Die ersten Kriegsvorfälle. 19
v/vvtvvv'vvvvvi'vvvvvvvv m §!ivvvv\v\vivvviwvvii\tvvtvvvvvv\v
Heer beseelte. Ernst und fest, in ruhiger Zuversicht des Ge-
müthes, erschienen ihnen die Preußen, und flößten allenthal-
den ein tiefes Gefühl der Achtung ein; den Russen sah man
die kalte Entschlossenheit an, mit welcher sie ihren Platz uner-
schütterlich behaupten bis in den Tod. Alle forderten nichts
Ungebührliches, und weder beim Vorrücken, noch selbst beim
Rückzuge, wurde das Eigenthum verletzt, obwohl Sachsen nicht
als befreundetes Land gelten konnte. Selbst die verschrieenen
Kosaken waren leicht zufrieden, wenn sie das Nöthige erhiel-
ten, und milderten auch dadurch den Schrecken ihres Namens,
daß sie sich allenthalben als große Freunde der Kinder bewie-
sen, in deren Nähe ihre rauhe Natur selbst kindlich milde zu
werden schien. Wie entartet zeigte sich dagegen, gleich beim
Eintritt in das ihnen verbündete sächsische Land, das neue
französische Heer. In dem ältern war noch eine äußere Zucht
gewesen, welche vielen Ausbrüchen der Roheit in den 'Gemei-
nen einen Zügel anlegte, wenn auch die Anführer im Großen
viele Ungerechtigkeiten verübten. Jetzt aber, vielleicht um den
jungen Soldaten Lust am Kriege einzuflößen, sahen die Befeh-
lenden gleichgültig auf ihre Ausschweifungen hin. Das Dorf,
in dessen Nähe sie ihr Nachtlager hielten, wenn auch der Kai-
ser selbst'seine Wohnung darin hatte, war am andern Mor-
gen anzusehen, als von einer Räuberbande verheert. Da wa-
ren die Thüren und Fenstern ausgebrochen, die Schränke und
Kisten zerschlagen und ausgeleert, die besten Gerätbe zu den
Feuern geschleppt und verbrannt. Und von vielem Glücke hatte
ein solcher Ort zu sagen, wenn er nicht dazu durch Unvorsich-
tigkeit oder Muthwillen gänzlich ein Raub der Flammen wurde.
In solchen Zügen zeigt sich die Entartung des Gemüthes, wenn
der Krieger gleichgültig den jungen, schönen Obstbanm, den
vielleicht ein Gärtner wie sein Kind gepflegt hat, im vollen
Schmucke der Blüthe niederhaut, während er einige Schritte
weiter wildes Holz zu seinem Feuer in Menge haben könnte;
oder wenn ein anderer leichtsinnig mit seinem Feuer, welches
er nur um wenige Schritte weiter vom Hause anlegen durfte,
ein ganzes Dorf anzündet, und hundert arme Menschen nackt
und elend in die kalte Winternacht hinaustreibt. Es ist ein
entsetzliches Wort, welches die französischen Anführer als die
einzige Rechtfertigung hinwarfen, wenn bittere Klagen über
die unerhörten Ausschweifungen ihres Heeres vor sie kamen;
es war nur das eine Wort ihres Kaisers, welches er einst
den flehenden Bürgern von Jena, die um das Ende der Plün-
derung ihrer Stadt mit Thränen vor ihm standen, mit gefühl-
losem Achselzucken erwiederte: „Das ist der Krieg" „(c’est
la guerre')“
2 *
!
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>
#ö 1814.
w\v\vi\u\uv\u\uvnvvu\\\u\¿tvvuvuviv\iwmvutmv\vuvvu(
Die Einnahme von Paris, 30. und 31. Mar;.
