Fünfter Zeitraum.
152
die in immer größer» Massen von der Wolga und dem Don
her nach der Nordseite der Donau zogen, das erschöpfte
Reich. — Schnell verdrängten sich nach ihm die Regenten.
Sein Sohn, Justinian 2 (685 — 694), ward von den
Arabern geschlagen, wegen seiner Grausamkeit entthront,
und nach a b g e s ch n i t t c n e r N a se verbannt. Ihm folgte
L conti ns (694 — 698), der Statthalter von Griechenland,
welcher Thron und Nase durch den Liberins Apsimar
(698—703) verlor. Justinian entfloh ans seinem Ge-
fängnisse, und drang mit Hülfe der Bulgaren in Konstanti-
nopel ein, wo er (703) den Tiber ermorden ließ, und die
Regierung von neuem übernahm, bis ihn und seinen Sohn
der Philipp icns B arda ne s hinrichten ließ, der sich
selbst (711—713) auf den Thron schwang. Seine Ver-
schwendungen machten ihn aber allgemein verhaßt, und bei
einem nächtlichen Ueberfalle wurden ihm die Angen ausge-
stochen. Ihm folgte Anastasius 2 (713), der bald darauf
(715) ins Kloster geschickt ward. An seiner Stelle bekleide-
ten die Soldaten den Theodosius3 (715) mit dem Pur-
pur, welchen er im folgenden Jahre freiwillig mit der
Mönchskutte vertauschte. — Ihm folgte Leo (3) Jsauri-
cus (716—741), bekannt durch die sogenannte Bilder-
stürm e re i, nach welcher er (727) alle Bilder aus den
Kirchen seines Reiches zu entfernen befahl, weil Juden und
Muhamedaner die Christen deshalb für Götzendiener hielten.
Mehr, als durch das Vordringen der Araber, die zum zwei-
tenmale von Konstantinopel zurückgeschlagen wurden, ward
durch dieses vernünftige Gebot der abergläubige Pöbel des
byzantinischen Reiches erhitzt; Blutströme flössen seit dieser
Zeit für den Bilderdienst. — Mit gleichen Gesinnungen un-
terdrückte sein Sohn, C o n st a n t i n u s (5) Kopronymus
(741 — 775), den Bilderdienst, den er auf einer allgemeinen
Kirchenversammlung zu Konstantinopel verdammte. Allge-
mein war der Zeitgeist gegen ihn, als er den Hellen Gedan-
ken faßte, das Mönchsthum aufzuheben. Zu einem
solchen Schritte war das achte Jahrhundert noch nicht reif
geworden; am wenigsten der Staat von Byzanz. Zwar
war Constantln 5 glücklich im Kampfe gegen die Ara-
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
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Extrahierte Personennamen: Philipp Philipp Anastasius Leo_( Leo Constantln
224
Sechster Zeitraum.
faßte, als der Schwärmer, Peter von Amiens, der im
Jahre 4095 von einer Pilgerschaft nach Palästina zurück-
kehrte, die Leiden mit den lebendigsten Farben schilderte,
welche die dortigen Christen von den rohen und siegreichen
türkischen Stammen in den letzten Jahrzehnden erduldet
hatten. Denn seit 1076 herrschte der Turkomanne Orthok
in Jerusalem, dessen Horde nicht nur die einheimischen und
die nach Jerusalem pilgernden Christen, sondern auch die
kirchlichen Heiligthümer mißhandelte. Doch bemächtigten sich
im Jahre 109u die Fatimiden wieder der heiligen Stadt,
und besaßen sie bei der Ankunft der Kreuzfahrer.
Peter, gebürtig von Amiens, der Ignaz von Lovola
seines Zeitalters, hatte früherhin den Waffenrock mit der
Eremitenkutte vertauscht und im südlichen Frankreich bereits
durch seine Selbstbnßungen sich berühmt gemacht, als er im
Jahre 1093 eine Wallfahrt nach Jerusalem unternahm, wo
er die Bedrückungen der Christen von den seldschukischen
Türken selbst sah, und, nach einer vorgeblichen Erscheinung
des Erlösers im Traume, vom dortigen Patriarchen Simeon
Bittschreibcn um Hülfe an die abendländische Christenheit
mitbrachte. Er übergab sie dem Papste Urban 2, der von
neuem vom byzantinischen Kaiser Alerius Komnenus
um Unterstützung ersucht worden war. Ausgestattet mit
dem päpstlichen Segen und mit der Erlaubniß, seine Sen-
dung zu verkündigen und die Gemüther vorzubereiten, be-
gann er zu Bari in Unteritalien, einer Besitzung der Nor-
mannen-, welche damals zu den eifrigsten Wallfahrern nach
Palästina gehörten, seine schwärmerischen Predigten. Mit
einem großen Crucisire in der Hand, einem Stricke um die
Lenden, entblößt an Haupt und Füßen, durchzog der un-
ansehnliche Einsiedler auf einem Esel Dörfer und Städte.
