Die neueste Literatur.
125
Verflechtung aller Natur- und Geschichtserscheinungen mit dem gesammten Weltenleben
zuerst in den weitesten Kreisen zur feststehenden Ueberzeugung gemacht." Der ältere
Bruder Wilhelm v. Humboldt, gleich ausgezeichnet als Staatsmann, Aesthetiker
und Sprachkenner, ist schon im Jahr 1835 heimgegangen. Unter den vielen berühmten
Namen, die noch jetzt die preußische Hauptstadt zieren, sind vor Allen die Brüder
Grimm, die Geschichtschreiber Raumer, Ranke, Pertz, und der unlängst Heim-
gegangene fromme Kirchenhistoriker Neander zu nennen. Lachmann, unter den
deutschen Philologen und Germanisten in der vordersten Reihe hat nach seinem Tode
(1851) in Moriz Haupt einen würdigen Nachfolger erhalten. Im Schulwesen hat
Director Diestcrw eg in Pestalozzi's Geist lange eine bedeutende Wirksamkeit auf
den ganzen deutschen Lehrerstand geübt. Die von Goethe verspotteten „Musen und
Grazien in der Mark" hat Niendorf durch seine „Hegler Mühle, ein Cyklus mär-
kischer Gedichte" zu Ehren gebracht. — In Freiburg an der Unstrut verbrachte
„der alte Vater Jahn," der Schöpfer der Turnkunst und Verfasser des „deutschest
Volksthum", die Jahre der reactionären Ungnade, bis ihn im Jahr 1848 der Dank
des deutschen Volks in die Frankfurter Nationalversammlung sandte. Er starb am
15. Oktober 1852.
li) Hannover. Auch Hannover mit der weltberühmten Universität Göttin- Han-
gen, der Geburtsstätte des Hainbundes (Anh. 8. 87.) ist nicht ohne Pflege der "En
schönen Literatur und Kunst geblieben. Der begabte, durch den frühen Tod seiner Ge-
liebten in Schwermuth versunkene Erneuerer der romantischen Heldendich-
tung, Ernst Schulze (1789—1817), der Verfasser der durch Zartheit der Form
und klangvolle Sprache ausgezeichneten aber an elegischer Eintönigkeit leidenden epi-
schen Erzählung „Cäcilie" in 20 Gesängen und des romantischen Gedichts „die
bezauberte Rose" in drei Gesängen, so wie vieler lyrischen Gedichte in weichen,
sanften Klagetönen, war in Celle geboren, wo er auch in der Blüthe der Jahre starb;
in der Hauptstadt des Landes dichtete Spitta seine Lieder voll religiöser Gemüthlich-
keit („Psalter und Harfe") und der Dichter Eckermann, Goethe's Gesellschafter im
Alter (A. §. 102,), gehört seiner Geburt nach Hannover an. — In Braunschweig Brcnm-
dichtete Rob. Griepenkerl seine Revolutionsdramen „Robespierre" und „die Giron-
disten", die eine Zeitlang unverdienten Beifall erregten. Aus Bückeburg stammt Victor
Strauß, lyrischer und epischer Dichter („Richard") und der Waldeck'sche Flecken Waldeck.
Korb ach ist der Geburtsort Karl Jos. Ritters von Bunsen (geb. >791), der lange
als Niebuhrs Nachfolger in Rom der Mittelpunkt der archäologischen und antiquarischen
Studien und Forschungen gewesen und nun als preußischer Gesandter in London durch
gründliche Werke aus dem Gebiete der Alterthumskunde (über Aegypten) und der
Kirchcngeschichte (Hippolyt) die deutsche Wissenschaft im Auslande würdig vertritt.
i) Unter den Hansestä dten war von jeher Hamburg wie durch Handel, Hanse-
Betriebsamkeit und Reichthum, so durch literarische Thätigkeit hervorragend. Von den Hamburg.
Tagenklopstocks, Reimarus' und Lessings bis aus die Gegenwart, wo der Historiker La p-
penberg („Geschichte von England"), der Publicift Wurm u. A. daselbst wirken, war
in Hamburg ein reges, wissenschaftliches Treiben, dem die Entfernung Gutzkow's, der
dort den „T e l eg raphe n"redigirre, wenig Abbruch that. Joh. Gottw. Müller (1744—
1828), der Verfasser des komischen Romans „Siegfried von Lindenberg" war der Geburt
nach ein Hamburger; doch hat die Stadt ihre bedeutendsten literarischen Kräfte aus der
Ferne gezogen. — In Bremen wirkte Fr. Ad.krummacher(1768—1845), der Ver- Bremen,
fasser der lieblichen Parabeln, als Prediger; und unter dem Einfluß des staatsklugen
Bürgermeisters Smidt und des jüngst verstorbenen Historikers und Publicisten Hor-
mayr (Lehrb. §. 701,), der lange Jahre als bayerischer Minister-resident daselbst lebte, hat die
Stadt in neuester Zeit eine bedeutende journalistische Wirksamkeit geübt. Die gelehrte
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Grimm Lachmann Moriz Goethe Ernst_Schulze Ernst Spitta Eckermann Griepenkerl Victor
Strauß Karl_Jos Karl Bunsen Niebuhrs
Extrahierte Ortsnamen: Niendorf Freiburg Hannover Celle Hannover Braunschweig_Brcnm- Bückeburg Rom London Hamburg Hamburg Lessings Hamburg Bremen Hor-
102
Das siebenzehnte Jahrhundert.
waren die nächste Folge der fürstlichen Territorialhoheit, wodurch wieder Meh-
rung der Steuern und Abgaben und Ausdehnung der Hoheitsrechte herbeigeführt
wurden. Die größtentheils den Landesfürsten zu gute kommende Säkularisation
der geistlichen Stifter trug zur Ausbildung und Hebung dieser Territorialgewalt
wesentlich bei.
