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1. Bd. 2 - S. 122

1854 - Leipzig : Engelmann
122 Zustand der Cultur und Literatur. Tvcho de Brahe 1-1601. Kevler 1571— 1631. Galilei 156-1— 1642. Grundlage beruhe. In seiner Wohnung am Dom zu Frauenburg betrachtete er die Höhen der Planeten, des Mondes, der Sonne und der Fixsterne mit sehr unzulänglichen Instrumenten und kam durch genaue Beobachtung und Berech- nung der Erscheinungen und Bewegungen an der Himmelskugel zu der Ueberzeu- gung, daß die Sonne im Mittelpunkt des Planetensystems ruhe und sich nur um ihre Axe drehe, die Erde aber, gleich den übrigen Planeten, außer der Axendre- hung auch noch eine höchst regelmäßige Kreisbewegung um die Sonne habe und den Mond zum Trabanten. Aufs Gewaltigste durchbrach Copernicus die Welt des Scheins und war dabei so weit von Ruhmsucht und Ehrbegierde entfernt, daß er lange seine Ideen nur mündlich vortrug und sich erst kurz vor seinem Tode durch einen seiner Schüler bewegen ließ, seine Entdeckung schriftlich bekannt zu machen. Sein System setzte die Welt in Erstaunen und führte mehrere begabte Männer auf dieselbe Bahn. Unter diesen hat der dänische Edelmann Tycho de Brahe, den Kaiser Rudolf Ii. nach Prag berief, den größten Ruhm erlangt und die glänzendste Laufbahn gemacht, aber der arme Kepler, der ihm als Rechner und Gehülfe beigegeben ward, war ihm an Talent, Genialität und Wissen weit überlegen. Jener setzte der von Copernicus entdeckten wahren Welt- ordnung ein fabelhaftes, auf Schein und Aderglauben beruhendes System ent- gegen, und wurde der Begründer oder Erneuerer der astro logischen Träu- mereien, die aus der Stellung der Gestirne (Constellation) die Schicksale des Menschen errathen zu können vermeinten, eine Ansicht, der die größten Fürsten und Staatsmänner jener Zeit huldigten. Rur durch seine genauen, in den Ru- dolsinischen Tafeln niedergelegten Beobachtungen und Berechnungen der Erschei- nungen am Himmelsgebäude förderte er die astronomische Wissenschaft, die jedoch erst durch Kepler einen höhern Schwung und eine philosophische Grundlage erhielt. Unter drückenden Nahrungssorgen und mechanischen Rechnungsarbeiten für Lo- garithmen und Sonnentafeln erforschte Kepler die Gesetze des Planetenlaufs und suchte in Platons Geist seine astronomischen Entdeckungen und Demonstra- tionen mit den Gebilden einer schaffenden Phantasie zu verbinden. Dieß geschah besonders in seiner „W elrharmonie" und in „Keplers Traum," wo seine dichterische Seele und sein bildender Geist Ideen aufsteute, die, wenn sie auch nicht alle von Jrrthum und Schwärmerei frei waren, immerhin den größten und erhabensten Schöpfungen des menschlichen Geistes beigezahlt werden müssen. Kepler, „der lieber hungern wollte als abfallen von der augsburgischen Confession, wurde als ein ungesundes Schaaf von der Heerde des Herrn weggewiesen, weil er sich weigerte, die Verdammung der Calvinisten zu unterschreiben und die All- gegenwart des Leibes Christi bezweifelte. Seine Mutter starb, als Hexe ange- klagt, in Ketten." Keplers Zeitgenosse Ga lilei aus Pisa war einer der erfin- dungsreichsten Köpfe im Gebiete der Physik, Mathematik und Astronomie. Ec entdeckte die Gesetze der P en d elschw ingung en und des Falls, erfand oder verbesserte das Thermometer und war einer der ersten Begründer der wissen- schaftlichen Physik. Mit Hülfe des kurz zuvor in Holland erfundenen Fern- rohrs, das er zuerst gen Himmel richtete, entdeckte er die Trabanten des Jupiter und andere noch unbekannte Erscheinungen; da er aber in einer in Gesprächsform abgefaßten Schrift dem copernicanischen System den Vorzug vor dem ptolemäi- schen zuerkannte, gab er den von Neid erfüllten Anhängern des Alten, die ihn schon wegen seiner Bekämpfung der aristotelisch-scholastischen Philosophie anfein- deten, Gelegenheit zur Klage. Von der Inquisition zur Verantwortung gezogen, mußte Galilei knieend seine Ansicht von der Bewegung der Erde als irrig und schriftwidrig abschwören, wäbrend diese mit ihm und seinen Richtern im Fluge

