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haaren über die Narbe Hinstreifen muß. Hat das Insekt nun zu-
fällig Pollen mitgebracht, und ist von diesen beim Eintauchen des
Rüssels ein Teil an der Narbe abgestreift worden, so wird diese
sofort durch eine Klappe, die am Griffelkopf angebracht ist und
bisher offen stand, geschlossen; der Griffel biegt sich zur Seite, und
nun erst kann das Insekt zu dem in der Tiefe sitzenden Honigtrög-
chen und den das Tröglein umgebenden Staubgefäßen gelangen,
wo es sich ungewollt mit neuen Pollen belädt.
Besonders merkwürdig sind diejenigen Fälle, in denen von der
Pflanze ein Teil der sich ausbildenden Samen geopfert wird, um
die Bestäubung zu erreichen. Ein Beispiel dafür liefern manche
unserer einheimischen Nelkenarten, indem die kleinen Eulen-Schmet-
terlinge, von denen sie besucht werden, nicht nur den Honig san-
gen, sondern auch vermittels einer langen, an ihrem Hinterleib
angebrachten Legeröhre ihre Eier ins Innere der Blüte versenken.
Die jungen auskriechenden Larven fressen dann einen Teil des
Samens auf, während die übrigbleibenden Früchtchen den Fortbe-
stand der Pflanze zu sichern haben. Die Pflanze gibt also ein
Stück ihrer eigenen Zukunft hin, um den Spediteur des Pollens
an sich zu fesseln! Ist das nicht verblüffend?
Das sind nur wenige Beispiele aus dein merkwürdigen Zu-
sammenleben zwischen Blumen und Insekten. Welch tiefe Weisheit
spricht sich in diesem Zusammenhang aus! Keines dieser Lebewesen
weiß voneinander, jedes denkt und sorgt nur für sich, und doch
kann keins für sich sorgen, ohne dem andern zu helfen.
260. Hlls Ö61ti Idalöe. von dmanuel von Deibel.
Itfit dem alten Förster heut
Bin ich durch den Wald gegangen,
Während hell im Festgeläut
Kus dem Vors die Glocken klangen.
2. Golden floß ins Laub der Tag,
väglein sangen Gottes Ehre,
Fast als ob's der ganze lfag
Wüßte, daß es Zonntag wäre.
3. Und wir kamen ins Uevier,
Wo, umrauscht von alten Bäumen,
Junge Ztämmlein sonder Zier
Lproßten aus besonnten Bäumen.
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
1
. — 321 —
Beleuchtung- versehen, sondern auch mit einem Prunk ausgestattet,
den vor hundert Jahren kaum ein regierender Fürst in seiner
Wohnung hatte. Unser Fuß wandelt auf den kostbarsten und
dicksten Teppichen ; ausländische Hölzer, gepreßter Sammet,
gepreßte Ledertapeten, vergoldete Bronze, kostbare Spiegelscheiben
umgeben uns, und alle nur erdenklichen Bequemlichkeiten können
wir uns durch Aufklappen von Tischen, von Sitzgelegenheiten
nicht nur im Wagenabteil, sondern auch draußen im Gange nach
Belieben einrichten. Ein Druck auf den Knopf einer elektrischen
Klingel ruft einen Diener in schmucker Tracht herbei, dem wir
unsere Wünsche wegen eines kleinen Imbisses mitteilen, den wir
im Wagenabteil einnehmen wollen. Kommt die Stunde der Haupt-
mahlzeiten, so werden wir von demselben Diener nach dem Speise-
wagen eingeladen und nehmen hier, während der Zug mit rasender
Eile dahinjagt, ein vortrefflich zubereitetes Essen zu uns.
Kaum sind wir in Berlin eingestiegen, haben uns ein wenig
die Landschaft angesehen, haben etwas gelesen und das sehr
gute Mittagessen zu uns genommen, so sind wir schon in Königs-
berg. Die Reise, die früher zu einer harten Anstrengung wurde,
die eine gute Gesundheit und vortreffliche Nerven erforderte, ist
heute zu einem Vergnügen geworden, das nicht einmal so teuer
ist wie die alte, traurige Postwagenfahrt. Die Hauptsache aber
ist der außergewöhnliche Gewinn an Zeit. Anstatt acht voller
Tage neun Stunden! Wer hätte sich das träumen lassen zu jener
Zeit, als: noch die alte, biedere Postkutsche auf den trostlosen
Wegen dahinrasselte?
