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1. Bd. 2 - S. 489

1854 - Leipzig : Engelmann
Neuere und neueste Literatur des Auslandes. 489 schen Urtheils, dieser wegen seines trefflichen mit rührendem Pathos verbundenen Humors und Witzes und seiner tiefen Seelenkenntniß. Ed. Lytton Buiwer hat sich in der lyrischen und dramatischen Poesie versucht Bulwer aber nirgends solchen Ruf erlangt wie in seinen Romanen, unter denen „Pelham“; Eu-9ct’-1803‘ gen Aram“; „Ernst Maltravers“ ; Night and morning“ , so wie sein berühmtes Ge- mälde des Alterthums „the last days of Pompeji“ und die historischen Romane „Lola Kienxi" ; „the last of the barons"; ,,the Caxtons“ und „Harold“ hervorzuheben sind. Schöne, harmonische Sprache, scharfer Verstand und Menschenkenntniß, feine Beobach- tungsgabe und kunstmäßige Beherrschung und Anordnung des Stoffes geben sich allent- halben kund; dagegen steht er an Macht und Fülle der Erfindung, an Mannichfaltigkeit der Charakterzeichnung und an Entfaltung kräftiger Leidenschaften manchen Andern nach. „Er ist mehr ein reflectirender als schöpferischer Geist, mehr Künstler als Dichter und bleibt und läßt stets besonnen." Durch sein interessanees Buch „England und die Engländer" hat Bulwer eine neue Gattung ethnographischer Literatur hervocgerufen. Charles Dickens (Boz) genannt Boz begründete schon durch seine ersten humoristischen Werke „Sketches opgeb.1812. London“, wozu ihm das reiche Volksleben der englischen Weltstadt den Stoff bot, und die „Pickwick-papers“ seinen Ruf als witziger und zugleich gemüthvollcr Volksschriststcl- ler. Schärfe der Anschauungskraft, heitere Laune, treffende Satire und hinreißende Komik verbunden mit ergreifendem Pathos sind die Vorzüge des mit harmloser Bewußtlosigkeit geschilderten Abenteurerlebens des Herrn Pickwick und seiner drei Freunde, worin das Leben und Treiben des englischen Volks, besonders der untern und Mittlern Klassen ergötzlich dargestellt sind. Seine nachfolgenden Werke „Oliver Twist“ ; „Nicholas Nickleby“ ; „Master Humphrey’s clock" u. a. sind vielleicht in künstlerischer Hinsicht ausgebildeter, stehen aber an Kraft und Naivetät den Pickwickpapers nach. Dickens volksthümlicher Sittenroman voll lebendiger Gestaltungen aus dem wirklichen Leben gewährt nicht blos Unterhaltung und Belehrung, er sucht auch das Loos der Armen und Gedrückten zu bessern und Balsam in ihre Wunden zu gießen. Neben Bulwer und Dickens verdienen noch der als gemüthvoller Lyriker, als Dramatiker und besonders als Versaffer von Skizzen und Erzählungen (,,tales 1334. front Shakespeare“) bekannte Charles Lamb (Elia) und der Amerikaner^,^783? Washington Irving von Neu-Pork genannt zu werden. Der letztere, durch vieljährige Reisen in allen europäischen Ländern mit den Sitten und Eigenthüm- lichkeiten der meisten Völker vertraut, hat in seinem weitverbreiteten „Skizzen- buch" eine anziehende Schilderung des englischen und amerikanischen Lebens und in „Alhantkra“ ein begeistertes Gemälde der romantischen Zeit Spaniens unter der Herrschaft der Mauren gegeben. Nachdem er noch in dem anmuthigen Buche „Bracebridge-Hall" und in den „tales of a traveller“ seine Kunst in Natur- schilderungen beurkundet, wendete er sich der hier und da humoristisch und roman- haft gefärbten Geschichtschreibung zu (Neuyork; Columbus; Mahomet), doch kommt er in dieser Gattung seinen beiden Landsmännern Prescott („Erobe- rung von Mexico und Peru" u.a.w.) und B ancr oft („Geschichte der Vereins- staaten von Amerika") an Ernst und Gründlichkeit nicht gleich. — Auch in England ist in der neuesten Zeit die Geschichtschreibung mit trefflichen Schriftenschreibung insbesondere über die Landesgeschichte, bereichert worden. Sharon Turner und John Lingard beschrieben die ältere Geschichte Englands in bändereichen 1847. Werken, jener vom Standpunkte eines Anglikaners, mehr gelehrt und gründlich 17^— als geschmackvoll, dieser mit der bewußten Parteilichkeit eines strenggläubigen Ka- issi, tholiken, aber mit Geist, Kunst und Quellenstudium. Mit größerer Unpartei- lichkeit und klarer Durchdringung des Stoffs behandelte Hallam die Geschichte