b) Was Deutschlands religiöse Zustande angeht, so war der Sieg,
den die protestantische Kirche aus dem Westfalischen Frieden davontrug,
zunächst kein Gewinn für den freien Glauben. Denn der lebendige und
schöpferische Geist, den die Reformatoren der Kirche eingeflößt, wich allmählich
einer starren Verehrung des Buchstabens der symbolischen Bücher und einem
neuen knechtischen Autoritätsglauben, eine starre mit rechthaberischer Heftigkeit
verfochtene Orthodoxie trat an die Stelle der innern Glaubenswärme und
statt des geistigen Lebens und der schaffenden Seelenthätigkeit des 16. Jahrhun-
derts herrschte nunmehr ein dürrer Dogmatismus und eine protestantische Scho-
lastik, bis einerseits die Gemüthswelt der Pietisten, anderseits die Spekula-
tion der Philosophen sie bemeisterten.
c) Für Ackerbau, Gewerbfleiß und Handel hatte der dreißigjäh-
rige Krieg die nachtheiligsten Folgen. Die Verheerungen der Soldaten hatten
ganze Gegenden in Wüsteneien umgewandelt und die heimkehrenden Krieger fan-
den statt volkreicher Städte und blühender Dorfschaften Aschenhaufen und Trüm-
mer und statt Felder und Wiesen — mit Buschwerk überdecktes Haideland. Hat-
ten doch Schwert, Hungersnoth und Seuchen über die Hälfte der Bevölkerung
dahingerafft! — und gab auch der Pflug und die Karste dem Boden seine frühere
Gestalt wieder, Industrie und Handel erlangten nie mehr ihren vorigen Flor.
Weder die Auffindung des Seewegs nach Ostindien noch die Ausbreitung der
türkischen Herrschaft über die Levante und die Südküsten des Mittelmeers waren
vermögend gewesen, im Reformationsjahrhundert den italienisch-deutschen
Handel zu vernichten, vielmehr nahm nach dem Abschluß des Augsburger Friedens
die Handels- und Gewerbthätigkeit einen neuen Schwung, als der ganze Westen
Europa's durch Philipps ll. Religionseifer von blutigen Kriegen heimgesucht war.
Roch beherrschte die Hanse den nordischen Handel, bis England und Holland,
wo die Reformation neue Lebensthätigkeit geschaffen, ihr über den Kopf wuchsen;
die Augsburger Kaufleute Fugger und Welser machten Antwerpen, wohin sie
übersiedelten, zur glücklichen Nebenbuhlerin von Lissabon und ließen Handels-
schiffe nach Ostindien und Amerika absegeln, bis Alba's Härte den Flor von Ant-
werpen vernichtete und Handel und Verkehr ihren Sitz in Amsterdam nahmen.
Große Handelsstraßen durchzogen Deutschland von Danzig nach Genua, von
Nürnberg nach Lyon; schlesische Leinwand, wollene Tücher und Seidenstoffe wur-
den in Deutschland fabricirt und dem Auslande mit unermeßlichem Gewinn zu-
gcführt. Allgemeiner Wohlstand war die Folge. Mit der Thätigkeit der Hände
hielt die Regsamkeit des Geistes gleichen Schritt. Dies alles ging durch den drei-
ßigjährigen Krieg zu Grunde. Der Hansebund umfaßte bald nur noch Lübeck,
H a m bürg und Bremen, neben welchen Städten blos noch Frankfurt und
Leipzig lebhaften Handel trieben; die meisten Reichsstädte wurden allmäh-
lich von fürstlichen Residenzstädten überholt und verloren ihre Bedeutung;
manche gingen ihrer Selbständigkeit verlustig und wurden Landesfürsten unter-
than. Die bisherigen Handelswege konnten der Unsicherheit wegen nicht mehr
befahren werden, daher wurden die Märkte und Waarenlager verlegt; baar Geld
war wenig im Lande und bis die Wunden des Kriegs geheilt waren, hatten die
Niederlande, England und Frankreich einen zrffgroßen Vorsprung gewonnen. —
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Extrahierte Personennamen: Philipps
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Westfalischen Ostindien England Holland Lissabon Ostindien Amerika Amsterdam Deutschland Danzig Genua Nürnberg Lyon Deutschland Bremen Frankfurt England Frankreich
497
Die Uebermacht der Kirche im Zeitalter der Kreuzzüge.
wurden wohl selbst die Waaren zur Sicherheit niedergelegt; dahermeffe und Markt gleich-
bedeutend wurden. — In die Gattung der königlichen und bischöflichen Städte sind auch
die meisten unter den sächsischen Kaisern aus den Burgwarten entstandenen Städte zu zäh-
len (§. 289 ff.), die „durch Graben und Bollwerk gegen schnelle Uebersälle gesichert und
von der Besatzung geschützt in Kriegszeiten eine Zuflucht für Personen und Sachen ge-
währten, wodurch Leben und Gewerbthätigkeit entstand, so wie alle spatern Reichs-
städte, „die aus kirchlichen Stiftungen, aus Markt- und Handelsplätzen auf des Reiches
Boden hervorgingen und sich unter vom Reiche belehnten geistlichen oder weltlichen
Fürsten befanden, wie z. B. Erfurt, Bardewik." — Außerdem gab es viele fürstliche
Städte „insofern sie aus herrschaftlichem Willen geistlicher oder weltlicher Fürsten ent-
standen wie z. B. Soest, Braunschweig, Göttingen, oder auf fürstlichen Territorien ge-
gründet wurden, wie in Süddeutschland die zähringischen Städte (Freiburg, Bern u. a.),
in Norddeutschland die w elfischen (Lübeck, Hamburg u. a.). Hinsichtlich der städti-
schen Verfassung ist zu unterscheiden zwischen den Städten, wo sich eine altfreie Ge-
meinde mit beständigem Schöffenthum von Alters her erhalten oder frühzeitig
gebildet hat und solchen, wo die altfreie Gemeinde gänzlich unterdrückt wurde und unter
die Herrschaft des Bischofs oder Feudalherrn kam. Von der erftern Art war die Stadt
C ö ln, deren Verfassung und Recht bei der Gründung vieler andern Städte eingeführt
ward. In solchen Städten wurde der patrizische Sch ösfenrath im Laufe der Jahre
durch einen Gemeinderath verdrängt, den die anfangs unfreie, aber mit der Zeit zur
Freiheit gelangte Bürgerschaft wählte. Von der zweiten Art, wo die städtischen Beamten
(Ministerialen) anfangs von dem Bischof bestellt wurden und die Bürgerschaft als solche
gar keinen Antheil an der Regierung hatte, war Straß bürg die angesehenste Stadt.
