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1. Bd. 2 - S. 226

1854 - Leipzig : Engelmann
Bayle 1647 — 1706. Bossuet f1740, 226 Ausgang des siebenzehnten Jahrhunderts. Fenelon, ein edler Mann von mildem Charakter und christlicher Gesinnung und Tugend, war Erzieher der königlichen Enkel und schrieb dieses an Homers Odyssee sich anschließende Werk in der Absicht, dem Erben des Thrones diepflich- ren eines Regenten anschaulich zu machen. Da die dort ausgestellten Grundsätze durch den grellen Contrast mit der Regierung Ludwigs Xiv. als eine Satire auf die letztere gelten konnten und man hie und da Anspie- lungen zu finden glaubte, so verbot der von dem neidischen Bossuet gegen Fenelon auf- gebrachte König nicht nur den bereits begonnenen Druck, sondern belegte auch den Bischof, mit dessen mystisch-religiösen Ansichten er überdies unzufrieden war, mit seiner Ungnade. Erst nach Ludwigs Tod wurde das Ganze vollständig gedruckt und zugleich die merkwür- dige Abhandlung („Anweisungen für das Gewissen eines Königs") betgefügt, in der Fe- nelon aus den Lehren des Christenthums die Grundsätze einer von Rächen aus dem Volke umgebenen constitutionellen Monarchie ableitete und die Verwaltung des Reichs nach festen Gesetzen zur Gewisscnssachc derregenten machte. §. 630. Prosa-Literatur der Franzosen. Einen neuen Zweig der Prosaliteratur bildeten die von nun an immer häufiger entstehenden Journale, sowohl politische als literarische. Unter den letztern wa- ren am bedeutendsten das im Sinne der katholischen Kirche und des Pariser Hofes redigirte Journal des Savans (seit 1665), die von Le cler c (Clericus) und Bayle indenniederlandengeleitetenixouvellesde la ré[uiblique des let- tres im protestantisch - freisinnigen Interesse und das Jesuiten-Journal de Trevoux. — Von der polemischen Literatur, zu welcher der Streit der I an- senisten (Pascal u. A.) mit denjesuiten Veranlassung gegeben, ist schon oben (§. 617.) die Rede gewesen. Bayle, ein während der Huguenottenversolgungen aus Frankreich in die Niederlande geflüchteter Gelehrter, war einer der scharfsinnigsten Kritiker und hellsten Köpfe der Zeit. Sein Grundsatz, daß die menschliche Vernunft nur ver- mögend sei, Jrrthümer zu entdecken, keineswegs aber die Wahrheit zu erkennen, hat seinen Untersuchungen einen auflösenden und vernichtenden Charakter aufge- drückt. Er bekämpfte mit Freimuth und überzeugender Gründlichkeit und Klar- heit alle Jrrthümer und Vorurtheile in Kirche, Staat, Wissenschaft und Leben und unterwarf alles Vorhandene in Sitten, Meinungen, Staatseinrichtungen und Religion seinem prüfenden Verstand. Seine Schriften waren um so wirk- samer, als er Meister des Styls war und selbst den gelehrtesten Abhandlungen durch witzige und unterhaltende Darstellung und Anekdoten ein Interesse zu geben wußte. Sein Hauptwerk ist sein historisches und kritisches Wörterbuch, worin er an eine Anzahl Namen aus der politischen, kirchlichen und literarischen Geschichte seine ge- lehrten Forschungen und skeptische Betrachtungen anreiht, ein Buch, das, bei aller Ruhe und Gewissenhaftigkeit der Forschung, zum Zweifel und Unglauben anregt und daher von jeher heftige Tadler unter allen Parteien gefunden hat. Auf entgegengesetztem Standpunkte steht der als Kanzelredner, Huguenotten- bekehrer und Eiferer für katholische Rechtgläubigkeit bekannte Bossuet, Bi- schof von Meaux, ein kluger, ehrgeiziger Prälat, der bei seinem kirchlichen und literarischen Wirken vor Allem nach der Gunst des Hofes strebte. Außer seinen geistlichen Reden und polemischen Schriften wider die Protestanten (die Geschichte der religiösen Veränderungen [varialions] in der protestan-

2. Bd. 2 - S. 227

1854 - Leipzig : Engelmann
227 Das Zeitalter Ludwigs Xiv. tischen Kirche) ist sein mit Kraft und Beredsamkeit geschriebenes Werk über Weltge- geschichte (discours sur l’histoire universelle), die er zuerst als ein Ganzes und mit christlicher teleologischer Beziehung auffaßte, um die Wege zu zeigen, auf welchen die gött- liche Vorsehung die Menschen geleitet, am bekanntesten. Seine der heiligen Schrift ent- nommene P olitik gestattet dem Fürsten unumschränkte Gewalt, den Unterthanen als Mittel gegen Willkür und Tyrannei — demüthige Vorstellungen und Gebete. Bos- suet trug, wie auch seine gefeierten Mitbewerber um die Palme der Kanzelberedsamkeit, Fle ch ier, B ou rdal o u e u. A., kein Bedenken , die Ausrottung der calvinischen Ketzerei als eine der prciswürdigsten Thatcn des großen Königs zu rühmen. Was die Gesch i ch tsch r e i b un g angeht, so muß man die gelehrten, eine Zusammenstellung aller Materialien bezweckenden Arbeiten von den zur Unterhal- tung und Belehrung geschriebenen Geschichtswerken unterscheiden. Von jener Art sind Tillem onts Schriften über die römische Kaisergeschichte und die e r st e n I a h r h u n d e r t e der christlichen Kirche, die G i b b o n bei seiner Geschichte des Untergangs des römischen Reichs (§, 670.) fleißig benützt hat; P agi's kri- tische Forschungen der kirchlichen Annalen des Baronius, ein gründliches und mit Geist abgefaßtes Werk oom freisinnigen Standpunkte der gallikanisch-katholischen Kirche; Beaufort's kritische Schrift „über die Ungewißheit der 5 ersten Jahrhunderte der römischen Geschichte", worin mit gelehrter und kritischer Prüfung der Schriftsteller nachgewiesen wird, „daß die traditionelle Geschichte des ältesten Roms nirgends eine ur- kundliche Gewähr für sich habe"; Rollin's fleißige aber kritiklose „römische Ge- schichte"; und Du Cange's Wörterbücher (Glossarien) über die Latinität und Gräcität des Mittelalters, wodurch das Verständniß des Feudalrechts und der Zustände des Mittelalters sehr gefördert ward. — Auch die Werke des Alterthums wurden durch Ausgaben, Commentare und Uebersetzungen (Homer der Frau Dacier) zugänglicher ge- macht; doch sind die Ausgaben derklassiker zum Gebrauch des Dauphin (in usum Del- phini) mehr durch ihre typographische Ausstattung als durch ihren innern Werth ausge- zeichnet. Unter den zur Belehrung geschriebenen Geschichtswerken steht die Ge- schichte Frankreichs von M ez er a y oben an. Dieser zwar keineswegs ele- gante aber sehr gründliche Schriftsteller faßte das National-Leben in seiner Tiefe und Totalität auf und stellte das Abgabensystem und die damit verbundene Ty- rannei in ein so grelles Licht, daß er darüber seine Stelle und den Gehalt eines könligichen Historiographen verlor. Neben dieser ernsten, gehaltvollen Geschichte nimmt die auf Unterhaltung berechnete Mittelgattung zwischen Geschichte und Roman eine untergeordnete Stelle ein. Dahin gehören besonders die Werke von Ver tot (Geschichte des Malteserordens u. A.) und St. Real (Verschwö- rung von Venedig u. A.) und die zunehmende Zahl der Denkwürdigkeiten, Su Real unter denen die von S ul ly und noch mehr die des Cardinal von Retz (§. 610.) 1 Ilj~' eine Auszeichnung verdienen. Die letztern sind als treues Abbild der bewegten Zeit der Fronde eben sowohl teurch ihren Inhalt als durch den für die Kenntniß der Conversationssprachc dervornehmen Kreise wichtigen Styl merkwürdig. — Bewundert und viel gelesen sowohl wegen der eleganten Form als der Lebendigkeit der Schilderungen waren die Charakterzeichn ungen Labruyere's, eines feinen Hofmanns und Lebensphilosophen, dem die Lächerlichkeit als"^fg^" der größte Fehler erscheint, weil sie die Klippe ist, woran der Mensch in der Gesellschaft scheitert, und die durch glänzenden Styl ausgezeichneten „Grundsätze und Betrach- tu n gen" (máximes et réflexions) von Laro ch esou cauld, dessen Haus densammel- stucauld j 5 * + 1080.

