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1. Bd. 2 - S. 122

1854 - Leipzig : Engelmann
122 Zustand der Cultur und Literatur. Tvcho de Brahe 1-1601. Kevler 1571— 1631. Galilei 156-1— 1642. Grundlage beruhe. In seiner Wohnung am Dom zu Frauenburg betrachtete er die Höhen der Planeten, des Mondes, der Sonne und der Fixsterne mit sehr unzulänglichen Instrumenten und kam durch genaue Beobachtung und Berech- nung der Erscheinungen und Bewegungen an der Himmelskugel zu der Ueberzeu- gung, daß die Sonne im Mittelpunkt des Planetensystems ruhe und sich nur um ihre Axe drehe, die Erde aber, gleich den übrigen Planeten, außer der Axendre- hung auch noch eine höchst regelmäßige Kreisbewegung um die Sonne habe und den Mond zum Trabanten. Aufs Gewaltigste durchbrach Copernicus die Welt des Scheins und war dabei so weit von Ruhmsucht und Ehrbegierde entfernt, daß er lange seine Ideen nur mündlich vortrug und sich erst kurz vor seinem Tode durch einen seiner Schüler bewegen ließ, seine Entdeckung schriftlich bekannt zu machen. Sein System setzte die Welt in Erstaunen und führte mehrere begabte Männer auf dieselbe Bahn. Unter diesen hat der dänische Edelmann Tycho de Brahe, den Kaiser Rudolf Ii. nach Prag berief, den größten Ruhm erlangt und die glänzendste Laufbahn gemacht, aber der arme Kepler, der ihm als Rechner und Gehülfe beigegeben ward, war ihm an Talent, Genialität und Wissen weit überlegen. Jener setzte der von Copernicus entdeckten wahren Welt- ordnung ein fabelhaftes, auf Schein und Aderglauben beruhendes System ent- gegen, und wurde der Begründer oder Erneuerer der astro logischen Träu- mereien, die aus der Stellung der Gestirne (Constellation) die Schicksale des Menschen errathen zu können vermeinten, eine Ansicht, der die größten Fürsten und Staatsmänner jener Zeit huldigten. Rur durch seine genauen, in den Ru- dolsinischen Tafeln niedergelegten Beobachtungen und Berechnungen der Erschei- nungen am Himmelsgebäude förderte er die astronomische Wissenschaft, die jedoch erst durch Kepler einen höhern Schwung und eine philosophische Grundlage erhielt. Unter drückenden Nahrungssorgen und mechanischen Rechnungsarbeiten für Lo- garithmen und Sonnentafeln erforschte Kepler die Gesetze des Planetenlaufs und suchte in Platons Geist seine astronomischen Entdeckungen und Demonstra- tionen mit den Gebilden einer schaffenden Phantasie zu verbinden. Dieß geschah besonders in seiner „W elrharmonie" und in „Keplers Traum," wo seine dichterische Seele und sein bildender Geist Ideen aufsteute, die, wenn sie auch nicht alle von Jrrthum und Schwärmerei frei waren, immerhin den größten und erhabensten Schöpfungen des menschlichen Geistes beigezahlt werden müssen. Kepler, „der lieber hungern wollte als abfallen von der augsburgischen Confession, wurde als ein ungesundes Schaaf von der Heerde des Herrn weggewiesen, weil er sich weigerte, die Verdammung der Calvinisten zu unterschreiben und die All- gegenwart des Leibes Christi bezweifelte. Seine Mutter starb, als Hexe ange- klagt, in Ketten." Keplers Zeitgenosse Ga lilei aus Pisa war einer der erfin- dungsreichsten Köpfe im Gebiete der Physik, Mathematik und Astronomie. Ec entdeckte die Gesetze der P en d elschw ingung en und des Falls, erfand oder verbesserte das Thermometer und war einer der ersten Begründer der wissen- schaftlichen Physik. Mit Hülfe des kurz zuvor in Holland erfundenen Fern- rohrs, das er zuerst gen Himmel richtete, entdeckte er die Trabanten des Jupiter und andere noch unbekannte Erscheinungen; da er aber in einer in Gesprächsform abgefaßten Schrift dem copernicanischen System den Vorzug vor dem ptolemäi- schen zuerkannte, gab er den von Neid erfüllten Anhängern des Alten, die ihn schon wegen seiner Bekämpfung der aristotelisch-scholastischen Philosophie anfein- deten, Gelegenheit zur Klage. Von der Inquisition zur Verantwortung gezogen, mußte Galilei knieend seine Ansicht von der Bewegung der Erde als irrig und schriftwidrig abschwören, wäbrend diese mit ihm und seinen Richtern im Fluge