Auch in diesen bildete sich allmählich ein freier Bürgerstand mit dem Recht der Sclbstregie-
rung heran; aber der Stadtrath ging hier aus dem Emporstreben einer die Dienstbar-
keit immer mehr abwerfendcn Bürgerschaft hervor und lehnte sich folglich nicht an ein schon
vorhandenes Schöffenthum der altsreien Gemeinde an, sondern machte für sich die ganze
Vertretung der Bürgerschaft aus. Zu dieser Gattung gehörten auch die Städte Worms
und Speier. Die meisten dieser Städte erlangten ihre Freiheit und ihre republikanische
Verfassung nur unter harten Kämpfen mit den Bischöfen, deren Gewalt zuletzt nur noch
eine nominale war. Die Kaiser, besonders aus dem Hohenstausischen Hause, begünstigten
und beförderten diese Erhebung der Städte gegen die Bischöfe und gewährten ihnen Rechte
und Freiheiten mancherlei Art. — Ruhiger entwickelte sich die städtische Freiheit in den
königlichen und andern ältern Reichsstädten. Hier kam es nicht, wie in den
bischöflichen zu einem ähnlichen die bürgerliche Freiheit gewaltsam hervortreibenden Ge-
gensatz: „sondern in dem Maße, wie der Bürgerstand allmählich mit dem Betrieb von
Handel und Gewerb emporkam und erstarkte, wurde ihm auch der gebührende Antheil an
der Gemeindeverwaltung und endlich eine gewisse Selbstregicrung eingeräumt, bei der sich
die königliche, herzogliche oder markgräfliche Herrschaft nur die vogteilichen Rechte und
Einkünfte mit Ernennung der gewöhnlichen Stadtrichter, des Vogts oder des Schult-
heißen vorbehielt." So in Goslar, Erfurt, Nürnb erg u. a. m. — Die fürst-
lichen Städte kamen hinsichtlich der Verfassungsform und in manchen andern Be-
ziehungen den Reichsstädten sehr nahe: „aber es bezeichnet ihre Eigenthümlichkeit, daß
sie vornehmlich aus Markt- und Handelsplätzen entstanden sind oder als solche gegründet
waren, daß in ihnen das Bürgcrthum von Anfang an rein für sich hervortritt, endlich
daß ihre Verfassung und städtische Freiheit ursprünglich als eine von der Herrschaft ver-
liehene erscheint." Zu den merkwürdigsten und ältesten Städten dieser Art gehört Soest
in Westfalen; auf das Soester Stadtrccht war das alte Recht von Lübeck gegründet;
aber schon vor Friedrich Ii. erlangte die thatkräfcige Stadt die Reichsfreiheit und große
Privilegien. Wie das lübische Recht in den meisten Städten der Ostsee anerkannt und ein-
Webcr, Geschichte. I. 6. Ausl. 32
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516
Das Mittelalter
Frivolität eines zuchtlosen Herrenstandes. Die Bauernaufstände, deren die
Geschichte des Mittelalters eine ansehnliche Menge aufzuweisen hat, dienten
nur zur Verschlimmerung ihrer Lage. „Wahrlich! es bedurfte für diesen
Stand gar sehr der kirchlichen Lehre von christlicher Demuth, um sich über
unchristliche Erniedrigung zu trösten." — Die durch die Kreuzzüge bewirkte
Verbindung der christlichen Nationen Europa's zu großen Völkermassen und
gemeinschaftlichen Zwecken verschwindet von nun an mehr und mehr und
es bilden sich allmählich die einzelnen Völker und Nationalitäten selb-
ständig aus.
1. Die Femgerichte, die sich im Laufe der Jahrhunderte über den größten Theil
von Deutschland ausbreiteten, aber ihren Hauptsitz fortwährend in Westfalen (auf der
„rothen Erde") und insbesondere in Dortmund hatten, standen unter einem
obersten Stuhlherrn, welche Würde meistens dem Erzbischof von Köln oder mitunter
auch dem Kaiser selbst übertragen wurde. Die Richter und Freischöffen, welche unter dem
Borsitz eines Frei grafen bei den einzelnen Freistühlen den Rechtsgang leiteten, wurden
aus der Zahl der sogenannten W i ssen d en oder Eingeweihten genommen, die durch ge-
heime Losung einander kenntlich waren und sich zur unbedingtesten Verschwiegenheit eidlich
verpflichten mußten. .2, Hansa. Die wichtigsten Glieder des nach dem Vorbilde flandri-
scher und wallonischer Städte und unter dem Einfluß vieler von dorther nach den Ostsee-
städten eingewandertcn Bürger und Handwerker gebildeten Hansebundes, der im I. 1364
77 Städte faßte, waren: Köln (anfangs Mitglied des rheinischen Bundes), Braun-
schweig, Wismar, Rostock, Stralsund, Julin (Wollin), Wisby (Gothland), Bergen
(Norwegen), Riga, Gröningen, Lüneburg, Elbing, Bremen, Magdeburg, Halle, Goslar
u. a. m. Das Wort „Hansa" ist ursprünglich altflamändisch, Bezeichnung einer Abgabe
und bedeutete dann jede Verbindung, deren Mitglieder Beiträge „zu einem gemeinschaft-
lichen" Zweck entrichteten. Die Mitglieder des rheinischen Städtebundes, der außer den
genannten noch die Städte Freiburg, Breisach, Zürich, Kolmar, Oppenheim, Boppard,
Bonn, Trier, Metz, Fulda, Frankfurt, Gelnhausen, die Herzoge und Grafen von Baiern,
Wurtemberg, der Pfalz und Thüringen umfaßte, schlossen sich später, als die Verschieden-
heit der Interessen zwischen den adeligen und bürgerlichen Mitgliedern eine Trennung und
baldige Auflösung hcrbeiführte, größtentheils dem sch w ä b isch e n B u n d e an (tz. 359).