Das Feuer seiner Augen verkündigte den heiligen Eifer, der
seine Reden durchdrang, durch welche er der Mann des
Pöbels ward. Er predigte in Kirchen, auf Heerstraßen
und Kreuzwegen; binnen einem Jahre hatte er Italien und
Frankreich durchzogen, und Tausende erblickten in ihm den
heiligen und den gottgesandten Mann, der noch überdies
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Extrahierte Personennamen: Peter_von_Amiens Peter Ignaz_von_Lovola Simeon
Bittschreibcn Urban Alerius_Komnenus
Extrahierte Ortsnamen: Palästina Jerusalem Jerusalem Amiens Frankreich Jerusalem Bari Unteritalien Palästina Italien Frankreich
228
Sechster Ae irraum.
Späterhin wurden auch sie in den Strudel fortgerissen; nur
die übrigen noch nicht einmal in der Kultur bis zum Hel-
denalter vorgerückten nördlichen Völkerschaften Europa's,
und die Spanier, welche in ihrem eignen Vaterlande mit
den Arabern hinreichend beschäftigt waren, nahmen an den
ganzen Zügen im Laufe zweier Jahrhunderte den geringsten
Antheil.
An der Spitze eines Schwarmes von ungefähr 1.5,000
Menschen, die nichts zu verlieren hatten, die ohne Zucht
und Ordnung zusammengelaufen und auf der Reise bis auf
40,000 Mann angewachsen waren, eröffnete Peter von
Amiens seinen Zug; doch war ihm bereits mit einer regel-
losen Masse Walther von Perejo, und, nach dessen Tode
in Bulgarien, der Neffe desselben, Walther mit dem
Beinamen der H a b e n i ch t s (saus avoir), vorangegangen.
Längs der Donau walzte sich diese Masse durchs südliche
Teutschland und Ungarn. Ein teutscher Priester aus den
Rhsingegenden, Gott sch all, zog seinem Freunde Peter
mit einer Horde von ungefähr t 2,000 Menschen nach, und
ein anderer Priester, Volkmar, stand an der Spitze eines
gleich starken Haufens, den er in Sachsen und Thüringen
zusammengetrieben hatte, und durch Böhmen nach Ungarn
führte. Am Rheine warf sich in dieser Zeit der Graf Emich
von Leiningen, zufolge einer vorgegebenen Offenbahrung,
auf'die Juden, um an diesen die Schmach des Kreuzes
Christi zu rächen, und der Erzbischoff Ruthard von Main;
ward willig der Theilnehmcr an diesen Ermordungsscenen
der Juden. Eine allgemeine Jagd auf die Juden, gleich
stark von der Habsucht, wie von der Unduldsamkeit und dem
zügellosen Religionseifer eingegeben, war die Folge dieser
Greuel in den Rheingegenden, welche der Kaiser Heinrich 4
zwar mißbilligte, aber nicht hindern konnte.
Viele von den ersten nach Palästina bestimmten Massen,
welche man zusammen auf 200,000 Menschen berechnete,
kamen nur bis nach Ungarn und zu den Bulgaren, wo sie
entweder Hunger und Elend, oder die Bewaffnung der Ein-
gebohrncn aufrieb, welche keinen Grund einsahen, ein
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Extrahierte Personennamen: Peter_von
Amiens Walther_von_Perejo Walther Peter Volkmar Emich
von_Leiningen Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Hel- Bulgarien Donau Ungarn Sachsen Ungarn Rheine Christi Main Rheingegenden Palästina Ungarn
234 Sechster Zeitraum.
fr wenig befestigte christliche Königreich auf; denn auch
für die Muselmänner war Jerusalem ein heiliger
Ort, und die Wallfahrt dahin ein Theil ihrer religiösen
Uebungen; auch für sie war die Wiedereroberung dieser
Stadt Angelegenheit des Glaubens; auch für sie
ward daher dieser Krieg ein heiliger, ein Religions-
krieg.