2. Bd. 2 - S. 604

1854 - Leipzig : Engelmann
604 Die jüngsten Revolutionsstürme. in einigen Punkten wollte es besonnene, konservative Männer bedünken, als sei den ungestümen Forderungen des Zeitgeistes allzu viel Rechnung getragen. Man hatte sich bei der Anfertigung dem Entwürfe der Verfastungscommission in der preußischen Nationalversammlung eng angeschlosien und theils die wichtigsten Be- schlüsse des aufgelös'ten Reichstags, theils die Bestimmungen der Frankfurter Versammlung über die Grundrechte darin ausgenommen und überdies den Weg einer Verständigung offen gehalten. Beide Kammern sollten durch Volkswahl vermittelst Wahlmanner (indirektes Wahlverfahren) gebildet werden, nur daß für die erste eine bestimmte Steuersumme (Census) und ein höheres Alter festgesetzt war, indeß für die zweite das Wahlrecht unbeschrankt sein sollte. Darum ver- söhnte sich auch die öffentliche Meinung schnell mit der dargebotenen Verfassung; und selbst die Demokraten fügten sich in die Verhältnisse, die sich über Erwarten günstig für sie gestaltet hatten, und rüsteten sich zum neuen Wahlkampf. Die preußische Krone hatte ihre Kraft gezeigt; der Sieg war erfochten, aber groß- müthig gewahrte die Regierung die vom Volke angestrebte Freiheit im reichsten Maaße als freiwillige Gabe. So ging unter freudigen Hoffnungen für Preußen das verhängnisvolle Jahr 1848 zu Ende. §. 863. 3. D e r östreichische Reichstag und die Wiener Zu- stande. In den Maitagen 1848, als Kaifer Ferdinand noch in Innsbruck weilte (§. 849.), begannen die Wahlen zum östreichischen constituirenden Reichs- tag nach dem allgemeinen Stimmrecht und im Juli konnten die Sitzungen eröffnet werden. Die Versammlung bot einen merkwürdigen Anblick. Abgeordnete, den verschiedensten Volksstammen und Standen angehörend, darunter 32 galizische Bauern in leinenen oder härenen, an die Steppe erinnernden Kitteln, die nicht lesen und schreiben konnten und die deutsche Sprache nicht verstanden, waren zur Anfertigung einer gemeinsamen Reichsverfassung vereinigt, von deren Beschaffen- heit nur Wenige einen klaren Begriff hatten. Wie sollte sich eine Versammlung, in der nicht nur politische Meinungsverschiedenheit, sondern auch nationale In- teressen und tiesgewurzelter Stammeshaß weite Spaltungen schufen, zu einem Verfassungswerk einigen, das für alle Landestheile der östreichischen Monarchie, so verschiedenartig an Abstammung, Einrichtungen und Bedürfnissen, geeignet gewesen wäre? Daß ein solches Unternehmen scheitern mußte, lag in der Natur der Sache, waren auch die Zustande der Hauptstadt und des Reichs minder schwierig und verwirrt gewesen als sie in der That waren. Italien im offenen Krieg, Böhmen und Ungarn im Aufstand, die Grenzlander leidenschaftlich auf- geregt, Wien von Anarchisten durchwühlt; der Staatshaushalt in Verwirrung und die Finanznoth fo groß, daß jede Ausfuhr baaren Geldes monatelang unter- sagt und Papiergeld zu den geringsten Werthen ausgegeben werden mußte. Wie konnte unter solchen Umstanden ein Werk gedeihen, zu dem Ruhe, Ordnung und Einsicht gehörte? Auch kam die Versammlung eigentlich nicht zur Vornahme ihrer Aufgabe; die äußern Verhältnisse drängten so mächtig an sie heran, daß sie sich ihren Einflüssen nicht zu entziehen vermochte und daher den Gang ihrer Be- rathung stets mit Tagesfragen und Interpellationen an die Minister unterbrechen mußte. Nachdem an die Stelle von Pillersdorf ein neues Ministerium unter Wessenbergs Vorsitz getreten, in dem Doblhoff (Inneres), Latour (Krieg), Schwarzenberg (Arbeiten), Hornbostel (Handel) die bedeutend- sten Mitglieder waren, wurde am 22. Juli der Reichstag feierlich eröffnet. Die Verhandlungen nahmen aber bald einen heftigen Charakter, der auch nach des -Kaijers halb erzwungener Rückkehr nicht gemildert wurde und mit dem unruhi- gen Treiben der leidenschaftlich erregten untern Volksklassen der Hauptstadt in