3. Bd. 2 - S. 506

1854 - Leipzig : Engelmann
506 Neuere und neueste Literatur des Auslandes. Guizot geb.i787. Dieselbe Regsamkeit, die sich in der poetischen Literatur der Franzosen kund giebt, zeigte sich auch in den übrigen Gattungen, besonders in einer sehr aus- gedehnten journalistischen Thätigkeit. Eine Menge Z ei tsch rifren, durch lite- rarische Beigaben (Feuilleton) anziehender gemacht, nehmen die bedeutendsten schriftstellerischen Kräfte in Anspruch und dienen häufig zur Niederlage der neue- sten Erzeugnisse im Roman, in Reisebildern (M armier) in ästhetischer und kri- tischer Belletristik (Jules I an in, Ta i l lan d i e r u. A.). Vor Allem verdienen die Revue des deux mondes und das Magazin pittoresque einer rühmlichen Er- wähnung. In der Geschichtschreibung schritt man theils auf der durch Voltaire und Montesquieu begründeten Bahn des philosophischen Pragmatismus fort, indem einige, wie Franc. P. Guizot („Culturgeschichte Frankreichs im Mittelalter"; „Geschichte der englischen Revolution" u. a. W.) den historisch zu- sammengetragenen Stoff hauptsächlich dazu benutzten, philosophische Ergebnisse und Ideen daraus zu ziehen, theils widmete man der Anordnung und Darstel- g?b.i7s2 ülng mehr Sorgfalt, wie Varante, der Verfasser der „Geschichte der Herzoge von Burgund" und der geistreichen „Geschichte der franz. Literatur im 18.Jahrh." Thierry und die Gebrüder T h ie rry (Augustin anfangs Saint Simonist [§. 809.], geb.1795. später erblindet, „Geschichte der Eroberung Englands durch die Normannen"; „historische Briefe"; „älteste Geschichte Frankreichs" und Amede'e Thierry, „Geschichte der Gallier" u. a. W.), deren durch gründliche Forschungen über die Natur und Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Volksstämme unterstützte gene- tische oder beschreibende Geschichtsbücher neue Anschauungsweisen hervorbrachten. geb^i799^Zu ihnen kann auch der vielschreibende Cape figue, der Verfasser mehrerer um- fangreichen Werke aus der franz. Geschichte gerechnet werden. Die erzählende Sismondl chronikartige Geschichtschreibung fand mehr fleißige als geistreiche Bearbeiter in ^3— Anquetil (f 1808), Gallais und in dem Genfer Sismondi, welcher letztere außer einer G esch i ch t e Fr a n k re ichs und der italienischen Re- atíiécíet P u ^ liken des Mittelalters, auch eine Literaturgeschichte dessü- geb. 1798. d ens verfaßt hat. Jul. Michel et, der Verfasser einer weit verbreiteten Ge- schichte von Frankreich und in neuerer Zeit eifriger Demokrat und Jesuiten- feind, während er früher in einer Schrift über Luther die Reformation verdammt hatte, suchte den philosophischen Pragmatismus der ältern Schule mit der neuen ^ ( mehr kunstmäßigen (descriptiven) Richtung zu verbinden. Eine gehaltvolle Schrift über den K r i e g d e r F r o n d e rührt von dem Grafen S t. A u l ñ i r e her; und über geb. 1779. die Literaturgeschichte haben Raynouard, Fauriel, Ampere, Sainte- Beuve und besonders Ginguené (ff 1816, „Literaturgeschichte von Italien") werthvolle Arbeiten geliefert und gründliche Forschungen eingestellt. Mit besonderer ^ Vorliebe aber wendete sich die sranzösische Geschichtschreibung der Revolution und geb^.'i796. ^em Kaiserreich zu. F. A.a. Mi g net hat in einer gedrängten Darstellung dieser großen Geschichtsepoche mit logischem Geistund fatalistischer Anschauung nachgewie- sen, wie jede einzelne Erscheinung als nothwendige Folge vorangegangener Ursachen geb.^797. unvermeidlich eintreten mußte, und Ad. Thiers hat sich durch seine ausführliche „Geschichte der Rev olution" den Weg zu der hohen Stellung gebahnt, die er seit 1830 in Frankreich eingenommen hat. Seine spätere „Geschichte des Konsulats und des Kaiserreichs" ist, gleich Bignons diplomatischer Geschichte dieser Zeit, eine rhetorische Parteischrift voll französischer Ruhmredig- keit. Von den zahllosen „Denkwürdigkeiten" berühmter Männer und Frauen, welche eine beliebte Unterhaltungslectüre der Franzosen bilden und daher in wu- chernder Menge zum Vorschein kommen, haben nur wenige literarischen Werth, so reich auch manche an interessanten Einzelheiten und Begebenheiten sein mögen.