2. Bd. 2 - S. 124

1854 - Leipzig : Engelmann
124 Zustand der (Suitur und Literatur informatorischen Sinn eine zerstörende Bahn ein. Sein tiefer, sinnvoller und mit seltenen Kenntnissen ausgerüsteter Geist gerieth auf phantastische und schwärme- rische Ideen, die in eine wilde, geschraubte, mit Naturbildern und alchymistischen Kunstausdrücken angefüllte Sprache gekleidet wurden. Erst als der Wittenberger Professor Cornarius den Text des Hippokrates hergestellt und überseht hatte, schritt man auf der Bahn der Alten zur wissenschaftlichen Medicin fort, zog die Anato- Anatomie herbei, zu der Karls V. Leibarzt Besalius durch sein Werk über Botanik, den Bau des menschlichen Köpers den Grund gelegt hatte und benutzte sthickic^^ Kenntnisse der Botanik, die der Begründer der Naturgeschichte, Conrad Geßner u. A. aus den alten Autoren geschöpft und durch eigene Minera- Beobachtungen erweitert hatten. Ein strebsamer deutscher Arzt, Georg Agri- logie. cola, der bei den Bergleuten von Joachimsthal verweilte, wurde der Begründer der wissenschaftlichen Mineralogie. Ge- Auch die Geschichte, bei der man sich, wie bei allen wissenschaftlichen ícíncí,te* Werken, der lateinischen Sprache bediente, erhielt nach dem Muster der Alten eine neue Gestalt. Die Reformationsgeschichte fand einen trefflichen Bearbeiter in dem Straßburgerrechtsgelehrten und Geschichtschreiber des schmal- Sleidan kaldischen Bundes, I o h. S leid an, und ein Jahrhundert nachher an dem ge- ^Thuan lehrten Staatsmann Seckendorf (ff 1692). Der Franzose Thuanus (de ios:! — Thou) schrieb nach Livius' Vorbild eine ausführliche, die zweite Halste des 16. Jahr- hunderts umfassende Historie seiner Zeit; die Freiheitskriege der Nieder- Hugo lande fanden etwas spater einen patriotischen Bearbeiter in Hugo Grotius 1583— (§.531.), der sich Tacitus' Styl und Form zum Muster nahm. In der Kirchen- 1645- geschichte zündeten die Magdeburger Centuri atoren zuerst die Leuchte der Kritik an, während der Italiener B a r o n ius (ff 1607) seine großen Kir chen- ^ annalen im päpstlichen Sinne abfaßte. — Einige Jahrzehnte spater schrieb leiqh^ der geistreiche, freisinnige und weitblickende Engländer Sir Walter Ra l e i g h ^i(U8 (§* 5^7.), unter Elisabeths glorreicher Regierung als Kriegsheld, als Beförderer der Ansiedelungen in Nordamerika und als Entdecker ferner Lander weit berühmt, wahrend einer 15jährigen Gefangenschaft, in die ihn eine mysteriöse Verschwö- rung gegen Jacob I. gebracht, die erste Weltgeschichte in der Landessprache. Später führte ihn eine fehlgeschlagene Entdeckungsreise in Guiana, wobei er eine spanische Stadt beschießen ließ, aufs Schaffot, indem man das früher über ihn gefällte Todesurtheil nachträglich an ihm vollziehen ließ. Ueber deutsche Dichtkunst s. Anhang. 4. Philosophie. §.552. a) Erneuerung alter Systeme. Kampf gegen die Scholastik war der Grundzug der Philosophie des 16. Jahrhunderts. Doch begnügte man sich anfangs mit Wiederholung und Weiterbildung der alten Sy- steme, bis Baco von Verulam der Schöpfer eines auf Erfahrung ge- gründeten Systems der empirischen Philosophie und Cartesius (Des- cartes) der Begründer der unabhängigen Speculation wurde. — Der trockenen Verftandesphilosophie der Scholastiker stellte man zuerst den idealen Platonismus und den Realismus der aristotelischen P e - ripatetiker entgegen. Bei dem jugendlichen Enthusiasmus für Wissenschaft und Wahrheit und bei dem herrschenden Glauben an Geheimlehren, wodurch der Zusammenhang der Natur und Welt mit dem Geisterreich erfaßt werden könnte, kam man bald zur orientalischen Philosophie, als der vermeintlichen

3. Bd. 2 - S. 204

1854 - Leipzig : Engelmann
204 Ausgang des siebenzehnten Jahrhunderts. um den Monarchen und in die Sale des Schlosies und unterwarf sich der stren- gen Etiquette des Hofes; Feste aller Art, Carousselparticn, Ballete, Feuerwerke, Opern und Theater, wozu die ersten Geister Frankreichs ihre Talente in Bewe- gung setzten, folgten in reizendem Wechsel auf einander; Dichter, Künstler und Gelehrte wetteiferten in Verherrlichung eines Fürsten, der alle Talente, die^zu seinem Ruhme oder zu seinen Vergnügungen beitrugen, mit freigebiger Hand be- lohnte. Stolze Bauwerke, wie das Inva l i d en h a us, kostbare Bibliothe- ken, herrliche Druckwerke, großartige Anstalten für Naturwissenschaften. Astro- nomie und Alterthumskunde, Akademien für Gelehrte (aeadewie des inscriptions et des belles lettres, die Akademien für Künste, Malerei, Bildhauerei, Musik, und für reale Wissenschaften) erhöhten den Glanz und Ruhm des großen Mon- archen. Ludwigs Aufmerksamkeit, Beifall oder Gunst war das allgemeine Ziel aller Bestrebungen; kein Wunder, daß der Egoismus bei ihm auf die Spitze ge- trieben ward und daß er alle Genüsse des Lebens, deren sein gesunder kräftiger Körper fähig war, im reichsten Maße einsog! Das Schloß und die mit Statuen, Fontänen, Baumalleen u. dergl. geschmückten Garten von Versailles galten als Muster des Geschmacks für ganz Europa. Die feine Geselligkeit, der gebildete Ton, die leichten Manieren des Adels und der Hofleute besiegten Europa weiter und dauernder als die Armeen. Französische Moden, Sprache und Literatur wurden von nun an eben so herrschend in den höhern Kreisen wie die französische Leichtfertigkeit und Unsittlichkeit. Zwar verlor Ludwig Xiv. bei seinen zahlreichen Liebschaften (La Valliere, Frau von Montespan u. A.) nie den Anstand aus dem Auge und die an seinem Hofe herrschende Galanterie bewahrte noch immer einen Anstrich von ritterlichem Wesen und romantischer Gesinnung; aber bald lockerten sich die Bande der Zucht und Ehrbarkeit, und Buhlerinnen, wie die reizende Kokette Ninon del'enclos bereiteten das sittenlose Zeitalter Ludwigs des Xv. vor. §. 617. Kirchenzustande. Ludwigs Xiv. Anhänglichkeit an die ka- tholischen Satzungen und seine äußerliche Kirchlichkeit hielten ihn nicht ab, dem Papste gegenüber eben so seine rücksichtslose Selbstherrschaft geltend zu machen, wie gegen die weltlichen Fürsten. Besonders führte die Erweiterung des königli- chen Rechts (Regale) auf die Einkünfte der Bisthümer wahrend ihrer Erledigung und des Asylrechts der französischen Gesandten in Rom eine Reihe heftiger Kampfe zwischen dem kirchlichen Oberhaupte und dem französischen Autokraten herbei. Aber die wichtigsten kirchlichen Vorfälle Frankreichs unter Ludwig Xiv. sind die Streitigkeiten der Iansenisten und Jesuiten und die Ver- folgung derhuguenotten. a) Iansenismus.. Seitdem die religiösen Dinge hinter der profanen Politik zurückgetreten, hatten bei dem Jesuitenorden die weltlichen Interessen die Oberhand gewonnen; die Macht und der Reichthum des Ordens standen als Hauptziel im Vordergrund. Die Folge war, daß die Jesuiten in ihren Lehren sich mehr der Richtung der Zeit anbequemten und namentlich in der Erklärung der Sünde eine sehr laxe Ansicht aufstellten. Nur wo vollkommene Einsicht des Vergehens und die bestimmte Absicht, es zu vollbringen, obwalte, sei eine Sünde vorhanden, äußeres Thun ohne innere Zustimmung und Freiwilligkeit sei kein Vergehen. Diese Easuistik führte zu einem Gewebe von Heuchelei zrnd So- phistik. Die Lehren von dem ge istigen Rü ckh alt und von der H eiligung des Mittels durch den Zweck wurden noch erweitert durch die Lehre von dein Probabilismus, nach der man in einem zweifelhaften oder zweideutigen Falle eben so gut die wahrscheinlich falsche als die wahrscheinlich wahre Bestim-

