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1. Bd. 2 - S. 179

1854 - Leipzig : Engelmann
Die englische Thronumwälzung. 179 Eifer verschmähte weltliche Rücksicht. Das allgemeine Gebetbuch und die anglicanischeliturgie wurden sofort durch einen dem presbyterianischen nach- gebildeten Gottesdienst und das hierarchische Episcopalsyftem von der presbyte- rianischen Synodalversassung verdrängt; Bilder, Zierrath, Orgeln u. dergl. verschwanden aus der Kirche, die gemalten Fenster wurden eingeschlagen, Monu- mente, die als Träger des Aberglaubens und der Abgötterei gelten konnten, nie- dcrgerissen und die Feiertage verboten. Die von Laud entsetzten puritanischen Geistlichen traten ihre Stellen wieder an und hielten durch lange Predigten den Fanatismus wach, indeß der gefangene Erzbischof sein Leben auf dem Blutgerüste beschloß, und die anglicanischen Geistlichen, die der neuen Kirchenform nicht hul- digen und dem geistlichen Ornate nicht entsagen wollten, ihre Pfarreien verloren. Die früher mißhandelten Puritaner schwangen die Geißel der Verfolgung über die Nacken ihrer ehemaligen Verfolger und wurden aus Bedrückten Bedrücker. Die Erscheinungen blieben dieselben, aber die Spieler auf der Schaubühne des Lebens hatten ihre Rollen gewechselt. — Bald brach jedoch im Heerlager der Sieger selbst Zwiespalt aus. Die Independenten, die wegen ihres Enthu- siasmus, ihres Eifers und ihrer Energie bei dem Parlamente, dem Heere uno der Bürgerschaft immer mehr an Ansehen gewannen und nicht gewillt waren, die schwer errungene Freiheit und Unabhängigkeit einem fremden Kirchenregiment unterzuordnen, murrten, daß der kirchliche Despotismus nur eine andere Form angenommen und daß nun statt einiger wenigen Bischöfe eine Schaar presby- terianischer Geistlichen in den Synoden ihre Zwingherrschaft übten. Sie ver- langten, daß jede kirchliche Gemeinschaft gesetzgebendes Recht über Glauben, Cul- tus und Disciplin habe, daß alle Kirchengemeinden, die sich durch das freiwillige Zusammentreten gleichgesinnter Gläubigen bildeten, gleichberechtigt seien, und daß Niemand gezwungen werde, sein Gewissen unter eine allgemeine Vorschrift zu beugen, sondern daß Jedermann Gott nach eigenem Ermessen dienen möge; Ver- schiedenheit des Glaubens und Cultus müsse folglich gestattet und Toleranz eine heilige Pflicht sein. Geistige Freiheit, sowohl auf dem Gebiete der Religion als im Bereiche des Gedankens und des geschriebenen und gesprochenen Worts, war die mächtige Losung der Independenten. Aus Furcht über die zunehmende Macht der Independenten suchten die Presbyterianer im Parlament eine Versöhnung mit Karl. Allein die Unter- handlungen von Uxbridge scheiterten an der geforderten Abschaffung des Episcopats und der Uebertragung des Befehls über die Land- und Seemacht an das Unterhaus. Um so kühner erhoben die Independenten das Haupt. Sie setzten die Selbstentsagungsakte durch, nach welcher kein Mit- glied der beiden Häuser eine Befehlshaberstelle oder ein Amt bekleiden dürfe. Dadurch wurde Essex zur Niederlegung seiner Kriegswürde gezwungen und Fair fax, ein talentvoller, aber ganz von Cromwell geleiteter Feldherr, trat an die Spitze des Gesammtheers. Cromwell, das Haupt der Independenten, hatte die Selbstentsagungsakte am eifrigsten betrieben. Er begab sich zum Heer, um sein Commando in Fairfax' Hände niederzulegen. Aber dieser erklärte alsbald dem Parlamente: Cromwell sei unentbehrlich; nur Er könne die Reiterei führen;— denn wo Er mit seiner gottseligen Schaar im Namen des Herrn kämpfte, da war stets der Sieg. Das Parlament willigte ein und die Schlacht bei Naseby, wo der Rest der königlichenarmce zerstreut und 12* Januar 1645. Februar 1645. 14. Juni 1645.