Nach den angestrengtesten Tagemärschen kamen die Hau-
fen des großen Bundesheeres am Abend des 29. März vor" der
stolzen Stadt an, die sich die Hauptstadt der Welt genannt
Inatte. Seit zwei Jahrhunderten freilich strömten von ihr, als
dem Mittelpunkte, böse und leichtfertige Sitten über Europa
ans, und die Kunst der Lüge in Wort und That war herr-
schend geworden, so daß die alte Treue fast verschwunden
schien; in der letzten Zeit ging noch dazu die freche Waffenge-
walt von ihr aus; und zum Lohn für alles dieses hatte sie aus
den andern Ländern Geld und Gut, so wie die Werke der Kunst
an sich genommen, nicht mit Wenigem sich begnügend, sondern
das Trefflichste aus allen Zeitaltern, was Griechen und Rö-
mer, was Italien, Spanien und Deutschland hervorgebracht
batten, zusammcnraffend. Jetzt standen die Rächer vor den
Thoren und hätten ein Recht gehabt, an diesem Sitze der Ge-
walt und der Ungerechtigkeit die strengste Vergeltung zu üben.
Drinnen war Napoleons'bruder Joseph, der ehemalige Kö-
nig von Spanien, mit vielen Anhängern, und hielt das Volk
noch immer in dem Glauben, es sei nur eine Streifschaar der
Verbündeten, die versuchen wolle die Hauptstadt in Schrecken
zu setzen. Die Marschälle Marmont und Morti er hatten
alle Kriegshaufen gesammelt, alles Geschütz aus Paris draußen
auf die Hügel gefahren, und standen mit 25,000 Mann und
150 Kanonen auf dem Montmartre und den übrigen Höhen
an der Ostseite der Stadt, ob sie vielleicht den Kampf so lange
anshaltcn könnten, bis Napoleon selbst zum Entsätze herbei-
komme; und dann konnte freilich die Sache eine ganz andere
Wendung nehmen.
Napoleon war wohl auf dem Wege, aber doch noch zu
weit entfernt, um in der entscheidenden Stunde zur Stelle seyn
zu können. Seine thörichte Zuversicht hatte ihn betrogen und
dem Bundcshcere einen Vorsprung von vier Tagen gegeben,
che er dessen Abzug gegen Paris merkte. Die Generale Win-
zingerode und Ezernitschef wußten ibn trefflich zu rau-
schen, daß er sie mit ihren Reutern wirklich für den Vortrab
des großen Heeres hielt, welches ihm eilig nachziehe, und er
freute sich seiner gelungenen Lift. Endlich aber, weit immer
nur Reuter und kein Mann vom Fußvolk sichtbar wurde, kam
ihm Verdacht; er beschloß, sich selbst zu überzeugen, und griff
den General Winzingerode an,- der auch vor ihm weichen
mußte. Dennoch konnte er immer noch nichts Gewisses erfah-
ren , bis zum 29. März. Da kam ein Eilbote aus^Paris und
traf ihn nahe bei Douiancourt am Aube- Flusse. Schnell stieg
Napoleon auf einer kleinen Wiese am Flusse ab, öffnete die
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Extrahierte Personennamen: Joseph Napoleon Napoleon Reuter Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Paris Europa Italien Spanien Deutschland Spanien Paris Paris Douiancourt
30 1813
H/Vl/\/Vvi^/H\'l\\/l^ivvvìvv\iì'h'vvl\(^)ivvvw%1k\,Ìvvvwìlv Ulullwiul'ul
er erkannte, nach altdeutscher Weise, die Kraft des Wehr-
standes im Volke; er hatte im Stillen und unscheinbar einen
Stein des Gebäudes ruhig auf den andern gefügt, und wegen
dieser, klar und besonnen vorschreitenden, Handelsweise er-
freute er sich besonders des wohlbegründeten Vertrauens sei-
nes Königs.
Solcher Männer Wirken und Schaffen konnte nicht ohne
Frucht bleiben. Zugleich unterließ Napoleon nichts, um durch
neue Zeichen seines bösen, leidenschaftlichen Sinnes den Zorn
aller Guten immer mehr zu entflammen. - Der Major Lützow
mit seiner Reuterschaar, die aus muthigen Jünglingen aller
Stände bestand, hatte sich in den Rücken des französischen Hee-
res bis tief in Sachsen, ja bis an die Gränze von Franken,
gewagt und dem Feinde durch Aufhebung kleiner Züge von
Soldaten, Geschütz und Zufuhr manchen Schaden zugefügt.