4. Bd. 2 - S. 221

1854 - Leipzig : Engelmann
Das Zeitalter Ludwigs Xiv. 221 England. Deutschland, von seinen Verbündeten verlassen, kam auch hier wieder am schlimmsten weg; es mußte nicht nur Straßburg und die elsässischen Reunionen gegen die Rückerstattung von Freiburg, Breisach und Philippsburg in den Händen der Franzosen lassen, sondern auch die ausgezwungene Klausel genehmigen, daß in allen protestantischen, von den Franzosen vorübergehend oder dauernd besessenen Ortschaften der katholisch e Cultus geduldet und das gegen Fürstenberg eingeleitete Gerichtsverfahren niedergeschla- gen werden solle. Dagegen wurden Lothringen und Zweibrücken ihren frühcrn Besitzern zurückgegeben. Frankreichs klassische Literatur. §. 627. D i e Akademie. Die romantische Poesie des Mittelalters, die in Frankreich frühe zu hoher Blüthe gediehen, wurde im 16. Jahrhundert durch die klassische Literatur des Alterthums und ihrer Nachahmer gänzlich verdrängt. Der witzige, von König Franz I. begünstigte Rabelais verspottete in seinem Rabelais satirischen Roman Gargantua und Pantagruel die romantische Poesie und ‘ ihre Helden. Seine auf einer alten Volkssage beruhende Geschichte von dem Riesen Gargantua und seinem Sohne Pantagruel ist eine von natürlichen Derbheiten, Unschicklichkeiten, cynischen Ausdrücken und Obscönitaten angefüllte poetische Ca rica tur, die aber durch achten Volkswitz, durch komische und satirische Anspielungen, durch lebendige, anschauliche Schilderungen und durch volksthümlichen Spott, Scherz und Humor höchst anziehend und unterhaltend ist. „In dem Abbild von Zuchtlosigkeit, voll abstoßender Nacktheiten, das er aufrollt, verbirgt sich ein tiefer Ernst." Er zieht das ganze öffentliche Leben in Kirche und Staat in das Bereich seiner Satire; er rügt die Irrungen aller Stande, die Mißbrauche der Justiz, die Erpreffungen der Beamten, die Sittenlosigkeit des Elerus, alle offenen und geheimen Beschwerden des Volks. Rabelais'zeitgenosse, Clement der leichtfertige Clement Maro t, der Uebersetzer der davidischen Psalmen, ^554. und der geschmacklose von pedantischer Gelehrsamkeit strotzende Pet. Ronsard Ronsard ahmten die römischen Dichter, besonders Horaz und Ovid so sclavisch nach, ^ daß sie sogar viele lateinische Worte und Wendungen in ihre französischen Ge- dichte einmengten, und Jod elle machte den ersten Versuch, das antike Drama (mit dem Chor) in Frankreich einzusühren. Selbst Malherbe, mit dem diemalhcrke Franzosen ihre klassische Literatur beginnen, ist in seinen glatten aber gedanken- ^ lc28‘ armen und phantasielosen Gedichten nur Nachahmer der Alten, und auch der Huguenottendichter Dü Bartas, dessen „Woche der Schöpfung" von Milton benutzt wurde, lehnten sich an das Alterthum an. Dieses enge Anschließen an die antiken Formen und Dichtungsarten verblieb der französischen Literatur auch dann noch, als durch Richelieu's Akademie (§. 609.) für Sprache und Ge- schmack ein höchster Gerichtshof gegründet worden. Dieses unter königlichem Schutz stehende Institut benabm übrigens der französischen Literatur die freie Entwicklung und drückte ihr den Charakter der höfischen auf. Nur was die Grammatik und das Wörterbuch der Akademie als sprachrichtig bezeich- nete, fand allgemeine Geltung und ihre Poetik und Rhetorik bestimmten die Formen und Regeln wie man dichten und schreiben müsse. Hatte das erstere we- nigstens den Vorzug, daß die französischen Schriftsteller Sprache und Styl beachten und ausbilden mußten (ein Vorzug, der ihnen bis auf den heutigen Tag vor den deutschen geblieben ist), so schlug dagegen das letztere jede Naturanlage, jede geniale Eigenthümlichkeit in die Schranken der Convenienz und der Regel. Nichts desto weniger verschaffte jene Eleganz der Form, jene Leichtigkeit und