2. Bd. 2 - S. 183

1854 - Leipzig : Engelmann
183 Die englische Thronumwälzung. herrschende; aber bei der religiösen Aufregung entstanden eine Menge Sekten, unter denen die von dem Schuster Georg Fox gestiftete Gesellschaft der 1649. Freunde, vom Volke Quaker (Zitterer) genannt, zu großem Ansehen ge- langte. „In Felle gekleidet zog Fox durch England, predigte auf den Straßen und in den Hausern Buße und Evangelium, klagte über die Sünden der Christen und verkündigte ein neues Gottesreich." Die Quäker glauben: „daß das religiöse Bewußtsein unmittelbar vom göttlichen Geiste bewirkt werde, daß Jeder, der diesen ernstlich suche, durch stille Beschaulichkeit und andächtige Einkehr in sich der göttlichen Offenbarung theilhaftig werden und das innere Licht in sich entzünden könne. Das innere Wort, wie sie dies Licht nennen, stellen sie daher neben und zum Theil noch über das äußere oder die Bibel." — „Sie halten die Sakramente nur für Sinnbilder innerer Zustände, nicht mehr äußerlich zu vollziehen, ver- werfen das Predigtamt sammt aller Theologie als Menschenwerk und wollen nur eine Geistkirche. Ihre religiöse Entschiedenheit verwirft Kriegsdienst, Eid, Zehnten und die Moden der geselligen Welt." In England lange verfolgt, fanden sie endlich eine Frei- stätte in Nordamerika, als William Penn (ff 1718) das Land am Delaware kaufte und den Staat Pennsylvanien, „die Wiege der Freiheit für die Neger und die Welt," zur Hälfte aus Quäkcrcolonisten gründete. Zuletzt erwarben sie sich auch in England Duldung, nachdem Rob. Barclay (ch 1690) ihre Lehre wissenschaftlich ausgebildet. a) Irland. Die Nachricht von des Königs Tod erzeugte in Schott- land und Irland eine furchtbare Aufregung. Dort hatte der hochherzige Montrose das königliche Banner in den Hochlanden lange aufrecht erhal- ten; endlich erlag er den Heeren der Covenanters und mußte für seine An- hänglichkeit an das Königthum einen entsetzlichen Tod erleiden. Sein Haupt 1650. und seine Glieder wurden als schreckliche Warnung über den Thoren der vier größten Städte Schottlands befestigt. Dennoch wurde nach einiger Zeit der inhollandweilendeprinz von Wales herbeigerufen undalskönigkarlii. anerkannt, mußte aber zuvor den Covenant unterzeichnen und der presby- terianischen Kirche beitreten, so sehr auch der kalte Fanatismus der schottischen Geistlichen dem leichtsinnigen, genußsüchtigen Fürsten zuwider war und ihre stundenlangen Gebete und strengen Predigten über die Sünden und Frevel- thaten seines Hauses ihm das Leben verbitterten. — Auch Irland erkannte den neuen König an und griff zu den Waffen. Da zog Cromwell an der Spitze E. eines entschlossenen republikanischen Heeres gegen die ungehorsame Insel. Drogheda wurde nach drei Stürmen erobert und die royalistischebesatzung bis auf den letzten Mann niedergehauen. Ueber Blut und Leichen ging des Siegers Weg. Cromwells Schwiegersohn Ire ton schritt auf derselben Bahn fort, und als ihn ein schneller Tod dahin raffte, vollendete Fleet- wood das begonnene Werk in ähnlichem Geist. In drei Jahren war der drohendste Aufstand erstickt; aber Irland war ein entvölkertes, von rechtlosen Bettlern bewohntes Land. Als das Schwert ruhte, wüthete ein hoher Gerichtshof mit Beil und Verbannung gegen die Häuptlinge; Tausende verließen das Land ihrer Väter und suchten in den katho- lischen Ländern Europas und in Amerika neue Wohnsitze; alle Kriegsgefangenen und eine große Zahl von Weibern und Kindern-wurden nach Westindien gebracht und in Jamaica

3. Bd. 2 - S. 207

1854 - Leipzig : Engelmann
Das Zeitalter Ludwigs Xiv. 207 langen der gespornten Bekehrer, die das Haus des Abtrünnigen veriießell und in doppelter Anzahl bei den Standhaften einrückten, wirkten mächtiger als alle Lockungen des Hofs und alle Verführungen der Priester. Taufende entflohen ins Ausland, um auf fremder Erde ihres Glaubens zu leben; aber noch sehr groß war die Zahl derer, die unter allen Drangsalen standhaft blieben, als die Auf- 22 Hebung des Edikts von Nantes dem Verfolgungsfystem die Krone auf- ~i'6s5,' setzte und die Huguenotten in Verzweiflung stürzte. Ihr Gottesdienst ward gänz- lich verboten, ihre Kirchen wurden niedergerissen, ihre Schulen geschlossen, ihre Prediger, sofern sie dem für ihre Bekehrung verheißenen Preis widerstanden, des Landes verwiesen. Und als die Auswanderung in erschreckendem Maße zunahm, wurde dieselbe unter Galeerenstrafen und Güterverlust untersagt. Aber trotz aller Drohungen und Verbote trugen über 500,000 französische Calviniften ihre Be- triebsamkeit, ihren Glauben und ihr Herz in das protestantische Ausland. Die Schweiz, die Rheinpfalz, Brandenburg, Holland und England (Spitalsield in London) boten den Verfolgten ein Asyl. Ihre Bildung, ihre Industrie, ihre gei- stige Rührigkeit blieb nicht ohne Einfluß auf die Cultur der Völker, zu denen sie geflüchtet. Aber in Frankreich war der Wohlstand und die beneidete Blüthe der südlichen Landschaften dahin! Die Seidenwebereien und die Kunst des Strumpf- wirkens wurde durch flüchtige Huguenotten dem Auslande mitgetheilt; calvinische Schriftsteller richteten ihre Feder gegen Frankreich und calvinische Krieger traten in die Reihen der Feinde beim Wiederausbruch des Krieges. Schmeichler priesen den König als Vertilger der Ketzerei; aber der Heldenmuth der Bauern in den Cevennen und die Tausende von Huguenotten, die mit stiller Hausandacht sich begnügten, bewiesen, wie wenig der Religionsdruck dem gehofften Ziele zu- führte. Als sich nämlich die Verfolgung auch in die stillen Thaler der Eeven- nen erstreckte, wo Abkömmlinge der Waldenser, die sich den Ealvinisten ange- schlossen, in Glaubenseinfalt und nach alter Sitte dahinlebten, da fanden die Dränger hartnäckigen Widerstand. Die Verfolgung erhöhte den Muth der Ge- drückten, die Mißhandlungen steigerten ihren Glaubenseifer zur Schwärmerei. Angeführt von einem jungen Handwerker warfen die in leinene Kittel gekleideten Camisarden „die nackte Brust den französischen Marschnllen entgegen." Ein grauelvoller Bürgerkrieg, in dem über 100,000 Menschen bluteten, füllte die friedlichen Thaler der Eevennen und fand erst sein Ende, als der französische Machthaber den von flüchtigen Predigern im Dunkel der Wälder zum Fanatis- mus begeisterten Kämpfern Freiheit des Glaubens zugestanden. An zwei Mil- 1704. Horten Huguenotten blieben fast rechtlos und ohne Gottesdienst, bis mildere Zei- ten die strengen Ketzergesetze ermäßigten. — Auch die frommen Waldenser in den Thalern von Piemont wurden auf Anstiften französischer Religionseiferer um die- selbe Zeit verfolgt. 4) Ludwigs Xiv. Uebermuth und Oestreichs Bedrängniß. §. 019. Die Reunionen. Die Artikel des Nymweger Friedens waren von den europäischen Machten angenommen worden, wie sie Frank- reich vorgeschrieben. Ermuthigt durch diese Furchtsamkeit schritt nunmehr Ludwig zu den unerhörten Reunionen. Es wurde die Behauptung aufge- stellt, eineanzahlortschaften undgebietstheile seien als ehemaligepertinenz- oder Dependenz-Stücke der im Westfälischen und Nymweger Frieden an Frankreich gefallenen Landschaften und Städte in der Abtretung inbegriffen.