336.
Zweiter Zeitabschnitt der K r e u z z ü g e von
1142 — 1187.
Doch bevor noch Jerusalem von Saladin erobert ward,
gab der Verlust von Edessa (1142) an die Saracenen
die Veranlassung zu einer neuen großen Bewaffnung in der
abendländischen Christenheit. Edessa, die Hauptstadt des
ersten christlichen Fürstenthums im Oriente, galt als die
Vormauer des Königreiches Jerusalem; der Verlust dieser
Stadt drohte Hcn Verlust der übrigen christlichen Besitzun-
gen. Der Fall von Edessa erregte eine allgemeine Be-
stürzung im Abendlande, und nicht vergebens rief der Papst
Eugen 3 die Christenheit zu einem neuen Hauptzuge auf,
besonders als der Abt von Clairvaur, Bernhard, mit
vollem Feuereifer dafür wirkte, ein Mann, der den Ruf der
Heiligkeit und des Wunderthaters für sich hatte, und sei-
nem Vorgänger, dem Einsiedler Peter, an Talenten und
Einffusse auf die Großen weit überlegen war. Ihm gelang
es, zuerst den König von Frankreich Ludwig 7, und dann
auch den König Konrav 3 von Teutschland zu Speyer
dafür zu begeistern. Ludwig hatte in einer Fehde mit dem
Grafen von Champagne eine Kirche mit den darein gcflüch-
tcten Menschen niedergebrannt; sein Gewissen trieb ihn an,
diese Versündigung auf einem Kreuzzuge abzubüßen. Der
heilige Bernhard heftete ihm im Jahre 1146 das Kreuz
an, und viele tausend Franzosen folgten dem Beispiele ihres
Königs, so daß Bernhard, der doch für einen starken
Vorrath von Kreuzen auf der Persammlung zu Vezelay ge-
sorgt hatte, seine Kutte zerreißen mußte, um das Vertan-
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Eugen Eugen Bernhard Peter Ludwig Ludwig Ludwig Bernhard Bernhard
60
Vierter Zeitraum.
Constantins Grausamkeit ging in frühern Zeiten so weit,
daß er gefangene Anführer der Alemannen und Franken im
Theater dem Kampfe mit wilden Thieren Preis gab. Doch
selbst späterhin wurden seine Vettern, Dalmatius und Han-
nibalianus, nicht ohne sein Vorwissen, von den Legionen
geopfert.
Die ganze Verwaltung des Reiches erhielt durch ihn eine
bedeutende Veranderung. Das wichtige Ergebniß der-
selben war, daß er den bisherigen militärischen
Despotismus vernichtete, und dafür den Despo-
ti s m u s des Hofes und die Mach t d e r H ierarch ie
gründete. Bereits wahrend seines Zuges gegen den Maren-
tius (311) bekannte steh Constantin zu der christlichen
Religion. Indem er steh dadurch einen mächtigen Anhang
in allen Provinzen des Reiches bildete, schwächte er zu-
gleich die Macht seiner Mitregentcn und Nebenbuhler. In
der That verdankte er größtentheils diesem Schritte den Weg
zur Erreichung seines Zieles der Alleinherrschaft. Doch
mußte eine solche Veränderung tief in das ganze Regierungs-
systcm eingreifen, weil Consta ntin an der schon frühzeitig
in der kirchlichen Verfassung der Christen eingeführten Sub-
ordination, die bald durch die streng abgemessenen Verhält-
nisse der Erzbischöffe, Bischöffe, Presbytern, Diaconen,
Subdiaconen, Vorleser und Vorsänger gegen einander, in
Hierarchie überging, eine sichere Stütze des Thrones,
und eben so bald, in den entstehenden arianisehen Strei-
tigkeiten, Gelegenheit fand, seinen Antheil an der kirch-
lichen Gesetzgebung, besonders auf dem Concilium zu Nicaa
(325), geltend zu machen. Die christliche Religion erfuhr
also sogleich bei ihrer Erhebung zur herrschenden im
römischen Reiche das Schicksal, daß von oben herein
bestimmt ward, was rechtgläubige Lehre sey, oder nicht
sey; obgleich Consta ntin nur kurz vor seinem Tode von
dem arianischcn Bischöffe Eusebius von Nikomedien sich tau-
fen ließ, weil man in seinem Zeitalter die Taufe als das
wirksamste Entsündigungsmittel von dem vorhergegangenen
heidnischen Leben betrachtete, und Coustantin viele Sun-
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Extrahierte Personennamen: Constantins Constantin Consta Eusebius
gegen die unstat herumstreifenden Saracenen bald allge-
gemein empfunden werden. Dringend nöthig war also die
Stiftung menschenfreundlicher Anstalten, und der Zu »st-
und Rittergeist des Zeitalters wirkte, in Verbindung mit
der Religion, au der Ausbildung der Verfassung derselben.