3. Bd. 2 - S. 16

1854 - Leipzig : Engelmann
16 Altdeutsche Dichtung. Herz von Tristan, der in ihrer Nähe bleibt, abzuwenden, sondern nimmt zu List, Betrug, Lüge und Meineid ihre Zuflucht, um hinter Marke's Rücken ihr Liebesverhältniß mittristan fortzusetzen, bis der betrogene Gatte, der Isolden innig liebt, die Wahrheit ahnt und beide von stch stößt. Aber dadurch bewirkt er nur ihr Glück. In einem Walde finden sie eine Höhle, die sie zu ihrem Wohnorte wählen und nun ganz sich und ihrer Liebe leben, über der sie Alles, selbst die Nahrung vergessen, ein Zustand, der von dem Dichter mit bezaubernder Kunst, Zartheit und Lieblichkeit beschrieben ist. Marke, von Liebe gequält, sucht sic endlich wieder auf und aufs Neue durch Versicherungen von Isoldens Treue getäuscht, führt er beide an seinen Hof zurück, wo sie jedoch ihr früheres Verhältniß fortsetzen. Als Marke zuletzt nicht mehr hintergangcn werden kann, verläßt Tristan den Hof und lernt nach einiger Zeit eine andere Isolde kennen, welche allmählich die erstere aus seinem Herzen verdrängt, so sehr er es sich auch durch Selbst- täuschung zu verbergen sucht. Hier bricht das Gedicht ab, in dessen Natur es liegt, unvollendet zu bleiben, ob es gleich nach Gottfrieds Tod zwei Fortsetzer (Freiber g und Türheim) gefunden hat, welche die weitern Schicksale der Liebenden bis zu ihrem Tode erzählen. Marke, der jetzt erst die Ursache ihrer Liebe erfährt, läßt sie begraben und einen Rosenstrauch und eine Weinrebe auf ihr Grab pflanzen. Auch die neue Bearbeitung dieser alten Liebessage von Immermann blieb unbeendigt. Für die Erkcnntniß jener Zeit der Minne ist dieses in Form vollendete und im Ausmalen und Schildern der Zustände eines auf Sinnlichkeit gegründeten Seelen- und Gefühlslebens unerreichte Gedicht höchst wichtig. Seitdem ist die Geschlechtsliebe, wo nicht das Centrum, so doch ein „Stern" der Dichtung geblieben. Ii. Verfall der epischen Ritterdichtung. Z. Gottfrieds Schule. §. 21. In Go ttfried und Wolfram erreichte das Ritterepos seine höchste Stufe; und da in der nächsten Zeit keine neue Bahn eingeschlagen wurde, sondern die schon bekannten Stoffe eine nochmalige Bearbeitung, Erweiterung und Fortsetzung er- fuhren, so konnte sich die Dichtung nicht lange auf dem Höhepunkt erhalten, wenn gleich die hohe Vollendung beider noch eine Nachblüthe hcrvorbrachte« Die epischen Dichter des 13. Iahrh. nahmen größtcnthcils Gottfrieds Manier an, dessen heiterer Weltsinn, sinnliche Lüsternheit und leichte Moral, verbunden mit der Schönheit der Form und der Klarheit der Behandlung, der Zeit mehr zusagte als der feierliche Ernst des Par- zival. Je mehr in der Wirklichkeit der religiöse Rittersinn der Kreuzfahrer einem wil- den Raub- und Fehdcwesen wich, je mehr der Frauendienst von seiner ursprünglichen Unschuld und Reinheit sich entfernte und ins Gemeine und Frivole ausartete, desto mehr Gefallen fand man an den üppigen Schilderungen und dem leichtfertigen Tone, den Gottfried mit Talent und Takt angestimmt, den aber seine Nachahmer übertrieben. An Zierlichkeit und Glätte in der Form, an Reimfcrtigkeit und Sprachgewandtheit bleibt Gottfrieds Schule ausgezeichnet; aber das Festhalten bei den alten Stoffen und Sa- genkreisen (Al exa nd er sage von R u d. v o n H o henem s; tr o j an i sch er Krieg von Konrad von Würzb urg, ff 1287), die man nur durch Erweiterung und Aufhäufung alles Bekannten, durch Ausmalen einzelner Situationen und durch Verweilen beim Schlüpfrigen und Sentimentalen neu und interessant zu machen hoffte, beweist sowohl die Armuth der Dichter im Erfinden und Schaffen, als den Mangel sittlichen Ernstes und männlicher Charakterfestigkeit. Alles war auf Unterhaltung und Zeitvertreib abgesehen. — Neben der Innern Entartung des Ritterthums machte sich eine äußere Frömmigkeit be- merkbar, die sich in Werkheiligkeit und übertriebener Verehrung der Gottesmutter und der Heiligen kund gibt. Diese Richtung, die von der religiösen Weihe der Kreuzzüge weit entfernt ist, führt im 13. Iahrh. die Ritter auf die früher von den Geistlichen behandelten Legenden und Heiligengeschichten, wobei sic gleichfalls nur sammelnd, erwei- ternd und ergänzend zu Werke gingen, wenn gleich einigen dieser Rittcrlegendcn (z. B. dem „h e i l. G e or g" von Rein bot, c. 1250, dem „heil. Alexiu s" und der „g o l- d en en S ch m i e d e" K o n ra d s v on W ür zb u r g, einer Verherrlichung der „Himmels-