Napoleon war sehr erbittert auf die kecke Schaar. Nach ei-
nem Artikel des Waffenstillstandes sollten die Lützower bis zum
12. Juni über die Elbe zurückgekehrt seyn; aber erst am 14.
erhielt ihr Anführer die amtliche Nachricht von dieser Bedin-
gung und konnte sie daher zu der festgesetzten Zeit nicht erfül-
len. Darüber befahl Napoleon: „diese Räuber zu vernichten,
wo sie gefunden würden;" und am 17. Juni des Abends wur-
den sie, wäbrend des Waffenstillstandes, als sie sorglos daher-
zogen, um über die Elbe zurückzugehen, plötzlich bei dem Dorfe
Kitzen, nicht weit von Leipzig, von der feindlichen Rcurerei,
die sie geleiten sollte, hinterlistig angefallen. Die kleine Schaar
wurde leicht auseinander gesprengt, viele niedergehauen, ver-
wundet, gefangen, und nur ein Tb eil mit dem Anführer schlu-
gen sich durch. Von den andern jedoch, die zerstreut oder ge-
fangen waren, sind auch die meisten, zum Theil durch die
Hülfe der deutschgcsinntcn Einwohner, entkommen.
Obwohl solche und andere Zeichen keinesweges eine Rück-
kehr zur Mäßigung und Gerechtigkeit in Napoleons Grund-
sätzen bewiesen, so wollte dennoch der Kaiser von Oestreich
noch einen ernstlichen Versuch zur Friedensvermittlung machen;
es wurde ein Friedenskongreß nach Prag verabredet,
und der Kaiser Franz begab sich selbst nach Gitschin in
Böhmen, um in der Nähe zu seyn. Oestreich fühlte seine, von
alter Zeit her begründete, hohe Bestimmung in dem europäi-
schen Staatcnbunde, daß es den Frieden, die Ordnung, die
Gerechtigkeit, das gegenseitige Vertrauen zwischen Allen ver-
mitteln müffe, und es hatte indeß mit Ernst seine Kraft ge-
sammelt, um seinem Worte Nachdruck zu geben. Auch hatte
der Kaiser Franz, obwohl er die deutsche Kaiserkrone, nach
Errichtung des rheinischen Bundes, niedergelegt, Deutschlands
Schicksal doch nicht aus seinem Herzen gelassen; er wollte wie-
derum ein Deutschland und ein Reich deutscher Nation, wie
ihm dieses alte, treue Wort immer noch im Munde war.
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Major_Lützow Napoleon Napoleon Napoleons Oestreich Franz Franz Oestreich Ernst Franz Franz
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Leipzig Napoleons Prag Deutschlands Deutschland
92 . 1915.
‘vviavi »wwmuvm m-iwim v\@nvi w uu ninvvv im\i ivvuuiv
wie die Klapperschlange mit dem funkelnden Blicke ihrer Augen
die sonst so flüchtigen Vögel in ihren Rachen zieht. Freude-
trunken eilen sic ihm entgegen; statt ihre Waffen gegen ihn zu
kehren, schwenken sie sie jubelnd zu seinem Gruße, und mir
jedem Schritte, den er vorwärts timt, wächst der jauchzende
Zug. Nach einer Sieges-Reise ,von 20 Tagen, durch eine
Strecke von 110 Meilen, hält er am 20. März, an der Spitze
derselben Haufen, die gegen ihn ausgesendct waren, und ohne
daß Ein Blutstropfen für den betrogenen König vergossen
wäre, seinen Einzug in Paris. Dieser aber muß ans den
Gränzen seines Reiches weichen.
Nun ging es wieder an einen Kampf der Lüge gegen die
Wahrheit, den Napoleon so trefflich'zu führen verstand, daß
cs wohl schwer war, das Licht von dem falschen Scheine zu
unterscheiden. Den wohlgesinnten, Freiheit und Frieden lieben-
den, Menschen in Frankreich sagte er: Das Unglück habe ihn
weiser und.milder gemacht, und er werde von nun an genau
in den Schranken einer guten Verfassung regieren. Den Furcht-
samen spiegelte er vor, Oestrcich und England seyen mit ihm
einverstanden. Seinen Kriegsgcnossen hielt er den alten Ruhm
und, Siegestraum wieder vor Augen. Den Herrschern und
Völkern Europa's aber rühmte er seine Friedensliebe, die er
mit von der Insel Elba gebracht habe, und wie er nun seinen
einzigen Ruhm in der Beglückung seiner Untcrthanen suchen
_ wolle, da der Waffenglanz doch ein eitel Ding scy.
