10 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie.
Helden sprechen: „Kein unglücklicheres Geschöpf, das da athmet und
kreucht auf der Erde, als der Mensch!" Das ist ein Seufzer nach Er-
lösung aus der kalten Finsterniß des Lebens, das nicht von Gott, der
Sonne der Geister, erhellt und erwärmt wird.
Wir wissen nicht geschichtlich, wie lange die Menschen brauchten, um
zu Völkern heranzuwachsen, wie viele Versuche st'e machten, bis sic eine
bürgerliche Gemeinschaft ausgebildet hatten; wir wissen auch nicht, wie
st'e ihre verschiedenen Religionen gedichtet haben, denn wie das Licht der
Geschichte aufgeht, sehen wir ausgebildete Nationen dastehen. Ihr Schau-
platz ist das hintere Asten; allmalig rückt die Geschichte gegen Westen,
gleich dem Gange der Sonne.
Zweites Kapitel.
Indien.
Wann das Land, welches durch das Himalayagebirge (Emodus)
von Mittelasien, durch den Hindukusch (Paropamisus) von dem Hoch-
lande Iran (Aria), das bis zum Tigris in Vorderasten reicht, geschieden
wird, von den Stammvätern der Indier oder Hindu bevölkert wurde,
kann nicht geschichtlich bestimmt werden. Nach den eigenen uralten
Sagen des Volkes sind sie aus dem Geschlechte Iaphets (den Noah
nennen die Indier Men», seine Söhne Chama, Scherma, Japeti) und
wohnten im Hochlande jenseits der Indus- und Gangesquellen am
Göttergebirge Meru. Von da zogen sie in die große Halbinsel, welche
von dem Indus, dem Ganges und Bramaputra bewässert wird, und
breiteten sich von den Quellen des Indus und Ganges bis zu deren
Mündungen aus, und über die Hochflächen und Thäler des Dekhan, an
den Küsten von Malabar und Koromandel bis auf die Insel Sinhala
(Ceylon, Taprobane bei den Griechen). Diese arischen Einwanderer sind
aber nicht die Urbewohner der Halbinsel; sie trafen dort bereits andere
Stämme von chamitischer Abkunft, welche sie in die Gebirge zersprengten
oder unterjochten, indem sie sich selbst als ein edleres Volk betrachteten,
wie denn auch in ihrer Sprache Arier die „Ausgezeichneten" bedeutet.
Doch haben sie cs selbst nie dahin gebracht, daß sich ihre Stämme zu
einer Nation vereinigten und die ganze Halbinsel ein indisches Reich
bildete. Eine eigentliche Geschichte haben sie nicht; denn die meisten
Stämme besitzen keine schriftlichen Aufzeichnungen, sondern nur dunkle
und vielfach verwirrte Sagen, und die Bücher der Brammen, der Priester
jener Stämme des indischen Volkes, das die eigenthümlichste Entwicklung
erreichte, sind größtentheils ein Gewebe von Mythen; die beglaubigte
Geschichte scheint nicht über 800 Jahre vor Christus hinaufzureichen. —
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T
18 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie.
befruchtenden Einfluß auf die Erde offenbart. Erdbeben, Wasserfluchen,
Mißwachs, Seuchen u. s. w. beweisen, daß die Ordnung des Himmels
gestört ist, und diese Störung hat ihre Ursache darin, daß die Ordnung
im Reiche gelitten hat und der Kaiser von ihr abgewichen ist, was nun
sein Volk und er mit ihm büßen muß, bis die wohlthätige Ordnung
des Himmels die Ordnung auf der chinesischen Erde wieder herstellt.
Von dem Kaiser, dem Vater des ganzen Volkes, kommt diesem also
alles Heil und Glück wie der einzelnen Familie durch den Familienvater,
und eben deßwegen ist der unbedingteste Gehorsam gegen den Kaiser
auch die erste Pflicht des ganzen Volkes.
Unter dieser Verfassung mögen die Chinesen ihre glücklichen Perio-
den gehabt haben (wie sie auch-wirklich viel von den langen und segens-
reichen Negierungen ihrer alten Kaiser zu erzählen wissen), denn offen-
bar mußte sie die Liebe zu Ackerbau und friedlichem Gewerbe außer-
ordentlich pflegen; doch „die Himmelssöhne" störten die Ordnung oft
genug und „die Kinder" zeigten sich alsdann nicht minder ausgeartet.
Da sich aber die Wirkung chinesischer Revolutionen in den Jahrhunder-
ten vor Christus auf China selbst beschrankt, so zählen wir die Reihen
ihrer Dynastieen nicht auf, und nennen nur die der Tschin von 249—206
vor Christus, welche dem Reiche seinen heutigen Namen gegeben hat.