163. (D Deutjd)lan6! von Prinz Emil zu Schoenaich-Larolath.
Yvf'onhjcfjdn und Giebeldächer
3n einer deutschen Stadt —
3ch weiß nicht, warum der Unblick
Blich stets ergriffen Hat.
2. Da drüben bei Lampenscheine,
Da starrt ein Jüngling ins Licht
Und schwärmt und schluchzt und empfindet
Sein erstes und bestes Gedicht.
3. Dort sitzt eine junge Mutter,
Die wiegt ihr Uind zur Uuh,
Sie lächelt und singt und betet
Und singt ein Lied dazu.
Lesebuch für Mittelschulen. Band 3 A. 21
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324
Stiefel sollten wir vor die Tür stellen, und wann wir morgen früh-
stücken wollten? So etwas war uns doch noch nicht vorgekommen.
Hifo will man uns eben mit Gewalt unsere paar Pfennige vollends
herausziehen! Im stillen ballte ich meine Zaust, und wie der Kellner
fort war, wurde in gut schwäbischen Ausdrücken geschimpft. Die Stie-
fel stellten wir nicht hinaus; wir waren gewohnt, sie selber zu putzen,
und dachten, so spart man wenigstens zwei Groschen. Mein Kamerad
wollte nicht in das schöne Bett hinein,- da hab' ich's ihm vorgemacht.
Geschlafen haben wir fein. Uber am nächsten Morgen begann die
Verlegenheit von neuem. Der Waschtisch hatte ja eine Marmortafel,
die konnte man doch nicht schmutzig machen! Und wie wir darüber
beraten, klopft der Hausknecht um die Stiefel. „ll)ir wollen sie selber
putzen!" Uber er läßt nicht nach. Endlich geht er brummend ab,
und wir waschen uns ohne Waschtisch. Wir gingen hinunter, weh-
mütig unsere Barschaft überzählend. Drunten war ein Frühstück ge-
richtet, wie wir noch keins gesehen hatten. Uber nun zahlen! Die Wir-
tin hatte eine Weltsfreude an unserer Verlegenheit. Sie rechnete uns
alles haarklein vor, was wir gehabt, und immer tiefer fiel unser herz
hinunter. Sie kratzte sich einige bange Sekunden hinter den Ohren;
ja, das Zusammenzählen war nicht so leicht. Uber dann lachte sie
uns an wie eine Mutter: „Fünf Silbergroschen macht's für einen
jeden!" Wir trauten unsern Ohren nicht, aber es war so. Wir
zogen vergnügt unsern Beutel und dankten, so gut wir genierten
Schwaben es konnten,- wie wir aber die schönen Fußteppiche auf dem
Gange hinaus waren und wieder guten harten deutschen Boden unter
den Füßen spürten, war's uns doch erst recht wohl.
Unser Ziel war Eoblenz. von Eoblenz aus ist ein junger
Mensch mit kräftigen Füßen bald vollends in Eöln. Und dahin
wollte ich. In der Eölner Herberge sollte ich's aber sogleich spüren,
daß ich noch ein „Grüner" war. Mein Nachbar fragte mich: „Na, was
hast für 'ne Religion?" Das war mir noch gar zu vertraulich in
der ersten Minute, und etwas kurz gab ich zur Untwort: „Ich hab'
Dich ja auch noch nicht gefragt, was Du für eine Religion hast!"
Uber da kam ich schön an. Die Gesellen standen auf und machten
Fäuste,- kaum konnte ich noch meinen Rückzug decken. Nls ich draußen
stand auf dem Pflaster, war mir alles ein Rätsel. Ich erfuhr aber
bald, daß „Religion" in der Kundensprache so viel ist als Handwerk.
Mein Handwerk hätte ich natürlich gern verraten.