5. Bd. 2 - S. 226

1854 - Leipzig : Engelmann
Bayle 1647 — 1706. Bossuet f1740, 226 Ausgang des siebenzehnten Jahrhunderts. Fenelon, ein edler Mann von mildem Charakter und christlicher Gesinnung und Tugend, war Erzieher der königlichen Enkel und schrieb dieses an Homers Odyssee sich anschließende Werk in der Absicht, dem Erben des Thrones diepflich- ren eines Regenten anschaulich zu machen. Da die dort ausgestellten Grundsätze durch den grellen Contrast mit der Regierung Ludwigs Xiv. als eine Satire auf die letztere gelten konnten und man hie und da Anspie- lungen zu finden glaubte, so verbot der von dem neidischen Bossuet gegen Fenelon auf- gebrachte König nicht nur den bereits begonnenen Druck, sondern belegte auch den Bischof, mit dessen mystisch-religiösen Ansichten er überdies unzufrieden war, mit seiner Ungnade. Erst nach Ludwigs Tod wurde das Ganze vollständig gedruckt und zugleich die merkwür- dige Abhandlung („Anweisungen für das Gewissen eines Königs") betgefügt, in der Fe- nelon aus den Lehren des Christenthums die Grundsätze einer von Rächen aus dem Volke umgebenen constitutionellen Monarchie ableitete und die Verwaltung des Reichs nach festen Gesetzen zur Gewisscnssachc derregenten machte. §. 630. Prosa-Literatur der Franzosen. Einen neuen Zweig der Prosaliteratur bildeten die von nun an immer häufiger entstehenden Journale, sowohl politische als literarische. Unter den letztern wa- ren am bedeutendsten das im Sinne der katholischen Kirche und des Pariser Hofes redigirte Journal des Savans (seit 1665), die von Le cler c (Clericus) und Bayle indenniederlandengeleitetenixouvellesde la ré[uiblique des let- tres im protestantisch - freisinnigen Interesse und das Jesuiten-Journal de Trevoux. — Von der polemischen Literatur, zu welcher der Streit der I an- senisten (Pascal u. A.) mit denjesuiten Veranlassung gegeben, ist schon oben (§. 617.) die Rede gewesen. Bayle, ein während der Huguenottenversolgungen aus Frankreich in die Niederlande geflüchteter Gelehrter, war einer der scharfsinnigsten Kritiker und hellsten Köpfe der Zeit. Sein Grundsatz, daß die menschliche Vernunft nur ver- mögend sei, Jrrthümer zu entdecken, keineswegs aber die Wahrheit zu erkennen, hat seinen Untersuchungen einen auflösenden und vernichtenden Charakter aufge- drückt. Er bekämpfte mit Freimuth und überzeugender Gründlichkeit und Klar- heit alle Jrrthümer und Vorurtheile in Kirche, Staat, Wissenschaft und Leben und unterwarf alles Vorhandene in Sitten, Meinungen, Staatseinrichtungen und Religion seinem prüfenden Verstand. Seine Schriften waren um so wirk- samer, als er Meister des Styls war und selbst den gelehrtesten Abhandlungen durch witzige und unterhaltende Darstellung und Anekdoten ein Interesse zu geben wußte. Sein Hauptwerk ist sein historisches und kritisches Wörterbuch, worin er an eine Anzahl Namen aus der politischen, kirchlichen und literarischen Geschichte seine ge- lehrten Forschungen und skeptische Betrachtungen anreiht, ein Buch, das, bei aller Ruhe und Gewissenhaftigkeit der Forschung, zum Zweifel und Unglauben anregt und daher von jeher heftige Tadler unter allen Parteien gefunden hat. Auf entgegengesetztem Standpunkte steht der als Kanzelredner, Huguenotten- bekehrer und Eiferer für katholische Rechtgläubigkeit bekannte Bossuet, Bi- schof von Meaux, ein kluger, ehrgeiziger Prälat, der bei seinem kirchlichen und literarischen Wirken vor Allem nach der Gunst des Hofes strebte. Außer seinen geistlichen Reden und polemischen Schriften wider die Protestanten (die Geschichte der religiösen Veränderungen [varialions] in der protestan-