2. Bd. 2 - S. 124

1854 - Leipzig : Engelmann
124 Zustand der (Suitur und Literatur informatorischen Sinn eine zerstörende Bahn ein. Sein tiefer, sinnvoller und mit seltenen Kenntnissen ausgerüsteter Geist gerieth auf phantastische und schwärme- rische Ideen, die in eine wilde, geschraubte, mit Naturbildern und alchymistischen Kunstausdrücken angefüllte Sprache gekleidet wurden. Erst als der Wittenberger Professor Cornarius den Text des Hippokrates hergestellt und überseht hatte, schritt man auf der Bahn der Alten zur wissenschaftlichen Medicin fort, zog die Anato- Anatomie herbei, zu der Karls V. Leibarzt Besalius durch sein Werk über Botanik, den Bau des menschlichen Köpers den Grund gelegt hatte und benutzte sthickic^^ Kenntnisse der Botanik, die der Begründer der Naturgeschichte, Conrad Geßner u. A. aus den alten Autoren geschöpft und durch eigene Minera- Beobachtungen erweitert hatten. Ein strebsamer deutscher Arzt, Georg Agri- logie. cola, der bei den Bergleuten von Joachimsthal verweilte, wurde der Begründer der wissenschaftlichen Mineralogie. Ge- Auch die Geschichte, bei der man sich, wie bei allen wissenschaftlichen ícíncí,te* Werken, der lateinischen Sprache bediente, erhielt nach dem Muster der Alten eine neue Gestalt. Die Reformationsgeschichte fand einen trefflichen Bearbeiter in dem Straßburgerrechtsgelehrten und Geschichtschreiber des schmal- Sleidan kaldischen Bundes, I o h. S leid an, und ein Jahrhundert nachher an dem ge- ^Thuan lehrten Staatsmann Seckendorf (ff 1692). Der Franzose Thuanus (de ios:! — Thou) schrieb nach Livius' Vorbild eine ausführliche, die zweite Halste des 16. Jahr- hunderts umfassende Historie seiner Zeit; die Freiheitskriege der Nieder- Hugo lande fanden etwas spater einen patriotischen Bearbeiter in Hugo Grotius 1583— (§.531.), der sich Tacitus' Styl und Form zum Muster nahm. In der Kirchen- 1645- geschichte zündeten die Magdeburger Centuri atoren zuerst die Leuchte der Kritik an, während der Italiener B a r o n ius (ff 1607) seine großen Kir chen- ^ annalen im päpstlichen Sinne abfaßte. — Einige Jahrzehnte spater schrieb leiqh^ der geistreiche, freisinnige und weitblickende Engländer Sir Walter Ra l e i g h ^i(U8 (§* 5^7.), unter Elisabeths glorreicher Regierung als Kriegsheld, als Beförderer der Ansiedelungen in Nordamerika und als Entdecker ferner Lander weit berühmt, wahrend einer 15jährigen Gefangenschaft, in die ihn eine mysteriöse Verschwö- rung gegen Jacob I. gebracht, die erste Weltgeschichte in der Landessprache. Später führte ihn eine fehlgeschlagene Entdeckungsreise in Guiana, wobei er eine spanische Stadt beschießen ließ, aufs Schaffot, indem man das früher über ihn gefällte Todesurtheil nachträglich an ihm vollziehen ließ. Ueber deutsche Dichtkunst s. Anhang. 4. Philosophie. §.552. a) Erneuerung alter Systeme. Kampf gegen die Scholastik war der Grundzug der Philosophie des 16. Jahrhunderts. Doch begnügte man sich anfangs mit Wiederholung und Weiterbildung der alten Sy- steme, bis Baco von Verulam der Schöpfer eines auf Erfahrung ge- gründeten Systems der empirischen Philosophie und Cartesius (Des- cartes) der Begründer der unabhängigen Speculation wurde. — Der trockenen Verftandesphilosophie der Scholastiker stellte man zuerst den idealen Platonismus und den Realismus der aristotelischen P e - ripatetiker entgegen. Bei dem jugendlichen Enthusiasmus für Wissenschaft und Wahrheit und bei dem herrschenden Glauben an Geheimlehren, wodurch der Zusammenhang der Natur und Welt mit dem Geisterreich erfaßt werden könnte, kam man bald zur orientalischen Philosophie, als der vermeintlichen

3. Bd. 2 - S. 226

1854 - Leipzig : Engelmann
Bayle 1647 — 1706. Bossuet f1740, 226 Ausgang des siebenzehnten Jahrhunderts. Fenelon, ein edler Mann von mildem Charakter und christlicher Gesinnung und Tugend, war Erzieher der königlichen Enkel und schrieb dieses an Homers Odyssee sich anschließende Werk in der Absicht, dem Erben des Thrones diepflich- ren eines Regenten anschaulich zu machen. Da die dort ausgestellten Grundsätze durch den grellen Contrast mit der Regierung Ludwigs Xiv. als eine Satire auf die letztere gelten konnten und man hie und da Anspie- lungen zu finden glaubte, so verbot der von dem neidischen Bossuet gegen Fenelon auf- gebrachte König nicht nur den bereits begonnenen Druck, sondern belegte auch den Bischof, mit dessen mystisch-religiösen Ansichten er überdies unzufrieden war, mit seiner Ungnade. Erst nach Ludwigs Tod wurde das Ganze vollständig gedruckt und zugleich die merkwür- dige Abhandlung („Anweisungen für das Gewissen eines Königs") betgefügt, in der Fe- nelon aus den Lehren des Christenthums die Grundsätze einer von Rächen aus dem Volke umgebenen constitutionellen Monarchie ableitete und die Verwaltung des Reichs nach festen Gesetzen zur Gewisscnssachc derregenten machte. §. 630. Prosa-Literatur der Franzosen. Einen neuen Zweig der Prosaliteratur bildeten die von nun an immer häufiger entstehenden Journale, sowohl politische als literarische. Unter den letztern wa- ren am bedeutendsten das im Sinne der katholischen Kirche und des Pariser Hofes redigirte Journal des Savans (seit 1665), die von Le cler c (Clericus) und Bayle indenniederlandengeleitetenixouvellesde la ré[uiblique des let- tres im protestantisch - freisinnigen Interesse und das Jesuiten-Journal de Trevoux. — Von der polemischen Literatur, zu welcher der Streit der I an- senisten (Pascal u. A.) mit denjesuiten Veranlassung gegeben, ist schon oben (§. 617.) die Rede gewesen. Bayle, ein während der Huguenottenversolgungen aus Frankreich in die Niederlande geflüchteter Gelehrter, war einer der scharfsinnigsten Kritiker und hellsten Köpfe der Zeit. Sein Grundsatz, daß die menschliche Vernunft nur ver- mögend sei, Jrrthümer zu entdecken, keineswegs aber die Wahrheit zu erkennen, hat seinen Untersuchungen einen auflösenden und vernichtenden Charakter aufge- drückt. Er bekämpfte mit Freimuth und überzeugender Gründlichkeit und Klar- heit alle Jrrthümer und Vorurtheile in Kirche, Staat, Wissenschaft und Leben und unterwarf alles Vorhandene in Sitten, Meinungen, Staatseinrichtungen und Religion seinem prüfenden Verstand. Seine Schriften waren um so wirk- samer, als er Meister des Styls war und selbst den gelehrtesten Abhandlungen durch witzige und unterhaltende Darstellung und Anekdoten ein Interesse zu geben wußte. Sein Hauptwerk ist sein historisches und kritisches Wörterbuch, worin er an eine Anzahl Namen aus der politischen, kirchlichen und literarischen Geschichte seine ge- lehrten Forschungen und skeptische Betrachtungen anreiht, ein Buch, das, bei aller Ruhe und Gewissenhaftigkeit der Forschung, zum Zweifel und Unglauben anregt und daher von jeher heftige Tadler unter allen Parteien gefunden hat. Auf entgegengesetztem Standpunkte steht der als Kanzelredner, Huguenotten- bekehrer und Eiferer für katholische Rechtgläubigkeit bekannte Bossuet, Bi- schof von Meaux, ein kluger, ehrgeiziger Prälat, der bei seinem kirchlichen und literarischen Wirken vor Allem nach der Gunst des Hofes strebte. Außer seinen geistlichen Reden und polemischen Schriften wider die Protestanten (die Geschichte der religiösen Veränderungen [varialions] in der protestan-