Von dem an bildete Deutschland den Mittelpunkt des europäischen Handels. Die Erzeug-
nisse des Orients wurden durch die italienischen Handelsstädte nach Augsburg und Nürn-
berg gebracht und von da weiter verführt. „Aus den lebenskräftigen Städten der geseg-
neten Lombardei zogen die Saumroffe durch die finsteren Tyroler- und Schweizer-Alpen
nach Baiern, Schwaben und Franken und weckten überall auf ihrem Wege städtische Be-
triebsamkeit." Die Pfefferkörner Indiens, die Scidengespinste China's, der Safran
Afrika's, die Gewürze und Spezereien Arabiens und Aegyptens, alle diese und andere
Waaren bewegten sich auf den alten oft genannten Wegen über die Alpenpässe in den Tha-
lern der Kulpa, Drave, der Enns, des Inn, der Isar, des Lech zur Donau hinab, sam-
melten sich dort in den Donau-Städten Augsburg, Kempten, Ulm, Regcnsburg, Passau,
Linz, Wien u. s. w., wurden von da längs der Donau in die Nachbardistrikte verthcilt
und auf den alten Verbindungsstraßen zum Rhein, zum Main, zur Elbe, zur Oder ver-
fahren. Umgekehrt wurden die Fabrikate Deutschlands, die Augsburger Kunstprodukte,
die Nürnberger Fabrikate, die schlesische, baierische und westfälische Leinwand, die rheini-
schen und steyerischen Waffen, Stahl- und sonstige Metallwaarcn, die niederdeutschen
Wollengewebe und endlich die nordischen Pelze auf demselben Weg zum Meere geschafft
und von Venedig aus nach Italien, nach Konstantinopel, endlich nach Arabien und
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Verfall der Lehnsmonarchle und Entartung der Kirche. 517
Aegypten hin verschifft. — Straßburg, Frankfurt und Köln dienten als Stapelplätze für die
nach Frankreich und nach den Niederlanden gehenden Waaren ; Erfurt war der Mittel-
punkt des deutschen Binnenhandels. Die Hansa versah Rußland (durch Wisby und
Nowgorod), Scandinavien und London (wo sie einen privilegirten Markt, den sogenannten
Stahlhof, hatte) mit deutschen Waaren. Wien vermittelte die Verbindung mit Kon-
stantinopel. Wisby, von deutschen Ansiedlern gegründet und zum Theil bevölkert, „fast
das ganze Mittelalter hindurch ein Hauptvereinigungspunkt des nordeuropäischen Handels,
jetzt verödet und einsam, zeigt nur noch in den Marmorruinen der Kirchen die Spuren
geschwundenen Glanzes." Nowgorod am Wolchow, in dunkler Zeit als selbständiges
städtisches Gemeinwesen ausgebildet, „vermittelte den Verkehr des Südens von Konstan-
tinopel und Kairo her, so wie den Karavanenhandel der Bulgaren mit den finnischen
Völkerschaften. Dem Freistaate waren die Völker bis zum Onegasee unterworfen und
gaben dem stolzen Worte Wahrheit: „wer kann wider Gott und Nowgorod." Aus allen
Gegenden stoffen Rcichthümer nach Deutschland und die in der ersten Zeit sehr ergiebigen
Bergwerke im Harz, im Thüringerwald und im Erzgebirge mehrten die Masse des Sil-
bers. — Außer den Uebersällen der Raubritter war auch noch das allenthalben herrschende
Strandrecht, Stapel- und Krahnrecht eine schwere Geißel für den Handelsstand. Der
Geldhandel war hauptsächlich in den Händen der Lombarden und Juden, und da die
letzteren mit diesen Geschäften häufig drückenden Wucher verbanden, so steigerten sie da-
durch den schon aus religiösen Beweggründen in der Brust der Christen keimenden Juden-
haß. „Von den Anfängen des Mittelalters an, auf welches sich die christlich-römische
Antipathie gegen sie verpflanzte, bis über dessen Ende hinaus sehen wir sie im Winden
und Ringen gegen Schmähung und Verfolgung. Sie erholten sich von jeder Verfolgung
und suchten und fanden Entschädigung für Mißhandlung, Beraubung und Austreibung
im Geldgewinn von den Christen, die bei dem kirchlichen Verbot der Zinsnahme unter
Christen der Juden nicht entbehren konnten. Die ganze Schärfe des Judengeistes richtete
sich auf den Wucher und darin vergalten sie den Christen durch Unverschämtheit ihrer
Plusmacherei und hartherzige Benutzung der Verlegenheiten, wo man sich an sie wandte,
Hohn und Druck." Außer den großen Verfolgungen, denen die Juden besonders zur
Zeit der Kreuzzüge ausgesetzt waren, wurden sie noch vielfach an Ehre und Gut verletzt.
