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1. Bd. 1 - S. 9

1854 - Leipzig : Engelmann
Einleitung. 9 mué), geriethen die Aethiopen in Afrika und Aegypten, und die mongo- lischen Stämme Hochasiens auf einen häßlichen Thierdienst, indem sie Götter in Thiergestalt verehrten, oder sie erwiesen leblosen Dingen göttliche Ehre (Fetischismus). Dieselbe Verschiedenheit zeigt sich auch im C u l tu s und in den Opfern. Die Griechen und Römer veranstalteten ihren Göttern fröhliche Feste, an denen sie die geopferten Thiere und dargebrachten Früchte im Freundeskreise verzehrten, indeß minder cultivirte Völker auf ihren Altä- ren Menschen schlachteten, um durch Blut den Groll der feindseligen Mächte (als welche sie sich ihre Gottheiten dachten) zu versöhnen, und die phönizi- schen und syrischen Stämme sogar ihre eigenen Kinder als Sühnopfer bei Unglücksfällen in die Arme eines glühenden Götzenbildes, Moloch, legten. §. 8. Religionsw esen d er Griechen und Röm er. Am heitersten gestaltete sich der Polytheismus bei den Griechen, deren Göttersagen (My- then, daher Mythologie) die Römer spater größtentheils annahmen und mit ihrem einheimischen Religionswesen verbanden oder verschmolzen. Nach der reli- giösen Anschauungsweise der Griechen, die in ihrer Mythologie eine Periode der weltschöpferischen Naturkräfte (theogonisches System) und der weltreg i eren den Machte (olympische Götter) unterscheiden, war im Anfang das Weltall eine rohe, formlose Masse, Chaos, aus dem sich die „breit- brüstige" Erde (Gaa, Ge), die Unterwelt (Tartaros), der Himmel (Uranos) und das schöpferische Urwesen, die Liebe (Eros) als selbständige Götterwesen ausschieden. Die Erde erzeugte dann Wesen von übermenschlicher Größe und Kraft, die Titanen, die zuerst die Herrschaft führten, bis ein gei- stigeres Geschlecht, das sich um den Himmelskönig Zeus (Jupiter) gruppirte, sie ihnen abnahm, die himmelstürmenden Titanen und Giganten bezwang und sie in den Abgrund der Erde begrub. Nachdem so die wilden Naturkräfte und die Gewalt der Elemente gebändigt waren, thronte Zeus auf dem „vielge- zackten" Olympos, während Pluton das finstere Reich der Unterwelt (Ha- * des, Tartaros, Orcus) beherrschte und Poseidon mit seinem Dreizack den Wogen des Meeres gebot. Daneben sind Wälder und Berge, Felder und Wiesen, Flüsse und Seen mit einer Unzahl göttlicher Wesen (Nymphen, Nereiden, Tritonen, die durch zauberischen Gesang ins Verderben lockenden Sirenen u. A.) belebt, die oft in die menschlichen Schicksale eingreisen; und ein Heroen- geschlecht, das von Zeus seinen Ursprung herleitet, steht als verbindende Kette zwischen den Göttern und Menschen da, so wie wieder die Kluft zwischen dem sinnlichen Menschen und dem Thierreiche durch das niedere Göttergeschlecht der Satyrn und Faune, die menschliche und thierische Eigenschaften vereinigt be- sitzen, vermittelt ist. Die Beziehungen des Menschen zu dieser mit Freiheit und Schönheit begabten und in den vollendetsten Werken griechischer Kunst und Poesie dargestellten Götterwelt sind sehr mannichfaltig. Von der Geburt an steht dem Menschen durchs ganze Leben ein Dämon (Genius) zur Seite und wirkt auf seine Entschließungen und Handlungen ein, ohne jedoch die Freiheit seines Wil- lens zu beschränken. Der häusliche Heerd ist der Sitz heiliger Haus- und Fa- miliengötter (Laren, Penaten), welche die menschliche Wohnung vor Unheil bewahren; und jedes wichtige Lebensereigniß steht unter der Obhut einer besonderen Gottheit. Durchorakel und Weissagungen gestatten die Himm- lischen dem Erdbewohner einen Blick in die Zukunft. Im Gegensatz zu der christ- lichen Anschauung, wonach das Erdenleben nur als Prüfungs- und Uebergangs-