6. Bd. 2 - S. 227

1854 - Leipzig : Engelmann
227 Das Zeitalter Ludwigs Xiv. tischen Kirche) ist sein mit Kraft und Beredsamkeit geschriebenes Werk über Weltge- geschichte (discours sur l’histoire universelle), die er zuerst als ein Ganzes und mit christlicher teleologischer Beziehung auffaßte, um die Wege zu zeigen, auf welchen die gött- liche Vorsehung die Menschen geleitet, am bekanntesten. Seine der heiligen Schrift ent- nommene P olitik gestattet dem Fürsten unumschränkte Gewalt, den Unterthanen als Mittel gegen Willkür und Tyrannei — demüthige Vorstellungen und Gebete. Bos- suet trug, wie auch seine gefeierten Mitbewerber um die Palme der Kanzelberedsamkeit, Fle ch ier, B ou rdal o u e u. A., kein Bedenken , die Ausrottung der calvinischen Ketzerei als eine der prciswürdigsten Thatcn des großen Königs zu rühmen. Was die Gesch i ch tsch r e i b un g angeht, so muß man die gelehrten, eine Zusammenstellung aller Materialien bezweckenden Arbeiten von den zur Unterhal- tung und Belehrung geschriebenen Geschichtswerken unterscheiden. Von jener Art sind Tillem onts Schriften über die römische Kaisergeschichte und die e r st e n I a h r h u n d e r t e der christlichen Kirche, die G i b b o n bei seiner Geschichte des Untergangs des römischen Reichs (§, 670.) fleißig benützt hat; P agi's kri- tische Forschungen der kirchlichen Annalen des Baronius, ein gründliches und mit Geist abgefaßtes Werk oom freisinnigen Standpunkte der gallikanisch-katholischen Kirche; Beaufort's kritische Schrift „über die Ungewißheit der 5 ersten Jahrhunderte der römischen Geschichte", worin mit gelehrter und kritischer Prüfung der Schriftsteller nachgewiesen wird, „daß die traditionelle Geschichte des ältesten Roms nirgends eine ur- kundliche Gewähr für sich habe"; Rollin's fleißige aber kritiklose „römische Ge- schichte"; und Du Cange's Wörterbücher (Glossarien) über die Latinität und Gräcität des Mittelalters, wodurch das Verständniß des Feudalrechts und der Zustände des Mittelalters sehr gefördert ward. — Auch die Werke des Alterthums wurden durch Ausgaben, Commentare und Uebersetzungen (Homer der Frau Dacier) zugänglicher ge- macht; doch sind die Ausgaben derklassiker zum Gebrauch des Dauphin (in usum Del- phini) mehr durch ihre typographische Ausstattung als durch ihren innern Werth ausge- zeichnet. Unter den zur Belehrung geschriebenen Geschichtswerken steht die Ge- schichte Frankreichs von M ez er a y oben an. Dieser zwar keineswegs ele- gante aber sehr gründliche Schriftsteller faßte das National-Leben in seiner Tiefe und Totalität auf und stellte das Abgabensystem und die damit verbundene Ty- rannei in ein so grelles Licht, daß er darüber seine Stelle und den Gehalt eines könligichen Historiographen verlor. Neben dieser ernsten, gehaltvollen Geschichte nimmt die auf Unterhaltung berechnete Mittelgattung zwischen Geschichte und Roman eine untergeordnete Stelle ein. Dahin gehören besonders die Werke von Ver tot (Geschichte des Malteserordens u. A.) und St. Real (Verschwö- rung von Venedig u. A.) und die zunehmende Zahl der Denkwürdigkeiten, Su Real unter denen die von S ul ly und noch mehr die des Cardinal von Retz (§. 610.) 1 Ilj~' eine Auszeichnung verdienen. Die letztern sind als treues Abbild der bewegten Zeit der Fronde eben sowohl teurch ihren Inhalt als durch den für die Kenntniß der Conversationssprachc dervornehmen Kreise wichtigen Styl merkwürdig. — Bewundert und viel gelesen sowohl wegen der eleganten Form als der Lebendigkeit der Schilderungen waren die Charakterzeichn ungen Labruyere's, eines feinen Hofmanns und Lebensphilosophen, dem die Lächerlichkeit als"^fg^" der größte Fehler erscheint, weil sie die Klippe ist, woran der Mensch in der Gesellschaft scheitert, und die durch glänzenden Styl ausgezeichneten „Grundsätze und Betrach- tu n gen" (máximes et réflexions) von Laro ch esou cauld, dessen Haus densammel- stucauld j 5 * + 1080.