Jetzt konnte Europa zeigen, ob es mündig geworden sey
und ein scharfes sittliches Ürtheil gewonnen habe. Ohne die
innere Festigkeit eines tugendhaften Bewußtseins war kein Aus-
weg aus diesen Jrrgängen; denn was sich in Frankreich be-
wegte, war kein Kleines. — Wie, wenn das große, men-
schenreiche Land einig war und seinen wiedergekehrten Herr-
scher mit aller Kraft vertheidigen wollte? Wer wollte 28
Millionen muthiger Menschen in ihrer eigenen Heimath Ge-
walt anthnn, und wer durfte es? Hatten sie nicht das Recht,
nur ihn, der 14 Jahre an ihrer Spitze gestanden hatte, jedem
andern vorzuziehen? Und wie, wenn cs ihm wirklich Ernst
war, fortan in Ruhe und Frieden, ohne sich, um die andern
zu. bekümmern, sejn Volk zu beherrschen? —- Nur ein Weg.
führte durch diese bedenklichen Fragen; nicht der Verstand,
sondern der sittliche Ernst des Gemüthes mochte sie lösen, ein
solcher, der die Aufgabe der Zeit also gefaßt hatte, daß der
Kampf nicht um eitlen Ruhm oder Gewinn, sondern um die
Herrschaft des Guten in der Welt gelte. Dieser Kampf
mußte um so kräftiger geführt werden, je blendender und täu-
schender das Böse aufzutreten wagte. Nur ein solcher Ernst
durfte dem französischen Volke zurnfen: „Du sollst den sin-,
ftern Geist nicht wiederum zu deinem Fürsten machen, der das
Unrecht und die Lüge zur Herrschaft bringen will! " Und die-
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Extrahierte Ortsnamen: Paris Frankreich England Elba Europa Frankreich
Napoleons Wiederkehr von Elba. 03
Uviwavwwuxij}l\Vavav'vvvyvvvvvva U\Vt\W\lv\ 1"Vv
fern Geiste selbst durfte er gebieten: „Steige herab von dei-
nem angemaßten Stuhle der Macht, und laste den guten Gei-
stern Raum, welche still und emsig die Welt wieder aufbauen
sollen, aus den Trümmern, in welche du sie nicdcrgewor-
fen hast!" .
Darum freuten sich die Volker im Innersten ihres Her-
zens, als die noch in Wien versammelten Bundesfürsten die
Sache also in der Tiefe ergriffen und eimnüthig ein großes,
ernstes Wort über Napoleon Bonaparte aussprachen. Sie
erklärten ihn feierlich vor aller Welt, als einen Srörer der
Ruhe und des Friedens in Europa, von aller Gemeinschaft
der Guten ausgeschlossen, und gerechter Strafe anheimgefalleu.
Eie sprachen eine Acht aller enr op äisch cn V ötker
gegen ihn aus. Das war ein so außerordentliches Beispiel,
daß seines Gleichen in der Geschichte nicht vorkömmt. Noch ,
nie hatten die Völker gemeinschaftlich einen Einzeln, als Ver-
brecher gegen die Wohlfahrt des Ganzen, vor ihr Gericht ge-
zogen; und dieses Recht, weil cs kein ererbtes war, konnte
nur auf einer untern Befugniß ruhen. Nur das Bewußt-
sein des Ernstes für Tugend und Freiheit, für die Wahrheit
und das Recht, durfte der bösen Arglist gegenüber das Amt
des strengen Richters verwalten.