2. Bd. 1 - S. 10

1854 - Leipzig : Engelmann
10 Geschichte der alten Welt. zeit zu einem höheren gilt, haben die lebensfrohen Griechen alle Freuden dem ir- dischen Dasein zugewiesen und das Schattenleben in der Unterwelt als eine trüb- selige Fortsetzung desselben vorgestellt. Doch glaubten sie an eine Vergeltung und an ein ewiges Leben und hielten an einer Verbindung der Todten mit den Lebendigen fest. Die Abgeschiedenen werden von dem Todtenführer Hermes vor die drei Richter der Unterwelt (Minos, Rhadamanthys, Aeakos) gebracht und nach deren Ausspruch entweder in den Aufenthaltsort der Gerechten (Elysion, glückselige Inseln) oder der Verdammung (Tartaros) ge- wiesen. Den Seelen oder Schatten (Manen) der Gestorbenen werden von den Hinterbliebenen auf den Gräbern mancherlei Todtenopfer dargebracht. Große Frevler (wie Tántalos, Tityos, Sisyphos) werden mir der qualvollen Fortsetzung derjenigen Lüste bestraft, denen sie im Leben übermäßig gefröhnt. Aus der Menge der griechischen Stamme und Völkerschaften, von denen alle ihre eigenen oft mit den übrigen verwandten, oft verschiedenen Nationalgottheiten besaßen, sind die große Zahl von Götterwesen und die mannichfachen Eigenschaften und Benennun- gen derselben zu erklären. Als Beweis für die innige Verbindung der Gottesver- ehrung mit den ältesten Zuständen des griechischen Volkes kann die Sage vom goldenen Weltalter dienen, der man den Sinn beilegen darf, „daß die un- mittelbare Verehrung der umgebenden Natur und ihrer Kräfte alle Aeußerungen des täglichen und geselligen Lebens mit dem Bewußtsein göttlicher Nähe erfüllte." — Die italischen Gottheiten haben mit den griechischen viele Aehnlichkeit, theils weil der menschliche Geist bei übernatürlichen Betrachtungen leicht auf verwandte Anschauungen kommt, theils weil schon in uralten Zeiten vielfacher Verkehr und Wechselberührung zwischen beiden Ländern obwaltete, theils weil später die Römer mit der dem Heidenthume eigenthümlichen Toleranz die fremden Götter den ihri- gen beigesellten. In Italien hatten nicht nur die einzelnen Volksstämme und Völkerschaften ihre eigenen Gottheiten, sondern sogar die Geschlechter und Fami- lien. Ueberhaupt gilt bei allem Polytheismus die Grundregel, „daß die bestimmte Lebensart eines Volkes die wesentlichste Quelle für seinen Cultus und durch diesen »auch für seinen Mythus selbst ist." §. 9. Das thcogonische Göttersystem der Griechen. Die Erde (Gäa, Ge), erzeugte aus sich den H immel (Uranos) und das wüste, unfruchtbare Me er (Pon- tos). Aus ihrer Verbindung mit dem Uranos gingen die Titanen hervor, die theils in und auf der Erde walten, wie der Flußgott O kea n o s und die von ihm herrührenden Wassergöt- ter (O kea nidi sch e Ny mp h en), die blitzschmiedenden Kyklopen und die hundert- armigen Naturgewalten (Briarcus u. A.); theils dem Himmel und der Lustregicn an- gehören, wie die verschiedenen Lichtwesen, Hyperion (Urlicht), Theia (Tageshclle), Helios (Sonne); S el en c (Mond), E o s (Morgenröthe), die Winde (Zcphyros ; Bo- reas ; Notos ; Euros ;) und der n ä ch t l i ch e H i m m e l mit seinen Sternen (L e t o und Asteria); theils die Schicksale und Richtungen des Menschengeistes vorstellen, wie J a- petos und seine Söhne, der starksinnige Atlas, der den Himmel trägt, der übermüthige Men ö tio s, der schlaue Prometheus, der den Göttern das Feuer stiehlt und den Men- schen zusührt, dafür aber von Zeus an den Kaukasus geschmiedet wird, wo ihm ein Geier seine Leber zerfrißt, und der schwachsinnige Epim eth eus, der die Pandora mit ihrem Leidcnsgefäß bei sich ausnimmt, durch dessen Ocffnung alles Elend über die Welt kommt (in dieser Sage, so wie in dem Mythos von ihren Nachkommen Deukalion und Pyrrha, den Stammeltern des Menschengeschlechts nach der Ogygischcn Fluth, scheinen Reminis- cenzen an den Sündcnfall und diesündfluth zu liegen); theils die freundlich oder feindlich in der Menschenwelt waltenden Kräfte darstellen, wie Themis, die ehrwürdige Leiterin gesetzlicher und sittlicher Ordnung, die Mn cm osyne (Erinnerung), die Mutter der neun

3. Bd. 1 - S. 55

1854 - Leipzig : Engelmann
Morgenländische Völker. 55 nur daß sie die astronomischen Kenntnisse zu Sterndeuterei, Wahrsagung und astrologischen Träumereien mißbrauchten. — Aber der Fluch des Kastenzwangs, geistiger Stillstand und Mangel an freier Entwickelung, lastete auf der Nation und bewirkte, daß sie Jahrhunderte lang auf derselben Stufe blieb und daß an- dere Völker zur Vollendung bringen mußten, was jene begonnen. Die steifen im Dienste einer finstern Abgötterei verfertigten B i ld h aue rw erke erlangten erst durch die Griechen Freiheit und Schönheit; auch die Arzneikunde, Geome- trie und andere der Pflege des Priesterstandes anheimgegebene Kenntniffe wur- den erst durch die Griechen zu Wissenschaften ausgebildet. — Der ursprünglich auf Sonnen- und Sternendienst gegründete Cultus des mythenreichen O siris, des Serapis, der Isis u. a. (§. 14. 3.), dessen tiefere Bedeutung nur den Priestern bekannt war, artete allmählich durch die Verehrung der den Planeten geweihten Thiere in den gräuelvollsten Thier dienst aus. Nicht blos der Stier Apis, auch Kühe, Katzen, Ibis, Sperber, Hunde, Krokodile und viele andere genossen göttlicher Verehrung. „Man muß annehmen, daß das gleichbleibende instinktive Leben der Thiere der Auffassung der Aegypter imponirte, denen ein festes und unverändertes Thun, ein stabiles und typisches Wesen das höchste war." Diese Entartung machte sich auch in der Kunst bemerkbar, indem man die Göt- terbildnisse, die anfangs Menschengestalt trugen, bald mit Thierköpfen versah, bald ganz in Thiergestalt darstellte. — Da die ägyptische Religion die Fortdauer der Seele in der Unterwelt von der Erhaltung des Leichnams abhängig machte, so wurde bei ihnen die eigenthümliche Sitte herrschend, die Körper der Tobten einzubalsamiren, um sie vor Verwesung zu schützen und sie dann als Mu- mien in schachtartigen Gängen und Todtenkammern aufzubewahren. Die Kö- nigsgräber befestigte man durch P y ra m i d en, deren Zahl dem westlichen Felsgebirg entlang über dreißig beträgt, von 20 bis 450 Fuß Höhe. Durch die im religiösen Aberglauben befangene Natur des Volks, die sich in der zahllosen Menge göttlich verehrter Wesen, Tempel und Heiligthümer, so wie in der Masse von Religionsfesten, Gebetsvorschriften, Reinigungsregeln, Ritualgesetzen, heili- gen Gebräuchen und Opfern aller Art kund gab, erlangten die Priester sehr große Macht. Sie standen dem gesammten Religionswesen vor, leiteten die unzähligen heiligen Handlungen, die von der Beschneidung bis zur Grablegung das ganze menschliche Leben durchzogen, bekleideten alle Aemter und Richterstellen und waren die einzigen Pfleger und Kenner der Künste und Wissenschaften, die sie durch eine geheimebilderschrift (Hieroglyphen) als Sondergut ihres Standes festhielten. Diese Bilderschrift ist dreierlei Art: hieroglyphische, hieratische und d emo tische. Die beiden erstem trifft man auf den O b e- li s ken oder vierkantigen aus einem einzigen Granitblocke gehauenen Spitzsäulen, die vor den Vorhallen (Pylonen) der Tempel aufgestellt waren, die letztere, im bürgerlichen Leben gebrauchte, findet sich am häufigsten auf den aus der Wasser- pflanze Papyrus verfertigten Schriftrollen. Auch die kolossalen (riesen- mäßigen), mit dem Eultus verbundenen Bauwerke, Tempel, Pyramiden, Sphinxe (Löwen mit Frauenköpfen) u. dgl., die nur durch die vereinte Kraft eines im Dienste der Gottheit fröhnenden Volks entstanden sein können, zeugen von der hohen Macht des Priesterstandes und des auf ihm ruhenden theokratischen Königthums. Das geknechtete Volk dagegen war ohne Heiterkeit und Lebens- muth wie ohne kriegerische Eigenschaften und Tugenden. Der Mangel persön- licher Freiheit raubte demselben das Ehrgefühl und die Selbstachtung, die Quelle echter Sittlichkeit. Das Lebensglück der Aegypter war auf häusliche Freuden, ihre Sittlichkeit auf häusliche Tugenden beschränkt.