4. Bd. 2 - S. 20

1854 - Leipzig : Engelmann
20 Altdeutsche Dichtung. sei und empfiehlt Reue und Besserung in Zeiten. „Ueberall treffen wir dieselbe kernige, durch und durch gesunde, aus dem edelsten Boden der deutschen Nation ausgewachsene Gesinnung, den echten volksmäßigen Ernst, der aus unbefangener Heiterkeit, und den echten, edlen volksthümlichen Scherz, der aus tiefernster Gesinnung hervorgeht." — Im Stricker, einem mittelmäßigen Dichter aus Oestreich, findet man schon das bürgerliche Element mit dem ritterlichen gepaart; denn während er in der „Frau en eh re" über den Verfall des Ritterthums, die Entartung des Minnedienstes und die Abnahme der Kunst und des Geschmacks klagt, enthält ein anderes Gedicht von ihm, „die Welt" (eine bunte Sammlung von Beispielen und Gleichnissen, die sich hauptsächlich um Ehe und Haus und die niedern Verhältnisse des Lebens bewegen), allerlei Schwänke, Fabeln, Erzählungen und Allegorien mit einer moralischen Nutzanwendung, im Geiste des Bürgerthums. *) Die deutschen Svrüchwörter enthalten hauptsächlich Klugheits - und Lebensregeln und gehen eben so auf Begründung der Mensch enkcnntniß aus, wie die griech. Sprüche auf S e l b st e r k e n n tu i ß und die hebräischen (Salomo's) auf moralische Belehrung. §. 25, B eispiele. Der Renner. Boner's Edelstein. Als im 14. Jahrh. dem entarteten, nur auf Raub - und Wegelagcrn bedachten Rirterthum das Stadtewcsen mit seinem frischen frohen Leben, seiner bürgerlichen Freiheit und seinem häuslichen Wohl- stand siegreich gegenübertrat, erlag auch bald die ritterliche Dichtung der bürgerlichen Lehrpocsie. An die Stelle der Klage über den Verfall des Ritterwesens und Minnedienstes tritt allmählich die heitere Lust des Volks, und der entarteten Rittcrpocsie lagert sich das Lehrgedicht, die Fabel und der Schwank gegenüber, und verdrängt jene mit der Zeit. Enthält des Strickers Welt noch Beziehungen zur Minne und zum Ritterthum, so ist dagegen im Nenner des Hugo von Trimberg (o. 130») und im Edelstein des Ulrich Boner (eines Berner Prcdigermbnchs, o. 1335) Belehrung und Besserung des Volks einziger Zweck. Hugo von Trimberg, Schulrektor zu Bamberg, eifert, gleich den Mysti- kern seiner Zeit (§, 357.), gegen die Verderbniß der Welt, aber nicht mehr, wie der Stricker und Freidank, in wehmüthiger Klage über das gesunkene Ritterthum, sondern in ernster Rüge wie ein strenger Sittenprediger, der alle Stände und Verhältnisse ins Auge saßt. Der Grund alles Verderbens liegt ihm in Hoffahrt, Habgier und Unmäßigkeit (Fraß), die er daher mit Ernst bei allen Ständen rügt. Besonders ist die bei allen Klassen herrschende Erwerbsucht, woraus Unzufriedenheit, Neid und andere Ucbcl entstehen , der Hauptgcgenstand seiner Angriffe. Praklische Belehrung der Laien durch Beispiele, Gleichnisse, Fabeln, Geschichten, Bilder und direkte Vermahnung ist der Zweck dieses moralischen Sammelwerks, das er Nenner nennt, „weil cs rennen soll durch die Lande" und das er selbst einem Pferde vergleicht, das mit seinem Reiter durchgegangen und nun nach eige- ner Wahl dahinrenne. Sein Sinn ist aufs Religiöse gerichtet. Wie die Mystiker weist er auf die Bibel als die Quelle und den Mittelpunkt aller Weisheit hin, eifert nicht nur gegen die Ritterromane als Lügenwerk, sondern findet auch in den Büchern der alten Heiden mancherlei Gift. Neben dem Renner war das gelesenste Buch der Edelstein des Ulrich Boner (Bonerius), eine Sammlung von Fabeln, Sprüchen und Erzählungen, die in einfacher klarer Sprache einen Schatz von gesunden Lebcnsregeln, von Welt- und Mcnschenkcnntniß enthalten. Der „Edelstein" war das erste deutsche Buch, das im Druck erschien (1461). Der ehrliche Fabeldichter, der seinen Stoff größtentheils dem Alterthum entlehnt, ist, wie Hugo, ein Feind der eitel» Gelehrsamkeit und züchtigt, wie er, den Uebermuth und die Gewaltlhat der Großen, die Erwerbsucht und den nur aufs Irdische gerichteten Sinn des Volks; doch sind die Lehren seiner Fabeln mehr allgemein gehalten. Diese didaktische Poesie, besonders unter der Form der B eispi e l e, dauert durchs 14, und 15. Jahrh. fort. Man benutzte allerlei im Volke vorhandene Stoffe, um mo- ralische Lehren und Nutzanwendungen daran zu knüpfen (so Konrad von Ammenhusen [ 1337] das Schachspiel in seinem Schach zabelbuch, und die unter dem Namen „Winsbeke" bekannte Unterweisung eines Vaters an seinen Sohn und das belehrende

5. Bd. 2 - S. 438

1854 - Leipzig : Engelmann
438 Auflösung des Kaiserreichs und Begründung neuer Zustände. Nach diesem Staatsgrundgesetz ist der constitutionelle König mit der Fülle der aus- übenden Macht bekleidet und die Quelle der Gesetzgebung; diese Gesetzgebung üben gemeinschaftlich mit ihm, nach den Vorlagen derregierung, zweikammern, eine vom König ernannte Kammer erblicher, mit dem Majoratsrechte versehener Pairs, und eine durch Wahl gebildete D ep u tirte nkamm er; dieser steht das Recht der Steuerbewilligung und die Einsicht in die Verwendung der S t a a t s g e l d e r zu. Der Census eines Deputirten beträgt 1000 Fr. direkter Steuer, der eines Wahlherrn 300 Fr., die übrigen Hauptpunkte sind: Verantwortlichkeit der Minister; Unabhängigkeit der Gerichte mit Geschwornen; Religions- und Preßfreiheit; Anerkennung des Verkaufs der Nationalgüter, der Staatsschuld und des alten und neuen Adels; gleiche Berechtigung aller Bürger zu den Staats- und Kriegsämtern u. dgl. Auch sollte Niemand seiner bis- herigen Meinungen und Abstimmungen wegen verfolgt und beunruhigt werden. Aber nur zu bald zeigte es sich, „daß die Bourbons nichts gelernt und nichts vergessen hatten." Die Erinnerungen der Revolution und der Kaiserzeit wurden so viel als möglich vertilgt; die dreifarbige Nationalcocarde wurde durch die weiße ersetzt; die alten Aristokraten behandelten die neuen Emporkömmlinge mit Hohn und Uebermuth und verdrängten sie aus der Nahe des Hofes, wo der hoffartige Graf von Artois und die finstere, schwergeprüfte, mit Haß und Groll gegen die Revolutionsmänner erfüllte Herzogin von Angouleme (Tochter Lud-' wigs Xvi.) den Ton angaben. Die verabschiedeten Garden mußten gutbezahlten Schweizern weichen; die Offiziere der großen Armee wurden mit halbem Solde entlassen; die E h renlegi on durch Verleihung zahlloser Kreuze an Unwürdige gemein und verächtlich gemacht; dem verbannten Kaiser selbst der Vertrag nicht gehalten. Der Hof lebte im Ueberfluß, indeß das Volk von der Last der unver- minderten Abgaben und von den Folgen der Kriegsleiden schwer gedrückt ward; der Klerus und die Emigranten, die im Schlosse besonders Gnade fanden, dachten an die Wiedererlangung ihrer verlornen Güter, Zehnten und Feudalrechte. Dabei war Ludwig Xviii. ein körperlich unbeholfener Mann, ohne Würde und Ansehen, wenn gleich nicht ohne Verstand und Herzensgüte, und sein Günstling B laca s, von dem alle Staatsgeschäfte geleitet wurden, ein beschrankter Kopf.— Eine große Verstimmung bemächtigte sich der Nation; der Wunsch einer Aende- rung wurde aufs Neue rege, besonders als gegen 100,000 Soldaten theils aus der Kriegsgefangenschaft theils aus den fremden Festungen in die Heimath zurück- kehrten und ihre bonapartische Gesinnung im ganzen Lande verbreiteten. 3. Die Herrschaft der hundert Tage. tz. 775. Napoleons Wiederkunft. Als Napoleon die Fehlgriffe der Bourbons erkannte, als er vernahm, daß man den Emigranten ihre Güter zurückgeben wollte, „weil sie auf der geraden Bahn gewandelt," als er von Fouche, Davoust, Carnot, Maret, der Herzogin von St. Leu und andern seiner Anhänger, die mit ihm in ununterbrochenem Verkehr standen, über die Stimmung des Volks unterrichtet wurde, da versuchte er abermals .Mäaz.sein Glück. Mit einigen hundert Mann landete er an Frankreichs-Südküste (bei Cannes), durch mehrere klug berechnete und rasch verbreitete Proclama- tionen, in denen er dem Volke den Fortbesitz seines Eigenthums und aller durch die Revolution erworbenen Vortheile, dem Soldaten Kriegsruhm