Und es war kein Schwanken und keine Unsicherheit in dem
Gemüthe der Völker, als sie das Wort der Acht und den
Ruf zu einem neuen Kampfe vernahmen. Die Kaufen der
Krieger, die noch unter den Waffen standen, eilten schnell
den Gränzen Frankreichs zu; die schon entlasten waren, ergrif-
fen das Schwcrdt willig noch einnknl. Die Jünglinge, die ihre
Jugend in den vorigen Jahren von den Waffen zurückgehalten
hatten, drängten sich jetzt desto eifriger zu der Bahn der Ehre.
Herzerhebend und sehr rührend war es, die Züge der Land-
wehr, die eben in ihre Hcimath zurückgekehrt waren, unver-
drossen wieder über den Rhein ziehen zu sehen; wie sie ihr
Ehrenkleid ans dem vorigen Feldzüge, fast anfgcrieben von
seiner harten Arbeit, angethan hattest, weil nicht Zeit war,
ein neues zu der neuen Arbeit ru schaffen; tlnd wie sic in der
guten Zuversicht Haus und Hof verließen, daß Gott wohl seine
weise Absicht mit den Völkern haben müsse, warum er ihnen
noch nicht die Ruhe gestattet habe.
Napoleon sah den Sturm heranziehen, den er mit seinem
losen Worte nicht mehr beschwichtigen konnte; da rüstete er
sich zum letztenmale, auf alle Weise, zu einem verzweifelten
Kampfe. Um dem Volke der Franzosen, welches von jeher
Gaukelspiel und Theaterkünste verlangt hat, durch ein Schau-
spiel neuer Art die Augen zu blenden, rief er eine große Ver-
sammlung seiner Anhänger aus allen Gegenden nach Paris,
um, wie er sagte, nach alter Sitte der Franken, ein großes
Mayfeld zu halten über die Frage, ob er^in Wahrheit von
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Extrahierte Ortsnamen: Napoleons Elba Wien Europa Frankreichs Rhein Paris
&6 1813.
mit«i\«i%uvvv\«v\vuvvvvu\«H@ivimi\vivvmvuu«mu«u\nv
Stillstand der Waffen zu erhalten, der ihn ans seiner schliin-
men Stellung errettete. Aber was er auch durch den Grafen
Meerveld, den er an den Kaiser Franz abschickte, Vorbringen
ließ, es fand keinen Eingang, denn man kannte seinen falschen
Sinn wohl, der nur Zeit gewinnen wollte. Wenn es ihm
wirklich um Schonung des Menschenblutes zu thun war, wie
er sagte, so durfte er nur jetzt, am 17., auf dem Wege ab-
ziehen, den er zwei Tage nachher betrat, nachdem er von sei-
nem Heere noch 50,000 Mann unnütz geopfert hatte. Er hatte
nun doch durch die Schlacht am 16. genugsam erkannt, daß er
das tapfere, große Bundesheer nicht schlagen werde. Er selbst
hatte keine Verstärkung mehr zu erwarten; was er besaß, war
in den Kreis mit ihm zusammengedrängt, in welchem er stand.
Die Verbündeten dagegen hatten noch viele Hülfe im Rück-
halt. Von Mitternacht her zog der Kronprinz von Schweden
heran und trieb den General Reynier mit seinem kleinen Hau-
fen, größtentheils ans Sachsen bestehend, vor sich her; von
Morgen aber kam Bennigsen mit einem neuen Russen-Heere,
und von Mittag Kolloredo mit einer östreichischen Abrheilung.
Dennoch konnte sich Napoleons arger Trotz nicht entschließen,
vom Platze zu weichen, so lange noch ein Fünkchen Hoffnung
für ihn übrig war. Und hätte er noch dabei die Raschheit
des Entschlusses gezeigt, wodurch er sonst oft gesiegt hatte!
An diesem Tage, dem 17., mußte er angreifen, er der alle seine
Kräfte versammelt hatte, gegen die Feinde, die ibre Verstär-
kungen erst am Abende, oder am Morgen des 18. erbalten
konnten. Statt dessen brachte er den Tag mit vergeblichen
Unterhandlungen hin. Dazu verführte ihn sein Glaube an die
alte Kraft seiner listigen Rede, womit er früher größere Siege
erfochten hatte, als mit dem Schwcrdte. Aber Europa war
nun ein anderes geworden; ein herrliches, grofisinniges Ver-
trauen umschlang'die Herrscher, und in der Brust der Völker
war nur Ein gemeiiffames glühendes Gefühl: — Freiheit,
Ehre, Wahrhaftigkeit, Tugend und Gottesfurcht! — Daß er
an die Kraft dieses Gefühles nicht glaubte, daß er sie gar
nicht erkannte, das hat ihn bei Leipzig aufs Haupt getroffen.