4. Bd. 1 - S. 15

1854 - Leipzig : Engelmann
Einleitung. 15 auf Bergen verehrt.— Dionysos (Bakchos), mit dem altitalischen Liber verwandt, eine uralte pelasgische Naturgottheit von tiefsinniger, mystischer Bedeutung, daher er auch nebst der Demeter Hauptgegenstand der Verehrung in den Mysterien war. Sein Cul- tus wurzelt in Böotien, wo die Thebanerin Sem ele, die von dem im Feuerglanz erscheinenden Zeus verzehrt ward, als seine Mutter erscheint. Dionysos wird von Zeus dem brennenden Mutterleib entrissen, in des Vaters Hüfte gereist und von Nymphen groß- gezogen. Der Dionysosdienst verbreitete sich nach Unteritalien (Tarent), nach den In- seln des ägeischen Meers (Lesbos, Naxos, wo sich der Gott mit Ariadne vermählt), nach Asien u. a. O., welche Verbreitung durch den in der Kunst vielbenutzten Mythos von seinem in Begleitung von Nymphen, Satyr en und dem trunkenen Silenos unter- nommenen Zuge nach Indien angedeutet scheint. Unter ihm dachte man sich zunächst die Naturkraft, die den Weinstock zur Reife bringt und der Traube dieberauschende Kraft verleiht; allgemeiner gefaßt ist er „der Gott des Winters, mit dem was voraus geht und folgt, ein Bild der absterbenden und wiederauflebcnden Natur," oder der Reprä- sentant der Naturfülle, die sich im Weine kund gibt. Der Dionysosdienst gab zu vie- len wilden und lärmenden Festen (Bacchanalien) Veranlassung; so in Attika die kleinen (ländlichen) und großen Dionysien; die Lenäen; die Anthesterien; um Delphi wurden im Winter die Triet erika gefeiert, wobei die Weiber sich sammelten und gleich Rasenden (Maenaden, Bacchantinnen) auf dem Parnassos umher- schwärmten; und die zahlreichen Frü h lin g s - und Herbstfeste fanden größtentheils ihm zu Ehren statt. Die bei den Festen der Weinlese üblichen ländlichen Aufzüge und Mummereien gaben den dramatischen Spielen, Tragödien und Komödien ihre Entstehung. — Auch die auf den Inseln Lemnos, Jmbros und Samothräke verehrten pelasgischen (oder phönizischen) Kabiren gehören dem Kreise der chthonischen, die Erzeugungskrast der Natur symbolisch andeutenden Gottheiten an. — Auf Kreta, Rhodos u. a. Inseln wurden die Daktylen und Telchinen als Er- finder von Kunstwerken, besonders in Metallarbeiten verehrt und als Zauberer dargestellt. 12. D i e H er o en w elt. Abgeschiedene Helden der Vorzeit, Stammhäupter, Städtegründer, Colonienführer erlangten bei den Griechen göttliche Verehrung. Sie bil- den eine abgeschiedene Welt für sich, die jedoch mit den Göttern in innigster Verbindung steht. Jeder Stamm, jede Stadt, ja jedes bedeutende Geschlecht hatte seinen eigenen He- ros, dem Feste gefeiert und Opfer dargebracht wurden. — Der verbreitetste und sagen- reichste Heroencult ist der des Alkidcn Herakles (Hercules), der, ursprünglich in Aegypten und Ph önizien heimisch, sich allmählich über alle griechische Länder ver- breitete und sogar nach Spanien und zu den c e l t o - g erm a n i sch en Völkern ge- langte. Während er aber im Orient als Sinnbild der Sonne, als Alles bewältigender Naturgott auftritt, nimmt er in Griechenland eine vermenschlichte Heroengestalt an und erscheint als „Symbol der höchsten menschlichen Heldenkraft, die durch ein unermüdliches Kämpfen und Ringen den Widerstand, der ihr durch ein göttliches Geschick überall entge- gentritt, damit sie sich daran erprobe, überwindet, aller Widersacher und Naturschrecken Meister, und nach Abbüßung der menschlichen Schwächen den Göttern gleich wird. Er stellt die Menschheit dar, die sich vermöge ihrer halbgöttlichcn Abstammung trotz aller Un- gunst feindlicher Gewalten zum Olymp emporzuschwingcn vermag." Er ist Sohn des Zeus und der Thebanerin Alk m êne und Stammhaupt der dorischen, thessalischen und makedonischen Königsgeschlechter. Durch den Neid der Hera zum Dienst des argivi- schen Fürsten Eurystheus verdammt, vollbringt Herakles in dessen Auftrag die zwölf Arbeiten, indem er den Peloponnes und andere Länder von Ungeheuern und Raubthie- ren befreit, die Ställe des Königs Au g ras in Elis reinigt, mit Hülfe des Atlas, für den er das Himmelsgewölbe auf einige Zeit trägt, die goldenen Aepfcl aus den Gärten der Hesperiden in Nordafrika holt, dann über die Säulen des Hercules nach