4. Bd. 2 - S. 15

1854 - Leipzig : Engelmann
Die ritterliche Mümedichtung 15 scheidenden Augenblick die Frage, die ihn in den Besitz der Gralsburg mit aller ihrer Herrlichkeit gesetzt hätte und muß nun durch schwere Prüfungen, durch Selbstentsagung und Läuterung seines Innern zu solcher Vollkommenheit emporstreben, daß er ob seines Seelenadels und seiner innern Reinheit das ver- scherzte Königthum wieder erwirbt. Durch die furchtbare Fluchbotin des Grals aus Artur's Ritterbund ausgestofien, verbringt er zuerst einige Jahre des Zweifels, des Zwiespalts mit sich selbst und der innern Verwilderung, bis er allen Weltstnn und Hochmuth ablegt und mit aller Kraft dem Himmlischen zu- strebt. Damit beginnt für ihn ein höheres, durch ein heiliges Streben geadeltes Leben, indessen Schilderung der Hauptwerth des Gedichts liegt. Parzival bringt den weltlichen Rittersinn und das sinnliche Treiben, dem er früher eben so gehuldigt, wie jetzt das Weltkind G aw ein, dessen Thaten Wolfram als Gegensatz gleichfalls in sein Gedicht einflicht, dem Seelenleben und der innern Beschaulichkeit zum Opfer. Er wird von dem einsiedlerischen Weisen Trevrizent über Gott, das Erlösungswerk und die menschliche Bestimmung belehrt, und gelangt endlich zu einer solchen geistigen Reinigung, daß er durch dieselbe Gralbotin für würdig erklärt wird, König der geheimnißvvllen Gralburg zu werden. — Die Ideen der geistl. Ritter- orden bilden die Grundlage dieses Gedichts, wie schon aus der Benennung Tempi eisen, die auf den Templer orden hindeutet, hervorgeht. Man könnte cs als einen zweiten, christl. Theil der Alerander- sage Lambrechts bezeichnen; denn wie dieses die weltlichen Thaten eines von sinnlichen Eindrücken ge- leiteten Helden darstellt, und da endigt, wo derselbe in sich geht und sich ändert, so schildert der Dichter des Parzival das Seelenleben eines von christl. Weihe berührten Helden, der durch Ueberwindung der Welt und ihrer Genüsse sich des Paradieses würdig macht. Das Paradies selbst beschreibt der Dichter Dante (§. 351.), dem es allein gegeben war, den Zustand der Weltlichkeit, Läuterung und S eligkeit in seiner „göttlichen Kvmödi e", Hölle, Fegefeuer u. Parad ies darzustellen. Außer dem Parzival besitzen wir von Wolfram von Eschenbach ein sehr schönes Bruchstück eines Heldengedichts Titurel (A. §. 22.) und ein gleichfalls unvollendetes (in der Folge von zwei mittelmäßigen Dichtern Ulrich v. Türheim und U. v. dem Tür- lein ergänztes) Ritterepos aus dem karlingschen Sagenkreis: Wilhelm von Oranse. Interessant ist bei diesem Dichter der Humor und die gutmüthige Satire, die er häufig anwendet und bisweilen gegen sich selbst kehrt. §. 20. Meister Gottfried von Straß bürg. Einen merkwürdigen Gegensatz zu Wolframs Parzival bildet Tristan und Isolde von Gottfried von Straß- burg. Wie uns der erstere den Ernst des Lebens vorsührt und in seinem Helden die sittliche Größe, die Charakterfestigkeit und den Adel der Gesinnungen und Bestrebungen preist, aber seinen gehaltvollen Inhalt nicht selten in mystisches Dunkel kleidet und durch seine gehobene, feierliche Sprache das Berständniß seines Gedichts erschwert, so schil- dert das Weltkind Gottfried den Leichtsinn, die Charakterschwäche, die Sündhaftig- keit und die irdischen Freuden und Genüsse eines von der Liebe beherrschten, dem Sinnentaumel fröhnenden Paars, aber in zierlicher, gefälliger Sprache, in klarer und schöner Darstellung und mit einer bewunderungswürdigen Wahrheit der Beobachtung. Meister Gottfried, wahrscheinlich von bürgerlicher Abkunft, spricht sich selbst mißbilligend über Wolsram's dunkle Manier und das träumerische Seelenleben seines Helden aus und theilt die Palme der Poesie dem Hartmann zu; aber wie sehr auch Gottfrieds Ge- dicht an Kunstfertigkeit und Vollendung der Form über dem Parzival steht — der sitt- liche Werth des Inhalts stellt das letztere dennoch höher. Inhalt: Nachdem die Liebe und der Tod von Tristan's Eltern geschildert, wird die Erziehung des Sohnes erzählt, wobei sich schon der Gegensatz gegen Parzival kund gibt. Tristan wird nämlich nicht in stiller Einsamkeit erzogen, sondern in der vornehmen Welt, lernt alle höfischen Künste und erwirbt stch die körperlichen und geistigen Eigenschaften, die einem feinen Ritter anstehen, aber selten einen großen Charakter bilden. Nachdem er erwachsen, erobert er sein Land wieder, besteht manche Abenteuer und kommt an den Hof seines Oheims Marke von Cornwallis, für den er die Werbung der schönen Isolde (Jsot) von Irland übernimmt, deren Vetter er früher im Kampf erschlagen, und die er selbst dann, als Spielmann verkleidet, in dermusikunterrichtet hatte. In Irland tödtettristan einen Drachen und bringt dann bei Jsold, die ihn erkennt und ihm anfangs feind ist, Marke's Werbung an ; diese geht auf den An- trag ein und begibt sich mit Tristan zu Schiffe, von der Mutter heimlich mit einem Liedestrunk für Marke versehen. Auf der Seereise trinken beide unbewußt von dem Zaubertrank und entbrennen nun in heißer, unlauterer Liebe zu einander, deren Wirkungen auf die Gefühle und Handlungen der Liebenden mit er- staunuugswürdigcr Seelcnkenntniß geschildert werden. Jsold wird Marke's Gattin, vermag aber nicht ihr