7. Bd. 2 - S. 237

1854 - Leipzig : Engelmann
Das Zeitalter Ludwigs Xiv. 237 wohner und verjagten ihre bisherigen Gebieter. Nach einem langen wechselvollen i73o. Kampfe, wahrend dessen es dem deutschen Abenteurer B a r o n T h e o d o r von 1736. Neu Hof gelang, sich auf einige Zeit zum König von Corsika aufzuschwin- gen, riefen endlich die Genuesin die Franzosen zu Hülse. Aber die Corsikaner vertheidigten sich lange mit großer Tapferkeit, besonders seitdem Paoli an ihrer 1755. Spitze stand, so daß die Franzosen nur mit der größten Mühe und Anstrengung sich der Insel endlich bemächtigten, worauf Genua dieselbe vertragsweise an Frankreich abtrat. Paoli und seine Genossen fanden Schutz in England. Wah- 1768. rend des östreichischen Erbfolgekriegs (§. 660.) wurde Genua von kaiserlichen 1743. Truppen eingenommen und sollte gezwungen werden, die Landschaft Finale an Sardinien abzutreten. Allein die Genuesen erregten einen Aufstand und schlugen die Oestreicher mit großer Tapferkeit zu ihren Mauern hinaus; und alle Anstren- gungen der Feinde, die Stadt wieder zu erobern, waren vergeblich. Im Aache- ner Frieden (§. 661.) erhielt die Republik ihr ganzes früheres Gebiet zurück. — Mailand nebst Mantua blieben seit dem Frieden von Utrecht 1748- (§. 636.) im Besitze Oestreichs. li) Mittel-Italien. Die alte Republik Florenz wurde zuerst in ein Heczogthum (§. 383.) und um 1569 in ein Großherzogthum Toskana verwandelt und noch zwei Jahrhunderte von der M e d i cei sch en Familie nicht ohne Ruhm verwaltet. Cosmo, ein kluger, unternehmender, aber treuloser Fürst, erweiterte das Gebiet durch Erwerbung von Siena und andern Territo- rien, und begründete die Unabhängigkeit des Herzogthums durch die schlaue Ent- fernung der spanischen Besatzungen aus den bedeutendsten Städten seines Landes. Hierauf überwand er die Fl0rentinisch en Emigranten, die, unter der Leitung des entschlossenen St r 0 zzi und unterstützt von dem Papste und meh- iss4. reren italienischen Fürsten, feindliche Angriffe auf Toskana machten, um den Flo- rentinischen Freistaat wieder herzustellen, und richtete dann seine ganze Thatigkeit auf Vernichtung der republikanischen Formen und der ständischen Freiheiten und auf Begründung einer unumschränkten einherrlichen Gewalt. Dies geschah nicht ohne große Strenge, List und Grausamkeit, „denn der Herzog war argwöhnisch und die Florentiner sprachen gern von alten Zeiten. Wider Friedensstörer und Rebellen wurde ein eigenes Jnquisitionsgericht angeordnet, zum Ermorden der Rebellen durch Belohnungen ausgefördert. Bei Consiscation aller Güter und bei Lebensstrafe sollte Niemand ein Gewehr tragen. Kaum verhinderte noch To- re lli, daß nicht, der vermeinten religiösen und politischen Ruhe zu Ehren, aller Buchhandel zu Grunde gerichtet wurde." Von diesem Cosmo sagten die Ausgewan- derten,,, in ihrem schönen Tyrrhenerlande, wo sonst Gerechtigkeit und Ehre so viel gegolten, erscheine jetzt der als der Beste, der sich am meisten mitblut befleckt und die meisten Wittwen und Waisen gemacht habe." Als Cosmo durch solche Mit- tel seine Herrschaft befestigt, war er bemüht, den Wohlstand des Volks durch Beförderung des H andels und der Fabriken zu heben; auch die schönen Künste fanden in ihm einen freigebigen Gönner. Mit Kaiser Augustus, dem man den ersten Großherzog Cosmo mit Recht verglichen, hatte er auch in Familien- unfallen eine traurige Aehnlichkeit; doch haben sich die Verbrechen, wodurch seine Kinder fast sammtlich den Tod gefunden haben sollen, durch neuere Forschung als Erdichtungen herausgestellt. Man erzählte einst: „Ein Herzog v. Ferrara vergif- tete Lucrezia, Tochter des Großherzogs, seine Gemahlin; ein Fürst Orsini fand Gründe, Isabella ihre Schwester zu erwürgen; der Cardinal Johann von Medici ' wurde über einer Iagdstreitigkeit von Garcia, seinem Bruder, ermordert; diesen tödtete Cosimo, ihr beider Vater, eigenhändig;" (beide Brüder wurden das Opfer

8. Bd. 2 - S. 238

1854 - Leipzig : Engelmann
238 Erste Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. der Malaria), „Schmerz brachte die unglückliche Mutter zu Grabe; der Groß- herzog ließ auch seine älteste Tochter wegen unanständiger Liebschaft vergiften." Gebeugt von den vielen häuslichen Leiden übertrug Cosmo noch vor seinem Ende die is7s"sü° Regierung seinem Sohne Francesco, einem Fürsten, „der mit den sinnlichen 'Richtungen eines Spaniers die geistigen Liebhabereien eines Florentiners am grie- chischen Alterthum und an den schönen Künsten verband." Wie sein Vater be- günstigte auch Francesco Handel und Fabriken, wobei er sich selbst betheiligte und hohen Gewinn nahm; aber sein Liebesverhaltniß zu der schönen Venenanerin Bianca Capello, die mit ihrem Geliebten Bonavcnturi entflohen und in Florenz Schutz gesucht hatte gegen die Verfolgungen ihrer Familie, verursachte ihm viel häusliches Leid. Nach der Ermordung Bonaventuri's. und nach dem Tode der Großherzogin gelang es der rankevollen Bianca, Francesco's rechtmäßige Gemahlin zu werben. Ihr gleichzeitiger Tod wurde einer vergifteten Speise zu- nand \. geschrieben, welche Bianca für ihren Schwager, den Cardinal Ferdinand be- 1 fßoö hatte, die aber durch sonderbare Fügung ihr und ihrem Gemahl verderb- lich wurde. Ferdinand I. besaß den Herrschersinn und die Klugheit wie die Kunst- liebe und Sinnlichkeit der frühem Mediceer. Seine großartigen und ausgedehnten Handelsunternehmungen erwarben ihm unermeßliche Schatze und setzten ihn in den Stand, manche nützliche Einrichtung zu treffen. Livorno blühte auf. Mit großer Klugheit wußte er sich zwischen den Spaniern und Franzosen, die ihn wech- selsweise bedrohten und anlockten, durchzuwinden, so daß er das Großherzogthum 1609^21 ""abhängig und vergrößert seinem Nachfolger übergeben konnte. Unter Cosmo Ii. ~ ' behauptete Toskana noch seinen Reichthum und seine Blüthe, wenn schon der ausgedehnte Handel nach Osten und Westen sich zu mindern begann. In Kün- sten und Wissenschaften nahm Florenz, eine der schönsten und reichsten Städte des Erdbodens, immer noch einen hohen Rang ein; aber sinnliche Genüffe '1621 -28. hatten die Kraft der Bürgerschaft gebrochen und allen Freiheitssinn erstickt. nandu. Die nachfolgende vormundschaftliche Regierung und dann die lange Herr- 1628-70.^^ Ferdinands Ii. war ein Wendepunkt zum Schlimmen in der Flo- rentinischen Geschichte. Der gesammelte Schatz ging größtentheils verloren, als sich der Großherzog ganz an Habsburg anschloß und die leeren Hände der Spa- nier und Oestreicher mit den ersparten und erworbenen Summen seiner Vor- gänger füllte. Die Geistlichkeit gelangte zu großer Macht und zu politischem Einfluß; und die verkehrten Maßregeln der Regierung verbunden mit Pest und Mißwachs schlugen dem Lande tiefe Wunden, die selbst der äußere Glanz nicht zu verhüllen vermochte. Toskana ging von der Zeit an demselben Verfall ent- Cosmo gegen, in den schon die meisten übrigen Staaten des reizenden Italiens gerathen n;7o'_ waren. Banditenschaaren trieben überall ungestört ihr Raubwesen und spot- 1723. teten aller Gesetze und Obrigkeit. — Cosmo Iii., von Mönchen und Geist- lichen erzogen, hielt die Verherrlichung der Kirche, die Bekehrung der Ketzer und die Bereicherung des Klerus für seine erste und höchste Regentenpflicht. Seine lange Regierung wurde das Grab des Florentinischen Wohlstandes. „Man erhub das Geld, das auf unnütze Pracht und Stiftung neuer Klöster und Pensionirung von Proselyten verwandt wurde, durch unerträgliche Ab- gaben von den Unterthanen, und je weniger bei der abnehmenden Wohlhaben- heit des Landes die alten Steuern abwarsen, desto härter trieb man ihre letzten Reste ein und desto gieriger erfand man neue. Der Staat seufzte unter einer drückenden Last von Schulden und aller Wohlstand war vertrocknet." Noch kläg- licher sah es in der Herrscherfamilie selbst aus. Die Großherzogin ließ sich nach einer 13jährigen Ehe scheiden und führte in Paris ein Leben in niedrigster Sin-