5. Bd. 1 - S. 17

1854 - Leipzig : Engelmann
Einleitung. '17 Mutter zu rächen, banden sie die letztere an den Schweis eines Stiers und schleiften sie zu Lode (farnesischer Stier). In Böotien und Attika heimisch ist die Sage von Te- reus, dem uralten König der mythenreichen um den See Kopais seßhaften Thraker, und seiner Schwester und Schwägerin Prokne und Phil o m ele, die nach Lödtung von Lereus'sohn in eine Schwalbe und eine Nachtigall verwandelt wurden.-------In dem roßreichen Thessalien wurzelt die Sage von den in einen vierfüßigen Pferdeleib en- digenden Kentauren (Stiertödtern), die mit den Lapithen große, in der bildenden Kunst vielfach dargcstellte Kämpfe führten. Der gerechteste unter den wilden Kentauren war der kräuterkundige Chiron, der Lehrer des Asklepios und Achilleus.— In Athen war Thcseus der Nationalheros. Er galt als der Gründer der Stadt, indem er die zerstreuten Bewohner zu einem Gemeinwesen vereinigte. Er ist der Sohn des athe- nicnsischen Königs Aegeus, aber in Korinth erzogen; nachdem er unter einem gewalti- gen Felsblock das Schwert und die Sandalen des Vaters hervorgeholt und dadurch den Beweis großer Stärke abgelegt, reinigt er bei der Rückkehr in die Heimath den Isthmos von wilden Räubern (Prokrustes u. A.) und befreit dann die Athener von dem harten Tribut von sieben Knaben und sieben Mädchen, die sie dem kretischen Minotauros alle neun Jahre darbringen mußten, indem er das Ungeheuer, das aus einem menschlichen Leibe ein Stierhaupt hatte, tödtet und mit Hülfe des von der Königstochter Ariadne über- kommenen Fadens den Ausweg aus dem Labyrinthe wieder findet. Aegeus, in der Meinung, sein Sohn sei umgekommen, weil dieser vergessen hatte, das schwarze Segel des Schiffes mit einem weißen zu vertauschen, stürzte sich verzweiflungsvoll ins Meer, das von ihm den Namen des ägeischen erhalten haben soll. Theseus hängt innig mit dem Culte des P ose i d o n zusammen, zu dessen Ehren er die i sthmis ch e n Spiele einsetzt; auch in der Liebesgeschichte seiner zweiten Gemahlin Ph ädra mit seinem Sohne Hippoly- tos bewirkt Poseidon den tragischen Ausgang. ■— Die Thcseussage hat viele Verwandt- schaft mit dem Mythos von Herakles; wie dieser steigt auch er in die Unterwelt hinab. — §,13. Die italischen Göttersystem e. Die alten Bewohner Italiens waren theils Stammverwandte der griechischen Pelas g er, mit denen daher ihre religiösen An- schauungen, wie ihre Baudenkmale (Schatzkammern, Thesauren u. A.) große Aehnlichkeit haben, theils eingeborene Stämme, wie die Sabeller und O sker, theils später ein- gewanderte Völkerschaften, wie im Norden die G a llier, im Süden und Osten die Hel- lenen (mehr §. 136). Tyrrhenische Pelasger bildeten'den Kern der Etrusker, deren religiöse und priesterliche Einrichtungen, so wie ihre Kunstwerke, ihre Geheimlehren und Wahrsagergebräuche in der Folge auf die Römer übergingen. Von den altitali- schen Völkerschaften, die einen eigenthümlichen Religionscultus besaßen, kommen haupt- sächlich die Sabiner und Latiner in Betracht. — I. Der republikanische Fö- derativstaat der Etrusker, bestehend aus zwölf von einer hierarchischen Aristo- kratie geleiteten städtischen Gemeinwesen, deren Mitte Tarquinii bildete, führt seine religiösen Einrichtungen auf einen der Erde entstiegenen Dämon, Tages, zurück. (Die Lagetischen Bücher in tuscischcm Versmaße, enthaltend die Wissenschaft der Blitze, Regeln der Städtcgründung und Prophezeihungcn allgemeinen Inhalts, waren die Quelle der verschiedenen etruskischen und römischen Wahrsagcbücher.) Die etruskische Götterlehre ist der griechischen sehr ähnlich. Tina entspricht dem Zeus, wie Kupra (Quiritis, Cu- ritis, Lanzengöttin) der Hera auch im äußern Cultus; Menerfa (Minerva) war, wie Pallas Athene, Erfinderin der Flöte und der Kriegs trompete; Vertumnus, der vielgestaltete, mit dem Dionysos verwandte Hauptgott der Etrusker repräsentirt den Wech- sel der Jahreszeiten (Fest der V e r tum n al i en im Oct.) und die Fülle und Mannichfal- tigkeit der Jahreserschcinungen. Die Schicksalsgöttin Nortia von Volsinii, die der For- tuna von Antium entspricht und später als Göttin der Zeit galt; die Mater Matuta von Cäre, die Mutter des jungen Tags und Gcburtsgöttin; Summanus, der blitz- Weber, Geschichte. 6. Ausl. 2