6. Bd. 2 - S. 54

1854 - Leipzig : Engelmann
54 Deutschlands klassische Literatur. seines Hauptes gezählt seien. Er sah in jedem Ereigniß, in jedem Zufall die Hand Gottes, mit dem er sich in persönlichem Verkehr glaubte; er fühlte zu Christus eine persönliche Liebe. Dieser Glaube bewirkte, daß er unter allen Widerwärtigkeiten seine Sanftmuth, seine Menschenliebe und sein Gottvertrauen bewahrte. Seine Werke, namentlich seine Romane lmorgenthau; Florentin von Fahlendorn; Theobald der Schwärmer u. a.), die alle eine religiöse Tendenz haben und darum viel Schwärmerisches und Mystisches, viel Wunder- und Aberglauben enthalten, sind nicht ohne Poesie und tiefes Gefühl. — Gegen Oie verflachende Richtung Spaldings und der Rationalisten trat auch Herder auf; in den Provinzialblattern suchte er dem Christenthum seine Weihe und dem Predigtamte die Würde des alten Priester- und Prophetenthums zurückzugeben; da er aber das Christ- liche im Reinmcnschlichen (Humanität) aufgehen ließ, ein poetisches Urchristcnthum, fern von allem Dogmatismus, als ideale Religion hinstellte und einer Weltkirche mit mög- lichst einfachem Glaubensgrund das Wort redete, erfuhr er mancherlei Widersprüche und Anfechtungen. §. 62. Erziehungswesen. Kinder- und V olkssch riftcn. Die religiösen Bewegungen, die nur die obcrn Schichten der Gesellschaft berührten, hatten auf Kirche und Leben weniger Einfluß als die gleichzeitigen Reformen im Erziehungswesen auf 4/23— Schule und Haus. Joh. Bernhard Basedow aus Hamburg, ein unruhiger, wandelba- 1/ü0- rer, aber anregender Mann, der durch Rousseau's Emil von der Theologie aus das Gebiet der Pädagogik geführt wurde, gab den Anstoß zur Befreiung der Schule von der Herr- schaft der Geistlichkeit und der Kirche. Durch sein mit unerhörter Prahlerei und Wichtig- thuerei angekündigtes Elementar werk und durch seine unter dem Beistände des men- schenfreundlichen Fürsten von Dessau in dieser Stadt errichtete Musterschule und Lehrer- seminar (P h ilan thr op in u m) wurde er Reformator des Erziehungswesens. Zwar war der oberflächliche, zanksüchtige Basedow, der weder häuslichen Sinn noch Gemüth besaß und an einem regellosen, unsittlichen Leben, an Spiel, Tabak und Trunk Gefallen fand, nicht der geeignete Mann, der Anstalt Fortdauer, Halt und Gedeihen zu verleihen; aber sein auf R o u ssea u's philanthropischen Grundsätzen aufgebautes System , das auf Erleichterung des Unterrichts und aus Verbreitung von Kenntnissen und Bildung unter den niedern Volksklassen hinauslief, wurde von andern strebsamen Männern weiter geführt und brach sich überallhin Bahn. Die nach dem Dcssauer Philanthropin in der Schweiz und in verschiedenen Gegenden Deutschlands errichteten Anstalten führten eine gänzliche Pestalvzzi Umgestaltung des Schulwesens herbei, namentlich als der für Kindererziehung und Volks- 1746— bildung begeisterte Schweizer Joh. Heinr. Pestalozzi das von Basedow und seinen Schü- Lv/' lern Campe, Salzmann und Anderen Begonnene zum Ziel führte. Eine große Menge Kinderbücher und Volksschriften waren die nächste Folge dieser neuen Bestrebun- gen, doch hat keines der erstern den Ruf von Ca mp e's R o bi n son Cru so e und Ent- deckung von Amerika und keine der letzter» den Werth des gemüthlichcn Romans Lienhard und Gertrud von Pestalozzi erreicht. Basedow war Anfangs Theolog und schrieb im Sinuc der Rationalisten eine Reihe theologischer Schriften, die ihm aber weder Ruhm noch Gewinn in hohem Grade brachten. Da warf sich der thätigc Mann, dessen unruhige Natur sich schon aus seinem vielbewegten Leben kund gibt, auf das Erziehungswesen und traf in einer Anzahl p ä d a g o g i sch er S ch r i ft en so richtig die Stimmung und Gesinnung der von Sentimentalität und Hnmanitätsideen durchdrungenen Nation, dass die im Vertrauen auf die öffentliche Meinung unternommene Subscription auf sein Elementarwerk sich in Kurzem auf die hohe Summe von 15,000 Thalcrn belief. — Der gute Erfolg, den die Kinder- und V o l ks sch ri ste n bei der empfänglichen Nation hatten, bewirkte, daß Deutschland in Kurzem von einer Fluth matthcrziger Kin- derbücher zur Belehrung und Unterhaltung überschwemmt wurde. Camp e's zahlreiche Schriften und Reisebeschreibungen, mit eingestreuten läppischen Gesprächen und Bemer- kungen; Salzmann's wässerige und langweilige Bücher; der Kind er freu n d des