4. Bd. 2 - S. 211

1854 - Leipzig : Engelmann
Das Zeitalter Ludwigs Xiv. 211 Geldnoth mehrte und das Parlament, bei dem der erste Enthusiasmus für das Königthum bald vorüberging, in seinen Bewilligungen nicht so freige- big war, als der König wünschte, so horchte Karl auf die lockende Stimme Frankreichs und verkaufte an Ludwig Xiv. die Ehre und den Vortheil des Landes und den eigenen Glauben um Jahrgelder und Mätressen (§. 613). Die damals an dem tonangebenden französischen Hose herrschende Sitte, durch Religionswechsel und Proselytenmachen seine vornehme Bildung und feine Lebensart zu beurkunden, hatte bereits auch in England Wurzel gefaßt. Der Herzog von Pork, des Königs Bruder, trat zur römischen Kirche über und brachte auch seine Gemahlin, die Tochter des Ministers Claren- don, des royalistischen Geschichtschreibers der englischen „Rebellion" zu dem- selben Schritt, und daß Karl Ii. seine katholische Ueberzeugung in seiner Brust verschloß und lieber den unheimlichen Pfad der Heuchelei und Falsch- heit wandelte, rührte von dem Rathe Ludwigs Xiv. her, der von einem raschen Uebertritt Gefahr für den Thron und Schaden für seine eigenen In- teressen fürchtete und darum die unbesonnene Kundmachung der Glaubens- änderung Hintertrieb. Das Volk ahnte wohl, was in des Königs Herzen vor- gegangen; Gewißheit erlangte es aber erst, als Karl bei seinem Tode die katholischen Sterbesacramente nahm. Durch die Teftakte, welche festsetztc, daß jeder, der ein Amt oder eine Militärstelle bekleide, der englischen Kirche angehören müsse, suchte das Parlament den anglikanischen Glauben gegen die Ränke des Hofs sicher zu stellen. Die Erinnerung an die Härte der presbyterischen Geistlichen während seiner verhäng- nißvollcn Jugendjahre, die Abneigung des genußsüchtigen Fürsten gegen die ascetische Strenge der Puritaner, und das Bedürsniß, für ein wollüstiges und lastervolles Leben eine leichte Absolution zu erlangen und durch eine kraftlose Buße den Fortgenuß aller sinnlichen Freuden zu erkaufen — dies waren die Motive, die Karl Ii. dem Katholi- cismus geneigt machten und ihn auf eine Bahn führten, auf der er Heuchelei, Doppel- züngigkeit, Falschheit und Wortbrüchigkcit nicht vermeiden konnte. Die vor seiner Rück- kehr erlassene Zusicherung der Gewissensfreiheit blieb unbeachtet, so lange die englische Nation und ihre unduldsame Geistlichkeit ihren Zorn gegen die Puritaner richteten, an denen sie die erlittene Schmach rächen wollten. Er duldete, daß die Uni- sormitätsakte 2000 puritanische Geistliche ihrer Stellen beraubte und sie mit Weib und Kind dem Elende Preis gab; und als diese bei ihren bisherigen Pfarrkindern Mit- leid, Hülfe und Anhänglichkeit fanden und heimliche Bet- und Andachtsstunden anordne- ten , wurden durch die C o n v en tikel-Akte alle religiösen Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen, wobei nicht das allgemeine Gebetbuch zu Grunde gelegt wäre, für ungesetzlich und aufrührerisch erklärt und die Theilnehmer mit schweren Strafen bedroht. Diese Eonventikel-Akte wurde auch nach Schottland ausgedehnt, wo das Episcopalsystem in aller Strenge eingeführt und den gemäßigten Presbyterianern eine halbeduldung unter dem Namen I n d u l g e n z gewährt wurde. „Aber cs gab viele ungestüme und entschlos- sene Männer (sagt Macaulay), besonders in den westlichen Niederlanden, welche der Mei- nung waren, daß die Verpflichtung, den Covenant zu halten, höher stehe als die Verpflich- tung, der Obrigkeit zu gehorchen. Diese Menschen fuhren fort, im Widerspruch mit dem Gesetz Versammlungen zu halten, und Gott auf ihre Weise zu verehren. Die Jndulgenz 14* 1673.