6. Bd. 1 - S. 19

1854 - Leipzig : Engelmann
19 Einleitung. reichen Tempel aus dem römischen Forum wurde ein immerwährendes Feuer von jungfräulichenprieste rinnen (Vestalinnen)/ die in hohem Ansehen standen und mit vielen Vorrechten begabt waren, unterhalten. Große Verehrung genoß auch die For- tuna, die Schicksalsgöttin inpräneste undantium, die ihre Orakel durch Loose ertheilte. Ferentina war die Bundesgöttin der Latiner, wie die von den Sabinern überkommene Feronia, in deren Hain die Bundesversammlungen stattfanden. Da die Latiner ein acker- bauendes Volk waren, sogabcsbei ihnen eine große Zahl agraris cher Götter, die sich auf Saat, Fruchtbarkeit, Jahressegen und Feldmark bezogen, wie Anna Perenna, V e n u s u. a. m. — Iii. Sabiner. Stammgott der Sabiner war der weissagende Sancus, Vater dessa- bus. Ihre Bundesgöttin Feronia war eine Erdgottheit, der man Blumen und Erstlinge der Ernte darbrachte; ihr mit dem chthonischen Gotte Diespater gemeinschaftliches Hauptsest fand auf dem Sorakte statt. Als ein kriegerischer Volksstamm verehrten die Sabiner hauptsächlich zwei Kriegsgötter, Mars und den mit ihm verwandten Quirinus. Der altitalische Mars hat eine tiefere Beziehung zu Staat und Leben als der griechische Gott des Kriegsgetümmels. Man verehrte ihn anfangs unter dem Bilde der Schutz- und Trutzwaffen, des Schildes und der Lanze, wie man aus der römischen Sage von dem vom Himmel gefallenen und als Reichspalladium verehrten Wunderschilde, dem man noch eilf andere beifügte, (Ancilien) ersieht. Dem Marscultus gehört der dem sabellischen Stamme eigenthümliche für Colonisation wichtige heilige Lenz (ver sacrum) an, eine Sitte, wvrnach alle in einem gewissen Jahre gebornen Menschen und Thiere den Göttern geweiht waren, worauf jene im 20. Jahre auswanderten und neue Ansiedlungen gründeten, diese sogleich geopfert wurden. Auf diese Weise sind die P icener, die der heilige Vogel des Gottes, P ic u s (Specht), führte und die Hirpiner, die einem andern dem Mars ge- weihten Thiere, dem Wolf, folgten, entstanden. Quirinus war eine uralte sabinische Speer- oder Kriegsgottheit, die nach Rom verpflanzt und hier mit Romulus, dem Gründer der Stadt, verbunden wurde. Auch S ol (Sonne) und Luna (Mond) waren altsabinische Götterwesen.-Da die Bevölkerung Roms aus Latinern, Sabinern und Etruskern bestand, so sind auch alle diesen angehörenden Götter und Religions- institute nach dieser Stadt gekommen. An der Spitze des römischen Religionswesens stan- den die P o ntisices als Wächter der Staatsreligion und der P ontifcx Marimus als höchste kirchliche Autorität. Die heiligen Gebräuche wurden von Priestern (Flami- nes) vollzogen, von denen jeder der bedeutenden Götter und Tempel einen oder mehrere besaß, worunter jedoch der auf dem Palatinus wohnende Flamen Dialis das größte Ansehen hatte. Dem Dienste des Mars stand das Priestcrcollegium der Salier vor; die Arvalisch en Brüder dienten dem Janus, dem Jupiter und derjuno. In späterer Zeit, als hie Philosophie in Rom auskam, bildete man eine große Zahl von B egriffs g o t t- h eiten aus, denen pantheiftischc Ideen zu Grunde lagen, so daß dieselben nur als allego- rische Begriffsbestimmungen gelten können, so Victoria, Coneordia, Roma, Fides, Ouies, Febris, Mephitis u. a. m. Die spätern Berührungen mit den Griechen vermehrten noch die Zahl der römischen Gottheiten; auch der Cultus der weissagenden Sibyllen, besonders der von Kumä, und ihre Orakelsprüche, die sibyllinischen Bü- cher, scheinen aus Großgriechenland zu stammen. — §. 14. Die heidnischen Religionssysteme des Orients. 1. Inder. Die Religion der Inder ist das Emanationssystem, wornach die ganze sichtbare und unsichtbare Welt aus der Gottheit hervorgeht und nach großen Zwischenräumen wieder in dieselbe zurückkehrt. Mittelpunkt ihrer Reli- gion ist die Lehre von der Seelenwanderung (M etemp s y ch ose). Nach dieser Lehre ist die menschliche Seele nur zur Strafe, die sie in einem frühem Dasein (praexistirend) verschuldet, dem irdischen Körper zugesellt und ihr Streben und Ziel Wiedervereinigung mit der göttlichen Weltseele. Darum 9*