Nur auf Einer Seite, auf der des rastlosen Blüchers
wurde am 17. ein kurzes Waffenrenncn gehalten. Um die
Franzosen noch näher an Leipzig hinanzudrängen, ließ er ein
paar russische Husaren- und Kosacken - Regimenter die bei
Schönfeld aufgestellte Reuterei des Herzogs von Padua, der
eigentlich Arrighi hieß und Napoleons Schwager war, angrei-
scn. Ohne viel unnützes Fechtens nahm dieser mit seinen Reu-
tern die Flucht und sprengte in dem Rücken seines eigenen
Fußvolks spornstreichs nach der Stadt zu; die Russen aber
verfolgten ihn bis hart an die Tbore, hieben viele nieder und
eroberten 5 Kanonen. Das erstaunte französische Fußvolk
kehrte sich um und feuerte gewaltig mit Kanonen und Geweh-
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Extrahierte Personennamen: Franz Franz Reynier Napoleons Schönfeld Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: Schweden Sachsen Europa Leipzig Leipzig Padua Napoleons
£ev Rückzug über den Rhein. 67
kvvtvvmtmi\vmu\im\\ui@vv\ mivt m wt vvuv\t\M\\ i \ v
Ebenfalls war die Schweiz schon- bis zu dieser Zeit durch
Schwarzenbergs linken Flügel besetz.t, das Iuragebirge über-
stiegen mit) die wichtige Stadt Gens eingenommen. Das war
trefflicher Gewinn. Von diesen Bergen herab, die wie eine
große Festung zwischen Frankreich, Deutschland und Italien
daliegen, stand dem Bundesheer der Weg nach Italien gegen
den Vicekönig, so wie in das Herz von Frankreich offen.
Links konnte die große Stadt Lyon am Rhone-Flnße bedroht
werden und rechts, an der Aube und Seine hinab, ging ein
fruchtbarer weiter Landstrich, als offene Heerstraße, nach Paris.
Wie viele kühne und treffliche Thaten wären aus allen
Unternehmungen des Iabres 1813 noch zu nennen, wenn einer
jeden ihr Recht widerfahren sollte ! Wie viel wäre zu erzählen
von dem ganzen Kriege, den der General Wallmoden an
der mecklenburgischen Gränze gegen Davoust und die Dänen
bestand, während der Monate, da die großen Heere in Sach-
sen fochten; wie er ein größeres und geregelteres Heer durch
kühnes Necken und drohende Bewegungen immer gespannt er-
hielt, den eigenen Schaden verhütete, und dann plötzlich, als
Davoust den General Pecheux mit 10,000 Mann über die
Elbe schickte, um sich nach Magdeburg dnrchznschleichen und
Napoleon in Sachsen zu verstärken, diesen Haufen am 16.
September im G örde-Walde in der Lüneburger Heide ein-
holte und gänzlich aufs Haupt schlug; wobei sehr tapfere Tha-
tcn geschahen und auch eine Jungfrau, die lange unerkannt
in den Reihen der Männer gefochten hatte, den ehrenvollen
Schlachtentod starb; wie endlich, um die Zeit der Leipziger
Schlacht, der General Tettenborn nur mit wenigen Reu-
tern einen schnellen Zug gegen Bremen unternahm und durch
kühne Ueberraschung auch diese alte, frei und deutsch gesinnte
Stadt der frunden Herrschaft entriß. — Das Alles muß aber
- ausführlicheren Geschichten dieser Begebenheiten überlasten blei-
den , damit wir für die großen Kriegsthaten der nächsten
Jahre, auf des Feindes Grund rmd Boden selbst, auch noch
Raum gewinnen.
3a!*r 1814.