4. Bd. 2 - S. 227

1854 - Leipzig : Engelmann
227 Das Zeitalter Ludwigs Xiv. tischen Kirche) ist sein mit Kraft und Beredsamkeit geschriebenes Werk über Weltge- geschichte (discours sur l’histoire universelle), die er zuerst als ein Ganzes und mit christlicher teleologischer Beziehung auffaßte, um die Wege zu zeigen, auf welchen die gött- liche Vorsehung die Menschen geleitet, am bekanntesten. Seine der heiligen Schrift ent- nommene P olitik gestattet dem Fürsten unumschränkte Gewalt, den Unterthanen als Mittel gegen Willkür und Tyrannei — demüthige Vorstellungen und Gebete. Bos- suet trug, wie auch seine gefeierten Mitbewerber um die Palme der Kanzelberedsamkeit, Fle ch ier, B ou rdal o u e u. A., kein Bedenken , die Ausrottung der calvinischen Ketzerei als eine der prciswürdigsten Thatcn des großen Königs zu rühmen. Was die Gesch i ch tsch r e i b un g angeht, so muß man die gelehrten, eine Zusammenstellung aller Materialien bezweckenden Arbeiten von den zur Unterhal- tung und Belehrung geschriebenen Geschichtswerken unterscheiden. Von jener Art sind Tillem onts Schriften über die römische Kaisergeschichte und die e r st e n I a h r h u n d e r t e der christlichen Kirche, die G i b b o n bei seiner Geschichte des Untergangs des römischen Reichs (§, 670.) fleißig benützt hat; P agi's kri- tische Forschungen der kirchlichen Annalen des Baronius, ein gründliches und mit Geist abgefaßtes Werk oom freisinnigen Standpunkte der gallikanisch-katholischen Kirche; Beaufort's kritische Schrift „über die Ungewißheit der 5 ersten Jahrhunderte der römischen Geschichte", worin mit gelehrter und kritischer Prüfung der Schriftsteller nachgewiesen wird, „daß die traditionelle Geschichte des ältesten Roms nirgends eine ur- kundliche Gewähr für sich habe"; Rollin's fleißige aber kritiklose „römische Ge- schichte"; und Du Cange's Wörterbücher (Glossarien) über die Latinität und Gräcität des Mittelalters, wodurch das Verständniß des Feudalrechts und der Zustände des Mittelalters sehr gefördert ward. — Auch die Werke des Alterthums wurden durch Ausgaben, Commentare und Uebersetzungen (Homer der Frau Dacier) zugänglicher ge- macht; doch sind die Ausgaben derklassiker zum Gebrauch des Dauphin (in usum Del- phini) mehr durch ihre typographische Ausstattung als durch ihren innern Werth ausge- zeichnet. Unter den zur Belehrung geschriebenen Geschichtswerken steht die Ge- schichte Frankreichs von M ez er a y oben an. Dieser zwar keineswegs ele- gante aber sehr gründliche Schriftsteller faßte das National-Leben in seiner Tiefe und Totalität auf und stellte das Abgabensystem und die damit verbundene Ty- rannei in ein so grelles Licht, daß er darüber seine Stelle und den Gehalt eines könligichen Historiographen verlor. Neben dieser ernsten, gehaltvollen Geschichte nimmt die auf Unterhaltung berechnete Mittelgattung zwischen Geschichte und Roman eine untergeordnete Stelle ein. Dahin gehören besonders die Werke von Ver tot (Geschichte des Malteserordens u. A.) und St. Real (Verschwö- rung von Venedig u. A.) und die zunehmende Zahl der Denkwürdigkeiten, Su Real unter denen die von S ul ly und noch mehr die des Cardinal von Retz (§. 610.) 1 Ilj~' eine Auszeichnung verdienen. Die letztern sind als treues Abbild der bewegten Zeit der Fronde eben sowohl teurch ihren Inhalt als durch den für die Kenntniß der Conversationssprachc dervornehmen Kreise wichtigen Styl merkwürdig. — Bewundert und viel gelesen sowohl wegen der eleganten Form als der Lebendigkeit der Schilderungen waren die Charakterzeichn ungen Labruyere's, eines feinen Hofmanns und Lebensphilosophen, dem die Lächerlichkeit als"^fg^" der größte Fehler erscheint, weil sie die Klippe ist, woran der Mensch in der Gesellschaft scheitert, und die durch glänzenden Styl ausgezeichneten „Grundsätze und Betrach- tu n gen" (máximes et réflexions) von Laro ch esou cauld, dessen Haus densammel- stucauld j 5 * + 1080.