Schon vor dem ersten Kreuzzuge bestand in Jerusalem ein
Hospital, das, so wie eine daselbst errichtete Kirche, Kauf-
leuten aus Amalfi gehörte, welche damals bereits einen leb-
haften Handel nach der syrischen Küste trieben, und von den
moslemischen Beherrschern begünstigt wurden. In dieses
Hospital wurden Kranke, besonders aus den Pilgern, auf-
genommen und verpflegt. So wie sich gutmüthige Menschen
«fanden, welche sich dem Dienste der Kirche widmeten; so
sorgten andere durch Geschenke und Almosen für ihren Un-
terhalt. Diese Anstalt hatte frühzeitig Einkünfte in Palä-
stina und Europa. Ein eigner Meister war der Vorgesetzte
des Hospitals und der Brüderschaft desselben. Nach der
Eroberung Jerusalems ward die Anstalt erweitert, und euro-
päische Ritter nahmen an ihr Antheil. Der vergrößerte Ver-
ein erhielt von den Provcnzalen Gérard ums Jahr 1100
die Einrichtung eines Ordens, der (H13) vom Papste
Paschalis 2 bestätigt ward, und' das Recht erhielt, sei-
nen Meister selbst zu wählen. Unter dem Ordensmeister
Raimund de Puy ward der Orden (1118) dahin aus-
gebildet, daß er in drei Klassen von Mitgliedern zersiel: in
Ritter, welche gegen die Ungläubigen kämpften und die
Pilger beschützten; in dienende Brüder, welche Kranke
und Fremde pflegten, und in Priester, welche den gottes-
dienstlichen Kultus besorgten. Johannes d e r P atri arch
ward der Patron, und ein achteckigtes weißes Kreuz auf
einem schwarzen Mantel das Abzeichen des Ordens. Als
mit der Zahl der Mitglieder sich auch die Gaben vermehrten,
welche der Orden erhielt, wurden die Güter desselben nach
Zungen (Basteien, Landsmannschaften) eingetheilt. Der
Großmeister des Ordens stand an der Spitze der Häupter
der Zungen, und unter diesen standen wieder die einzelnen
Ritter und Brüder. Schon vor Ablauf des dreizehnten
Jahrhunderts besaß dieser Orden, der sich schnell über die
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Extrahierte Personennamen: Paschalis Raimund_de_Puy Johannes
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Amalfi Palä- Europa Jerusalems
1
Kreuzzüge. 251
Thalern und großen Vorrechten *). Nach dem Verluste von
Palästina ward Cypern der Sitz dieses Ordens.
Von hier ward der Großmeister Jacob von Molai,
unter dem Vorwände eines neuen Planes zur Eroberung Je-
rusalems und der beabsichtigten Vereinigung der drei geist-
lichen Orden, besonders der Tempelherren und Johanniter,
nach Frankreich gelockt, wo damals der Papst Clemens 5
von dem unternehmenden Könige Philipp 4 und dessen
Kanzler, Wilhelm von Nogaret, größtentheils abhängig
war. Eifersüchtig über die Macht und Reichthümer des Or-
dens, nach welchen Philipps Habsucht lüstern war, ward,
nach erzwungener Aussage mehrerer Tempelherren, der Or-
den beschuldigt, daß er nicht an Gott glaube, den Heiland
verläugne, und ein Götzenbild anbete; daß die Ritter bei
ihrer Aufnahme das Crucifir mit Füßen treten und anspeien
müßten, und daß der Orden zu Ptolemais die Gelder des
Königs Ludwigs 9 untergeschlagen habe.
Ob nun gleich wahrscheinlich der Orden, nach der Sitte
der damaligen Zeit, seine Mysterien und seine besondern
Gebräuche bei der Aufnahme neuer Mitglieder hatte; so
konnten doch Aussagen, welche man durch die Folter erpreßte
und welche späterhin nicht selten zurückgenommen wurden,
nicht von Gewicht seyn. Demungeachtct kann cs wohl nicht
geläugnet werden, daß sich auch, wie in alle größere Ver-
bindungen, manches unwürdige Mitglied in den Orden cin-
geschlichen hatte, das durch Gesinnungen und Handlungen
die Würde desselben entehrte. Jene erzwungenen Aussagen
veranlaßten aber den Papst und den König von Frankreich,
dem Verfahren gegen den Orden den Charakter eines Ketzer-
processes zu geben.