Sie lebten in besondere Viertel oder Gassen abgesperrt, mußten Abzeichen tragen, wurden
oft schwer geschätzt, ihre Schuld- und Zinssorderungcn für ungültig erklärt u. drgl. m. —
2. Gründung der Habsburger Macht.
§. 345. Ein wichtige Folge des Sinkens der kaiserlichen Gewalt wah.
rend des Zwischenreichs war die Ausbildung der Fürstenmacht, indem
eine Menge Herzogthümer und Grafschaften Landeshoheit (Territo-
rialrecht) erwarben (vgl. §. 316). Als daher nach Richards Tod eine 1272.
neue Kaiserwahl stattfand, suchten die Großen, von denen schon damals
die Wahl (Kur) vorzugsweise ausging, und die daher Kurfürsten genannt
wurden, die Erhebung eines an Land und Leuten mächtigen Fürsten zu Hin-
tertreiben, um nicht das Errungene wieder einzubüßen. Da gelang es dem
Erzbischof Werner von Mainz die Wahl auf den ihm befreundeten Grafen
Rudolf von Habsburg zu lenken, dessen mäßige Stammgüter im Elsaß Habsburg
und in der S chweiz den Wahlfürsten keine Furcht einfloßten, wahrend doch ^oit
seine erprobte Tapferkeit, Kraft und Klugheit Bürge war, daß er der Herr-
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Extrahierte Personennamen: Richards Werner_von_Mainz Rudolf_von_Habsburg Rudolf
Extrahierte Ortsnamen: Frankfurt Frankreich Erfurt London Wien Kairo Deutschland Thüringerwald Elsaß_Habsburg
Verfall der Lehnsmonarchie und Entartung der Kirche. 233
bürg gegen die Gewaltthätigkeiten der Dänen und Norweger gestiftete
Hansa*) und der von Mainz, Worms, Speyer, Straßburg,
Basel u. a. geschlossene rheinische Stàdtebund am wichtigsten sind. 1247-
*) Die wichtigsten Glieder des Hansebundes, der 1364 77 Städte faßte, wa-
ren: Köln, Braunschweig, Wismar, Rostock, Stralsund, Wisby (Gothland),
Bergen (Norwegen), Riga, Gröningen, Lüneburg, Elbing, Bremen, Magdeburg,
Halle, Goslar u. a. m. Die Mitglieder des rheinischen Städtebundes schlossen
sich später größtentheils dem schwäbischen Bunde an (§. 328). Von dem
an bildete Deutschland den Mittelpunkt des europäischen Handels. Die Erzeugnisse
des Orients wurden durch die italienischen Handels-Städte nach Augsburg und
Nürnberg gebracht und von da weiter verführt. Straßburg, Frankfurt und Köln
dienten als Stapelplätze für die nach Frankreich und den Niederlanden gehenden
Waaren; Erfurt war der Mittelpunkt des deutschen Binnenhandels. Die Hanse
versah Rußland (durch Nowgorod), Scandinavien und London (wo sie einen privi-
legirten Markt hatte) mit deutschen Waaren.
2. Gründung der Habsburger Macht.
§. 314. Eine wichtige Folge des Sinkens der kaiserlichen Gewalt
während des Zwischenreichs war die Ausbildung der Fürstenmacht,
indem die oben erwähnten (§. 287) Herzogthümer und Grafschaften
Landeshoheit (Territorialrecht) erwarben. Als daher nach
Richards Tod eine neue Kaiserwahl stattfand, suchten die Großen,
von denen schon damals die Wahl (Kur) vorzugsweise ausging, und
die daher Kurfürsten genannt wurden, die Erhebung eines an Land
und Leuten mächtigen Fürsten zu hintertreiben, um nicht das Errungene
wieder einzubüßen. Da gelang es dem Erzbischof von Köln die Wahl
auf den ihm befreundeten Grafen Rudolf von Habsburg zu lenken,
dessen mäßige Stammgüter im Elsaß und in der Schweiz den Wahl- ~
fürsten keine Furcht einflößten, während doch seine erprobte Tapferkeit,
Kraft und Klugheit Bürge war, daß er der herrschenden Gesetzlosig-
keit steuern und die drohende Uebermacht des Königs Ottokar von
Böhmen, der mit diesem Lande außer Mähren noch Oestreich,
Steyermark, Kärnthen und Kr a in vereinigt hatte und nach der
Kaiserkrone strebte, brechen würde. Was aber besonders Rudolfs
Wahl förderte, war seine bekannte Frömmigkeit und die Zuneigung,
die er stets der Kirche und dem Klerus erwiesen. — Als daher Ru-
dolf dem Papste die von den frühern Kaisern bestrittenen Gebiete und
Rechte, den deutschen Fürsten den Fortbestand ihrer errungenen Vor-
theile zugesichert hatte, wurde die Wahl allgemein anerkannt und Al-
phons von Castilien zur Entsagung gebracht. Nur Ottokar
verweigerte die Huldigung und erschien nicht auf dem angekündigten
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel]]
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Der Norden Europa's.