5. Bd. 2 - S. 304

1854 - Leipzig : Engelmann
304 Das Revolutions-Zeitalter. Dies ermuthigte den spanischen Minister Aranda zu einem kühnen Gewaltstreich. Nach einem angeblich von den Jesuiten bewirkten Aufstand gegen die Finanz- maßregeln der Regierung in Madrid, ließ er in Einer Nacht an 5000 Glieder 31i767rä des Ordens in allen Provinzen des Reichs verhaften, ohne Unterschied des Alters Nov. oder Ranges zu Schiffe bringen und gleich Verbrechern nach dem Kirchenstaate abführen. Ihre Güter wurden eingezogen, ihre Anstalten geschlossen. Aehn- Ferd^nand ^i^es geschah in Neapel, wo Tanucci unter Karls Iii. minderjährigem Sohne, iv. Ferdinand Iv., das Reich fast unumschränkt verwaltete, und in Parma, vjne-chel wo der Papst durch eine heftige Bulle den bourbon'schen Herzog und seinen fran- 1828. zösischen Minister von kirchlichen Neuerungen abhalten wollte. Tanucci's kirchliche Reformen waren für Neapel sehr wohlthä'tig. In diesem von den Päpsten als Lehen behandelten Reiche hatte die Kirche und der Klerus so sehr das Uebergewicht, daß die weltliche Regierung ganz machtlos war. 112,000 Geistliche waren nicht nur für sich und ihre Güter von den Landesgesetzen befreit, sondern schützten auch alle, die in ihren Bezirken ein Asyl suchten; der Papst betrachtete die geistlichen Stellen als sein Eigenthum und bezog die Einkünfte während deren Erledigung: Tanucci hob dieses päpstliche Recht auf, verlieh dem Thron und der weltlichen Regierung höhere Gewalt, minderte die Privilegien und die Zahl des Klerus und säcularisirte eine Menge überflüssiger Klöster zum Vortheil der Staatskasse. Aranda's Reformtharigkeit erstreckte sich über alle Einrichtungen in Kirche und Staar. Er beschrankte die furchtbare Inquisition und ihre Ketzer- gerichte; er minderte die Gewalt der päpstlichen Curie, er machte das Unter- richtswesen unabhängig'von der Geistlichkeit; er sorgte für gemeinnützige Anstal- ten und für eine geordnete Verwaltung; er übertrug seinem Freunde Olavides die Colonisirung der öden, unbebauten Sierra Morena. Als aber die Geistlichkeit über den alternden Karl Iii. wieder Einfluß gewann, wurde Aranda von den Geschäften entfernt. Er begab sich nach Paris, sein Freund Olavides aber wurde von der wieder zur Macht gelangten Inquisition vorgeladen, weil er Protestanten aus Deutschland und der Schweiz in der neuen Colonie (La Carolina) angesiedelt hatte, und mußte mehrere Jahre im Kerker schmachten, bis es ihm glückte nach Genf zu entkommen, wo er seine freigeiftigen Ansichten allmählich ablegte und sich dadurch wieder die Erlaubniß zur Rückkehr in die Heimath erwarb. — Eine ähnliche Sinnesänderung beurkundete auch ein anderer spanischer Minister Flo- ^788— rida Blanca, der unter der Regierung Karls Iv. als Mäcenas gepriesen 1808. ward, weil er Wissenschaft und Gelehrte begünstigte, Künste hob und die Haupt- stadt verschönerte. 2. Der Norden Enropa's. Friedrich §.681. a) Dänemark. Struensee. Durch die Verfassungsänderung _ iv. vom Jahre 1660 (§. 589.) war die dänische Königsmacht unumschränkt (abso- 1/00~30'lut) geworden und durch die Eigenschaften der Herrscher ward der Zustand des Landes bedingt. Friedrich Iv. (§.640.) ahmte die Pracht des französischen Hofes nach, war aber dabei doch ein guter Staatswirth, so daß er ein wohl- Christian habendes Land und eine gefüllte Staatskasse hinterließ. Sein Nachfolger Chri- 1730-46. sti on Vi. war ein äußerst frommer, aus Gottesdienst und kirchliche Zucht hal- tender Monarch; aber über dem Streben, seinen Unterthanen dieselbe fromme Gesinnung einzuflößen, vernachlässigte er den Staatshaushalt so, daß sein Reich in Schulden gcrieth. Der Bau des prächtigen Residenzschlosses in Copenhagen