5. Bd. 2 - S. 490

1854 - Leipzig : Engelmann
490 Neuere und neueste Literatur des Auslandes. der englischen Verfassung und der durch die Reformation und Revolution bewirk- ten Umgestaltungen und schrieb zugleich eine Geschichte der europäischen Staaten und Literatur im Mittelalter; Nap i er verfaßte ein werthvolles und gründ- liches Buch über den peninsularischen Krieg, Tytler eine umfangreiche Geschichtevon Schottland; Aliso n widmete seine Feder der Darstellung Carlple europäischen Verhältnisse während der Zeit der französischen Revolution, 1795— welche letztere der geistvolle Kritiker Thom. Carlyle in ihren hervortretenden 1850' Erscheinungen als ergreifende Visionen lebendig dargestellt hat. Derselbe Carlyle war der größte Kenner der deutschen Literatur, die er durch gewandte Uebersetzun- gen (Wilhelm Meister u. a.) und durch Biographien („Schillers Leben") seinen Landsleuten zu vermitteln bemüht war. I. Dunlops Werke über Literatur- geschichte, Lord B roug ha ms Biographien berühmter Staatsmännerundeine große Menge von Schriften über einzelne Theile der einheimischen Geschichte (Palgrave, d'israeli, Godwin), sowie die vielen Sammelwerke von Ur- kunden und Schriften früherer Zeiten geben Zeugniß von der großen Regsamkeit der englischen Literatoren auf dem Gebiete der Geschichtschreibung und von dem Interesse der Nation für ihre große Vergangenheit. Unter allen, die bisher ihre Muße der Erforschung rind Darstellung geschichtlicher Begebenheiten und des Macaulatz historischen Nationallebens gewidmet haben, nimmt der als Staatsmann und gcb. 1800. Redner, als geistreicher Kritiker und als Dichter berühmte Th. B. M a cau la y den ersten Rang ein durchseine noch unvollendete „Geschichte von England", die als Einleitung die Entwicklungsgeschichte der englischen Verfassung in über- sichtlicher Darstellung vorausschickt und dann mit dem Regierungsantritt Jacobs Ii. die historische Erzählung beginnt. Mit gründlicher Erforschung der Verhältnisse und mit tiefer Einsicht in die Natur und Eigenthümlichkeiten der handelnden Personen verbindet Macaulay einen unparteiischen durch Philosophie und humane Studien geweckten Sinn für Gerechtigkeit und historische Wahrheit, ein freimü- thiges Urtheil, eine klare, lichtvolle Darstellung und eine edle, männlich kräftige Sprache. Auch seine kleineren historischen Schriften enthalten viel Treffliches. Eharcckter (7 Frankreich (vgl. §. 627—631. §. 671). In keinem Lande ist die Literatur.' Literatur so innig mit dem öffentlichen Leben verflochten und übt solchen Einfluß auf die Sitten und Denkweise als in Frankreich. Sie beherrscht die Gesellschaft, drängt sich in die Politik und bestimmt die religiösen und kirchlichen Ansichten der gebildeten Stände. Die französische Literatur hat daher auch nicht die selbstän- dige Stellung, nicht das freie Wachsthum, nicht die unbefangene, harmlose Selbstgenügsamkeit anderer Länder. Sie ist bald Herrscherin, bald Dienerin der Politik und Religion und hat stets die innigste Beziehung zu den öffentlichen Zu- ständen. Nicht zufrieden mit dem geistigen Schaffen sucht sie die Ideen, Ansich- ten und Grundsätze auch zu verwirklichen und im praktischen Leben zur Geltung zu bringen. In den letzten Zeiten des alten Königthums theilte sie den allgemei- nen Charakter der Auflösung, der Verneinung, des sittlichen Verfalls; in den Tagen der Republik stimmte sie den Ton wilder Freiheitsbegeisterung an und diente dem Convent als Werkzeug zur Begründung seiner welterschütternden Maß- regeln; zur Kaiserzeit stieß sie in die Posaune des Ruhms und diente dem neuen Machthaber mit Schmeichelworten und Prunkreden; unter der Restauration erlangte die neue Romantik mit ihrer religiösen Sentimentalität die Herrschaft und stützte und förderte das System der christlichen Gläubigkeit und Legitimität. Neben allen diesen Richtungen ging jedoch gleichzeitig eine kräftige Opposition her, die bald mehr bald weniger geschickt und erfolgreich gegen die herrschende Richtung Widerspruch einlegte und dadurch eine gefährliche Einseitigkeit verhin-