In Paris wurden 140 Ritter auf einmal verhaftet. Der
König bemächtigte sich ihres Schatzes, ihres Archivs, ihrer
Papiere und ihres Pallastes, des sogenannten Tempels,
den er selbst bezog. Nach seinem Willen verlangte Clemens 5
*) An tonö Gesch. des Tcmpelherrnordcns/ S. 261. 2te Aufs.
J
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Extrahierte Personennamen: Palästina Jacob_von_Molai Clemens Philipp_4 Philipp Wilhelm Philipps Philipps Ludwigs Clemens_5
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreich Paris
252
Sechster Zeitraum.
die Gefangennchmung aller Ritter in England, Schottland,
Teutschland und Italien; die Könige von Spanien und Un-
garn wurden von ihm durch Bullen aufgefordert, dem erst-
gebohrnen Sohne der Kirche in ihren Landern nachzuahmen.
Philipp ließ im Jahre 1310 50 Ritter verbrennen, welche
zwar auf der Folter die gewünschten Geständnisse gethan,
dieselben aber bereuet und widerrufen, und selbst die zuge-
sicherte Begnadigung und die Jahresgehalte zurückgewiesen
hatten, die man ihnen versprach, wenn sie bei ihrer ersten
Aussage beharren würden. Selbst Molai, der letzte Groß-
meister des Ordens, starb den Tod in Flammen, nachdem
er feierlich vorher in einer Rede seine Unschuld bestätigt hatte.
Ob man nun gleich bereits in jenen Zeiten mehrere der ge-
mordeten Ritter als Märtyrer der Wahrheit betrachtete; so
ward doch der Orden am 22 Mai 1312 vom Papste auf-
gehoben. Die Güter desselben kamen größtentheils in die
Hände der Johanniter, die man von dem Antheile an der
Verfolgung und Ausrottung des Tempelherrnordens nicht
ganz freisprechen kann, wenn gleich die gewaltsame Ver-
nichtung dieses Ordens nach ihren letzten Ursachen, und
nach der Schuld, welche einzelne Ritter desselben getra-
gen haben mögen, selbst nach den erst neuerlich darüber an-
gestellten Untersuchungen, bis jetzt nech nicht völlig aufge-
klart -worden ist.
Aus der milden Stiftung eines Teutschen in Jerusalem
zur Verpflegung armer und kranker teutscher Pilger,
welche besonders, wahrend der Belagerung von Acre, durch
bremische und lübeckische Kaufleute an Umfang und Zweck-
mäßigkeit gewann und das Marien Hospital zu Jerusa-
lem besaß, ward, noch wahrend dieser Belagerung, im Jahre
1.190 vom Herzoge Friedrich von Schwaben der dritte
geistliche Ritterorden, der te u tsch e Ord en gebildet. Neben
der Verpflegung der Armen und Kranken übernahmen die
dazu getretenen Ritter die Verpflichtung, in Palästina gegen
die Ungläubigen zu kämpfen, ein Entschluß, zu welchem
die Eifersucht der teutschen Ritter auf die Johanniter und
Tempelherren mitwirkte, welche nur selten teutsche Ritter in
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Extrahierte Personennamen: Philipp Philipp Friedrich_von_Schwaben Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: England Schottland Teutschland Italien Spanien Jerusalem Palästina
Kreuz,zuge.
253
ihre Verbindungen aufnahmen und noch nie einen Teutschen
zu ihrem Meister gewählt hatten. Die Ankunft des, nach
des Kaisers Friedrichs 1 Tode, von dessen Sohne, dem Her-,
zöge Friedrich angeführten, teutschen Heeres vor Acre beför-
derte die Gründung dieses neuen Ordens, welchen der Bru-
der des Herzogs, der Kaiser Heinrich 6 und der Papst
Cölestin 3 bestätigten. Dieser neue kriegerische Orden
nahm blos teutsche Ritter in seine Mitte auf; besaß
das teutsche Haus oder das Hospital der heil. Maria
zu Jerusalem (daher der Name der Ritter: Mari an er),
und wollte in sich die beiden Zwecke des Johanniter- und
Tempclherrnordens, die Verpflegung der Armen und Kran-
ken und den Kampf gegen die Saracenen gemeinschaftlich
vereinigen. Sein erster, im Feldlager vor Acre gewählter,
Meister war Heinrich von Walpot; das Abzeichen des
Ordens war ein schwarzer Rock und ein weißer Mantel mit
schwarzem Kreuze. Daß aber dieser Orden bald so mächtig
und einflußreich ward, verdankte er seinem ausgezeichneten
Hochmeister, dem Thüringer H e r m a n n von Salza, der
(seit 1220) zwanzig Jahre an der Spitze desselben stand.