Unter dieser Dynastie wurde die große Mauer gebaut, welche die Nord-
gränzc gegen die Einfälle der Barbaren schützen sollte, die in zahllosen
Schwärmen das Hochland Mittelasiens bewohnten und als Hiongnu ein
mächtiges Reich gründeten. Die große Mauer, eines der größten Werke
der menschlichen Hand (sie erstreckt sich 300 Meilen weit vom Meer-
busen Rhu Hai bis an das Gebirge Kueulun und den Gebirgssee Si
Hai oder Westmeer, aus welchen Gegenden die Chinesen herstammen),
verhinderte aber den Einbruch der Barbaren nicht, der Hiongnu so
wenig als später der Mongolenhorden, doch ermannten sich die Chine-
sen immer wieder, vertrieben oder unterwarfen die Eindringlinge und
verfolgten sie weit in das mittelasiatische Hochland. Die letzte einhei-
mische Dynastie, die der Ming, unter welcher China seine größte Aus-
dehnung erreicht hatte, unterlag 1644 den unausgesetzten Angriffen der
Mandschu, denen die Dynastie der Tsching angehört, welche bis aus die
neueste Zeit in China herrscht. Dieser tungusische Mamm ist. aber in
den Chinesen aufgegangen, indem die Eroberer von ver ihnen weit über-
legenen Kultur der Besiegten mehr und mehr annahmen. Der Man-
dschu auf dem Throne in Peking nennt sich Himmelssohn wie seine
Vorgänger aus den chinesischen Dynastieen, führt dieselbe väterliche
Sprache und übt denselben unbeschränkten Despotismus. Ein zahlreicher
Beamtenftand, in neun Rangstufen gesondert, durch Knöpfe und Federn
ausgezeichnet, wacht über den Vollzug der unzähligen Gesetze und Ver-
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Extrahierte Personennamen: Christus
Extrahierte Ortsnamen: China Hochland_Mittelasiens Westmeer China China Peking
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Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand.
Umgebungen des Indus ermunterte jezt die vervielfältigten Handels-
reisen zu Wasser und zu Lande. Die Seteuciben (vordem Empor-
kommen der part hi scheu Macht) und die Ptolemäer theilten sich
in den indischen See-Handel; diese befuhren alle Küsten von Arabien
bis Ceylon und Malabar. Hipp alns wagte zum erstenmale die Fahrt
gerade über's Meer nach Indien. Er fuhr vorr Ocelis in Arabien aus.
Die Selenciden belebten vorzüglich den Verkehr zu Lande. Seteu-
kus Nikator war mit seinem Heere bis an den Ganges gedrungen.
Bengalen, Agra und Delhi traten aus der Dunkelheit hervor,
das große Patibothra (an der Vereinigung des Soane mit dem
Ganges) wurde entdeckt, und blieb von da der wichtigste Stapelort.
Vom Indus an durch Mittelasien zogen die Waaren theits ans den
im vorigen Zeiträume (B. ?. S. 245) beschriebenen Wegen, theilö
wurden sie stromaufwärts bis dahin gebracht, wo ein kurzer Landweg
zu dem oberen O r u s führte, auf dessen Rücken sie hinab in das kaspische
Meer, dann weiter in den Kur und nach einem abermaligen Land-
transport in den Phasiö und das schwarze Meer gelangten. (In noch
späteren Zeiten wurden anstatt der leztgenannten Flüsse die Wolga
und der Tanais (Don) gebraucht.)
Den karthagischen Handel haben wir im vorigen Zeiträume be-
leuchtet. Auch einige spanische und gallische Städte, wie Nnmantia,
Narbona, Bannes (in Bretagne) u. a. trieben ansehnlichen Han-
del. Auf Britannien und einen Theil der Nordseeküsten, so auch
auf die skandinavischen Länder, fällt allmälig durch einzelne Ent-
deckungsreisen und durch Zinn- und Bernstein-Handel ein zweifelhaf-
tes Licht.
§. 29. Römischer Handel.
Die Römer haben den Handel nicht werth geachtet und unmittel-
bar wenig für den denselben gethan. Sie hielten für rühmlicher, die
Nationen zu würgen und zu plündern, als gegen Zuführung friedlicher
Jndnstrieprodukte einen freiwilligen Tribut von denselben zu erheben.
Mehrere der blühendsten Handetstaaten sind unter den Streichen des
rohen Römerarms gefallen. Zuerst die stillen Etrusker, hierauf Syra-
kus und Karthago und Korinth. Auch die kleinasiatischen Städte und
Rhodus und selbst Massitia wurden hart von ihnen bedrängt. Gleich-
wohl war Rom nicht ohne Handel. Es hatte eine eigene Innung
von Kaufleuten (*), prägte Silbermünzen noch vor den punischen
Kriegen, und schuf während des ersten derselben sich eine Marine. Nur
(*) Die k* Claudia verbot den Patriziern, persönlich Handel zu treiben.
Aber Geld dazu durften sie geben.
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