6. Bd. 2 - S. 492

1854 - Leipzig : Engelmann
492 Neuere und neueste Literatur des Auslandes. ^1754 begründen zu können glaubte, war Frau Roland, geb. Ph lipon, zur Zeit - 1793. der Girondistenherrschaft die Seele jener politischen Partei, die auf den Trüm- mern des alten Königthums ihre republikanische Welt aufzurichten vermeinte. Ihre aus dem „Vernunftschwarmer" Rousseau geschöpfte Begeisterung für Frei- heit und Menschenrechte verband sich mit einer feurigen Bewunderung des republi- kanischen und patriotischen Heldensinnes der alten Welt, die sie aus Plutarch's idealen Schilderungen kennen gelernt und trieb sie an, ihre schriftstellerischen Gaben und die ganze Thatigkeit ihres Geistes der Begründung eines Zustandes in Staat und Leben zu widmen, der allein das Glück und 2pett der Menschheit bewirken könnte. Ihre politischen Aufsatze sowie der bekannte, im Aufträge ihres Gemahls verfaßte Br ief an den König (§.718.) sind unmittelbare Er- güsse einer für Freiheit, Vaterland und Wiedergeburt des Menschengeschlechts begeisterten Seele; wie edel rein und lauter diese Seele war, wie fern von aller Eitelkeit und aller Beziehung nach Außen, geht aus ihrer erst vor zehn Jah- ren bekannt gewordenen Correspondenz mit ihrer Jugendfreundin hervor. Und als sie aus ihrem Traum erwachte und im Namen derselben Freiheit, die ihr theuerstes Gut war, in den Kerker geführt wurde, um ihn nach einiger Zeit mit dem Schaffst zu vertauschen, da bewies sie, welche Ruhe, Kraft und Größe in einer weiblichen von idealen Bestrebungen erfüllten Seele wohne, indem sie hier im Angesicht des Todes ihre interessanten Denkwürdigkeiten, ihre „Berufung an die Nachwelt" verfaßte und fürchtend, die erste Handschrift möchte verloren sein, kurz vor ihrer Hinrichtung das ganze Buch zum zweitenmal schrieb. Die politischen Ansichten und das Schicksal der Frau Roland und ihrer Partei, aber Condorcet^icht die schriftstellerischen Eigenschaften derselben theilt der Marquis v. Con- 1743-94. d o rcet, Mitglied der französischen Akademie und fruchtbarer Schriftsteller auf dem Gebiete der Philosophie, der Politik und der schönen Literatur. Durch seine Ueberzeugung und durch sein warmes Gefühl für Menschenwohl und Menschen- würde in den Strudel der Revolution und zu republikanischen Ansichten geführt, bewahrte er in seinen Schriften doch stets das Gepräge der frühem klassischen Bildung und schrieb „im Geiste des rechnenden und berechneten Enthusiasmus der encyclopadistischen Schule." Condorcet „stützte sich in seinen Schriften auf eine Reihe wissenschaftlicher Theorien, um darzuthun, daß das menschliche Geschlecht einer ins Unendliche gehenden Vervollkommnung fähig sei. Er gehörte zu der Zahl derjenigen, welche von einem fortdauernden Fortschreiten menschlicher Weis- heit , Gerechtigkeit, Glückseligkeit mitten unter den Gräueln und Grausamkeiten der damaligen demagogischen Gewalthaber träumten." Indem er aber somit ein stetes Fortschreiten und Verändern, wenn auch zum Bessern und Vollkommnern, als oberstes Prinzip hinstellte, mußte er nothwendig zur Verneinung und Be- kämpfung alles Positiven und Bestehenden kommen. In den Sturz der Gironde verflochten (§.723.) fand er bei einer großmüthigen Freundin ein Asyl und schrieb daselbst die treffliche Schrift: Esquisse d’un tableau historique des progres de l’esprit humain. Als aber Alle, welche Geachtete verbergen würden, mit dem Tode bedroht wurden, verließ er seinen Aufenthalt in Bettlerkleidern und irrte eine Zeitlang umher, bis er erkannt und verhaftet wurde. Im Kerker nahm Dupuis ec ®ist/ das er stets bei sich führte. Condorcet's Geistes- und Gesinnungs- ^i809~ ^moü”e lüac der gelehrte K. Fr. Dupuis, der in seinem berühmten Buche: Origine de tous Ies cultes ou religion universelle die alten Mythen durch die Astronomie zu erklären und die Religion mit der freigeistigen Philosophie der Cabanis Revolution zu durchdringen suchte, wahrend ein anderer Genosse, der Arzt und *i808~ ^dysiker Cabanis, das ganze Geistes- und Seelenleben des Menschen auf die