18. Ocr Einfall, in Frankreich.
Die erste Stunde des neuen Jahres sah das furchtbar ge-
schärfte Schwerdt des Krieges wiederum aufgehoben und be-
reit, auf das Haupt derjenigen niederzufallen, die es lange
nur gegen andere geschwungen und nicht in ihren eigenen Grän--
zen gefühlt hatten. Hätte Napoleon das französische Volk durch
seine Kunst des Truges und der Täuschung nicht so in Fesseln
5 *
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Extrahierte Personennamen: Davoust Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Rhein Schwarzenbergs Frankreich Deutschland Italien Italien Frankreich Lyon Rhone-Flnße Paris Magdeburg Sachsen Lüneburger_Heide Frankreich
- Ferdinand I. io5
Jugend hatte er sehr eifrig des berühmten Eras-
nnrs Schrift über die Erziehung eines Fürsten
gelesen/ und Cicero's Abhandlung über die Pflich-
ten wußte er fast auswendig.
Dieser vortreffliche Fürst, der mit ganzer
Seele Katholik war, der seine Söhne in seinem
Testamente noch auf das dringendste ermahnte/
//fest, beständig, und beharrlich zu bleiben bei der
wahren, alten, christlichen Religion, wie seine
Vorfahren, römische Kaiser und Könige, auch
löbliche Fürsten von Oestreich und Burgund und
Könige von Spanien gethan, und dafür von Gott
dem Allmächtigen gesegnet seyen," — dieser Fürst
trug doch die Billigkeit gegen anders Denkende,
die jedem gutgearteren Menschen eingeboren ist,
fest in seinem Gemuthe, und gab ein Beispiel,
wie Duldung und Nachsicht mit der treuesten An-
hänglichkeit an die ei ene Kirche wohl zu vereinigen
sind. In seinen Erblanden verbreitete'sich immer
mehr die Neigung zü der neuen hehre, besonders
dadurch, daß, bei dem großen Mangel an Unrer-
richtsanstalren, sehr Viele, die ihren Kindern
Bildung geben lassen wollten, besonders die Ad-
lichen, sie nach dem Auslände schickten , und meistens
die Universität Wittenberg wählten, weil sie
durch Gelehrsamkeit vor allen berühmt war. Den-
noch kam es dem Kaiser nicht in den Sinn, als
könne und dürfe solche Richtung mit Gewalt ver-
hindert werden; vielmehr sann er auf innere
Mittel der Einigung, und wollte dazu vorzüglich
das wieder eröffnet? Eoncilium zu Trieur be-
nutzen.
In Deutschland war durch den Religionsfrie-
den zwar äußerlich die Ruhe hergestellt; allen, die
innere Beruhigung folgt nach so großen Sturmen
nur langsam und schwer. Die Partheien beobach-
teten sich noch immer mit Furcht und Eifersucht;
die widersinnigsten Gerüchte über feindselige Ab-
sichten der Gegner fanden in den gespannten Ge-
mürhern leicht Glauben. „Wenn ein Fürst einen
Obersten ober Rittmeister in Bestallung nimmt,
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand_I. Oestreich
Extrahierte Ortsnamen: Burgund Spanien Deutschland
Matthias.
125
entdeckt, von welchem sie ihrer Parthei^rosie Vor-
theile versprachen; in denen der Unirten aber die
Freude über die anscheinende Kränklichkeit deffel-
den. Der Fürst Christian von Anhalt, einer der
Thatigsten unter den letzteren, soll sich, die Zwei-
deutigkeit von dem Feste hernehmend, geäußert
haben: „Wenn es zum Tanze komme, so werde
Matthias keine große Sprünge mehr machen. "
In der That zeigte sich auch der neue Kaiser
nicht so thätig, als man von ihm erwartet hatte;
es schien, als wenn er seinen Bruder von seinen
Thronen verdrängt habe, um dessen Zaudern und
Unschlüssigkeit nur fortzusetzen. Dagegen arbeite-
ten die Leidenschaften desto heftiger in den Gemü-
ihern der Zeitgenossen und bereiteten die schweren
Ausbrüche des Hasses vor, welche noch unter Mat-
thias Regierung den Anfang nahmen. In den
chstreichischen L ndern eiferten die Religionspar-
theien, durch ihre Prediger von den Kanzeln dazu
aufgefordert, mit neuer Heftigkeit gegen einander;
das menschlich - sittliche Verhaltniß zwischen ihnen
war fast ganz vernichtet; denn solcher Haß, weil
er das Heiligste berührt, was der Mensch besitzt,
ist der unversöhnlichste.
