbare Kluft von der römischen Kirche trennte. Er zog
an der Spitze der ganzen Studentenschaft vor das Elsterthor von Witten-
berg und warf dort, zur Vergeltung der Verbrennung seiner Schriften, die
Bannbulle nebst dem k a n o n i sch e n R e ch t s b u ch e in die Flammen.
*) Darin wird dem Klerus die höhere Weihe abgesprochen; alle Christen seien Prie-
ster, die Priesterschast nur eine Amtsführung, folglich die Geistlichkeit der weltlichen Obrig-
keit unterworfen; das Papstthum solle in die gehörigen Schranken gewiesen, und seiner
weltlichen Macht entkleidet werden, Deutschland einen Primas erhalten, vor dessen Ge-
richt die Appellationen von den Bischöfen in höchster Instanz, aber nicht nach kanonischem
Recht, entschieden würden, die gezwungene Ehelosigkeit (Cölibat) der Geistlichkeit solle auf-
hören, der Jugendunterricht verbessert, die Zahl der Klöster beschränkt, der knechtische Eid
der Bischöfe abgestellt werden u. dgl.
c) Der Reichstag zu Worms (April f5*t).
§. 455. Als im Anfang des Jahres 1521 der junge Kaiser Karl V.,
nach seiner Krönung in Aachen, den Rhein heraufzog, ergingen von Hut-
ten, Sickin gen und andern Vorkämpfern nationaler Freiheit warme
Mahnungen an ihn, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen und die
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
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Extrahierte Personennamen: Luther Karl_V. Karl_V.
Extrahierte Ortsnamen: Rom Luthers Deutschland Mainz Sachsen Deutschland Luthers Deutschland Rom Deutschland Worms Aachen Rhein
88
Die Zeit der Gegenreformation.
k) Das Tridentiner Concil.
tz. 516. Zweimal war die dringend verlangte Kirchenversammlung bereits
eröffnet worden (1546—48; 1551—52), ohne zum Ziel zu kommen. Große
politische Ereigniffe brachten sie auf einige Zeit in Vergessenheit; aber nach Ab-
schluß des Augsburger Religionsfriedens und nach Beendigung der französisch-
1559. spanischen Kriege durch den Frieden von Chateau - Cambresis (tz. 520.)
wurde die Mahnung, das begonnene Werk zu vollenden, mit gcößerm Ungestüm
erneuert, so daß Pius Iv. das innere Widerstreben bezwang und am 8. Januar
1562. 1562 die Sitzungen eröffnen ließ. Damit begann die dritte Periode des
Tridentin er Concils. Die Geschäftsführung lag in den Händen des päpst-
lichen Legaten; die Beschlüsse wurden durch Stimmenmehrheit der anwesenden
Bischöfe und Ordensvorsteher gefaßt, wobei die Italiener, die die Mehrzahl bil-
deten, das päpstliche Interesse gegen die Opposition der spanischen und französi-
schen Bischöfe verfochten. Theils dadurch, theils durch Verhandlungen mit ein-
zelnen Höfen und Prälaten erhielt die römische Partei zuletzt einen vollständigen
»1563. Sieg. Nach der 25. Sitzung wurden die Verhandlungen plötzlich für geschlossen
erklärt, worauf Pius die gefaßten Beschlüsse bestätigte, aber deren Auslegung
allein dem römischen Stuhl vorbehielt. Diese Beschlüsse bilden die Grund-
lage der katholischen Kirche. Sie wurden in den meisten italienischen
Staaten, so wie in Portugal, Polen und vom Kaiser unbedingt angenommen,
in Neapel, Spanien und Belgien mit Vorbehalt der königlichen
Rechte, in Frankreich nur hinsichtlich des Glaubens. Auf den Gang des
Tridentiner Concils (in dem die Katholiken ihre Reformation erblick-
ten) übte die Bewegung, die dem Protestantismus seine Entstehung gab, eine
unverkennbare Rückwirkung. Zu den einflußreichsten Wortführern gehörte der
Jesuitengeneral Lainez und der französische Kardinal von Lothringen
(Guise).
In den Glaubensbestimmungen hielt sich das Tridentiner Concil an die im
Mittelalter ausgcbildetcn und bisher gültigen D o g m e n, nur daß cs dieselben einer Re-
vision unterwarf und sie in möglichst weite Formen und unbestimmte Aus-
drücke kleidete, damit ängstliche Gewissen nicht auf Bedenklichkeiten geführt würden. Da
allen Glaubenssätzen das Siegel der Unfehlbarkeit aufgedrückt wurde, so war die
einem jeden Dogma beigefügte Verdammung (Anathem) aller derer, die dasselbe ent-
weder läugneten oder unkirchlich auslegten, eine natürliche und nothwendige Folge, so sehr
auch dadurch die Spaltung zwischen den Confessionen vergrößert ward. Im Uebrigen stellte
die Synode eine gereinigte Sitten lehre her, wle es schon Papst Adrians Vi.
Absicht gewesen (§. 458.), begründete eine strengere Kirchenzucht, schärfte den Bi-
schöfen die Pflichten ihres Amtes, namentlich die Beaufsichtigung ihres Klerus
ein, führte manches Altkirchlichc zurück und schaffte viele Mißbräuche ab. Da das Triden-
tiner Concil als die Standarte der katholischen Kirche angesehen ward, so fanden fortan
keine weitern Synoden statt und die Repräsentativ-Verfassung der mittelalter-
lichen Kirche mußte einer absolut-monarchischen weichen. Auf diese Weise wurde
jedem Streben nach Reformen und Neuerungen vorgebeugt und der Charakter der Stä-
tigkeit (Stabilität) dem Katholicismus aufgedrückt, wogegen das Wesen des Pro-
testantismus Fortbildung und Bewegung ist. Die katholische Kirche hat den Vorzug
der Einheit und Unwandelbarkeit, sie besitzt einen kunst- und pocsiereichen Cultus und
nimmt eine unabhängige, selbständige Stellung dem Staate gegenüber ein — die prote-
stantische Kirche steht in diesen Punkten der Schwesterkirche nach; aber sie besitzt dafür das
hohe Gut der Freiheit; sie herrscht auf dem Gebiete der Wissenschaft, und die neuere Theo-
logie und Philosophie verdanken derselben ihre Ausbildung.
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Ortsnamen: Portugal Polen Neapel Spanien Belgien Frankreich Lainez Lothringen