7. Bd. 2 - S. 55

1854 - Leipzig : Engelmann
Ueberschau und Vorblick. 55 dramatischen Dichters Christ. Felix Weiße und viele ähnliche Produkte brachten ihren Bersassern Ruhm und Gewinn.— Ein gleicher Eifer erwachte für volksfreundliche Schrift- stellern und für die Belehrung des Landmanns, seitdem der wackere und verständige I. G. Schlosser in seinem Katechismus der Sittenlehre für das Landvolk die Bahn gebrochen und Fr. Eberh. v. Rochow seinem Beispiel gefolgt war. Doch verdient nur Pestalozzi's erwähntes Volksbuch eine Auszeichnung wegen „dereinfalt und Schlicht- heit, mit der es dem Volke seinen Gesichtskreis entlehnt und seine Denk- und Handlungs- weise und die Freuden des häuslichen Herdes schildert, um es an sich selbst und innerhalb seiner Sphäre fortzubilden." Wie nichtig nimmt sich dagegen Salzmann's Roman „Karl von Karlsberg oder über das menschliche Elend" aus. Z. 63. Philosophie. In der aufgeregten Zeit, wo der Geist sich bemühte, alle seinen freien Flug hemmenden Fesseln abzustreifen, konnte sich die Leibnitz-Wolsische Schul- philosophie (A. §. 53.) mit ihrem Formelkram nicht halten ; eben so wenig war das System des gelehrten, trockenen und grübelnden Crusius zu Leipzig im Stande, die strebsame Jugend zu fesseln; die Zeit der geschmacklosen, auf unerquicklichen Theorien und unver- ständlichen Terminologien beruhenden Wcltweisheit schien vorüber und Männer von lite- rarischer Bildung und ästhetischem Sinn, wie Moses Mendelssohn („Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele"); Garve („Cicero von den Pflichten" u. a.); Abbt („vom Tode für's Vaterland") u. A. kleideten ihre philosophischen Betrachtungen in ge- schmackvolle Form und in verständliche Sprache ohne dunkle Schulausdrücke. Selbst die Lehrer der Philosophie aus Universitäten, wie I. Gg. Heinr. Feder in Göttingen , hul- digten den Forderungen der Zeit und befleißigten sich in Vorlrag und Schrift einer faßli- chen, geschmackvollen Darstellung. Dadurch gewann zwar die philosophische Wissenschaft an Klarheit und formaler Ausbildung, aber Gehalt, Gründlichkeit und Tiefe verschwan- den. Ein oberflächlicher Eklekticism us , vom flachen Dilettantismus nicht viel ver- schieden, gab sich für ächte Weltweisheit aus. Da wurde Immanuel Kant in Königs- 1724— berg der Schöpfer eines neuen philosophischen Systems, das, Anfangs 1804- wegen seiner Schwierigkeit wenig beachtet, bald eine gänzliche Umgestaltung aller Wissen- schaften zur Folge hatte. In seinen Schriften, unter denen seine drei Hauptwerke: Kri- tik der reinen Vernunft, Kritik der praktischen Vernunft, und Kritik der Ur th e ils kraft als Grundpfeiler emporragen, bestimmte er genau die Beschaffen- heit und nothwendigen Grenzen des menschlichen Erkenntnißvermögens, stellte die Moral als wesentliche Grundlage aller vernünftigen Religion auf und gab der Rcchtslehre und Aesthetik einen festen, einfachen Boden. Hatte Anfangs die Kant'schc Philosophie zu we- nig Anerkennung gefunden, so erlebte sie bald das Gegentheil. Sie fand Eingang in alle Wissenschaften und Literaturzweige, in die Poesie und ins Leben; sic bewirkte eine gänz- liche Reform der Philosophie und bahnte den Weg zu der freien theologischen Richtung, die man seitdem mit dem Namen Rationalismus (Denkgläubigkeit) belegte, und die Heftigkeit, womit Fähige und Unfähige als Verfechter oder Gegner der neuen Weisheit zum Kamps auszogen, gab Zeugniß von dem mächtigen Eindruck, den seine Grund- sätze auf alle Gebildeten hervorgebracht. Zur Verbreitung der neuen Philosophie trug Wie- lands Schwiegersohn, der aus dem Jesuitenorden ausgeschiedene und zum Protestantis- mus übergetretcne Philosoph Reinhold, welcher im „deutschen Merkur" Briefe über die Kant'schc Philosophie veröffentlichte und in Jena vielbesuchte Vorlesungen darüber hielt, nicht wenig bei. — Kant's großer, scharfsinniger Schüler, Fichte, ein muthvoller, rtickue charakterfester Mann von ächt deutscher Gesinnung, nahm einen kühnen Flug, indem er isut von dem Kant'schen Kriticismus zu dem reinen Id eal is m u s überging, in seiner „Wis- senschaftslehre" das Ich als das Erste und Ursprüngliche setzte und in seinem „System der Sittenlehre" Freiheit und Selbstthätigkeit als Ziel des sittlichen Strcbens hinftelltc. — An Fichte's Grundsätze knüpfte sein Jünger und Nachfolger, Schelling, seine, auf einer