6. Bd. 2 - S. 388

1854 - Leipzig : Engelmann
388 Napoleon Bonaparte's Machtherrschast. soldung der höhern und niedern Geistlichkeit durch dm Staat und ihre Bestatü gung durch die Curie in Rom die frühere Unabhängigkeit vernichten. Der Bund des weltlichen und geistlichen Gebieters war weder heilsam noch dauerhaft. Jeder strebte nach ausschließlicher Gewalt und der römische Bekehrungseifer nahm bald Aergerniß an der Bestimmung der Verfassung, daß nicht blos alle christlichen Confessionen, sondern auch die Juden bürgerliche und kirchliche Rechtsgleichheit haben und sich vollkommener Toleranz erfreuen sollten. 18. April 1802. Das Concordat, dessen Abschluß am ersten Ostertag durch ein öffentliches Dank- fest gefeiert ward, enthielt folgende wesentliche Bestimmungen: 10 Erzbischöfe und 50 Bischöfe werden von der Regierung ernannt und besoldet und vom Papst bestätigt. Alle Geistlichen, sowohl die unbeeidigten, als die beeidigten und verheiratheten, entsagen ihren Stellen, können aber aufs Neue eingesetzt werden. Die Ausgeschlossenen werden wieder in den Schoos der Kirche ausgenommen und erhalten bis zu ihrem Lode vom Staate einen Gehalt. Das cingezogenc Kirchengut verbleibt in den Händen der gegenwärtigen Besitzer; die Zahl der Feiertage wird beschränkt. Große Gewalt und Einstuß erhielt der monarchische Staat durch die Ueber- weisung des U n t e rri ch t s w e se n s an die weltliche Regierung. Da- durch, daß alle Lehrer und Schulanstalten vom Staate abhängig waren, erlangte dieser auf die Geistesrichtung des Volkes denselben Einfluß, den früher die Kirche besessen. Die Sorgfalt des Consuls war hauptsächlich den höhern Lehranstalten (beson- ders der von Monge eingerichteten polytechnischen Schule in Paris) zugewendet. Diese wurden von der Staatskasse reich fundirt, während man die Bürger- und Ele- mentarschulen (Primär- und Secundärschulen) den Gemeinden überwies, sie aber der Kaiserl. Aufsicht der Staatsbehörde unterwarf. Zur Zeit des Kaiserthums wurde die von der V= Regierung abhängige kaiserliche Universität an die Spitze des gesammtcn Schul- wesens gestellt, mit dcr Bcfugniß, alle Lehranstalten zu organisiren und zu überwachen, die Lehrer zu prüfen und das ganze Unterrichtswesen zu leiten, eine großartigemaßregel, wo- durch die Leitung des Unterrichts der Geistlichkeit entzogen und der Regierung anheim- Natianal'sieben ward. Das von dem Directorium an die Stelle der aufgehobenen Academieen er- Jnstitut. richtete N ati o n al-Jnstitut zur Pflege und Förderung der Künste und Wissenschaften wurde von Napoleon neu organisirt und erweitert, war aber nur eine gelehrte Prunkan- stalt, in der dem Consul und nachmals dem Kaiser Weihrauch gestreut wurde. *) Stammtafel der Familie Bonaparte ans Ajaccio auf Korsika. Carlo Bu o naparte^Laetitia, geb. Ramolini (f 1800 zu Rom). 1. Joseph Bonaparte, 2. Napoleon B., 3. Lucian B., 4. Elisa^Baceiochi, (Grafvon Survillierê) Fürst v. Canine. 41820. + 1844. + 1840. 5. Ludwig B., 0. Pauline^Borghcse, 7. Karoline^Mürat, 8. Hieronymus B. Herzog v. St. Leu + 1825, Gräfin v. Lipona(Napoli) Herzog v. Montfort ch 1846. ch 1839. (Gouverneur des Jn- validenhotels in Paris.) Napoleon Bonaparte^.J o seph in e B ea u h a rn ai s (geb. Lascher de la Pagerie) Eugen, Hortense^mit Ludwig Bonap. Herzog v. Leuchtenberg Herzoqin v. St. Leu 1 1824. f 1837. | I Ludwig Napoleon, (seit 1848 Präsident der franz. Republik, seit dem 2. Dec. 1852 Kaiser der Franzosen).

7. Bd. 2 - S. 34

1854 - Leipzig : Engelmann
Arnd 1555 — 1621. Tschudi. Avcnti- ims. Sebast. Frank. Agricola. 34 Die deutsche Volksliteratur im 15. und 16. Jahrhundert. und des für das kirchliche Leben der Protestanten so wichtigen Kir ch enlied es. Seinein apostolischem Geiste verfaßte Bibelübersetzung (Lehrb. §.457.), die in die Hände des Volks überging und eine beispiellose Verbreitung erlangte, wurde ebenso die Grundlage der Sprache wie der evangelischen Gesinnung. Tiefes religiöses Gemüth, Kernhaftigkeit des Ausdrucks, Wärme und Kraft der Sprache beurkundeten eine innere Seelenverwandt- schaft des Uebersetzers mit den gottbegeisterten Verfassern der alt- und neutestamentlichen Schriften und verliehen dem Bibelwerke aus Jahrhunderte ein gesetzgebendes Ansehen für deutsche Sprache, wie für deutsche Denkweise und für deutsches Gefühl. Nächst der Bibel waren Luthers didaktische Werke, wozu seine Predigten, seine Katechismen, eine Anzahl Trostschriften, Tischreden u. dergl. m. gehören, sowie Briefe und Gutachten, Streit- und Flugschriften für deutsche Sprachbildung von höchster Bedeutung. Diese letztern waren in der Regel der Erguß einer kräftigen, von Religiosität und Vaterlandsliebe durchdrungenen Gesinnung, so sehr auch hie und da der Feuereifer des Reformators sich in leidenschaftlichen Ausfällen kund gab und die Kraft seiner Natur ihn zu zornigen, derben, ja rohen Aeußerungen fortriß. Charakter und Bildung der Zeit waren derb und rauh; wie sollte Luther, in dessen Natur sich alle Vorzüge und Fehler jener kräftigen Zeit vereinigt fanden, fein und gesittet erscheinen? Von der Art sind seine Streitschriften gegen König Heinrich Viii. von England, gegen Heinrich von Braunschweig ,,w ider H an s W orst" (Lehrb. 8- 483.) und die zornige Flugschrift wider die räu- berischen und mörderischen Bauern (Lehrb. §. 461). Zu den besten in gemäßigter Sprache verfaßten Streitschriften gehört die Aufforderung ,,An den christlichen Adel deutscher Nation von des geistlichen Standes Besserung" und „von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche" (Lehrb. §. 454). Luthers Streitschriften wurden von den zanksüchtigen Theologen der Reformations- zeit nur zu sehr nachgeahmt und überboten, indeß seine religiöse Tiefe und Innigkeit und seine bibelfeste Sprache unter dem Streit über uncrklärbarc Glaubenssätze und symbolische Rechtgläubigkeit (Lehrb. §. 561.) zu Grundeging, bis die in gemüthlicher und herzlicher Rede abgefaßten vier Bücher vom wahren Christenthum von Joh. Arnd und die Wirksamkeit Sp e n e r's und der P i c t i st e n (Lehrb. §. 656.) der deutschen Nation die lu- therische Bibelsprache und mit ihr die Gcfühlswärme und freie Schriftforschung Zurückgaben. — Die durch Luther begründete deutsche Prosa kam bald in G cschichtswerken und in einzelnen wissenschaftlichen Schriften zur Anwendung. Zwar blieb für die ern- stere Geschichte auch im 16. und 17. Jahrh. die lateinische Sprache noch die ge- wöhnliche, wie wir aus Sleidanus, Thuanus, Grotius (Lehrb. §. 551.), Scckendor f's Reformatronsgeschichte u. a. ersehen; aber neben dieser gelehrten Geschichte wur- den gleichzeitig h ist orische W erke in d er V o lkssprach e bearbeitet, die, ivenn sie gleich durch die unkritische Darstellung und mancherlei fabelhafte Zusatze für die Geschichts- forschung von geringer Bedeutung sind, doch als Volksbücher wegen ihrer gemüthlichen und ansprechenden Sprache und Erzählung hohen Werth haben. Von der Art sind die Schweizer Chronik von Aegidius Tschudi (1505 —1572), die bayerische Chronik und die Chrouika vom Ursprünge des alten Teutschlands von dem Bayern Tnrnmeyr von Abensberg (Aventinns; st 1534) und die Chronik«, Zcytbuch und Geschichtbibel von Anbegyn bis 1531 von dem vielverfolgten Wiedertäufer S e b a st i a n Frank (1500 — 1545); auch die etwas rohe Selbstbiographie des bekannten fränkischen Ritters Gütz vonverlichingen(ch 1562; Lehrb. §. 460.) verdient eine Erwähnung. Derselbe Sebastian Frank gab auch eine Sammlung deutscher Sprüchwürter nebst Erklärung ihres Sinnes („Schöne weise herrliche Clugreden und Hofsprüch") heraus, worin ihm der als Mitverfasser des Interims (Lehrb. §. 491.) bekannte Johann Agricola von Eisleben (ff 1566) vorangegangen war. Auch bei wissen- schaftlichen Werken bedienten sich einige nicht dem Gelehrtenstande angehörige Männer der deutschen Sprache, wie Albrecht Dürer (Lehrb. §. 441.) (Untcrweysung der Messung mit demzirkel und Richtscheydt in Linien, ebenen und ganzen Corporen u. s. W-), Jakvbböhme (Lehrb. §. 552.) u. A., doch blieb bis auf T h o m n si u s (Lehrb. §, 656.) bei gelehrten und wissenschaftlichen Werken und Vorträgen die lateinische Sprache die allein gültige und gebräuchliche.