471
Lebensthätigkeit geschaffen, ihr über den Kopf wuchsen; die Augsburger Kaufleute
Fugger und Welser machten Antwerpen, wohin sie übersiedelten zur glücklichen
Nebenbuhlerin von Lissabon und ließen Handelsschiffe nach Ostindien und Amerika
absegeln, bis Alba's Härte den Flor von Antwerpen vernichtete und Handel und
Verkehr ihren Sitz in Amsterdam nahmen. Große Handelsstraßen durchzogen
Deutschland von Danzig nach Genua, von Nürnberg nach Lyon; schlesische Lein-
wand, wollene Tücher und Seidenstoffe wurden in Deutschland fabricirt und dem
Auslande mit unermeßlichem Gewinn zugeführt. Allgemeiner Wohlstand war die
Folge. Mit der Thätigkeit der Hände hielt die Regsamkeit des Geistes gleichen
Schritt. Dies alles ging durch den dreißigjährigen Krieg zu Grunde. Der Hanse-
bund umfaßte bald nur noch Lübeck, Hamburg und Bremen, neben welchen
blos noch Frankfurt und Leipzig lebhaften Handel trieben; die meisten Reichs-
städte wurden allmählig von fürstlichen Residenzstädten überholt und
verloren ihre Bedeutung; manche gingen ihrer Selbständigkeit verlustig und wurden
Landessürsten Unterthan. Die bisherigen Handclswcge konnten der Unsicherheit wegen
nicht mehr befahren werden, daher wurden die Märkte und Waarenlager verlegt;
baar Geld war wenig im Lande und bis die Wunden des Kriegs geheilt waren, hatten
die Niederlande, England und Frankreich einen zu großen Vorsprung gewonnen.—
Die schöne Cultur des Reformationsjahrhundcrts ging unter. Die Kunst verschwand
ganz und in der Literatur verdrängte die Nachahmung fremder Unnatur die nationalen
Geistesprodukte. Frankreichs Sprache, Literatur und Moden herrschten von nun an
in Deutschland und im übrigen Europa. Geschmacklose Trachten, gepuderte Haare
und Perrücken und die tausend Auswüchse einer unnatürlichen Convenienz galten fortan
als Kennzeichen seiner Bildung. Das Spanische wurde durch das Französische
verdrängt, aber auch das altdeutsche Volksthum erlag dem Einfluß des Fremden.
H. Der Norden Europa's.
§. 554. Christina von Schweden. Durch Gustav Adolfs shene
Herrschertalent und Feldherrngröße nahm Schweden einen mächtigen
Aufschwung nach Außen und Innen. Wahrend der Minderjährigkeit
seiner Tochter Christine leiteten die 5 höchsten Beamten (worunter
Axel Oxenstierna und 2 seiner Verwandten den größten Einfluß
besaßen) als Vorsteher des Reichsraths die Angelegenheiten des
Staats 12 Jahre lang. im-u.
Unter diesem Regiment vermehrte der Adel seine ohncdicß schon
sehr hohen Vorrechte, so daß von dieser Zeit an eine mächtige Aristokratie
mit dem Königthum in stetem Kampfe lag. Befreiung von Steuern und
Zöllen, Jagd- und Fischereirecht und Alleinbesttz der einträglichsten Aemter
gehörten zu seinen Privilegien. Der Bauernstand war arm und gedrückt;
die Krone hatte ein geringes Einkommen, das unter Christine noch ab-
nahm, weil diese Fürstin, um ihre Liebe zu Künsten und Wissenschaften,
wie ihren Hang zu glänzenden Hoffesten und zu verschwenderischer Frei-
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Extrahierte Personennamen: Christina_von_Schweden Gustav_Adolfs Gustav Adolfs Christine Axel_Oxenstierna Christine
Extrahierte Ortsnamen: Europa's Lissabon Ostindien Amerika Antwerpen Amsterdam Deutschland Danzig Genua Nürnberg Lyon Deutschland Hamburg Bremen Frankfurt England Frankreich Frankreichs Deutschland Europa Europa's
158
Das Mittelalter.
Januar
1236.
rigen, die Statuen der Heiligen, die mannichfalkigen Verzierungen, Reliefe und
Symbole, die Blumen, die aus jeder Spitze emporblühen und mit einem Kreuze in
Beziehung stehen — Alles deutet auf die christliche Religion und auf das Ringen
der Welt und Menschenseele nach dem Göttlichen. Eben so haben auch die Schnitz-
werke in Holz und Elfenbein, die kunstreichen Gußarbeiten, die Bilder über den
Altären, auf den Fenstern, an den Pfeilern und Decken eine innige Beziehung auf
Religion und Kirche. Die Aufgabe der mittelalterlichen Kunst schien die zu sein,
die ewigen Ideen des Glaubens unter einer finnbildlichen Form auszudrücken und
der innern Anschauung näher zu führen; darum tragen auch die altern Gemälde
alle den Charakter der Ruhe an sich, weil Ruhe das Wesen des Göttlichen ist, aber
eine Ruhe voll Leben und Wirken; daher fügte eine glänzende Farbenpracht der
großen Einheit wieder die Mannichfaltigkeit, der Ruhe die Bewegung bei. — Auch
die feierlichen Töne der alten Kirchenmusik mit dem ergreifenden Orgelspiel
dienten der religiösen Andacht und in dem zur innern Sammlung auffordernden
Glockengeläute sollte die Sehnsucht zum Höhern in der Seele des Menschen
geweckt werden.
V. Verfall des Ritterwesens und Entartung der Kirche.
1. Das Lrvischcnrcich (Interregnum) 1250—1273.
§. 250. Nach dem Tode Friedrichs Ii. trat für Deutschland eine verhäng-
uißvolle Zeit ein. Auswärtige Fürsten ohne Macht und Einfluß führten den
Kaisertitel, indeß im Innern Unordnung und Gesetzlosigkeit waltete und nur
der Starke sich Recht zu verschaffen vermochte (Faustrecht). Als Wilhelm
von Holland (§. 237.) im Kampf wider die tapfern Friesen gefallen war,
lenkte der Erzbischof von Köln die Wahl auf den reichen Richard von
Cornwallis, den Bruder des Königs von England, während der Erzbi-
schof von Trier und sein Anhang Alfons X. den Weisen von Castilien
mit dem Kaisertitel zierten. Jener fuhr einigemale mit Schätzen beladen den
Rhein herauf, um die Habgier der Fürsten, die ihn gewählt, zu befriedigen;
der letztere besuchte nie das Reich, zu dessen Herrschaft er berufen war. In die-
ser „kaiserlosen" Zeit suchten die Fürsten und Bischöfe ihr Gebiet zu vergrößern
und Rechte an sich zu reißen, während die Ritter und Vasallen ihre Stärke zu
Raub und Wegelagern mißbrauchten. Von ihren Burgen herab, die, wie
noch jetzt deren Ruinen beweisen, an den Ufern schiffbarer Flüffe oder an der
Seite belebter Heerstraßen angelegt waren, führten sie ein wildes Raubleben,
schleppten Reisende in ihre Burgverließe, um schweres Lösegeld zu erpressen,
plünderten die Güterwagen der Handelsstädte und trotzten hinter ihren festen
Mauern den machtlosen Gesetzen und Gerichten. Diesem Zustande des Faust-
rechts suchten zu steuern: 1) die heilige Fehme, ein altes in Westphalen „auf
der rochen Erde" heimisches Gericht, dem der Erzbischof Engelbrecht von Köln
größere Verbreitung und Macht gab, und das unter dem Vorsitz eines Stuhl-
herrn zu Dortmund in geheimer Gerichtssitzung über Frevel und Blutschuld
erkannte, und 2) die von vielen Städten zu gegenseitigem Schutz geschlossenen
Bündnisse. Unter diesen Städtebündnissen waren besonders die norddeutsche
Hansa, welche Hamburg, Lübeck, Bremen, Wismar, Rostock,
Stralsund, Riga und viele andere Handelsstädte umfaßte, und der von
Worms, Mainz, Speyer, Straßburg, Basel u. a. O. geschlossene
rheinische Städtebund, dem auch einige Fürsten beitraten, von Wichtigkeit.