8. Bd. 2 - S. 560

1854 - Leipzig : Engelmann
560 Okt.1831. 1832. 12. Juni 1834. Die Zeit des französischen Bürgerkönigthums. den Vorwurf der Parteilichkeit zu und beluden ihr System mit dem gehässigen Schein der Rache und des Mißbrauchs der Gewalt zu persönlichen Zwecken. Der von Oestreich und Preußen geleitete Bu n d e s t a g trat dem demokratischen Geiste, der sein Organ hauptsächlich in den Landtagen hatte, immer scharfer entgegen. Nachdem er die Einsendung von Adressen untersagt, erfolgten (beson- ders auf Betreiben Preußens, das Fürst Metternich schlau vorzuschieben wußte, da- mit es den öffenlichen Haß allein zu tragen hatte) die bekannten Bundestags- beschlüsse vom 28. Juni und 5. Juli „zur Ausrechthaltung der gesetz- lichen Ordnung und Ruhe." Darin ist ausgesprochen, daß die gesammte Staatsgewalt in dem Fürsten vereinigt sei; daß die Steuerv erweigcrun g der Stände einem Aufruhr gleich komme; daß die Gesetzgebung der einzelnen Staaten dem Zweck des Bundes oder den Bundespflich- ten nicht entgegen sein dürfe, folglich einzelne Landesgesetze vom Bunde cassirt werden könnten; daß eine Bundes - Commission stete Aufsicht über die Verhandlungen der Land- stände führen solle; daß die Auslegung der Bundesgesetze ausschließlich der Bundesver- sammlung zustehc; daß auswärtige Zeitungen und Schriften unter 20 Bogen nur mit Er- laubniß der Regierungen ausgegebcn werden dürften; daß politische Vereine, so wie alle Abzeichen, Farben, Fahnen, verboten seien, Volksversammlungen und Volksfeste nur mit höherer Genehmigung statt haben und die Universitäten wieder unter die frühere strenge Aufsicht gestellt werden sollten und alle Bundesregierungen einander zu gegenseitigem schnellem militärischen Beistand bei Unruhen verpflichtet seien. — Diese Reactionsbe- schlüsse erhielten zwei Jahre später ihre Vervollständigung durch die geheime Minister- Cvnferenz in Wien, worin die Bestimmungen der Bundesgesetze, daß die gesammte Staatsgewalt den Fürsten inwohne und die Regierungen sich durch ständische Einsprüche in ihrem Gange nicht stören lasten sollten, und die Kammern die Gültigkeit der Bundes- beschlüsse keiner Berathung unterwerfen dürften, von Neuem anerkannt wurden, das Steuerbewilligungsrecht der Stände eine solche Deutung erfuhr, daß es zu einem Schein herabsank, die Beeidigung des Militärs auf die Verfassung untersagt ward und den Regierungen der Grundsatz empfohlen wurde, daß Staatsbiener zu ihrem Eintritt in die Kammer der obrigkeitlichen Erlaubniß bedürften. Dabei wurden Bestimmungen getrof- fen, wie die Rede-, Lehr- und Preßfreiheit auf die sicherste und unanstößigste Weise be- schränkt und die Ueberwachung der Universitäten in ihren Lehrern und Zöglingen zuverlässig bewerkstelligt werden könne und endlich zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Re- gierungen und Ständen ein vom Bundestag einseitig angeordnetcs Schiedsgericht bestellt. Durch diese Verfügung wurde das constitutionelle Wesen in den deutschen Staaten vernichtet und herabgewürdigt. Die Minister führten ihr Amt fort, mochte auch die Kammermehrheit sich gegen sie erklären; kam ein mißfälliger Antrag mit einiger Aussicht aus Erfolg vor, so wurden die Kammern ausgelöst und vermittelst Wahlbeherrschung, Urlaubsverweigerungen, Bestechung eine willfährigere gebil- det. In Bayern dehnte man die Staatsdienereigenschaft auf Advocaten, Aerzte und Magistratsbeamte aus, die daher nur mit höherer Erlaubniß ihre Reprasen- tantenpflicht ausüben durften; in Kurhessen bestritt man den Standen die Befugniß, aus dem Gesammtvolke zu wählen und verweigerte, wie auch zum Theil in Bayern geschah, die Nachweisungen und Rechenschaftsablage der Staats- ausgaben ; ja man ging so weit, daß man erklärte, ein Steuer b e w i l l i g u n g s - recht begreife das Steuerverweigerungsrecht nicht in sich und erlaubte sich unter Scheffer's Ministerium gegen die Standeversammlung ein Benehmen, das sogar dem östreichischen Gesandten „das Blut in den Adern rollen machte."