5. Bd. 2 - S. 34

1854 - Leipzig : Engelmann
Arnd 1555 — 1621. Tschudi. Avcnti- ims. Sebast. Frank. Agricola. 34 Die deutsche Volksliteratur im 15. und 16. Jahrhundert. und des für das kirchliche Leben der Protestanten so wichtigen Kir ch enlied es. Seinein apostolischem Geiste verfaßte Bibelübersetzung (Lehrb. §.457.), die in die Hände des Volks überging und eine beispiellose Verbreitung erlangte, wurde ebenso die Grundlage der Sprache wie der evangelischen Gesinnung. Tiefes religiöses Gemüth, Kernhaftigkeit des Ausdrucks, Wärme und Kraft der Sprache beurkundeten eine innere Seelenverwandt- schaft des Uebersetzers mit den gottbegeisterten Verfassern der alt- und neutestamentlichen Schriften und verliehen dem Bibelwerke aus Jahrhunderte ein gesetzgebendes Ansehen für deutsche Sprache, wie für deutsche Denkweise und für deutsches Gefühl. Nächst der Bibel waren Luthers didaktische Werke, wozu seine Predigten, seine Katechismen, eine Anzahl Trostschriften, Tischreden u. dergl. m. gehören, sowie Briefe und Gutachten, Streit- und Flugschriften für deutsche Sprachbildung von höchster Bedeutung. Diese letztern waren in der Regel der Erguß einer kräftigen, von Religiosität und Vaterlandsliebe durchdrungenen Gesinnung, so sehr auch hie und da der Feuereifer des Reformators sich in leidenschaftlichen Ausfällen kund gab und die Kraft seiner Natur ihn zu zornigen, derben, ja rohen Aeußerungen fortriß. Charakter und Bildung der Zeit waren derb und rauh; wie sollte Luther, in dessen Natur sich alle Vorzüge und Fehler jener kräftigen Zeit vereinigt fanden, fein und gesittet erscheinen? Von der Art sind seine Streitschriften gegen König Heinrich Viii. von England, gegen Heinrich von Braunschweig ,,w ider H an s W orst" (Lehrb. 8- 483.) und die zornige Flugschrift wider die räu- berischen und mörderischen Bauern (Lehrb. §. 461). Zu den besten in gemäßigter Sprache verfaßten Streitschriften gehört die Aufforderung ,,An den christlichen Adel deutscher Nation von des geistlichen Standes Besserung" und „von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche" (Lehrb. §. 454). Luthers Streitschriften wurden von den zanksüchtigen Theologen der Reformations- zeit nur zu sehr nachgeahmt und überboten, indeß seine religiöse Tiefe und Innigkeit und seine bibelfeste Sprache unter dem Streit über uncrklärbarc Glaubenssätze und symbolische Rechtgläubigkeit (Lehrb. §. 561.) zu Grundeging, bis die in gemüthlicher und herzlicher Rede abgefaßten vier Bücher vom wahren Christenthum von Joh. Arnd und die Wirksamkeit Sp e n e r's und der P i c t i st e n (Lehrb. §. 656.) der deutschen Nation die lu- therische Bibelsprache und mit ihr die Gcfühlswärme und freie Schriftforschung Zurückgaben. — Die durch Luther begründete deutsche Prosa kam bald in G cschichtswerken und in einzelnen wissenschaftlichen Schriften zur Anwendung. Zwar blieb für die ern- stere Geschichte auch im 16. und 17. Jahrh. die lateinische Sprache noch die ge- wöhnliche, wie wir aus Sleidanus, Thuanus, Grotius (Lehrb. §. 551.), Scckendor f's Reformatronsgeschichte u. a. ersehen; aber neben dieser gelehrten Geschichte wur- den gleichzeitig h ist orische W erke in d er V o lkssprach e bearbeitet, die, ivenn sie gleich durch die unkritische Darstellung und mancherlei fabelhafte Zusatze für die Geschichts- forschung von geringer Bedeutung sind, doch als Volksbücher wegen ihrer gemüthlichen und ansprechenden Sprache und Erzählung hohen Werth haben. Von der Art sind die Schweizer Chronik von Aegidius Tschudi (1505 —1572), die bayerische Chronik und die Chrouika vom Ursprünge des alten Teutschlands von dem Bayern Tnrnmeyr von Abensberg (Aventinns; st 1534) und die Chronik«, Zcytbuch und Geschichtbibel von Anbegyn bis 1531 von dem vielverfolgten Wiedertäufer S e b a st i a n Frank (1500 — 1545); auch die etwas rohe Selbstbiographie des bekannten fränkischen Ritters Gütz vonverlichingen(ch 1562; Lehrb. §. 460.) verdient eine Erwähnung. Derselbe Sebastian Frank gab auch eine Sammlung deutscher Sprüchwürter nebst Erklärung ihres Sinnes („Schöne weise herrliche Clugreden und Hofsprüch") heraus, worin ihm der als Mitverfasser des Interims (Lehrb. §. 491.) bekannte Johann Agricola von Eisleben (ff 1566) vorangegangen war. Auch bei wissen- schaftlichen Werken bedienten sich einige nicht dem Gelehrtenstande angehörige Männer der deutschen Sprache, wie Albrecht Dürer (Lehrb. §. 441.) (Untcrweysung der Messung mit demzirkel und Richtscheydt in Linien, ebenen und ganzen Corporen u. s. W-), Jakvbböhme (Lehrb. §. 552.) u. A., doch blieb bis auf T h o m n si u s (Lehrb. §, 656.) bei gelehrten und wissenschaftlichen Werken und Vorträgen die lateinische Sprache die allein gültige und gebräuchliche.

