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1. Teil 2 - S. uncounted

1916 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Sigismund Raul) Der Verfasser hat m. E. ein gutes Recht, seine Darstellung „Deutsches Christentum" zu nennen. Christentum — ist eben doch der Christusglaube Wurzel und Krone christlicher Frömmigkeit. Deutsch — denn dieser sein Christusglaube ist persönliches Erleben, Erleben in der tiefsten Seele deutscher Frommen unserer Tage. Kein ernstlich frommer Mensch wird diese „religiösen Realitäten" als einen orientalischen Fremdkörper in seinem Seelenleben empfinden. Wann sollte das mehr Anklang finden, als in unsern Tagen, in denen alles tiefere Erleben immer wieder ausklingt: Eine feste Burg ist unser Gott." Pfarrer Baas über S.rauh, Lhristusglaube Ein Sekenntnis und eine Dogmatik. Gel). 4 Ittf.; geb. 4,80 Ink. in den 6>üdd. Blättern f. Kirche u. fr. Christentum 1915 Nr. 9: . . vollends zum Propheten des deutschen Christentums wird aber dieser Mann in der eigenartigsten, sonderbarsten und begeistertsten aller Dogmatiken, die wohl geschrieben ist. (Es ist ein eigenwillig Wandern auf eigenem Wege. (Ein trutzig Dreinschlagen in alles Vorngestrüpp, das dem Hüllen zum Glauben sich entgegenwirft, ein Stürmen der gesährbetsten Stellung und dann wieder ein vorsichtig Vorwärtstasten mit feinsten psychologischen Überlegungen. . . . Rauh ist fein „Drei=ntinuten=Pjt)choioge", wie er einmal andere schilt. Seine Sprache und sein Denken haben etwas Wichtiges, Unbekümmertes. (Er glüht wie ein Feuerbrand, schlägt mit Keulen drein, wo es ihm not dünkt, nimmt in Schutz, wo seine Wünschelrute nur leise ausschlägt, weil sie die religiöse Aber verspürt hat. Itlan gerät mit diesem Manne in Kämpfe, ringt mit ihm beim Lesen, wirst das Buch hin und wartet, bis die stürmische See in einem wieder ruhiger geworden ist. Ittan zürnt mit ihm über Bemerkungen, die treue historisch »kritische Arbeit heruntersetzen, merkt dann wieder, daß ers doch nicht tut; wie konnte er sonst einmal von der alttestamentlichen Exegese sagen: „Dieser Weisheit (der Weisheit des Weltenlenkers in der Welt- und Religionsgeschichte des Volkes, aus dem Christus erstand) tastend nachzuspüren, kann uns eine tiefe Dankbarkeit und Zuversicht zu Gott, dem Allweisen, lehren; und das ist die religiöse Aufgabe der alttestamentlichen (Exegese!" Sonst würde er nicht von der wichtigen Aufgabe reben, den „Dranitkern objektiver historischer Religion" im fließenden Leben der Religiosität des Christentums zu finbeit, damit wir nicht in Mystizismus verfallen. Sonst hätte er nicht selbst so viel historisch-kritischen Sinn, hätte er nicht viel, viel von der historischen Kritik gelernt, könnte er nicht so frei und souverän auf Fragen, wie sie die Begriffe: Edunber, Bibel und cinbere stellen, Antwort geben, hier liegen tief innerliche geistige Berührungen vor. Do müssen wir ringen wider diesen tiefen deutschen Christen. Nein nicht wider ihn; um ihn ringen wir. . . . Jesus bekennt Sigismunb Rauh in neuem Con mit rounberbarer Wucht und Größe. Drum sei ihm beutscher Dank. Und wo wir einmal nicht mitkönnen, nicht mitwollen, ba lassen wir ihm boch das Recht, mit Nietzsche, den er selber so tief ersaßt, zu sagen: „Doch ich will Zäune um meine Gebauten haben und auch um meine Worte." Unbefugte sollen dem Bekenner nicht einbrechen. Das Letzte hat er nicht gesagt. Sagt je ein wahrhaft schaffenber Bekenner das Letzte? Gerabe bar um ist er ein Führer in die große Zukunft des deutschen Christentums. Cr Hilst uns zu heiligem Ahnen bessen, was sie sein soll." Verlag von vanöenhoeck & Ruprecht in Göttingen.