7. Bd. 2 - S. 506

1854 - Leipzig : Engelmann
506 Neuere und neueste Literatur des Auslandes. Guizot geb.i787. Dieselbe Regsamkeit, die sich in der poetischen Literatur der Franzosen kund giebt, zeigte sich auch in den übrigen Gattungen, besonders in einer sehr aus- gedehnten journalistischen Thätigkeit. Eine Menge Z ei tsch rifren, durch lite- rarische Beigaben (Feuilleton) anziehender gemacht, nehmen die bedeutendsten schriftstellerischen Kräfte in Anspruch und dienen häufig zur Niederlage der neue- sten Erzeugnisse im Roman, in Reisebildern (M armier) in ästhetischer und kri- tischer Belletristik (Jules I an in, Ta i l lan d i e r u. A.). Vor Allem verdienen die Revue des deux mondes und das Magazin pittoresque einer rühmlichen Er- wähnung. In der Geschichtschreibung schritt man theils auf der durch Voltaire und Montesquieu begründeten Bahn des philosophischen Pragmatismus fort, indem einige, wie Franc. P. Guizot („Culturgeschichte Frankreichs im Mittelalter"; „Geschichte der englischen Revolution" u. a. W.) den historisch zu- sammengetragenen Stoff hauptsächlich dazu benutzten, philosophische Ergebnisse und Ideen daraus zu ziehen, theils widmete man der Anordnung und Darstel- g?b.i7s2 ülng mehr Sorgfalt, wie Varante, der Verfasser der „Geschichte der Herzoge von Burgund" und der geistreichen „Geschichte der franz. Literatur im 18.Jahrh." Thierry und die Gebrüder T h ie rry (Augustin anfangs Saint Simonist [§. 809.], geb.1795. später erblindet, „Geschichte der Eroberung Englands durch die Normannen"; „historische Briefe"; „älteste Geschichte Frankreichs" und Amede'e Thierry, „Geschichte der Gallier" u. a. W.), deren durch gründliche Forschungen über die Natur und Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Volksstämme unterstützte gene- tische oder beschreibende Geschichtsbücher neue Anschauungsweisen hervorbrachten. geb^i799^Zu ihnen kann auch der vielschreibende Cape figue, der Verfasser mehrerer um- fangreichen Werke aus der franz. Geschichte gerechnet werden. Die erzählende Sismondl chronikartige Geschichtschreibung fand mehr fleißige als geistreiche Bearbeiter in ^3— Anquetil (f 1808), Gallais und in dem Genfer Sismondi, welcher letztere außer einer G esch i ch t e Fr a n k re ichs und der italienischen Re- atíiécíet P u ^ liken des Mittelalters, auch eine Literaturgeschichte dessü- geb. 1798. d ens verfaßt hat. Jul. Michel et, der Verfasser einer weit verbreiteten Ge- schichte von Frankreich und in neuerer Zeit eifriger Demokrat und Jesuiten- feind, während er früher in einer Schrift über Luther die Reformation verdammt hatte, suchte den philosophischen Pragmatismus der ältern Schule mit der neuen ^ ( mehr kunstmäßigen (descriptiven) Richtung zu verbinden. Eine gehaltvolle Schrift über den K r i e g d e r F r o n d e rührt von dem Grafen S t. A u l ñ i r e her; und über geb. 1779. die Literaturgeschichte haben Raynouard, Fauriel, Ampere, Sainte- Beuve und besonders Ginguené (ff 1816, „Literaturgeschichte von Italien") werthvolle Arbeiten geliefert und gründliche Forschungen eingestellt. Mit besonderer ^ Vorliebe aber wendete sich die sranzösische Geschichtschreibung der Revolution und geb^.'i796. ^em Kaiserreich zu. F. A.a. Mi g net hat in einer gedrängten Darstellung dieser großen Geschichtsepoche mit logischem Geistund fatalistischer Anschauung nachgewie- sen, wie jede einzelne Erscheinung als nothwendige Folge vorangegangener Ursachen geb.^797. unvermeidlich eintreten mußte, und Ad. Thiers hat sich durch seine ausführliche „Geschichte der Rev olution" den Weg zu der hohen Stellung gebahnt, die er seit 1830 in Frankreich eingenommen hat. Seine spätere „Geschichte des Konsulats und des Kaiserreichs" ist, gleich Bignons diplomatischer Geschichte dieser Zeit, eine rhetorische Parteischrift voll französischer Ruhmredig- keit. Von den zahllosen „Denkwürdigkeiten" berühmter Männer und Frauen, welche eine beliebte Unterhaltungslectüre der Franzosen bilden und daher in wu- chernder Menge zum Vorschein kommen, haben nur wenige literarischen Werth, so reich auch manche an interessanten Einzelheiten und Begebenheiten sein mögen.

8. Bd. 2 - S. 45

1854 - Leipzig : Engelmann
Die Periode der Nachahmung. 43 8-54. Christian Thomasius. Thomasius wagte zuerst den großen Kampsratl'"16a5'5 wider verjährte Vorurtheile. Als Privatdocent in Leipzig schrieb er ein deutsches Pro- — 1728.° gramm (Discours), worin er die Nation ausforderte, im Gebrauch und in der Ausbildung der Muttersprache die Franzosen nachzuahmen, und hielt dann philosophische Vorle- sungen in deutscher Sprache. Unerschüttert durch das Geschrei der Pedanten, die in der Neuerung eine Minderung ihres Ruhms erblickten, und der strenggläubigen Theo- logen, die in seiner freien Richtung Gefahr für Zion fürchteten, schritt Thomasius aus der betretenen Bahn ruhig fort. Durch deutsche Vorträge weckte er den Geist der Jugend; durch populäre Werke über wissenschaftliche und philosophische Gegenstände bemühte er sich unter dem Volke Licht und Aufklärung zu verbreiten; durch Begründung der ersten deutschen Zeitschrift („Freimüthige, lustige und ernsthafte, jedoch Vernunft- und gesetzmäßige Gedanken oder Monatgespäche über allerhand, vornehmlich über neue Bücher" 1688—90), worin mit Witz und Verstand die neuesten literarischen Erscheinungen ge- würoigt wurden, suchte er eine neue Periode der Literatur zu begründen und das barba- rische Schullatein, das bisher aus dem Katheder und in allen Lehrbüchern herrschte und dem er die Schuld beimaß, daß die Deutschen hinter andern Nationen in der Bildung zurückständen, zu verdrängen. Als der „Jrrlehrer" dem Zorne seiner Gegner weichen und unter dem Geläute des Armensünderglöckchens Leipzigs Mauern verlassen mußte, begab er sich an der Spitze einer Schaar treuergebener Studenten nach Halle und führte dadurch 1693. die Gründung einer neuen Universität herbei. Hier konnte er als Professor der Rechte mit weit mehr Nachdruck die Bahn verfolgen, die er in Leipzig eingeschlagen. Alles, was einer freien Entwickelung hemmend im Wege stand, ward von ihm mit allen Waffen des Witzes und Verstandes bekämpft. Die schmachvollen Herenprocesse wurden durch seine lateinische, später ins Deutsche übersetzte Abhandlung äs crimine Magiae so mächtig erschüttert, daß fortan die meisten Gerichtshöfe sich schämten, dergleichen vorzunehmen. Weniger erfolgreich waren seine Angriffe gegen die Folter. Noch über ein halbes Jahr- hundert bestand dieser Gräuel, bis der hochsinnige Markgraf Karl Friedrich von Baden den Anstoß zu deren Entfernung'gab. Was Luther dem deutschen Volke zu verleihen gesucht, Kenntniß und Anwendung seiner Sprache, Gebrauch seiner Vernunft und eine Religion des Herzens, suchten Thomasius, Spener und Franke (Lehrb. §. 656.) demselben zurückzugeben. Haller tz. 55. Haller und Hagedorn. Der bedeutendste Lehrdichter, der wie Brockes 1708—77. in die Fußtapfen der Engländer trat, war Albrecht von Haller (geb. in Bern 1708, Professor der Medicin in Göttingen, gest. als Direktor der Salzwerke in Bex 1777), einer der größten Gelehrten aller Zeiten und als wissenschaftlicher Schriftsteller (über Medicin und Botanik) nicht minder berühmt wie als Dichter, Romanschreiber (Usong, Lehrb. §. 414.) und Geschichtskcnner. Haller war ein ernster, ja zuweilen finsterer und schwermüthiger Mann, der in christlicher Strenggläubigkeit die Ruhe seiner Seele suchte und als warmer Verfechter (Apologet) der christlichen Lehre auftrat. Durch Kraft und Gewandheit der Sprache wurde er epochemachend, wenn gleich das Streben nach Kürze und Gedrungen- heit seinen Styl zuweilen unklar machte. Betrachtender Verstand beherrschte bei ihm die Einbildungskraft. Sein berühmtestes Werk ist das weitverbreitete Lehrgedicht die Alpen, worin die Naturansichten jener großartigen Schweizergcgend malerisch beschrieben, die schlichten Sitten des Volks geschildert und das Glück eines einfachen Naturlebens geprie- sen werden. Sein religiöses Gedicht vom Ursprung des Uebels kann als Vor- läufer der Messiade gelten. Eben so bedeutend für die neue Gestaltung der Dichtkunst wie Haller, wenn gleich an Charakter und Richtung der Gegensatz zu ihm, ist Friedrich Hagedorn von Hagedorn aus Hamburg. Stößt Haller durch seinen Ernst und seine Verschlossen- 1708-si. heit zurück, so zieht Hagedorn durch seine gutmüthige, heitere und gesellige Natur und durch seine sokratische Lebensansicht an, so daß sich Hagedorn eben so viele Freunde