6. Bd. 2 - S. 94

1854 - Leipzig : Engelmann
94 Deutschlands klassische Literatur. 1762— Räuberromane, die durch den Rinaldo Rinaldini von Vutpius (Goethe's 1827. Schwager) eingesührt wurden, erzeugten in den Mittelklassen eine ähnliche krankhafte Geistesrichtung wie die romantische Dichtung mit ihrem Kunstenthusiasmus, ihrem über- spannten Katholicismus und ihrem rcstaurirten Feudalwesen in den vornehmen, überbilde- ten Kreisen. Der Geschmack an Ritter- und Räuberromanen, unter denen nur die „Sagen der Vorzeit" von L. Wächter (Veit Weber) aus dem Hannöverschen eine ehrenvolle — 1837. Ausnahme bilden, warein vorübergehender; der Sinn des Volks ward nüchterner und verlangte auch im historischen Roman einen der Wirklichkeit sich anschließenden, natür- lichen Stoff. Dies hatte zur Folge, daß das Gebiet der neuern Geschichte vorzugsweise als Unterlage der Romanlitcratur benutzt wurde, und daß Werke erschienen, die, wie mittelmäßig auch die Ausführung und wie oberflächlich die Erfassung der Zustände und Charaktere sein mochte, sich doch ans wirkliche Leben anlehnten und dem Leser einige, wenn auch noch so trübe und geringe Belehrung gewährten. In dieser Art verdienen die Ro- mane von van der Velde, Hauff, Steffens, Zschokke u. A. theils wegen ihrer Volks- thümlichkeit und Verbreitung, theils wegen ihrer inner» Gediegenheit einer besondern Erwähnung. Van der Velde 1779 — 1824. Aug. Gottl. Meißner geb. in Bautzen 1753, gest. in Fulda 1807; Verfasser der Romane „Alci- biades"; „Masaniello"; „Bianca Capello" u, a. — Feßler (Jgn. Aur.) geb. 1756 in Ungarn; zuerst Kapuziner , ward er 1791 Protestant und wirkte zuletzt in Rußland, st 1839. Am bekanntesten ist er durch seine Romane „Marc Aurel"; „Aristides und Themistokles"; „Attila", halb lobpreisende Geschichte halb Roman. Sehr interessant ist seine Selbstbiographie: „Feßlers Rückblick auf seine 70jährige Pilger- schaft." — Van der Velde (Franz K.) geb. zu Breslau 1779 gest. 1824. Zu seinen bekanntesten Roma- nen gehören: „Die Eroberung von Mexico" ; „die Lichtensteiner"; „Arwed Ghllenstierna" ; „Christine und ihr Hof." — Wilh. Hauff geb. 1802 in Stuttgart, gest. 1827, einer der talentvollsten Erzähler, cröffnete W. Hauff seine schriftstellerische Laufbahn mit „Mährchen", die sich durch phautasievollc Auffassung und ge- 1 .,02—27. lungene Darstellung auszcichnen; die „Mitthcilnngen aus den Memoiren des Satans" sind fragmen- tarische Darstellungen aus dem wirklichen Leben interessant geschildert; der „Mann im Monde" sollte eine Persiflage der lüsternen Romane von Clauren (eig. H eun), einem dem verweichlichten und sinn- lichen Geschlechte sehr zusagenden Schriftsteller jener Zeit, sein und war der Anfang eines literarischen Kampfes, dem Clauren zuletzt in der öffentlichen Meinung erlag. Zu den besten historischen Romanen gehört sein Roman „Lichtenstein", worin die Zeit mit ihrer Denkweise und Eigenthünilichkeit besser ge- zeichnet ist, als in den meisten andern. Durch originelle Erfindung ausgezeichnet sind seine „Phantasten ’m Bremer Rathskcllcr." — Heinr. Steffcns geb. in Norwegen 1773, gest. in Berlin 1845, ein als 1845. Philosoph, Naturforscher und Dichter ausgezeichneter Mann. Durch Schelling für die Naturphilosophie gewonnen, schrieb und lehrte er zuerst in diesem Zweige der Wissenschaft, bis ihn die Befreiungskriege fortriffen. Nach Beendigung derselben lebte er theils in Berlin, theils in Breslau u. a. O., mit rastlo- ser Thätigkeit alle Erscheinungen in Literatur, Religion und im Staatsleben erfassend und würdigend. Neben den philosophischen Studien befaßte er sich auch mit kirchlichen Fragen zur Rechtfertigung seines Lu th erthum s gegen die Union und schrieb dann mehrere durch Tiefe undmannichfaltigkeit der innern Anschauung, wie durch lebendige Darstellung bedeutende Romane und Novellen: „die Familie Walseth undleith"; „die vier Norweger"; „Malcolm"; und endlich eine höchst ansführliche Selbstbio- graphie: „Was ich erlebte" in 10 Bdn.— Heinr. Zschokke geb. zu Magdeburg 1771, brachte den größten Theil seines Lebens in der Schweiz zu, wo er im Schulwesen, in der Politik und als Schrift- steller ein bewegtes, thätiges Leben führte. Unter seinen vielen und verschiedenartigen Schriften sind zu merken: 1) Dramatische Dichtungen („Abällino, der große Bandit"; „Julius von Sassen.") 2) G e sch i ch t l i ch e W e rke; „Geschichte des bayerischen Volksund seiner Fürsten," mehrere Schriften über einzelne Theile der Schweizer-Geschichte und „des Schweizerlandes Geschichte für das Schweizer- volk." 3) B o l k s s ch r i ft e n : „Das Goldmachervorf"; „Meister Jordan"; „Spruch und Schwank"; „der Gebirgsförster" u. a. 4) Z e itsch ri ft e n: „Schweizerbote"; „Miscellen für dieneueste Welt- kunde"; „Erheiterungen" u.a. 5) Romane und Er z äh lun g en, darunter: „der Kreole"; „Ala- mvntade"; „Jonathan Frock" ; „Clementine"; „der zerbrochene Krug" u. a. Dazu sind auch zu rechnen seine „Bilder aus der Schweiz", naturhistorische Gemälde. 6) Das weitverbreitete Buch : „Stunden der Andacht" in8bdcn„ das 28 Auflagen erlebte und als dessen Verfasser erst in den letzten Jahren Zschokke bekannt ward, der Ausdruck des modernen Rationalismus. 7) Die „Selbstschau", eine Art Sclbstbio- graphie und endlich 8) lyrische Gedichte („Feldblumen"), Naturlautc ohne dichterischen Schwung. Die zunehmende Bedeutung der Novellen - und Romanlitcratur für das gesellige Zschokke 1771 — 1848.