2. Geschichtliches Lesebuch - S. 19

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Ii. v. Sybel, Erste Jahre des Bundestags. 19 fehler des damaligen europäischen Liberalismus, daß sie in ihrem Eifer um das individuelle Recht die Notwendigkeit einer starken Staatsmacht, gerade zum Schutze jenes Rechts gegen das Versinken in freiheitsmörderische Anarchie, verkannten, und deshalb auch, wo einmal die Probe gemacht wurde, sich ungeschickt zu gedeihlicher Lenkung der Regierung zeigten. Durch dies alles können aber ihre großen Verdienste in schwerer Zeit nicht verdunkelt werden. In ihren Staaten haben sie, um nur ein Moment anzuführen, mit saurer, unermüdlicher Arbeit den durch lange Willkür und Vergeudung zerrütteten Staatshaushalt wieder zu fester Ordnung und Regelmäßigkeit zurückgeführt. Und, was die Hauptsache ist, wie die Burschenschaften den einen Grundgedanken der Befreiungszeit, die deutsche Einheit, so haben die süddeutschen Kammern den andern, Teilnahme des Volkes an dem öffentlichen Wesen, trotz alles Druckes und aller Niederlagen im Bewußtsein der Nation ein volles Menschenalter hindurch lebendig erhalten, und wir müssen ihnen ein ehrendes Andenken bewahren, wenn wir heute uns dieser hohen Güter in vollem Umfange erfreuen. Damals aber sollten diese Bestrebungen eine schwere Katastrophe erleiden. Fürst Metternich war über sie in jeder Beziehung entrüstet. Um die deutschen Lande nach Habsbnrgs altem Rechte zu beherrschen, ohne zugleich die Pflichten der Herrschaft zu übernehmen, bedurfte er ihrer Zersplitterung. Es giebt, sagte er, keinen verruchteren Gedanken als den, die deutschen Völker in Ein Deutschland zu vereinigen. Schon deshalb war er der Beschützer der fürstlichen Souveränität und Feind jeder Beschränkung derselben durch volkstümliche Regung. Aber alles liberale Wesen war ihm überhaupt im Grunde der Seele verhaßt, weil es, einmal in Deutschland zugelassen, von dort aus das Stillleben Österreichs hätte stören können. Nach den Eindrücken seiner Jugend, wo er den Jubel von 1789 in Frankreich geradeswegs zu der blutigen Diktatur von 1793 hatte führen sehen, flössen ihm die Vorstellungen von Liberalismus, Radikalismus, Kommunismus vollständig ineinander: wenn die Burschenschafter und die liberalen Kammerredner nicht schleunig beseitigt würden, hielt er Deutschland und Österreich der soaaleu Revolution unrettbar preisgegeben. Andere Mittel gegen solche Gefahren als umfassende polizeiliche Repression waren ihm unbekannt. Hier, meinte er, gelte es rasches Durchgreifen für alle deutschen Staaten. Freilich bemerkte er jetzt selbst, daß mit dem schönen Werke seiner Hände, mit dem Bundes-