Die Städte bildeten den einzigen Lichtblick in diesen dunkeln Zeiten; sie ver-
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Wilhelm Richard_von
Cornwallis Alfons_X Engelbrecht
Extrahierte Ortsnamen: Friedrichs Deutschland Holland England Rhein Dortmund Hamburg Bremen Wismar Rostock Stralsund Riga Worms Mainz Speyer Straßburg Basel
Das deutsche Reich.
61
wesen, und über das Eisenbahnwesen (außer in Württemberg und
Bayern), so weit es sich um das Interesse der Landesvertheidigung
handelt: ferner die Ordnung des Münz-, Maß- und Gewichtssystems,
Civil- und Strafgesetz, Ehegesetzgebung u. a. Das deutsche Reichs-
heer besteht aus 17 Armeecorps und dem preußischen Gardecorps
und ist eingetheilt in 4 Armee-Jnspectionen.
Die deutsche Reichspost umfaßt ganz Deutschland außer
Württemberg und Bayern (8078 Qm.) mit 40 Oberpostdirectionen
(in Aachen, Arnsberg, Berlin, Braunschweig, Bremen, Breslau, Brom-
berg, Cassel, Coblenz, Constanz, Cöslin, Danzig, Darmstadt, Dresden,
Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt a/M., Frankfurt a/O., Gumbinnen, Halle
a/S., Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Kiel, Köln, Königsberg, Leipzig,
Liegnitz, Magdeburg, Metz, Minden, Münster, Oldenburg, Oppeln,
Posen, Potsdam, Schwerin, Stettin, Straßburg, Trier).
Die Universitäten ordnen sich nach ihrer Frequenz (1874) so:
Leipzig, Berlin, Halle, Breslau, München, Tübingen, Würzburg,
Heidelberg, Bonn, Göttingen, Straßburg, Königsberg, Greifswalde,
Jena, Münster, Erlangen, Marburg, Gießen, Freiburg, Kiel, Rostock rc.
In Bezug auf die Lage der Universitäten beachte man, daß die größ-
ten in der Ebene, die kleineren dichtgedrängt im Hügellande links von
der Elbe auf altgermanischem Boden sich befinden. An der Nordsee
liegt keine, an der Ostsee dagegen vier. Es gibt 7 vollständige poly-
technische Schulen: Karlsruhe, Berlin, Hannover, München, Stutt-
gart, Dresden und Aachen; diese Schulen, in neuerer Zeit gegründet,
befinden sich fast alle in den Residenzen, was bei den Universitäten
eine Ausnahme (bei den zuletzt gestifteten) ist. Die Volksbildung
und Volksschule steht höher als in andern Ländern. Auf 1000 E.
kommen durchschnittlich 150 Schüler, in Sachsen und Thüringen 175,
in Bayern 126, in Mecklenburg 120 Schüler.
H 81. Der Zollverein. Nach dem neuen Zollsystem in Preußen,
1818, schlossen sich zuerst 1828 Großherzogthum Hessen, 1831 Kur-
fürstenthum Hessen an. Als 1833 Bayern, Württemberg, Sachsen
und Thüringen beitraten, nahm der Verband den Namen „Deutscher
Zollverein" an. 1835 folgten Baden, 'Nassau; 1836 Frankfurt; 1841
Braunschweig, Luxemburg, Lippe; 1851 Hannover, Schaumburg-Lippe;
1852 Oldenburg. 1867 und 1868 traten die übrigen norddeutschen
Landschaften hinzu. Gegenwärtig umfaßt ein Zollgebiet das ganze
Reich, mit Ausnahme der Freihäfen Hamburg, Bremen, Altona, Bremer-
hafen, Geestemünde und Brake, sowie eines kleinen Gebietstheils im
südlichen Baden an der Grenze des Cantons Schaffhausen.