7. Bd. 2 - S. 105

1854 - Leipzig : Engelmann
Die neueste Literatur. 105 Prinz Johann von Sachsen, und hochgestellte Staatsmänner, wie der bayerische Staats- minister v. Schenk und der östreichische Freiherr v. Münch - Vellinghausen (Friedrich Halm) u. A. nach dem Dichterlorbeer strebten, durch poetische Werke von loyaler Fär- bung und aristokratischer Haltung jene Freiheitssänger zu verdrängen, blieben ohne Erfolg. Je mehr die Romantiker in aristokratischer Vornehmheit Schillers Werth und Verdienste herabsetzten, desto treuer bewahrte das deutsche Volk ihm und seinen Gesinnungsgenossen ausschließlich seine Zuneigung. An den in Schillers Werken mit Wärme und Begeisterung ausgesprochenen Ideen der Freiheit, Vaterlandsliebe und Menschenwürde hob und stählte sich das Gemüth des Volks, indeß es auf die romantischen Verherrlichungen einer unter- gegangenen Welt, eines entschwundenen Ritterthums, einer unwiederbringlichen Kunst- religion mit Gleichgültigkeit blickte und selbst die künstlerische Vollendung eines Goethe der freisinnigen Gemüthspoesie Schillers nachstellte. König Ludwig von Bayern, geb. 1786. Von ihm drei Bände lyrischer „® edichte" und die in ^udw. v. einem höchst auffallenden deutschen Styl mit griechischer Participialcvnstruction verfaßten „Wal- Bayern, hallagenvssen/' kurze Lebensabrisse berühmter Männer, deren Büsten er in seinem herrlichen Walhallabau unweit Regensburg aufstellen ließ. — Johann Prinz von Sachsen geb. 1801, Bruder Johannv. des regierenden Königs und bei dessen Kinderlosigkeit präsumtiver Thronfolger, einer der gebildetsten a 'en‘ Männer der hohen Aristokratie, befaßte sich vorzugsweise mit italienischer Literatur. Von dem Um- fang und der Tiefe seiner Studien giebtdie von ihm bearbeitete, unter dem Namen Phila- l c t h e s herausgegebene, metrische Uebertraguug der ,,g ö t t l i ch e n K o m ö d i e" D a n t e's mit kri- tischen und historischen Erläuterungen einen schönen Beweis. Seine ältere Schwester Amalie geb. 1794 hat sich in der literarischen Welt (unter dem Namen Amalie Heiter) durch eine Anzahl Lustspiele („der Oheim", „die Fürstenbraut", „der Verlobungsring", „der Pflegevater", u. a. m.) bekannt gemacht. Der König selbst (Friedrich August Ii.) ist als Schriftsteller in der Botanik aufge- treten. — Ed. v. Schenk geb. zu Düsseldorf 1788, trat 1817 zur kathol. Kirche über; um 1828 bayer. Schenk Staatsrath und Minister des Innern, Urheber des strengen Censurgesetzes und eifriger Anhänger des Ultramvntanismus. Unter seinen lyrischen und dramatischen Dichtungen („Henriette v. England"; „Kaiser Ludwigs Traum" ; „Albrechtdürer" ; „Bethulia" u. a. m.) ist sein Trauer- spiel ,<B el i sa r", mit einigen rührenden Zügen aus Sophokles' Oedipus auf Colonvs, über Gebühr gepriesen worden. Seit 1834 gab er das Taschenbuch „Charitas" heraus, worin er seine dichterischen Münch- Erzeugnisse niederlegte. — El. Franz Jos. von Münch-Vellinghausen» bekannt als Dichter unter Belling- dem Namen Fr ie d r i ch H a lin, geb. 1806 zu Krakau. Sein um 1834 zum erstenmal aufgeführtes hausen Drama ,,G r i se l d i s" hatte solchen Erfolg , daß die an dem Stücke gerügten Mängel wenig Be- geb.1806. achtung fanden. Neben der Griseldis erlangte nur noch das romant. Drama „der Sohn der W ildni ß" den Beifall des Publikums, wogegen sowohl seine übrigen Dichtungen als seine Bearbei- tungen einzelner Stücke pon Lope de Vega und Shakespeare unbemerkt blieben. §.104, Borne. Heine. Durch die Julirevolution wurde der Aristokratismus im Staat und in der Literatur aus seiner sichern Ruhe aufgeschreckt und in seinem Besitzthum gefährdet; und wenn es auch der Staatskunst gelang, im öffentlichen Leben die alten Zu- stände und die gewohnten Formen größtentheils zu erhalten oder wieder herzustellcn, in der Literatur blieb der Geist des Liberalismus Sieger; er gewann täglich an Boden und nahm eine mit dem äußern Umfange wachsende Kühnheit und Schärfe an. Bald war die romantische Poesie nur noch eine historische Erinnerung; sie hatte sich nicht um das Volk bekümmert, es geschah ihr daher auch kein Unrecht, als dieses ihr den Rücken zuwandte. Ihre Erscheinung war ein flüchtiger „Blüthenstaub" ohne nachhaltige Wirkung. Desto massenhafter und wirksamer trat dagegen die Literatur der politischen Opposition und des Demokratismus ins Leben; Anfangs mit Mäßigung und Zurückhaltung, nach und nach aber, ermuthigt durch den Beifall des über die Bcamtenherrschaft und den Polizeistaat mißmuthigcn Volks, mit wachsender Kühnheit und destruktiver Heftigkeit, so daß sich der Liberalismus bald durch den Radikalismus überflügelt sah, der, nicht zufrieden mit der politischen Opposition, allmählich alles Bestehende in Kirche und Staat bekämpfte und die gesellschaftliche Ordnung aufzuldsen drohte. Die Vorfcchter dieser zersetzenden und vernich- tenden Literatur waren eine Anzahl talentvoller Männer j ü d isch er Abkunft, welche sich für die Verfolgungen, Kränkungen und Rechtsverkürzungen, denen das israelitische Volk