8. Bd. 2 - S. 522

1854 - Leipzig : Engelmann
522 Die Zeit des französischen Bürgeckönigthums. der Iesuitenanstalten durchsetzten, nahm die republikanische Literatur einen auf- lösenden Charakter an und suchte an die Stelle der großen sittlichen Vereine von Staat und Kirche künstliche Genossenschaften mit weltlichen socialen Zwecken zu setzen und die himmlische Religion durch eine irdische Glückseligkeitslehre (Eudämonismus) zu verdrängen. Belgien. In Belgien hatte der ultramontane Klerus gegen die holländische Regierung, welche die Jesuiten vertrieben und dem Fanatismus der Geistlichkeit durch eine freisinnige Erzie- hung entgegenarbeitete, mit den Liberalen gemeine Sache gemacht und dadurch die Tren- nung der beiden Königreiche herbeigeführt. Bald aber merkten die Liberalen, mit welchem gefährlichen Bundesgenossen sie sich eingelassen, als der belgische Klerus die Freiheit des Unterrichts sich zu Nutze machte, um die Erziehung der Jugend nach seinen Grundsätzen einzurichten und somit die geistige Lebensthätigkeit der künftigen Geschlechter nach seinem Sinne zu bestimmen, und als Bischöfe ihre Macht zur Ausschließung freisinniger Geistli- chen von Kirchenämtern mißbrauchten und den als Freimaurer bezeichneten aufgeklär- ten Liberalen die Absolution versagten. — Als Gegengewicht gegen das päpstliche Colle- gium in Löwen gründeten die Liberalen aus eigenen Mitteln die freie Universität zu Brüssel. Aber trotz des protestantischen Königs und der freien Institutionen des Lan- des hat die klerikale Partei meistens die Oberhand. Jrlnnd. In Irland verlangte ein verzweifelndes Volk, welches durch die Unbarmherzigkeit Altenglands und durch die eigene Schlaffheit und Arbeitscheu in einen Zustand gerathen, daß es „im eigenen Vaterlande bei einer ausländischen Hierarchie und Aristokratie zur Miethe wohnt und jeden Winter zu verhungern fürchtet," mit Drohen Erlösung aus sei- nem Elend durch kirchliche und politische Reformen. Im Bunde mit der Geistlichkeit hielt O'connel, „der große Agitator", das katholische Volk in steter Aufregung, um den For- derungen durch den gedrohten Widerruf dervereinigungsakte (Repeal) Nach- druck zu geben, während der Dominikaner-Mönch Mathew durch einen Mäßigkeits- verein (teetotallers) Nüchternheit und eine aus Selbstachtung gegründete Sittlichkeit zu erzeugen bemüht war. Aber wie sehr auch die Wighs im englischen Ministerium auf eine Reform der irischen Kirchenzustände drangen, sie konnten nur eine Umwandlung des Kir- chenzehnten in einen ermäßigten Grundzins durchsetzen; jede weitere Reform scheiterte an der Engherzigkeit und dem Eifer der Hochkirchlichen. „Zur Versöhnung Irlands brachte 1845, das Ministerium P e e l die V e rm ä ch tn i ß b i l l ein, welche der katholischen Kirche, doch mit Ausnahme der Orden, gestattet, unter eigenem Namen Eigenthum zu erwerben, und setzte für M a y n o o t h , das Seminar zur Erziehung des katholischen Klerus, eine Dota- tion durch, nachdem bereits mit Regierungsunterstützung Volksschulen errichtet waren, welche den Unterschied der Kirchen zu umgehen suchten." — Deutsch- tz. 814. D eutschlan d. Die größten religiösen Kämpfe kamen in an ' Deutschland zum Vorschein, theils wegen der Vorliebe des Volks zum philo- sophischen und grübelnden Denken, theils wegen des Mangels an einem großarti- gen und freien politischen Leben. Die strengkirchliche (ultramontane) Partei, die ihren Hauptsitz in Bayern, ihren Halt an Oestreich und an den Rh ei «ge- gen den hat, ist „im Gefühl, daß der Zeitgeist ihr tödtlich sei, in einen Kampf wider alle geistige Freiheit und unter den Fluch desselben gerathen." Als Gegen- mittel wider die Aufklärungssucht der Liberalen förderten die Ultramontanen im Volk Obscurantismus, Aberglauben und phantastisches Wunderwesen, setzten der kecken und auflösenden Philosophie der jünger« Geschlechter die durch poetische und künstlerische Verherrlichung gehobene Gläubigkeit des Mittelalters entgegen und verwarfen, um die katholische Einheit der protestantischen Zerrissenheit recht anschaulich gegenüberstellen zu können, jede Reform, jede Neuerung, jede Abän-