9. Bd. 2 - S. 46

1854 - Leipzig : Engelmann
46 Neuere Literatur. erwarb, als Haller Anfechtungen und Kämpfe zu bestehen hatte. Haller hielt sich lediglich an die Engländer und an Virgil, der feine Weltmann Hagedorn dagegen ging auch bei den eleganten französischen Schriftstellern in die Schule; er nahm in der Fabel und poetischen Erzählung Lafontaine zum Vorbild, im heiteren Lied und in der Epi- stel dagegen hatte er Horaz vor Augen. Hagedorn war Meister in der leichtern „Poesie der Grazie." §. 56. Gottsch ed. In der ersten Hälfte des 18. Iahrh. übte im nördlichen öu'itfrfu’b Deutschland ein Mann von höchst untergeordneten Talenten eine dictatorische Gewalt 1700— 66. über Literatur und Geschmack— Joh. Christoph Gottsched aus der Provinz Preußen, Professor an der Universität Leipzig. Durch Menke, bei dem er Anfangs Hauslehrer war, kam er in die 1728 gegründete deutsche Gesellschaft, wurde bald Haupt derselben und übte durch sie mächtigen Einfluß auf die vielen ähnlichen Verbindungen in den sächsischen und preußischen Städten, die sich an die Leipziger Gesellschaft anlehnten. Er gründete eine deutsche kritische Zeitschrift, die unter verschiedenen Namen („die vernünftigen Tadlerinnen", „kritische Beiträge", „neuer Büchcrsaal" u. s. w.) lange Jahre bestand und eine Menge Nachahmungen in den Provinzialstädten hervorrief, die Auszüge aus jener enthielten. — Als Verehrer von Opitz und den Schlesiern hatte er die zahlreichen Anhänger dieser Schule auf seiner Seite; als Lehrer der Poesie und Redekunst bildete er Schüler, die ihn überall priesen, weil sie von ihm wieder gepriesen wurden. — Die Anhänger der Leibnitz-Wolsischen Philosophie gewann er dadurch, daß er nach ihrem System seine kritische Dichtkunst entwarf; aus diesem Werke, wie aus seiner Redekunst, Sprachkunst u. «.verfertigte er für die sächsischen Schulen Lehrbücher (Compendien), worin er den Lehrern Lob spendete, um sie sich geneigt zu machen. — Als Verehrer der französischen Dichter, deren Werke er und seine Frau (Luise geb. Culmus) um die Wette ins Deutsche übersetzten, erlangte er die Gunst der vornehmen Welt, der er bei jeder Gelegenheit seine Huldigung darbrachte; durch Widerstand gegen die hereinbre- chende Freigeisterei erwarb er sich das Zutrauen der Frommen und durch Loben und An- preisen mittelmäßiger Talente gewann er sich einen Schwarm von Freunden und Ver-- ehrern. Er war der gefeierte Kunstrichter des Nordens; sein Urtheil galt als unfehlbares Gesetz des Geschmacks, so daß er die Dreistigkeit hatte, in seiner Redekunst seine eigenen Werke als Muster neben die Alten zu stellen. — Ohne Begriff von einem freien Wachs- thum der Poesie glaubte er, daß man blos die Gesetze und Regeln der Dichtkunst zu erfinden brauche, um poetische Werke machen zu lernen, und trat daher keck nicht nur als Geschmacksrichtcr, sondern auch als Mustcrdichter und Wiederhersteller der dramatischen Poesie auf. Die feierliche Verbannung des Harlekins (Hanswursts) vom Leipziger Theater war das Signal, daß die bisherigen Volksschauspicle mit ihren gemeinen Späßen von der Bühne verschwinden sollten; kunstgerechte französische Dramen, in deutsche Alexandriner gekleidet, traten an die Stelle, bis Gottsched selbst eine regelrechte Tragödie in französi- schem Geschmack: „der sterbende Cato" als Muster eines deutschen Originalschau- spiels ausstellte. Dieses werthlose Stück, das in der von ihm veranstalteten deutschen Schaubühne an die Spitze gestellt ward, erlebte in Kurzem zehn Auslagen. §. 57. Gottsched und die Schweizer. (Bodmcr und Breitin g er.) Wahrend im Norden Gottscheds Worte wie Orakelsprüchc verehrt wurden, erhob sich in der Schweiz gegen den pedantischen Geschmacksrichtcr ein gewaltiger Sturm, der zur Bl,x>ncr ^olge hatte, daß sein Truggebäude umgestürzt und er mit Hohn von dem angcmaßten 1608— Posten vertrieben wurde. In Zürich nämlich schaarten sich um Joh. Jac. Bodmer, 178.;. e(nen gewandten, witzigen, für alles Höhere empfänglichen Schriftsteller von vielen, wenn auch nicht gerade tiefen Kenntnissen, eine Anzahl strebsamer Männer, darunter Joh. Jac. tyigcr Dreitinger. Diese waren eben so tiefe Bewunderer der englischen Literatur, wie Gott- 1701- 76. sched der französischen, daher bald Reibungen zwischen beiden entstanden. Die Züricher