Ini übrigen Teutfchland ereigneten sich gleich-
falls einige bedenkliche Falle. In Aachen wa-
ren, neue Streitigkeiten ausgebrochen; eben so zwi-
schen der Stadt Köln und den beiden Besitzern
der Iulichfchen Lande, weil diese, den Kölnern
zum Schaden, den Ort Mülheim am Rheni m
eine Stadt umzuschaffen suchten. In beiden Fal-
len entschied der Kaiser zu Gunsten der katholi-
schen Parthei, und erregte dadurch bei dsn Pro-
testanten neue Sorge. Sein Spruch wegen Mül-
heim wurde aber wohl wenig gefruchtet haben,
wenn nicht die beiden fürstlichen Hause-, welche
von der jülichschen Erbschaft Besitz- genommen hat-
ten, unter sich selbst zerfallen waren. Der pfäl-
zische Prinz Wolfgang Wilhelm sollte eine
Tochter des brandenburgifchen Hauses heirathen
und kam deshalb nach Berlin. Hier aber, berm
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Extrahierte Personennamen: Matthias Christian_von_Anhalt Matthias Wolfgang_Wilhelm Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Aachen Mülheim Rheni Berlin
127
Matthias.
zum künftigen König von Böhmen angenommen
und drei Wochen nachher mit großer Pracht in
Prag gekrönt. Die Stande forderten nichts,
als die Bestätigung ihrer bisherigen Rechte und
daß der neue König sich bei Lebzeiten des alten
nicht in die Regierung mische.
Dieser Ferdinand ist eine Haupttriebfeder in
dem gewaltigen Umschwünge seiner Zeit geworden,
und verdient eine ernste und gerechte Würdigung
um so mehr, da er zu allen Zeilen mehr geschmäht
oder leidenschaftlich gepriesen, als ruhig belirtheilt
ist. Er war auf der ttniversiiät zu Zngolstadt in
Baiern, vorzüglich durch Jesuiten, und unter den
Augen des sehr eifrig katholischen, alten Herzogs
Wilhelm gebildet, und von Kindheit an waren
ihm die strengsten Grundsätze in Religionssachen
eingeprägt. Er glaubte fest an eine allein selig-
machende Kirche, und hielt es für die erste Pflicht
seines Lebens, durch alle Mittel, die in eines
Menschen Gewalt sind, durch Güte und Strenge,
durch das Wort, so wie durch's Schwerdk, die
Menschen bei ihp erhalten oder zu ihr zurück-
zuführen. Denn das Seelenheil, so hatte man
ihn gelehrt, gehe vor aller irdischen Rücksicht und
Nachsicht. Diesen Grundsätzen ist er mit aller
Treue des Herzens, sein Leben lang, gefolgt; er
glaubte sich zum Kämpfer für die katholische Kirche,
und zum Wiederhersteller- ihres alten Glanzes von
Gott bestimmt; aus diesem Glauben har er kein
Hehl gemacht, er ist offen und redlich auf den
Kainvfplah getreten, und das ist seine Ehre in
der Geschichte. Der Mann verdient Ehre, der
dem, was er als recht und heilig erkannt hat,
mit der vollen Kraft seines Wesens, frei und stand-
haft folgt. Ist Ferdinand mit seinem ganzen Le-
den in einem großen Irrthunie befangen gewesen,
ind?m er wähnte, der Gott, welcher seine Sonne
über die Völker jedes Glaubens gleich mrlde schei-
nen läßt, könne nur auf Eine Weise angebetet
werden, und wolle diese einzia rechte Weise init
Feuer und Schwerdt über den Erdboden verbreitet
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Matthias Ferdinand Wilhelm Ferdinand Schwerdt