9. Bd. 2 - S. 51

1854 - Leipzig : Engelmann
1 Ueberschau und Vorblick. 51 gemeinsamen Boden hat — das Herz und Gemüth des Menschen. Anfangs suchte man die Theologie mit den philosophischen Forschungen und mit den Resultaten einer fortschreiten- den Kritik und Auslegungskunft (Exegese) in Uebereinstimmung zu bringen; dies führte zu jenem gemäßigtfreien Standpunkte, auf dem Sem ler in Halle, Michaelis in Gdt- tingen , E r n e ft i in Leipzig, die Kirchenhistoriker Mosheim und Planck („Geschichte der Entstehung des Protest. Lehrbegriffs") u. A. standen. Diese achteten die Offenbarung, suchten sie aber aus Vernunft zu gründen; sie hielten die Bibel heilig, allein sie benutzten zu ihrer Erklärung die Hülfsmittel der Wissenschaft, als Sprachforschung, Kritik, Alter- thumskunde, und stellten sie somit aus eine Linie mit andern Werken der Vorzeit. Einen Schritt weiter gingen die Berliner Theologen und Philosophen, die im Kampf wider die Freigeisterei des Hofes selbst freidenkend geworden waren, ohne sich jedoch vom prote- stantischen Kirchenglauben zu entfernen; sie schieden die wesentlichen Lehren des Christen- thums von dem, was Theologie und Schulgelehrsamkeit hinzugesügt, und suchten den Of- senbarungsglauben mit der Vernunft- und Naturreligion in Harmonie zu setzen. Sie lern- ten den englischen Deisten (Lehrb. §► 670.) die Kunst ab, durch faßliche Behandlung und gefällige Sprache religiöse Erörterungen in weitere Kreise zu bringen, die christliche Lehre dem gesunden Menschenverstand einleuchtend und die christliche Moral zur Richtschnur des Wandels zu machen; Haupt- und Mittelpunkt dieser Berliner Rationalisten war Nicolai und die von ihm gegründete allgemeine deutsche Bibliothek (seit 1765); aber sie führten alle Religion auf bloße Sittenlehre zurück ohne Anregung der Phantasie und Em- pfindung. Zu ihnen gehörte Spalding, „der die Religion nicht mit unnöthiger Sal- bung behandelte" und in seiner Schrift „über die Nutzbarkeit des Predigtamtes" dem geist- lichen Stand keine apostolische Heiligkeit beilegte, sondern seine Hauptbedeutung in der Gemeinnützigkeit und in der Anleitung zur Sittlichkeit erblickte. — Standen diese Männer noch alle auf dem Boden der Kirche und der christlichen Gläubigkeit, so gingen dagegen Andere über die Schranken hinaus und legten in ihren Schriften Ansichten nieder, die theils mit den sreigcistigen und materialistischen Grundsätzen der französischen Philosophen übereinstimmten (wie Mauvillon, Unzer, Dippel, Edelmann), theils, wie der gemüthlose, in Sinnesart und Wandel am Niedrigen und Gemeinen klebende C. Fr. Bahrdt, das Christenthum und seinen erhabenen Stifter der höhern Würde und Heiligkeit zu entkleiden und ins Alltägliche und Gemeine hcrabzuziehen suchten. Dippel (ff 1734) verspottete unter dem Namen des christlichen Demokritus das protestantische Papstthum und die Lehre einer stellvertretenden Genugthuung und Edelmann (ff 1767) leugnete jede übernatür- liche Offenbarung und ließ sich in roher Weise über die heil. Schrift aus. Bahrdt trug seinen Leichtsinn im Leben auch aufseine Lehren und Schriften über und griff im kecken Volkston die Bibel und vornehmlich die geschichtliche Grundlage des Christenthnms an. Er stellte in sei- nen zahlreichen, aller Phantasie ermangelnden Werken das Christenthnm als bloße Moralreligion hin, betrachtete Jesus als einen Menschen, der, gleich ihm selbst, Wohlthätcr und Aufklärer der Gesellschaft gewesen, und zerstörte in seiner modernisirten Ueb ersetzun g des Neuen Testaments jeden Hauch von Poesie, die den biblischen Schriften zu Grunde liegt. In den Resultaten über- einstimmend, wenn auch weniger gottlos und gemein, war Eberhard in Halle, der Verfasser der „Apologie des Sokrates". d) Die Orth o d oxen und Nic olai. Gegen diese Freidenker traten Männer von entgegengesetzter Richtung, aber unter sich von verschiedener Färbung und Bestrebung in die Schranken. Die Orthodoxen, die auf ihre geistliche Würde wie auf den Buchstaben der Bibel und die Gültigkeit der symbolischen Dogmen hielten, bekämpften jede sreiden- kende Aeußerung, die den bestehenden Kirchenglauben zu gefährden schien. An ihrer Spitze stand der eifrige Zionswächter Melchior Goeze, Hauptpastor in Hamburg, der in Verbindung mit einer Schaar obscurer „Mitstreiter in Gott" wider Alle zu Felde zog, die an dem lutherischen Dogma rüttelten oder die Worte der heil. Schrift anders deuteten, als die Schultheologie festgesetzt. Feind aller Poesie und Philosophie, unternahm er mit 4' C. Fr. Bahrdt 4 1792.