7. Bd. 1 - S. 21

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Einleitung. 21 Gegen die obige Auffassung der indischen Religion wurden dem Verfasser von namhafter Seite Aus- stellungen gemacht, die wir, ohne den frühcrn Tert zu ändern, zur Ergänzung oder Verbesserung hier einschalten: „Die drei höchsten Götter, Brahma, Vischnu, Siva, sind erst von später« Philo- sophen in ein gewisses Verhältnis zu einander gebracht worden. Ursprünglich sind sie drei Grundwesen, die in verschiedenen Gegenden Indiens und von verschiedenen Stämmen als höchste Götter verehrt wur- den. Auch später hielten sich die Sekten an den einen oder andern als den höchsten.— B r a hman (das Neutrum, im Nominativ bräbwa) bedeutet nicht: der Leuchtende, sondern wörtlich: das Große, daher das schlechthin große, erhabene Wesen, in welchem ursprünglich Alles ist und zu dem Alles zurückkehrt. Es ist die ewig in sich vollendete Einheit der Welt und aller Wesen, die als reine Einheit nicht personificirt und nicht durch menschliche Begriffe bezeichnet werden kann. Schon in den Vedas erscheint dieß absolute göttliche Sein als innerer, ewiger Lichtquell und ganz unabhängig von der Sonne. — Aus dieser abstrakten Einheit, aus dem Neutrum B ra h m a , das als solches immer die Sub- stanz von Allem bildet, trat ein zweites, konkretes Wesen heraus, ein treues Abbild des Urwcsens, das Maskulin Brahmau (im Nominativ Brahma). Dieß ist der ewigelogos, die Urvernunft, welche die wirkliche Welt und das Menschengeschlecht geschaffen hat. Er hat die heiligen Bücher, die Vedas, die Gesetze des Manu u. s. w. den Menschen mitgetheilt. Dieser männliche Brahma wird allein im Kultus verehrt, nicht aber senes abstrakte Urwesen, das als reine Einheit kein darstellbares Objekt sein kann. — Vischnu ist ebenfalls eine persönliche Offenbarung jenes Urgeistes; der Name aber bedeutet nicht der „D ur ch d r in g e r" (v. vsp) sondern der B e sch ütz e r, Erhalter (von der Wurzel ui und der Bildungssilbe su», die wegen des Vokals in selmu übergeht). In dieser appellativen Bedeutung kommt der Name noch vor. — Er ist Erhalter, Erlöser und ewige Herstellung der sittlichen Welt- ordnung, indem er zum Heil der Menschheit mehrmals selbst Mensch wird und das Böse bekämpft.— Den Verehrern des Vischnu galt er zugleich als Schöpfer, Erhalter und Zerstörer, d. i. Auflöser der alten und Hersteller einer neuen Ordnung. (Dieß letztere besonders, wegen seiner Kämpfe bei seinen Verkör- perungen.) V ischnu ist nicht eigentlich als W asser (oderluft) verehrt worden; es stellt ihn gewisser- maßen nur vor. Das Wasser wird dann als Princip und als Grundkraft alles Wirklichen augeschaut. Der Kult dieses Gottes entstand in Bengalen und den Niederungen des Ganges, wo alle Fruchtbarkeit und aller Segen durch die Ueberschwemmungen des Stromes (wie in Aegypten) bedingt ist. Fast die ganze indische Literatur gehört den Vischnuiten an. Sie sind mild, verletzen und tödten kein Thier, nicht ein- mal eine Laus! Der Buddhaismus ging aus dieser Sekte hervor. — Der Kultus des dritten Gottes, Siva, entstand in den gebirgigen Nordländern Indiens und hat sich von da aus über das ganze Land verbreitet. Er hat ursprünglich seinen Sitz auf Bergen, besonders auf den: Himütaja, und ist ein Berggott. Er heißt daher auch Herr der Berge, und seine Gemahlin, Pàrvaii, die Berg- geborene. Zur Erscheinung kommt dieser Gott als Feuer. In dieser Anschauung liegt etwas Dop- peltes: einmal das zerstörende und seinen Gegensatz verzehrende Element; andrerseits ist das Feuer und die Wärme das Princip des Lebens und der Zeugung. Danach stellt Siva die wilde Lebenskraft der Natur überhaupt vor und vereinigt in sich die 2 Seiten der Natur: die lebenzeugende und die zerstörende Seite, die ewig mit einander wechseln wie Sommer und Winter. — Der Dienst des Siva bildete die eigentliche Volksreligion in Indien, und hat einen rohen und wilden Charakter. — Der großen Naturmacht, bhavânî, welche in Verbindung mit dem Feuer Alles erzeugt, wurden blutige Opfer, besonders auch Menschenopfer gebracht. Namentlich kommen häufig Selbstopserungen vor. Man stürzt sich in die Quelle des Ganges am Himalaja, um sich ganz dieser absoluten Macht hinzugeben. An sich ist Siva nichts weniger als ein zerstörender oder gar böser Gott. Er bekämpft vielmehr die bösen Dämonen. Sein Hauptsymbol ist das Geschlcchtsglied, der Phallus oder Lingam; doch scheint ihn: dieß erst später bei den südlichen Völkern beigelcgt zu sein. Auch der Stier ist ein Symbol des Siva. Der Name Siva bedeutet als Adj. im Sanskrit „glücklich," ursprünglich wohl „glänzend." — Siva's Frau ist sein weibliches Gegenbild und gar nicht „Symbol der zerstörenden Zeit." Ihr Hauptname ist Parvati, die Bergige, Berggeborene, auch dungà, die Schwerzugängliche, oder bhavànî (cpvoig) von bhava Ursprung, Dasein, und daher Beiname des Siva. Die drei Hauptgötter gehören der epischen Poesie an. — In der ältesten Zeit, in den Vedas, erscheint brahma als Urgeist, als ideale Welteinheit; aber als höchster wirklicher Gott regiert Indra, der Gott des Himnlels, der über Blitz und Regen gebietet, die bösen Geister vertilgt und überhaupt alles Gute bewirkt. Die übrigen Naturgötter treten nicht so selbständig auf (z. B. Sonne, Morgenröthe, Tag, Wind, Wasser, Feuer) und sind einer höhern Einheit untergeordnet. Indra entspricht dem deutschen Donner, Thor. Sein Name steht in der epischen Poesie schon für G o tt überhaupt wie vous. — Vgl. Lassen, indis che Alterthumskunde, S. 755—792." 2. Zend-Volk. Ein merkwürdiges Religionssysiem hatte das uralte Z end-Volk in Baktrien. Es lehrte ein doppeltes Urwesen (Dua- lismus), den Lichtgeist O rmuzd und den bösen Geist derfinsierniß Ah riman.