Ins Bildermuseum bin ich natürlich auch gegangen,- mein Darm-
städter Meister hatte recht gehabt, es war sehr lehrreich. Uber das
hat mich doch erzürnt, daß der Dienstmann, den ich nach dem Wege
fragte, mir erklärte, das sei nichts für Handwerksburschen, holla, der
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auch diese schlichten, arbeitsfrohen Bäume schon. Das ist die Zeit,
da der junge Frühling über ihre grauen Häupter dahinschreitet und
mit warmem Finger tausend und aber tausend weiße Blüten aus
ihren Zweigen zupft.
Das ist wohl ein wundersamer Anblick, wenn der Lenz auf
den flachen, sanften Kuppeln dieses Waldes seine weiße Glut ent-
zündet und die Blliten wie rosige Flammen opferduftig aus dem
sprossenden Grün hervorlodern. Jeder Baum ein Opferaltar, um-
summt von stillgeschäftigen Bienen, die den Honig aus seinen rost
gen Bechern trinken; jede Blüte ein ans weißem Alabaster geformtes
Weihranchfaß; der ganze Hügel ein Blumenwald, durchhallt und
durchwirbelt von dem frühlingsseligen Liede der Buchfinken und dem
silbernen Geläute der springenden, singenden Meisen.
Aber die Bäume bekommen auch Gäste zum Besuch, die
ihnen weniger willkommen sind als die befruchtenden Bienen und
Hummelleute oder die raupenvertilgende Vogelschar, es kommen
auch Besucher, die bloß nehmen, ohne zu geben, undankbares Ge-
sindel, das die Blüten zersticht und den Bäumen die Blätter ab-
frißt. Zu diesen unwillkommenen Gästen gehört an erster Stelle der
Apfelblütenstecher, wie er nach seinen: Gewerbe genannt wird;
er kann den Obstbäumen sehr gefährlich werden, so klein und un-
scheinbar er auch ist. Denn wenn in: ersten Frühling die Blüten-
knospen sich zum Frühlingsfest rüsten, so legt dieses Käferlein seine
Eier daran, und die Larven höhlen die Knospen aus, daß nichts
davon übrigbleibt als ein Häuflein vertrockneter Blätter. Da hat
der Obstbaum dann das Nachsehen.
Und einige Wochen später, im Juni etwa, kommt wieder ein
Verwüster, ein kleiner Schmetterling, und sieht nach, was sein Vor-
gänger übriggelassen hat. Es ist der Apfelwickler. Ist nicht größer
als ein Fingernagel und grau und ui:scheinbar von Gewand und ist
doch des Apfelbaumes schlimmster Feind. Er setzt sich auf die noch
unreifen Äpfelchen und legt an jedes ein einziges Ei. Das Räup-
chen aber bohrt sich in die Frucht hinein und frißt die Kerne auf,
verschont auch das Fleisch nicht, wenn es nichts anderes mehr hat,
und frißt so tatsächlich sein eigenes Hans auf. Davon wird das
Würmlein rund und dick und glänzt vor Fett, und nach 4 oder 5
Wochen ist es so groß geworden, daß es nun auch an seine Zu-
kunft denken darf. Die Raupe frißt sich einen Gang nach außen,
spinnt sich einen Seidenfaden und laßt sich daran herunter, just wie
der Seiltänzer von seinem Gerlist, um sich in der Rinde des Bauines
eine Schlafstelle für den Winter zurechtzumachen. Erst im nächsten
Frühjahr wird eine Puppe daraus.
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Zweigen sitzen, dag selbst ein kräftiger Sturm sie nicht herunter-
zureigen vermag im Frühling und Sommer, die hangen nicht mit
einem Male so lose, dag sie von einem Lufthauch herabgeblasen
werden können. Ein feines, dünnes Korkhäutchen wird von
der Pflanze im Herbst gebildet und zwischen Zweig und Blatt
eingeschoben, um dessen Abfall zu erleichtern. Die Herstellung
dieses Gewebes dauert immerhin einige Zeit, und darum mug
Mutter Natur sogar zum Wetterpropheten werden und bei-
zeiten wissen, wann sie die Trennungsgewebe vorzubereiten
hat, und wann alles noch Verwendbare aus den Blättern entfernt
werden mug. Tut sie es zu früh, dann verkürzt sie dem Ge-
wächs das Wachstum und lägt ihm nicht Zeit, genügende
Nahrungsmengen für den Winter aufzuspeichern, tut sie es zu
spät, dann setzt sie es dem Tode des Verdurstens aus.