9. Bd. 2 - S. 90

1854 - Leipzig : Engelmann
90 Deutschlands klassische Literatur. Erfahrungen bedienten. Als mit der Zunahme der Bildung die Zahl der Leser sich mehrte, verlockte die Leichtigkeit der Abfassung und das Verlangen eines leselustigen Pu- blicums nach neuer Lecture viele untergeordnete Talente, ihre geringen Kräfte dieser Gat- tung zuzuwenden. Diese Tagesliteratur, schnell erzeugt und schnell vergessen, verdient keinen Platz in einer Bildungsgeschichte, wie anmaßend sie auch auftreten und wie breit ihr Umfang erscheinen mag; der größte Theil besteht aus Wiederholungen irgend eines hervorragenden Erzeugnisses, das eine der^enge zusagende Richtung cinschlug, die nun ausgebeutet ward. In der Romanliteratur unterscheidet man drei Hauptarten: histo- rische Romane, Tendenz- oder Lehrromane und humoristische Ro- mane. Die crstere, besonders von den Engländern ausgebildete Art ist bei uns am reichsten an werthlosen Produkten, daher die altern, nun grdßtcntheils vergessenen Werke dieser Gattung keiner besondern Erwähnung verdienen. Die zweite, auf deutschem Grund und Boden wurzelnd, entstand in jener Zeit des Sturms und Drangs, als die kühn vorstrebende Jugend dem wirklichen prosaischen Leben, das sie anfeindete, eine ideale Welt der Dichtung entgegensetzte, um d^rch diese auf jene einzuwirken, und dazu den fügsamen, sich gegen keinen Inhalt sträubenden Roman wählte. Wie ihr Streben selbst auf gänzliche Umgestaltung der bestehenden Zustände hinausging, so waren auch ihre Dichtungen auf das gesammte Leben, nicht auf einzelne Erscheinungen gerichtet. Durch die Darstellung ihres Gefühls- und Geisteslebens suchten sie der Wirklichkeit ein ideales Vorbild entgegen zu halten ; ihre dichterische Welt beruht nicht aufbeobachtung und Erfahrung, sondern auf innerer An- schauung. Zu der Art gehören G v e th e ' s Wertherund die Masse sentimentaler Liebesgeschichten, die er hervorgerufen; die Romane von Kl inger, der seine ideale Welt mit der trüben Wirklichkeit in ewigem Zwiespalt erblickt und sich mit innerer Abneigung von den Gebrechen des menschlichen Le- bens abwendet; die lüsternen Romane des üppigen epikureischen H ein se und die philosophischenro- mane Fr. Heinrich Jakobi's: Allwills Briefsammlung und Woldemar. §. 93. Humoristische Romane. Ihnen gegenüber steht eine Reihe Schrift- steller, die ,,dem Weltschmerze jener Genialen einen universalen Weltscherz entgegen- setzten," die nicht auf eine Umgestaltung des ganzen Lebens ausgingen, sondern sich mit Reformen einzelner Mängel begnügten, die nicht wie jene alles Kleine und Schwache bekämpften, sondern „des Menschen größte Zwecke und Bestrebungen oft an die klein- sten Anlässe, Beweggründe und Mittel geknüpft sahen, die des Menschen Schwäche lie- benswürdig, seine Kleinheit rührend fanden und daher in ihren Romanen eine humo- ristische, heitere, bescheidene, ja beschränkte Lebensbetrachtung an die Stelle des tragi- schen Ernstes der Genialen setzten." Daraus gingen die humoristischen Romane hervor, die sich an die Engländer Sterne, Smollet, Fielding und Goldsmith (Lehrb. §. 500.) oder an Don Quixote und Gilblas (Lehrb. §. 555. 629.) anlehnten, und am liebsten Ori- ginalcharaktere und Sonderlinge schilderten, bei denen irgend eine Leidenschaft, Laune oder Schwäche mächtig vorwaltete. Zahlreiche Uebersctzungen der genannten und ähnlicher ausländischen Schriftsteller förderten und erleichterten diese mehr oder min- der auf Nachahmung beruhende Gattung. Da aber in Deutschland das freie öffent- liche Leben fehlte, das den britischen Romanschreibern zu Statten kam, so drehen sich die deutschen humoristischen Werke hauptsächlich um Leben und Meinungen, um Gelehrsamkeit und Wissenschaft und besonders um Religion und Theologie. So 1738— ^chte Hermes aus Pommern in einer Reihe breiter Romane, unter denen So- 1821. phiens Reise von Memel nach Sachsen am bekanntesten ist, seine moralischen Grundsätze, seine Ansichten und Lehren über Ehe, Haus und weibliche Erziehung und na- mentlich seine Gedanken über den geistlichen Stand und dessen Hebung anzubringen. Ein Feind aller Sentimentalität, preist er die alte Zucht, Ehrbarkeit und Lebensweise, aber auch Hippel alte Spießbürgerlichkeit. Eben so benutzte Hippel seine mit nicht viel mehr Geschmack und 1i79(tt w>k noch größerer Selbstliebe verfaßten Romane: Die L c b e n s l a u sc in aufsteigen- derlinie und die Kreuz- und Querzüge des Ritters A—z., um seinen eigenen in-

10. Bd. 2 - S. 127

1854 - Leipzig : Engelmann
Die neueste Literatur. 127 tristischer Studien. Aus der Universitätsstadt Gießen, dem Wohnorte des freisinni- gen Literarhistorikers I. Hillebrand und des (nunmehr nach München übergesiedelten) Philosophen M. Cariere, haben sich vor Jahren die Brüder Fol len, in der Dema- gogenzeit der Burschenschaft hervorragende Chorführer, nach dem Ausland geflüchtet; Karl Follen lebt dermalen in Zürich; Aug. Ludw. Follen fand nach einem wechselvollen Leben in Nordamerika einen tragischen Tod beim Verbrennen eines Dampf- schiffes (1839). Auch Georg Büchner, dessen Trauerspiel „Danton's Tod" einst große Erwartungen erregte, mußte aus denselben Gründen eine Freistätte in Zürich suchen (1835), wo er zwei Jahre später im 24. Lebensjahr einem Nervensieber erlag. Die Sprachforscher Jacob und Wilhelm Grimm, gleichfalls hessische Kinder, fanden in Göttingen und Berlin den geeigneten Boden für ihre vaterländische Wirksamkeit (tz. 99). Berichtigungen. Band I. §. 14. S. 21. Z. 12. v. u. statt dungä I. durgä. „ §. 126. S. 197. Z. 8. v. O. statt Ptolemäos Philadelphos l. Ptol. Euer- getes. „ §. 261. S. 386. Z. 2. v. O. am Rand statt 616 l. 661. » Ii. §. 547. am Rand statt gegr. 1600 l. 1602.
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