8. Bd. 1 - S. 35

1854 - Leipzig : Engelmann
35 Morgenlandische Völker. streitbare Volk der Philister. Sie lebten unter Stammhäuptern oder Königen in fünf festen Orten, Gaza, Lskalon, Asdod, Gath und Ekron und trieben Handel und Seeräuberei. Sic verehrten die zeugende Naturkrast, der das Wasser und die Fische ge- weiht warm. Ztskalon war der Hauptsitz des Dag oncultus, des Nationalgottes mit Menschenkopf und Fischleib. Im Süden von Palästina und Syrien erstreckt sich diehalb- infei Arabien, ein dem Kontinente von Afrika ähnliches Land, dessen Kern eine hohe und kahle Gebirgsplatte ist, „welche zwischen nackten Wüstenflächen, Sandebenen, Klippen und kahlen Gipfeln unter einem brennenden Himmel nicht allzuviele bewässerte Senkungen zeigt" (vgl. §. 257.), und dann, durch die Landenge von P el u si um (Suez) und das ro th e Meer davon getrennt, das afrikanische Thalland Aegypten (§. 30). §.22. Orientalisches Wesen. Drei Dinge muß man bei Beurthei- lung der morgenländischen Völker ins Auge fassen, das R e lig i o n s w esen, die Staats- und Regierungsformen und das Privatleben. 1) Reli- gió nstvesen. Was das Verhaltniß der Creatur zum Schöpfer betrifft, so ha- den darüber die morgenlandischen Völker am tiefsten und eifrigsten nachgedacht und sind zu Resultaten gelangt, über welche keine andere Nation hinausgekom- men ist. Der Orient ist die Wiege aller Religionssysteme, vom strengsten, auf uralten Traditionen oder auf Offenbarung beruhenden Monotheis- mus bis zum vielgestaltigen Polytheismus und zum philosophischen Pan- theismus. Der Kern der beiden letztern Richtungen war der Sonnen- und S te rn en d i en st oder der mysterienreiche N a tu r cu ltus; denn da das Urwe- sen oder die Urkraft, von der die Schöpfung ausgegangen und das Weltall in sei- nem geordneten Lauf erhalten wird, dem denkenden Geist unerfaßlich ist, so sahen sich tiefsinnige Männer nach Symbolen um, unter denen sie diese Urkraft darstellen könnten und verfielen daher entweder auf die Licht und Leben spendende Sonne mit den himmlischen Gestirnen oder auf die im Innern der Natur ge- heimnisvoll waltenden Kräfte. Aber trotz dieser ursprünglichen Aehnlichkeit ge- stalteten sich, bei der Unbestimmtheit der Urbegriffe, die polytheistischen und pan- theistischen Religionsformen in allen Landern verschieden, und da die Maffe des Volks die sinnlichen Erscheinungen nicht unter einem Gefammtbegriff zusammen zu fassen vermag, so mußte bei der Mannichfaltigkeit des Natur- und Menschen- lebens die Zahl der übernatürlichen Kräfte und Machte, die dann als individuelle Wesen gedacht und göttlich verehrt wurden, ins Unendliche zunehmen. Ein so verschiedenartiges Religionswesen erforderte einen an Ceremonien und Symbolen reichen Cu ltus und einen zahlreichen Priesterstand als Träger und Deuter der in der Vielgestaltigkeit liegenden Einheit und des unter dem Symbol versinn- bildlichten Begriffs, und beides sehen wir im Orient zur Vollkommenheit ausge- bildet — mannichfache religiöse Gebrauche, die mit dem Natur - und Menschen- leben in allen seinen Erscheinungen und Abwechselungen in Beziehung stehen und einen durch den Besitz geheimer Weisheit mächtigen Priesterstand, der, wenn er auch die weltliche Herrschaft, die er anfangs mit der geistlichen verbunden besaß, abgeben oder theilen mußte, doch stets einen großen Einfluß im Staats- und Volksleben zu bewahren verstand. Der Hang zu religiösen Betrachtungen und der Glaube, daß man sich durch Büßungen und Selbstpeinigungen (Kasteiung) der Gottheit nähere, gab dem im Oriente wurzelnden Einsiedler- (Anachore- ten-) Leben seine Entstehung. — Der Handel, der Haupthebel der Civilisa- tion, stand im Morgenlande im innigsten Bunde mit Religion und Priesterthum, indem berühmte Tempel, Orakel oder die Hauptstädte der Priesterstaaten als Standorte der Caravanenzüge und als Markt und Stapelplätze der Waaren dien- ten. — 2) Die Regierungsformen des Orients lassen sich auf drei Haupt- 3*

9. Bd. 1 - S. 88

1854 - Leipzig : Engelmann
88 Geschichte der alten Welt. I. Griechenland vor den Perserkriegen. 1. Pelasgische Urzeit. tz. 52. Pelasger. Als die ältesten Einwohner Griechenlands werden die Pelasger genannt, die wahrscheinlich über das ganze Land verbreitet waren, wenn wir gleich nur Thessalien und Arkadien als sichere Wohnsitze derselben kennen. Auch auf den Inseln des ägaischen Meeres so wie in Italien (Tyrrhener) und Klein-Asien finden wir Spuren pelasgi- scher Urbevölkerung. Sie waren ein ackerbautreibendes, friedfertiges Volk mit einem auf Natur dienst beruhenden Religionscultus, worin die chthonischen Götter (§. 11.), vor Allen die Erdmutter Demeter, der Weinerzeuger Dionysos, der orakelgebende dodonaische Narurgott Zeus und seine Gattin Dione und die geheimnißvollen Kabeiren, als die im Innern der Natur wirkenden und befruchtenden Kräfte, göttliche Verehrung genossen. Von der Cultur der Pelasger zeugen die Trümmer uralter Städte und Königsburgen, die Spuren und Ueberreste von Wasser- bauten, Dämmen, Kanälen, so wie die aus rohen Steinblöcken oder be- hauenen Quadern ohne Mörtelverbindung aufgethürmten unverwüstlichen Kyklopenmauern im Peloponnes u.a.o. (das Löwenthor zu Mykenä; die Ruinen von Tiryns und Orchomenos). Als Stammverwandte der Pe- lasger gelten die pi erisch en Thraker, die Väter der griechischen Poesie, die Begründer des Musendienstes, der an ihre ursprünglichen Wohnsitze am Helikon und Parnassos geknüpft ist. Ihr mythischer Stammheros war Orpheus, Her durch die Töne seiner Stimme und Leier Menschen entzückte und Thiere zähmte, ja sogar auf die unerbittlichen Götter der Unterwelt einen solchen Eindruck machte, daß sie ihm gestatteten, seine verstorbene Gemahlin Euridike aus dem Schattenreich nach der Oberwelt zu führen; mit ihm ver- bunden erscheint der Apollosohn Linos, der Urheber des schwermüthigen Klaggesanges, und auch der Sänger und Priester Eumolpos, der die mit dem pelasgischen Naturcult in innigster Verbindung stehenden Mysterien in Eleusis gegründet haben soll, und dessen Nachkommen, das attische Adelsgeschlecht der Eum o lpid en, die Leitung dieses Geheimdienstes als erbliches Vorrecht besaßen, gehörte den Thrakern an, die ihre poetische Be- geisterung hauptsächlich zur Verherrlichung der Religion und des Götter- dienstes anwendeten und in wehmüthigen Trauerliedern das Hinschwinden der Jugend und das Absterben des Naturlebens durch Sommergluth und Winterfrost beklagten. Das Orakel zu Dodöna in Ep eiros galt für das älteste in Griechenland ; die dort einheimische Eiche, deren eßbare Frucht die erste Speise der Menschen gewesen sein soll, war dem dodonäischen Zeus geheiligt. Die Weissagung geschah nicht durch Worte sondern durch Zeichen. „Diese wurden aus dem Rauschen des Windes in der Krone heiliger Eichen