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Ueberschau und Vorblick. 55 dramatischen Dichters Christ. Felix Weiße und viele ähnliche Produkte brachten ihren Bersassern Ruhm und Gewinn.— Ein gleicher Eifer erwachte für volksfreundliche Schrift- stellern und für die Belehrung des Landmanns, seitdem der wackere und verständige I. G. Schlosser in seinem Katechismus der Sittenlehre für das Landvolk die Bahn gebrochen und Fr. Eberh. v. Rochow seinem Beispiel gefolgt war. Doch verdient nur Pestalozzi's erwähntes Volksbuch eine Auszeichnung wegen „dereinfalt und Schlicht- heit, mit der es dem Volke seinen Gesichtskreis entlehnt und seine Denk- und Handlungs- weise und die Freuden des häuslichen Herdes schildert, um es an sich selbst und innerhalb seiner Sphäre fortzubilden." Wie nichtig nimmt sich dagegen Salzmann's Roman „Karl von Karlsberg oder über das menschliche Elend" aus. Z. 63. Philosophie. In der aufgeregten Zeit, wo der Geist sich bemühte, alle seinen freien Flug hemmenden Fesseln abzustreifen, konnte sich die Leibnitz-Wolsische Schul- philosophie (A. §. 53.) mit ihrem Formelkram nicht halten ; eben so wenig war das System des gelehrten, trockenen und grübelnden Crusius zu Leipzig im Stande, die strebsame Jugend zu fesseln; die Zeit der geschmacklosen, auf unerquicklichen Theorien und unver- ständlichen Terminologien beruhenden Wcltweisheit schien vorüber und Männer von lite- rarischer Bildung und ästhetischem Sinn, wie Moses Mendelssohn („Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele"); Garve („Cicero von den Pflichten" u. a.); Abbt („vom Tode für's Vaterland") u. A. kleideten ihre philosophischen Betrachtungen in ge- schmackvolle Form und in verständliche Sprache ohne dunkle Schulausdrücke. Selbst die Lehrer der Philosophie aus Universitäten, wie I. Gg. Heinr. Feder in Göttingen , hul- digten den Forderungen der Zeit und befleißigten sich in Vorlrag und Schrift einer faßli- chen, geschmackvollen Darstellung. Dadurch gewann zwar die philosophische Wissenschaft an Klarheit und formaler Ausbildung, aber Gehalt, Gründlichkeit und Tiefe verschwan- den. Ein oberflächlicher Eklekticism us , vom flachen Dilettantismus nicht viel ver- schieden, gab sich für ächte Weltweisheit aus. Da wurde Immanuel Kant in Königs- 1724— berg der Schöpfer eines neuen philosophischen Systems, das, Anfangs 1804- wegen seiner Schwierigkeit wenig beachtet, bald eine gänzliche Umgestaltung aller Wissen- schaften zur Folge hatte. In seinen Schriften, unter denen seine drei Hauptwerke: Kri- tik der reinen Vernunft, Kritik der praktischen Vernunft, und Kritik der Ur th e ils kraft als Grundpfeiler emporragen, bestimmte er genau die Beschaffen- heit und nothwendigen Grenzen des menschlichen Erkenntnißvermögens, stellte die Moral als wesentliche Grundlage aller vernünftigen Religion auf und gab der Rcchtslehre und Aesthetik einen festen, einfachen Boden. Hatte Anfangs die Kant'schc Philosophie zu we- nig Anerkennung gefunden, so erlebte sie bald das Gegentheil. Sie fand Eingang in alle Wissenschaften und Literaturzweige, in die Poesie und ins Leben; sic bewirkte eine gänz- liche Reform der Philosophie und bahnte den Weg zu der freien theologischen Richtung, die man seitdem mit dem Namen Rationalismus (Denkgläubigkeit) belegte, und die Heftigkeit, womit Fähige und Unfähige als Verfechter oder Gegner der neuen Weisheit zum Kamps auszogen, gab Zeugniß von dem mächtigen Eindruck, den seine Grund- sätze auf alle Gebildeten hervorgebracht. Zur Verbreitung der neuen Philosophie trug Wie- lands Schwiegersohn, der aus dem Jesuitenorden ausgeschiedene und zum Protestantis- mus übergetretcne Philosoph Reinhold, welcher im „deutschen Merkur" Briefe über die Kant'schc Philosophie veröffentlichte und in Jena vielbesuchte Vorlesungen darüber hielt, nicht wenig bei. — Kant's großer, scharfsinniger Schüler, Fichte, ein muthvoller, rtickue charakterfester Mann von ächt deutscher Gesinnung, nahm einen kühnen Flug, indem er isut von dem Kant'schen Kriticismus zu dem reinen Id eal is m u s überging, in seiner „Wis- senschaftslehre" das Ich als das Erste und Ursprüngliche setzte und in seinem „System der Sittenlehre" Freiheit und Selbstthätigkeit als Ziel des sittlichen Strcbens hinftelltc. — An Fichte's Grundsätze knüpfte sein Jünger und Nachfolger, Schelling, seine, auf einer
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