10. Bd. 2 - S. 52

1854 - Leipzig : Engelmann
52 Deutschlands klassische Literatur. Nicolai 1733 — 1811. Lavater 1741 — 1801. herausfordernder Derbheit einen Kampf, dem seine schwachen Kräfte nicht gewachsen waren, daher er mit Schmach bedeckt von der Wahlstatt getrieben wurde. Zuerst trat Fr. Christoph Nicolai mit seinem berühmten satirischen Roman „Leben und Mei- nungen des Magister Sebaldus Nothanker" gegen das Treiben der recht- gläubigen Eiferer auf. Kaum hatte sich dieser Sturm in etwas gelegt, so wurde Goeze von Lessing, der, ohne die Religion zu kränken, die Rechte der Vernunft und Denk- sreiheit wider den beschränkten Eiferer kirchlicher Rechtgläubigkeit verfocht, in den be- rühmten Flugblättern (Antigoeze) so scharf zurcchtgewiesen, daß seitdem sein Name als Gattungsbegriff für alle Klopffechter diente. In dem künstlerisch unbedeutenden Buche Sebaldus Nothanker, dessen Grundlage die Schicksale und Leiden des wegen seiner religiösen Ansichten von dem orthodoxen Superintendenten Stauzius und seinen Glaubensgenossen verfolgten ehrlichen Philosophen Sebaldus bilden, werden die heuchlerischen Geistlichen, die die Seligkeit an Lehrformeln knüpfen, mit treffenden und derben Zügen dem Spott und Gelächter preisgcgeben. Da darin zugleich auch Dichter und Schriftsteller, die Nicolai's Geschmack nicht znsagten (namentlich der süßliche, tändelnde I. G. Jacvbi sherr von Säuglings und sein in gespreizter Vornehmheit austretender Bruder) mit kenntlichen Zügen verspottet wurden, so erlangte daswerk, dem die beigefügtcn Küpferchen von Ch o d o w ie cki einen noch größeren Reiz verliehen, solche Bedeutung, daß es schnell nach einander drei Auflagen erlebte, und daß alle Getroffenen ihrem Zorn in heftigen Ausfällen gegen den prosaischen Pro- pheten des flachen Verstandes Luft machten. e) Der mystische Kreis in Münster. In ganz anderem Sinne kämpfte der Kreis, der sich um die katholische Fürstin Gallitzin in Münster sammelte, gegen Aufklä- rung und Rationalismus. Diese verfochten nicht den kirchlichen Dogmatismus oder die Symbolgläubigkeit, sondern machten Gefühl, Poesie und Mystik zur Grundlage der Re- ligion, bewunderten die Tiefe der orientalischen Dichtung in der Bibel und betrachteten den christlichen Glauben als Grund und Anfang aller Weisheit. Mittelpunkt dieses Kreises war neben der schwärmerischen Fürstin der „Magus aus Norden" Hamann; zu ihm gehörte der bestimmbare und wankelmüthige Fr. H. Jacvbi, der Verfasser der phi- losophischen Romane „Allwills Briefsammlung" und „Woldemar", worin er seine Gesühlsphilosophie und seine moralischen und religiösen Betrachtungen niederlegte, und später der zum Katholicismus übergetretene Fr. Leop. Graf zu Stvlberg. Sie be- kämpften nicht blos die Berliner, gegen deren dürre Verstandsrichtung sie Gemüth und Phantasie in Schutz nahmen, sondern Jacobi, dessen evangelischer Glaube sich hart auf der Grenzscheide des Katholicismus hielt, erklärte Lessing für einen Spinozisten, was dessen Freund Mendelssohn so tief ergriff, daß die Schrift, worin er den Verstorbenen gegen diese Beschuldigung rechtfertigte, der Nagel zu seinem Sarge ward. d) Lavater und sein Gegner Lichtender g. Ein höchst merkwürdiger Mann für die Geistesrichtung der Zeit war der fromme Züricher Prediger Lavater, in dem alle Fäden der religiösen Bildung und supranaturalistischen Anschauung zusammenliefen. In religiöser Uebcrspannung forschte er nach dem Zusammenhänge des Menschen mit der Gott- heit und gelangte durch geistige Anstrengung zu dem Glauben, daß Gott mit der gläubigen Creatur in unmittelbarem persönlichem Verkehr stehe, daß die Zeit der Propheten und Apostel, „wo das Gebet Wunder wirkte und der Glaube Berge versetzte", noch gegenwär- tig sei, und daß der Mensch im Stande der Gnade göttliche Eingebungen erhalte. Von diesem Glauben durchdrungen, zog er Alles in den Kreis des Religiösen, sah in Allem, was ihm begegnete, den Finger Gottes und steigerte zuletzt seine Gefühle bis zu den Schwärme- reien der Mystiker, die in ihren religiösen Empfindungen den größten Genuß fanden. Keine Kritik oder Auslegungskunst vermochte seinen Glauben an die Göttlichkeit der H. Schrift zu erschüttern, und der ihn umgebende Unglaube bestärkte ihn nur in der Ucbcrzcugung daß er in die Welt gekommen sei, „um von der göttlichen Wahrheit Zeugniß zu geben". — Durch seine erbaulichen Schriften (Aussichten in die Ewigkeit" u. a.), durch seine Predigten, durch seine religiösen Dichtungen erlangte Lavater hohen Ruhm
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