10. Bd. 1 - S. 89

1854 - Leipzig : Engelmann
Die griechische Welt. 89 und aus dem Rieseln und Plätschern einer Quelle, die an ihrem Fuße entsprang, entnom- men."— Die Kyklopenmauern scheinen wie die ägyptischen und indischen Baudenk- male, mit denen sie große Aehnlichkeit haben, auf einen mächtigen Priesterstand der Pelas- ger zu deuten und manche aus einer mythischen Urzeit stammenden erblichen Rechte und Ansprüche einzelner Geschlechter auf gewisse Priesterthümer, Acmter, technische Kenntnisse und Beschäftigungen, — Rechte die auch noch in der geschichtlichen Zeit zum Theil sortbe- standen, können als Spuren einer kastenähnlichen Scheidung der Stände in der pelasgi- schen Seit, wenn auch nicht in der orientalischen Strenge, angesehen werden. Uebrigcns erscheint Alles, was die Pelasger betrifft oder von ihnen ausgeht, „in einem ungewissen Dämmerlichte." Sie haben unzweifelhafte Spuren ihres Daseins und ihrer Wirksamkeit hinterlassen, aber wegen des hohen Alterthums, aus dem sie stammen, fast unkenntlich ge- wordene und schwer zu deutende. — Die pelasgische Naturreligion dauerte später als Ge- heimdienst in den Mysterien fort. Am berühmtesten waren die an die Sage von Demeter und Kore (Persephone §. 11.) sich knüpfenden eleusinischenmysterien, wo- bei das Geschlecht der Eumolpiden den Vorsitz, der König von Athen und später der zweite Archon das Opferrecht besaßen. In der Folge wurden sie sowohl in Athen als zu Eleusis gefeiert. An beiden Orten befanden sich uralte Demeter-T emp el, die durch die vier Stunden lange mit Kunstwerken, Gebäuden, Denkmälern reich besetzte h eilig e Straße, auf welcher die Jakchosp ro cessio n statt fand, in Verbindung standen. Die kleinen E l e u s i n i e n wurden im Frühling gefeiert, die großen neuntägigen im Herbste. Sie bestanden hauptsächlich in Reinigungen und Sühnungen, in Opfern und Processionen, in einer nächtlichen Fackelseier und in der Weihe der Neuaufzunehmenden. Es gab ver- schiedene Gr a d e d e r E i n w e i h u n g. Die Mysterien befaßten sich mit den tieferen Fra- gen über das Verhältniß des Menschen zu den Göttern und besonders über den Zustand der Seele nach dem Tode; daher lag allen ihren symbolischen Gebräuchen „eine Wechselbezie- hung der Ideen von der segnenden Fruchtbarkeit des mütterlichen Erdbodens und von der Fruchtbarkeit des Todes, dessen Bereich man sich in dererdtiese dachte, so wie die Ah n u n g und Hoffnungeinerlebcnserneuerungnachdemtode" zum Grunde. Indem also die Theilnahme an den Mysterien von einer „Reinheit und Ent- sündigung" abhängig gemacht ward, konnten diese „als Weihe des Lebens zu höherer Sitt- lichkeit" gelten. — Ein anderes uraltes mit den Eleusinicn verwandtes und ebenfalls der Demeter geheiligtes Fest waren in Athen die von Ehefrauen begangenen Thesmopho- rien (im October), „die sich auf die von der Demeter durch den Ackerbau einge- führte Ordnung des bürgerlichen, insbesondere des ehelichen Lebens bezogen" und wobei von Frauen (Thesmophoriazusen) Körbe mit symbolischen Seichen getragen wurden. tz. 53. Orientalische Kolonisation. Die Ansicht, daß die älteste griechische Cultur aus dem Orient stamme, indem ägyptische, phönizische und kleinasiatische Kolonisten die Keime der Bildung den rohen Bewohnern Griechen- lands mitgetheilt hatten, ist in neuerer Zeit mächtig erschüttert und dafür die Ursprünglichkeit und naturwüchsige Eigenthümlichkeit des griechischen Wesens mit Eifer verfochten worden. Allein, wie wenig auch die Sagen von dem Aegypter Kekrops, dem die Gründung der Burg (Kekropia) in Athen zuge- schrieben ward, von dem Phönizier Kadmos, der T h eb en angelegt und die Buchstabenschrift, so wie die Kunst das Erz zu schmelzen, nach Griechenland ge- bracht haben soll, von der ägyptischen Niederlassung des Danaos und der Da- naid en in Argolis und von den Schicksalen des Phrygiers Pelops, von dem dername der Halbinsel hergeleitet wird, vor der historischen Kritik bestehen mögen, eine Verbindung und ein früher Verkehr zwischen Griechenland und dem Morgen- lande und ein wesentlicher Einfluß des letztem auf das Religionswesen und die
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