9. Bd. 2 - S. 291

1854 - Leipzig : Engelmann
Die Literatur der Aufklärung. 291 begründen. Seine Worte sind der Ausdruck eines tiefen innern Gefühls und dringen zum Herzen, weil sie von Herzen kommen ; daher war auch die Wirkung feiner Werke besonders bei den Frauen unbeschreiblich. Ihrem Einfluß ist es zuzuschreiben, daß es in Frankreich wieder Mütter gab, daß wieder Liebe und Häuslichkeit in die Familien einkehrte und daß in den Mittlern Ständen Natur, Einfachheit und Sittlichkeit der Verschrobenheit, Unsitt- lichkeit und Uebersättigung der höhern Klassen entgegentrat. Dadurch sühnte Rousseau die Sünde, die er gegen seine eigenen Kinder, welche er ins Findelhaus bringen ließ, begangen. Selbst in der Musik, über die er geistreiche Ideen aufgestellt, ging er auf Natur und Einfachheit zurück. Daß Rousseau vor dem Kirchenthum und dessen Satzungen wenig Ehr- furcht hatte, geht schon daraus hervor, daß er feinen Glauben zweimal wechselte. Doch trieb er damit nicht wie Voltaire einen leichtfertigen Spott, sondern er lehrte eine Religion des Herzens und Gefühls. Er suchte vom Christenthum das Unwesentliche abzustrcifen, um den Kern zu retten und ging auch hier wie überall zur Einfachheit, Natur und Ver- nunft zurück. Aber so sehr auch das Glaubensbekenntnis) eines savoyischen Vicars im Emil Rousseau's Achtung vor Religion beurkundete, so zog ihm doch die freie Haltung der herrschenden Kirche gegenüber die Verfolgungen der rechtgläubigen Katholiken und Protestanten zu. Das Buch wurde durch richterlichen Spruch von Henkers Hand verbrannt und er selbst zur Flucht aus Frankreich gezwungen. Der Holbachische Club und die Eneyclopädisten. Eine Anzahl talentvoller Schriftsteller, die sich häufig bei dem deutschen Baron Holbach in Paris versammelten, gingen im zerstörenden Eifer am weitesten. Mehrere Werke, wie z. B. das Natursystem, als dessen Verfasser Holbach selbst galt, und das Buch des Generalpächters Helvetius „vom Geist" suchten die Ewigkeit der Materie zu beweisen (Materialisten) und Ei- genliebe und Selbstsucht als die einzigen Triebfedern menschlicher Thätigkeit darzustellen. Solche Lehren, die alles Höhere zu zerstören drohten, die Tugend und Moral für Thorheit erklärten, die Gemüth und Phantasie tödteten und Befriedigung der Sinnlichkeit als Weis- heit priesen, erregten den Unwillen aller Gutgesinnten. Dennoch bewunderte die höhere Gesellschaft, nicht blos in Frankreich, sondern in ganz Europa, den Verstand und leicht- fertigen Witz dieser Schriftsteller, las ihre Werke mit Entzücken und nahm ihre Grundsätze an. Eine ähnliche zerstörende Richtung hatten die sogenannten Encyclopädisten, d. h. die Verfasser des von dem geistreichen, leichtfertigen Diderot und dem Mathematiker und Philosophen d'alembert geleiteten ency.clopädischen Wörterbuchs, eines Werks, das als Uebersicht alles menschlichen Wissens klar, großartig und frei, aber jedem höhern Streben feindlich war. 3. Wirkungen. §. 672. Der Einfluß dieser Männer auf die Denkart von ganz Europa war um so größer, als damals Paris in allen Dingen den Ton angab, als die franzö- sische Sprache und Literatur in den höhern Kreisen allein gesprochen und gelesen ward und diese Schriften durch ihre gefällige Form und geistreiche Darstellung allgemeines Interesse erregten. Regenten, wie Friedrich Ii., Gustav Iii. von Schweden, Karl Iii. von Spanien, Katharina Ii. von Rußland, Staatsmänner, wie Pomdal, Choiseul, Aranda u. A., die einflußreichsten Personen aller Stande und Nationen standen mit den meisten dieser Schriftsteller in persönlichem oder brieflichem Verkehr und bewunderten ihre Werke. Die nächste Folge war, daß in den meisten Staaten Religionsduldung eingeführt wurde, daß man Aberglauben und Vorurtheile zu vertilgen suchte und daß mehrere Fürsten und Minister kühne Reformen mit dem Bestehenden Vornahmen; eine zweite Folge aber war, daß das französische Volk die Ehrfurcht vor dem Heiligen und die Achtung vor dem Her- 19*