§ 82. Bergbau. Kohlen, Eisen und Salz bilden den Haupt-
reichthum. Unter den eisenproducirenden Ländern nimmt Deutschland
nach England und Nordamerika den dritten Rang ein. In der Blei-
production folgt es aus England und Spanien. In Bezug auf Zink
steht es neben Belgien an der Spitze. Jnr Jahre 1870 wurden ge-
wonnen: 530 Mill. Ctr. Steinkohlen, besonders in Schlesien, Sachsen,
Westfalen und Rheinland, 142/3 Mill. Ctr. Salz, am meisten in der
Prov. Sachsen, 76 Mill. Ctr. Eisenerz in Schlesien und Westfalen,
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TM Hauptwörter (100): [T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T6: [Eisen Gold Silber Kupfer Wasser Blei Metall Salz Kalk Stein]]
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Extrahierte Personennamen: Cassel Constanz Metz
Extrahierte Ortsnamen: Württemberg Bayern Deutschland Aachen Arnsberg Berlin Braunschweig Bremen Breslau Coblenz Cöslin Danzig Darmstadt Dresden Düsseldorf Erfurt Frankfurt Frankfurt Hamburg Hannover Karlsruhe Kiel Königsberg Leipzig Liegnitz Magdeburg Minden Oldenburg Oppeln Posen Potsdam Schwerin Stettin Trier Leipzig Berlin Breslau Würzburg Heidelberg Bonn Königsberg Jena Marburg Freiburg Kiel Rostock Karlsruhe Berlin Hannover Dresden Aachen Sachsen Bayern Mecklenburg Hessen Hessen Württemberg Sachsen Baden Frankfurt Luxemburg Oldenburg Hamburg Bremen Altona Baden Schaffhausen Deutschland England Nordamerika England Spanien Belgien Schlesien Sachsen Westfalen Rheinland Sachsen Schlesien Westfalen
Königreich Preußen.
67
Westfalen. Holstein führt jährlich ca. 5000 Schweine aus, Bienenzucht
treibt man in Hannover und Preußen, etwas Seidenzucht in Branden-
burg (25oo Pfund Rohseide). Der Fischfang ist gering. Außer-
dem liefert die See Austern in Holstein, Bernstein an der preußischen
Küste.
§ 90* Die Industrie steht in hoher Blüte; Berlin und Elber-
feld sind Plätze ersten Ranges auf dem Continent. Die wichtigsten
Industriezweige sind Wollen- und Baumw.-, Leinen-, Seide- und
Eisenfabr. Die Streichgarnspinnereien haben ihren Hauptsitz in Aachen
und Düren. Die größten Tuchfabriken hat Brandenburg, feinere
Waare liefert Schlesien, und vor allem das Rheinland (Aachen). Durch
seine Wollsammete fft Berlin bekannt. Der Hauptsitz der Baumwoll-
fabrication befindet sich im Rheinland, namentlich in Elberfeld und
Barmen; außerdem in Hannover, Eilenburg u. a. Die Zahl der
Feinspindeln beläuft sich etwa auf 3 Mill. Die Seidenmanufaktur
ist in erster Reihe durch Krefeld vertreten; danach in Elberfeld und
Barmen. Schalsabriken bestehen meist in Berlin; ebenso ist Berlin
Hauptplatz für die Teppichmanufaktur. Für feine Leinen ist West-
falen, außerdem Schlesien und Hannover bekannt. Für Eisen-, Blech-
und Drathwaarenfabr. ist Rheinland-Westfalen der Hauptsitz, besonders
Remscheid, Hagen. Das großartigste Werk dieser Art ist die Kruppsche
Gußstahlfabrik in Essen, welche Kanonen, Geschosse, Achsen rc. liefert.
Für Messer, Scheeren, Klingen aller Art ist Solingen, und Remscheid
weltbekannt. Waffen, Gewehre liefert Suhl und Sömmerda (Dreiste,
Reformator der Jnfanteriebewaffnung, f 1867), ferner Solingen. —
Gold- und Silberwaaren, sowie Neusilberwaaren kommen aus
Berlin und Hanau. Altena liefert Neusilber-, Messing- und Tomback-
bleche. An Nähnadeln producirt Aachen allein gegen 1300 Millionen,
welche namentlich nach Nordamerika und Frankreich gehen; Iserlohn
liefert die Hälfte. Die berühmtesten Papierfabriken finden sich in
Düren. Der Hauptsitz der deutschen Gummi- und Guttapercha-
Verarbeitung ist Harburg, außerdem Berlin. Die großartigste Glas-
hütte findet sich zu Baruth in der Mark; die bedeutendsten Tafelglas-
hütten liegen an der Saar; ausgezeichnetes Porzellan liefert Berlin
und Schlesien. Die größten Rübenzuckerfabriken gibts bei Mag-
deburg, die Tabaksfabrication hat ihren Sitz in Köln, Duisburg,
Magdeburg, Berlin und Osnabrück. Der Hauptsitz der auf Salz be-
gründeten Chemikalienfabriken ist Sachsen, besonders Staßfurt;
ferner Erfurt und Duisburg. Höchst, Biberich, Elberfeld, Barmen und
Crefeld sind durch Anilinfarben und künstliches Alizarin bekannt, Halle
und Weißenfels durch Paraffin.
§ 91. Der Handel. Die Handelsmarine zählt 3000 See-
schiffe mit 500,000 Tonnen Last. Die bedeutendsten Seeplätze sind:
Stettin, Danzig, Altona, Königsberg, Memel, Stralsund,
Swinemünde, Kiel, Flensburg, Harburg, Emden. See-
handel wird.vor allem mit England, ferner mit Dänemark, Nieder-
lande, Rußland und Skandinavien getrieben. Der Verkehr ist sehr
belebt, die manigfachen Jndustrieerzeugnisse und Rohprodukte werden
5*
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
TM Hauptwörter (100): [T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T66: [Stadt Kreis Einw. Berlin Einwohner Schloß Regierungsbezirk Sitz Provinz Düsseldorf], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr]]
Extrahierte Personennamen: Hagen
Extrahierte Ortsnamen: Westfalen Holstein Hannover Holstein Bernstein Berlin Aachen Brandenburg Rheinland Aachen Berlin Rheinland Elberfeld Barmen Hannover Eilenburg Krefeld Elberfeld Barmen Berlin Berlin Rheinland-Westfalen Hagen Solingen Remscheid Solingen Berlin Hanau Altena Aachen Nordamerika Frankreich Iserlohn Harburg Berlin Berlin Schlesien Duisburg Magdeburg Berlin Sachsen Duisburg Elberfeld Barmen Stettin Danzig Altona Königsberg Stralsund Kiel Flensburg Harburg Emden England Skandinavien