8. Bd. 2 - S. 108

1854 - Leipzig : Engelmann
108 Die neueste Literatur. cum zu erscheinen, versuchten sie sich in den verschiedensten Gattungen der belletristischen Literatur, gelangten aber in keiner zu einiger Vollendung. Ihr Streben ging nur auf angenehme Unterhaltung, daher sie auch so großen Werth auf die Form, auf eleganten Styl und Leichtigkeit der Darstellung legten, indeß sie Gediegenheit des Inhalts, tiefe und ernste Studien nicht sehr in Anschlag brachten. In periodischen Schriften und Unterhaltungsblättern, in Taschenbüchern und Sammelwerken, in Romanen und Novellen, in Briefen und Reisebeschreibungen, deren Zahl mit der zunehmenden Reiselust sich ins Unendliche vermehrte, legten sie ihre flüch- tigen Gedanken und Urtheile, ihre pikanten Kritiken und Schilderungen nieder. Da ihnen Lust und Muße zu wissenschaftlichen Forschungen abgingen, so machten sie größ- tentheils die Gegenwart oder jüngste Vergangenheit zur Folie ihrer literarischen Wirk- samkeit und führten die geistige Lebensthätigkeit und die socialen, politischen und reli- giösen Zustände der Jetztzeit in einseitiger Auffassung und subjectiver Färbung dem Leser vor die Seele. Die Verbote, die einige Regierungen gegen das „junge Deutschland" ergehen ließen, weil sie die christliche Religion und Sitte wie die socialen Ordnungen gefährdeten, haben die Verbreitung ihrer Werke nicht zu hemmen vermocht. ^olfg Wolfg. Menzel geb. 1798 zu Waldenburg in Schlesien, machte 1815 die Freiheitskriege mit, be- geb"l798 weidete nach vollendeten Studien eine Schulstelle in Aarau und begab sich dann nach Stuttgart, wo er mit Cotta in Verbindung kam und sich zuerst, gleich Börne, durch seinen Haß gegen Goethe bcmerklich machte. Nach der Julirevolution trat er in diewürtemb. Ständekammer, wo er seinen Sitz beider libe- ralen Opposition nahm; doch zog er sich bereits um 1838 von dem polit.leben zurück. Ilnter seinen Wer- ken sind am bekanntesten seine „Streckverse" seine „Geschichte der Deutschen", seine „Reise nach Oest- reich" und ,,nach Italien", und einige Mährchen („Rübezahl", „Narciffus"), außerdem eine Anzahl polemischer und historischer Schriften. Im I. 1824 gab er mit dem Nationalöconomisten Fr. L ist u. A. die ,,Europ. Blätter" heraus, übernahm aber schon im nächsten Jahr die Leitung des „Literaturblatts", einer Beilage zum „Kunstblatt". Ein erklärter Feind der Franzosen ging er in den letzten Jahren von dem Gutzkow Polit. Liberalismus und dem religiösen Rationalismus, wozu er sich früher bekannt, ab. — Karl Gutz- geb.1811. kow, geb. immärz 1811 in Berlin, studirtc anfangs Theologie, wählte aber bald nach der Julirevolution das Journalisten- und Literatenleben und trat mit Menzel und der „Allgem. Zeitung" in Verbindung. Das anonym erschienene Buch „Briefe eines Narren an eine Närrin" mit Rousseau'schen Socialideen erregte nur eine vorübergehende Aufmerksamkeit; eben so der phantastisch-ironische Roman : „Maha Guru, Geschichte eines Gottes" mit satirischen Anspielungen auf die Gegenwart. Von dem an erschienen mit jedem Jahre neue Schriften verschiedener Gattung, bald Novellen und Romane, bald „Beiträge zur Geschichte der neuestenliteratur", bald kritische und satirische Aufsätze („die rvthc Mütze und liekaputze") und endlich dramatische Dichtungen. Nach einem unsteten Wanderleben ließ er sich zuletzt in Dresden nic- Theod. der. — Theodor Mundt, geb. zu Potsdam 1807, nahm nach einigen unsteten Lebensjahren zuletzt seinen ^'l807 ^e‘kctlken Aufenthalt in Berlin, wo ihm die Anfangs versagte Aufnahme unter die Universitätslehrer ’’ ' gewährt wurde. Seine „Novellen", worin er meistens die gesellschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart behandelte, sind ohne künstlerischen Werth („Madelon", „Modernelebcnswirren", „Madonna", sein historischer Roman „Thomas Münz er" u. a.); bedeutender sind seine Kritiken, Charakteri- stiken u. dcrgl. („Kunst der deutschen Prosa", „Geschichte der Literatur der Gegenwart", „Geschichte der Gesellschaft", „Aesthetik", „Spaziergänge und Wettfahrten", „Völkerschau auf Reisen"). Eine An- zahl zerstreuter Aufsätze gab er heraus als „Charaktere und Situationen, Novellen, Skizzen, Wande- rungen auf Reisen und durch die neueste Literatur". Mundts journalistische Unternehmungen blieben ohne Erfolg und längere Dauer („Liter. Zodiakus", „Dioscuren für Kunst und Wissenschaft", „der Freihafen, eine Galerie von Unterhaltungsschriften" u. s. w., „der Pilot" u. a.). Seine Gattin ist unter dem Namen Lu i se Mü h l b a ch als Verfasserin unsittlicher Romane ausgetreten. — Ferdinand Gustav ^V^80c>C lllö- im Dec. 1806 in Magdeburg, ließ sich nach beendigten philosophischen Studien in Leipzig 9 \ " nieder, wo er die Redaction der „Zeitung für die elegante Welt" übernahm, die er im Sinne des Fortschritts aber mit Mäßigung leitete bis sie 1842 an Laube überging. Unter seinen durch stylistischc Form ausgezeichneten Schriften sind hervorzuheben: „Weibliche und männliche Charaktere", „Portraits und «Silhouetten", sodann: „die Klvsternvvcllen" und der Roman: „die Rebellen in Irland." Auch als dramat. Dichter ist er aufgetrctcn („Jsaura v. Kastilien", „Kaiser Friedrich Ul. in Prag") doch mit H. Laube geringem Erfolg. — Hcinr. Laube, geb. am 18. Sept. 1806 zu Sprottau in Schlesien, studirte Theo- geb. 1806. logte, wählte nach einigen Jahren politischer Verfolgung und Haft wegen demagogischer Umtriebe und nach einer Reise nach Italien (1834) und nach Algier (1839) Leipzig als Aufenthaltsort. Unter seinen