Verdrängt aus Palästina nach Venedig, ward dieser Orden
(1226) zur Bekehrung der heidnischen Völker an der Ostsee
gerufen. Nach einem drei und fünfzigjährigen Kampfe hatte
er die Preußen vertilgt und ihr Land sich unterwor-
fen, das nun nach teutscher Sitte eingerichtet ward.
Die Städte und Schlösser Thor», Kulm, Marien-
werder und Elbing wurden damals begründet. Er mußte
aber dieses Land im Zeitalter der Kirchenverbesserung (1525)
verlassen, als dasselbe von seinem damaligen Hochmeister
Albrecht aus d e m H a u se B r a n d e n b u r g in ein welt-
liches, von Polen lehnbares, Herzogthum verwandelt ward.
Seit dieser Zeit war der Sitz desselben zu Mergentheim,
bis er innerhalb des damals bestehenden Rheinbundes von
Napoleon am 24 April 1869 gänzlich aufgehoben, und
das Land, das er besaß, den Souverainen zugetheilt ward,
in deren Staaten dasselbe lag.
Obgleich diese Orden in den neuesten Zeiten sich über-
lebt hatten und zum Theile dem Geiste des Zeitalters un-
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrich Friedrich Heinrich_6 Heinrich Cölestin Maria Heinrich_von_Walpot Heinrich Salza Albrecht Albrecht Napoleon
38
Siebenter Zeitraum.
ernannte damals für Amerika zwei Vicekönige, einen für
Merito (1540), und einen (1542) für Peru, welche an
der Spitze der ganzen Civil- und Militairgewalt standen,
und denen die Gouverneure und Ca pi tan es der ein-
zelnen Provinzen untergeordnet waren.
416.
Politische Gestaltung des sp a n i sch e n Amerika.
Nachdem Meri ko und Peru erobert waren, diese
beiden einzigen Reiche, welche in Amerika sich zu einer
selbstständigen Staatsform gebildet hatten, blieben unzäh-
lige einzelne, mehr oder weniger starke Völkerschaften im
Innern des südlichen und nördlichen Festlandes übrig, welche
zum Theile noch bis jetzt nicht bezwungen worden sind.
Dennoch drang das Kreuz weiter zu ihnen vor, als das
Schwert; durch Missionen wurden mehrere derselben seit
den letzten drei Jahrhunderten civilisirt und für die Annahme
des Christenthums gewonnen. Außer vielen Bisthümern
mit ihren Capiteln, entstanden in den unterworfenen Lan-
dern Erzbisthümer zu Meri ko, Lima, Caraccas
Santa Fe di Vogata und Guatimala, und (1551)
Universitäten zu Meri ko und Lima. Die Errich-
tung der Klöster hing mit der ursprünglichen Bestimmung
der Bettelorden (späterhin der Jesuiten) zur Bekehrung der
Indianer zusammen; und die Inquisition konnte Pro-
vinzen nicht fehlen, über welche Philipp 2 regierte!
Durch die Unterordnung aller Angelegenheiten Ameri-
ka' s unter den hohen Rath von Indien, der seine völlige
Einrichtung im Jahre 1542 erhielt, und durch die strenge
Nachbildung der europäischen Justiz- und Kirchenverfassung
in den amerikanischen Provinzen und Kolonieen, gewannen
jene Lander den Charakter europäischer Staatsformen. Un-
ter dem Volke selbst aber, das dort zusammentraf, erhielt
steh eine sorgfältige Grenzscheide der Abstammung und selbst
der politischen Verschiedenheit. Die Weißen waren als
Sieger in Amerika erschienen; die F a r b i g e n und Schwa r-
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Extrahierte Personennamen: Caraccas Philipp Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Amerika Peru Amerika Peru Amerika Lima Lima Indien Amerika Schwa