Und noch eine andere Gefahr droht der Pflanze von den
Blättern, wenn diese zu spät abgestreift werden : der Schnee,
Der Schnee ist die schönste und wärmste Winterdecke, die eine
Pflanze sich nur wünschen mag, aber die Decke drückt ge-
waltig auf das Gewächs, und manches erliegt unter der schwe-
ren Last. Die Nadelhölzer freilich, die können das Gewicht
immerhin aushalten. Die jungen Zweige sind sehr elastisch,
die älteren aber stehen schräg abwärts, so dag der Schnee sich
nicht in grogen Massen anhäufen kann. Die breiten Eichen-
und Buchenblätter aber, auf denen wohl die vierfache Menge
Schnee Platz hat als auf den Tannennadeln, können ihren Zwei-
gen recht gefährlich werden; denn die würden brechen unter
dem gewaltigen Druck. Das kann man gut beobachten im
Spätfrühling, wenn das junge Grün sich bereits hervorgewagt
hat, obgleich noch reichliche Mengen Schnee fallen. Da brechen
mächtige Zweige unter dem gewaltigen Druck, und manchem
Baume geht es ans Leben. Und auch unsere Tannen werden
trotz aller ihrer Vorsichtsmagregeln im Winter manchmal hart
mitgenommen. Denn nicht alle haben sie die Elastizität der
Legföhre und Alpenerle, die fast horizontal zum Boden wachsen,
und deren elastische Zweige von den Schneemassen fest an die
Erde gedrückt werden können. Unsere Gärtner machen ihnen
wohl das Kunststück gelegentlich nach, wenn sie die Rosen-
bäumchen im Herbst zur Erde biegen und mit Reisig be-
decken. Den grogen Laubbäumen aber möchte die Sache
schlecht bekommen. Denn die hohen Bäume, die nicht über
eine solche Elastizität verfügen, können ihre grogen, weit aus-
ladenden Zweige verlieren, wenn die Schneemassen sie zu
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als säße er an einem Tische, an dem zwanzig speisen, obwohl eigent-
lich nur für fünf Platz ist. Er nahm von manchen Gerichten zweimal,
aber wenn er sich eine Schüssel zum drittenmal anbot, dann dankte
er verbindlich und setzte sie wieder hin. Nach Tisch legte er sauber
seine Serviette zusammen, erhob sich feierlich und ging wieder hinaus
an die Arbeit.
„Uber, Herr Krüger," so werdet ihr ausrufen, „warum machen
Sie sich's denn nicht bequem — Sie sind doch ganz allein, wozu denn
alle die feinen Manieren und das Waschen und Nägelputzen? Wer
hat denn davon etwas? Lassen Sie sich doch ein bißchen gehen, ver-
ehrter Herr!"
Da würdet ihr schön ankommen bei Herrn Krüger. „Seid Ihr
vielleicht nur dann ehrlich, wenn Euch gerade jemand auf die Finger
sieht?" so würde er fragen. „Wenn's nach Euch ginge, sollt' ich mich
wohl an den Tisch setzen und mit den Fingern essen, he? Meint Ihr
denn wirklich, feine und saubere Manieren seien nur ein Schaustück
für andere und nichts für uns selbst? Dann wundert Ihr Euch auch
vielleicht, daß ich einen Blumenstrauß auf dem Tisch habe, obwohl
ich bloß allein dasitze? Ich sage Euch, mit saubern Händen und
bescheidenen Bewegungen schmücke ich mir mein Essen mehr als
mit den schönsten Nosen. Was hilft das duftigste Bukett, wenn man
dazu schmatzt und Flecke herumspritzt und mit schmutzigen Händen
über den Schüsseln schwebt? Das ist dasselbe, als wenn eine Kuh
in einem Levkoienbeet grasen würde. Ja, das wäre dasselbe!"