9. Bd. 2 - S. 126

1854 - Leipzig : Engelmann
126 Die neueste Literatur. Schule Bremens erfreute sich unter der Leitung des nunmehr verstorbenen Philologen und Lübeck. Aesthetikers Wilh. Ernst Weber eines guten Rufes. — Lübeck, einst die stolze Be- herrscherin der Ostsee, zeigte von jeher mehr Sinn für das praktische Leben, für Handel, Verkehr und Seewesen, und für tüchtige Rechtspflege als für die stille Seelenthätigkeit und die Freuden der Muse. Der im Gebiete der Kunst, des Geschmacks und der Reiseliteratur berühmte v. Rum oh r (f 1834; „deutsche Denkwürdigkeiten"), so wie der Dichter Em. Geibel (Anh. §.106.) und der als Dichter und Publicift bekannte Georg Phil. Schmidt (-f 1849) sind daselbst geboren. Olden- k) Oldenburg und Mecklenburg. Auch Oldenburg, Geburtsort des ro- 6ur3‘ mantisirenden Geschichtschreibers K. A. Weltmann (1770—1817), wo unter der Leitung des Dramatikers Jul. Mosen ein gutes Theater besteht, ist vom wissenschaft- lichen Verkehr nicht ausgeschlossen. Ad. Stahr, Karl Mayer und Greverus, wovon jene Italien, dieser Griechenland bereist und beschrieben haben, sind oder waren in Oldenburg angcstellt. — Im fernen Petersburg lebte unter dürftigen Umständen Elisabeth Kulmann (1808—1825), die sprachgewandte Dichterin und Uebersetzerin, deren zahlreiche lyrische Gedichte als merkwürdiges Denkmal einer früh- reifen poetischen Naturanlage und eines sinnigen jugendlichen Gemüthes dastehen. — Mecklen- Wismar in Mecklenburg ist Dahlmanns Geburtsort; aber die historische und ^Pom-^ politische Wirksamkeit dieses thatkrästigen Mannes in Kiel, Gbttingen und Bonn ge- mcrn. hört dem ganzen Vaterlande an. In der Nähe von Stralsund verbrachte der als Dichter und Jugendschriftsteller bekannte Karl Lappe, Kosegartens Freund und Landsmann, den größten Theil seines stillen Lebens. Die Universitäten Rostock (in Mecklenburg) und Greifswalde (in Pommern) sind die Pfleger deutscher Bildung und Literatur an den fernen Ufern der Ostsee. Eine auffallende Erscheinung in dem verständigen und nüchternen Norden ist der dem Katholicismus geneigte protestantische Pfarrer Meinhold (1797—1851), Verfasser mehrerer epischer und lyrischer Gedichte, humo- ristischer Reisebilder und des wunderlichen Romans „die Bernsteinhexe," und abergläubi- scher Verfechter der „Lüning'schen Weissagungen." Schlcs- 1) Schleswig-Holstein, für seinen deutschen Patriotismus von Dänemark so wig-Hol- hart behandelt, hat mit der deutschen Gesinnung auch die deutsche Bildung sich erhalten. uu' Die lebensfrische Universität Kiel, wo der als Geschichtschreiber und Uebersetzer grie- chischer Klassiker bekannte Prof. Droysen und viele andere Männer von deutscher Gesinnung und Wissenschaft seit Jahren wirksam waren, bewahrte lange den alten Ruhm, bis dänischer Grimm und dänische Rach- und Verfolgungssucht auch in die Räume der Wissenschaft eindrang, wie sie schon vorher in Schule und Kirche gedrun- gen. — Der Dramatiker Friedr. Hebbel aus Ditmarschen (Anh. §. 106.) hat sich nach einigen Wanderjahren im Auslande, wozu ihm der König von Dänemark ein Rcise- stipendium ertheilte, dauernd in Wien niedergelassen. Eben so hat Aug. Binzer, einst ein Vorkämpfer burschenschaftlicher Bestrebungen durch Lied und Wort, später Mitarbeiter an der Allg. Zeitung und in Gemeinschaft mit seiner Gemahlin als Novcllcnschriftsteller thätig, sein Schleswig-Holsteinisches Vaterland mit dem östreichischcn Kaiserstaat vertauscht. Hessen. m) Hessen. In Kurhessen, wo eine freiheitgesährdcnde Regierung und ein ei- gennütziges Herrscherhaus den geistigen Interessen keine Aufmunterung gab, vermochten einige strebsame Schulmänner wie Gräfe, K. Fr. Weber u. A. in Kassel und der frühere Gymnasialdircktor und strengkirchliche Literarhistoriker A. F. C. Vilmar in Marburg (vor seiner sophistisch-reactionären Thä'tigkeit im Dienste Hassenpflug's), so wie der Geschichtsforscher Rommel und einige Professoren der Universität Marburg die künstlerische und literarische Oede nur dürftig zu befruchten. Der Romanschriftsteller Heinr. König („die hohe Braut", „die Waldenser", „die Clubisten in Mainz" u. a.) ist, seitdem Dingelstedt aus Fulda weggezogen, einer der wenigen Pfleger belle-

10. Bd. 1 - S. V

1854 - Leipzig : Engelmann
Vorrede .¿¿Jciö vorliegende Buch verdankt seine Entstehung zunächst dem Umstande, daß der Verfasser bei seinem geschichtlichen Unterrichte, der sich in einem Jahreskurse in vier verschiedenen Klassen über die ganze Weltgeschichte er- streckt, ein umfassendes Lehrbuch, das den Anfängern nicht zu schwer, den Reisern nicht zu gehaltlos sein sollte, zum Grunde zu legen wünschte und er unter den ihm bekannt gewordenen Schulbüchern keins fand, mit dessen Behandlungsart oder Standpunkt er ganz einverstanden gewesen wäre. Er hält es für seine Pflicht, in wenigen Worten seine Ansichten über den Geschichtsunterricht an Lehranstalten darzulegen, nicht um das vorliegende Buch anzupreisen, das, wenn es sich nicht durch seinen innern Werth em- pfiehlt, schwerlich durch eine ruhmredige Vorrede gewinnen würde, sondern um den Verfasser zu entschuldigen, daß er die Zähl der vorhandenen Lehr- bücher mit einem neuen vermehrt und darüber ein begonnenes größeres Werk („Geschichte der akatholischen Kirchen und Secten in Großbritan- nien") auf längere Zeit unterbrochen habe. *) Die Bedeutung der Weltgeschichte als Bildnngsmittel der Jugend zu wahrer Cnltnr und Humanität scheint noch lange nicht genug anerkannt; an den Gymnasien sind die alten Sprachen, cm den Realschulen die exacten Wissenschaften so reichlich bedacht, daß für die historischen Gegen- stände nur sehr geringe Zeit übrig bleibt. Gewöhnlich werden ihnen zwei Stunden wöchentlich zugetheilt und bei Besetzung der Lehrerstellen berück- sichtigt man nur entweder gelehrtes philologisches Wissen oder praktische reale Kenntnisse und Fertigkeiten; die Geschichte fällt entweder dem Klassen- lehrer anheim oder wird beliebig diesem oder jenem zugetheilt; daß auch dazu nicht nur gründliche Studien, sondern vor Allem Interesse und Liebe erforderlich seien, scheint Niemanden in den Sinn zu kommen. Die Folge davon ist, daß die Kenntnisse der Jugend in der Geschichte mit ihrer übrigen Ausbildung in keinem Verhältnis' stehen und ihr Wissen und ihre Urtheile meistens der sichern historischen Basis entbehren. Dieser Uebelstand ist für *) Diese Unterbrechung war Ursache, daß von diesem Werke erst 1853 der zweite, die Re so rmations g esch i ch t e in den drei britischen Reichen abschließende Band erschei- nen konnte.
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