10. Bd. 2 - S. 477

1854 - Leipzig : Engelmann
Neuere und neueste Literatur des Auslandes. 477 jenes christlichen Freistaats an der albanesischen Küste mit tiefer Empfindung geschildert ist, zu den herrlichsten Erzeugnissen des neuern Italiens. Fern von diesen gefahrvollen politischen Bestrebungen, wenn auch nicht ohne Freiheitssinn und Vaterlandsliebe, wandelte der größte italienische Dichter der Gegenwart, Alessandro Manzoni von Mailand, seine literarische Bahn. Jn^Ua seinen „geistlichen Liedern" (Inni sacri) zeigt er sich als gläubigen Katholiken und christlichen Sänger im Geiste der Neuromantiker; in seinen Tragödien („der Graf von Carmagnola" und „Adelgis") entzückt er durch die klassische Würde und durch die Wahrheit des Gefühls sowie durch den lyrischen Schwung des von ihm mit Glück wieder eingeführten Chors; seine Trauerode auf Napoleons Tod („der fünfte Mai") fand so ungetheilte Anerkennung, daß selbst Göthe sie ins Deutsche übersetzte; aber am bekanntesten und verbreitetsten ist sein der historischen Ro- mandichtung Walter Scott's nachgebildeter Roman „die Verlobten" (i pro- messi sposi), eine lebendige, wenn gleich etwas breite und gelehrte Schilderung der kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Zustande des obern Italiens unter der spanischen Herrschaft. Dieses Werk rief eine Fluth von Nachahmungen her- vor, so daß der historische Roman in der neuesten Literatur Italiens die erste Stelle einnimmt. Rosini's „Nonne von Monza" kann als eine Fortsetzung der „Verlobten" angesehen werden. Erst Guerrazzi von Livorno nahm in seiner „Belagerung von Florenz" die neueste Zeit und die Bestrebungen und Kampfe des „jungen Italiens" zur Unterlage. Die Geschichtschreibung fand im 18. und 19. Jahrhundert trotz dergeschicht- Ungunst der Verhältnisse in Italien einige würdige Vertreter, so gefahrvoll auch Ung~ die Bahn eines wahrheitliebenden und vaterländischen Historikers war. Lodov. Ant. Muratori legte durch seine fleißige und gewissenhafte Sammlung der^^H" mittelalterlichen Chronisten und Geschichtschreiber den Grund zu einer umfassen- i750, den Gesammtgeschichte Italiens und trat dann in seinen „Annalen von Italien" in Guicciardini's Fußstapsen (§. 553). Sein Zeitgenosse, der gelehrte Neapoli- @j¡mnon{ tañer Giann one zog sich durch seine „Geschichte des Königreichs Neapel", 1676 — worin er mit Freimuth das lichtscheue Treiben der Priesterschaft und den von Rom 174s- ausgehenden Geistesdruck in lebendigen Zügen darstellte, so sehr den Haß und die Verfolgung der Hierarchie zu, daß er- sich nur durch die Flucht nach dem Aus- lande retten konnte, und als er nach langen Jahren den vaterländischen Boden wieder zu betreten wagte, siel er in die Hände der wachsamen Inquisition, dietirabos- ihn in Turin im Kerker sterben ließ. Girolamo Tirados chi von Bergamo 173^j_94 stellte in seiner gründlichen „Geschichte der italienischen Literatur" das geistige Leben seiner Landsleute von den Anfängen wissenschaftlicher Bildung bis zum Jahr 1700 mit umfassender Gelehrsamkeit und Wahrheit dar. Die Zeit der Re- volution und der Napoleonischen Herrschaft in Italien fand einen kenntnißreichen und sreimüthigen Bearbeiter in dem Piemontesen Carlo Botta (storia d'italia 1766 — dal 1789 —1814), einem Manne, der durch seine Stellung als Staatsmann in 183/- Piemont und als Mitglied des gesetzgebenden Körpers in Paris einen tiefem Blick in die Geschicke der Staaten und in den Gang der öffentlichen Dinge thun konnte und der daher auch vorzugsweise befähigt war, als Fortsetzer Guicciardini's auf- zutreten und die Geschichte Italiens vom Ende des 15. Jahrhunderts bis aus seine Zeit darzustellen. Botta's Zeit- und Gesinnungsgenosse war der Neapolita- Colletta ner P. Co l letta, ein in die Geschicke seines Vaterlandes unter der französischen Herrschaft wie unter Ferdinand tief verflochtener Mann von großen Kenntnissen im Kriegs- und Artilleriewesen. Nach einem thatenreichen Leben wurde ec in Folge der Revolution von 1820, trotz seiner wackern Haltung als königlicher
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