So würde euch Herr Krüger antworten — denn er antwortet
ebenso gründlich, wie er sich die Hände wäscht. Und Herr Krüger hat
recht. Wer den Unstand nur um der andern willen übt, der ist nur
ein äußerlich lackierter Mensch. Herr Krüger pflegt seine feinen und
reinlichen Manieren, weil seine Seele danach verlangt. Die Seele
spürt nämlich alles, was draußen vorgeht, wie die Schwalbe den Früh-
ling spürt und die Herbstluft. Und die Seele möchte Unmut und
Neinheit nicht nur in ihrem Innern, sondern auch in ihrer ganzen
Umgebung haben — sie möchte in guter Gesellschaft sein.
Und ich glaube, seine und säuberliche Manieren wirken auf den
ganzen Menschen wie ein Ulpenkurort auf die Lungen. Das gierige
Zufahren aber und das ungewaschene Wesen und die großen Suppen-
flecke und das hinflegeln und das lärmende Essen — wenn das nicht
allmählich den ganzen Menschen und all sein handeln und Denken
ansteckt, dann müßte es wirklich nicht mit rechten Dingen zugehen in
der Welt.
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die drei „Wilden" herein, und lachende, jauchzende Freude füllte die
Stube, die vor wenigen Minuten noch so ernste Worte gehört hatte.
„Kinder! Kinder! her zu mir!" ries der junge Vater. Mit
beiden Brmen raffte er die drei Knirpse zusammen, und während er
sie so eng an seine Brust drückte, daß sie lange Gesichter schnitten,
schaute er über ihre Blondköpfe hinweg ins Leere und stammelte:
„Der — der soll mir kommen — und soll mir so eine Freud' verderben
wollen — so eine Freud'!"
3.
Da klang von draußen ein schrillender Glockenton in die Stube,
Frau Schalter schaute ihren Mann erschrocken an,- weshalb sie erschrak,
das wußte sie selbst nicht. Dann ging sie, um die Tür zu öffnen. Zwei
Dienstmänner brachten einen großen Korb und schleppten ihn in die
Stube. von wem er wäre, wüßten sie nicht,- ein vornehmer Herr hätte
sie geschickt und ließe ausrichten, daß er selbst nachkäme.
Mit zitternden Händen schlug Frau Schalter den Deckel des Korbes
in die höhe, und was da zum Vorschein kam, entlockte den drei Kinder-
mäulchen ein staunendes, jubelndes Bh! Spielsachen, Backwerk, Kleider-
stoffe, das wollte fast kein Ende nehmen, und ganz zu unterst wurde
ein kleines, zierlich beschlagenes Kästchen ausgegraben, das sich bis
zum Bande angefüllt zeigte mit blitzblanken Silbergulden. Erblaßt
bis in die Lippen, schaute Frau Schalter zu ihrem Manne auf,- der
aber streckte schon, das Gesicht von dunkler Zornröte übergössen, die
beiden Hände, packte das Kästchen und warf es in den Korb zurück,
daß die Münzen klirrend in die höhe sprangen. „Fort, fort mit
dem Geld, sag' ich, und die händ' von dem Zeug, Kinder, die händ'
weg!" schrie er mit bebender Stimme. „Der Lump, weil er's auf
geradem Weg nicht fertiggebracht hat, jetzt meint er, er kann mich
von hinten packen! Mitnehmen sollen sie's wieder — auf der Sku’!"
Er eilte in den Flur hinaus, um die beiden Dienstmänner zurückzurufen.
Draußen aber stand er wie versteinert und brachte kein Wort
über die Lippen. Unter der offenen Wohnungstür stand sein Ehef,
Herr Sepdelmann, eine stattliche Erscheinung von bürgerlich-behäbigem
Bussehen.
„Guten Bbend, lieber Schaber!"
„Sie — Herr Sepdelmann — Sie kommen — zu mir?"
„Wie Sie sehen. Und — wissen Sie auch, was ich möchte?"
lächelte der alte Herr. „Ich möchte Sie fragen, wie Ihnen heute nach-
mittag der Kaffee geschmeckt hat."
Dem jungen Manne fielen die Lippen auseinander, und mit
zitterndem Brme tastete er nach der nahen Mauer. Wie ein grauer
Schleier kam's ihm vor die Bugen, er sah nichts mehr,- er fühlte nur,
8*
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