3. Geschichtliches Lesebuch - S. 33

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Iii. v. Treitschke, Burschenschaft und Wartburgfest. 33 Iii. Die deutsche Burschenschaft und das wartburgfest. (o. Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Band Ii. 5. Aufl. Leipzig, Hirzel 1897. Ii. Buch. 7. Abschnitt. (Gekürzt.)) Zu allen Zeiten hat die Jugend radikaler gedacht als das Alter, weil sie mehr in der Zukunft als in der Gegenwart lebt und die Mächte des Beharrens in der historischen Welt noch wenig zu würdigen weiß. Es bleibt aber immer ein Zeichen krankhafter Zustände, wenn die Kluft zwischen den Gedanken der Alten und der Jungen sich allzu sehr erweitert und die schwärmende Begeisterung der Jünglinge mit der nüchternen Thätigkeit der Männer gar nichts mehr gemein hat. Ein solcher innerer Zwiespalt begann sich nach dem Frieden in Norddeutschland zu zeigen. Die jungen Männer, die im Wassenschmucke den Anbruch ihres eigenen bewußten Lebens und den Anbruch ihres Vaterlandes zugleich genossen, oder auf der Schulbank klopfenden Herzens die Kunde von den Wundern des heiligen Krieges vernommen hatten, waren noch trunken von den Erinnerungen jener einzigen Tage; sie führten den Kampf gegen das Wälschtnm und die Zwingherrschaft im Geiste weiter und fühlten sich wie verraten und verkauft, da nun die Prosa der stillen Friedensarbeit von neuem begann. Wie sollten sie verstehen, welche quälenden wirtschaftlichen Sorgen den Älteren die Seele belasteten? In alten Zeiten — so etwa lautete die summarische Geschichtsphilosophie des jungen Volks — in den Tagen der Völkerwanderung und des Kaisertums war Deutschland das Herrenland der Erde gewesen; dann waren die langen Jahrhunderte der Ohnmacht und der Knechtschaft, der Verbildung und Verwischung hereingebrochen, bis endlich Lützows wilde verwegene Jagd durch die germanischen Wälder brauste und die heiligen Scharen der streitbaren Jugend das deutsche Volk sich selber zurückgaben. Und was war der Dank? Statt der Einheit des Vaterlandes entstand „das deutsche Bunt", wie Vater Jahn zu sagen pflegte; die Alten aber, denen der Heldenmnt der Jungen das fremde Joch vom Nacken genommen, versanken wieder in das Philistertum, saßen am Schreibtisch und in der Werkstatt, als sei nichts geschehen. Müller, Geschichtliches Lesebuch. 3

4. Geschichtliches Lesebuch - S. 42

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
42 Iii. v. Treitschke, Burschenschaft und Wartburgfest. und gleich sind; Urfeinde unseres deutschen Volkstums waren von jeher Drei: die Römer, Möncherei und Soldaterei." Dadurch ward freilich der gesamtdeutsche Charakter des Festes von vornherein getrübt. Die katholischen Universitäten des Oberlandes, die ohnehin mit den norddeutschen noch keinen regelmäßigen studentischen Verkehr unterhielten, konnten keine Einladung erhalten; die Freiburger Burschen mußten für sich allein am 18. Oktober auf dem Wartenberge bei Donaueschingen ihr Siegesfeuer anzünden. Von den österreichischen Hochschulen war nicht die Rede, da sie dem deutschen Studentenbrauche ganz fern standen, auch, mit Ausnahme der Siebenbürger Sachsen und weniger Ungarn, noch fast kein Österreicher in Deutschland studierte. Aber auch auf den preußischen Universitäten hatte die Burschenschaft noch so wenig Anhang, daß allein Berlin der Einladung Folge leistete. So war denn bei der Feier der Völkerschlacht gerade die Studentenschaft der beiden Staaten, welche allein schon bei Leipzig für die Sache der Freiheit gefochten, fast gar nicht vertreten; und alle die wundersamen Märchen, womit die Liberalen der rheirtl)(indischen Länder die Geschichte des Befreiungskrieges auszuschmücken liebten, fanden freien Paß. Schon lange zuvor hatte die Presse mit mächtigen Trompetenstößen den großen Tag angekündigt. Eine freie Zusammenkunft von Deutschen aller Länder allein um des Vaterlandes willen war diesem Geschlechte eine so erstaunliche Erscheinung, daß sie ihm fast wichtiger vorkam als die weltbewegenden Ereignisse der letzten Jahre. Im Lause des 17 Oktobers langten an fünfhundert Burschen in Eisenach an, etwa die Hälfte aus Jena, dreißig aus Berlin, die übrigen ans Gießen, Marburg, Erlaugen, Heidelberg und anderen Universitäten der Kleinstaaten; die rüstigen Kieler hatten nach Turnerbrauch den weiten Weg zu Fuß zurückgelegt. Auch vier der Jenenser Professoren fanden sich ein: Fries, Oken, Schweitzer und Kieser. Jede neu eintreffende Schar ward schon am Thore mit stürmischer Freude begrüßt und dann in den Rautenkranz geleitet, um dort vor den gestrengen Herren des Ausschusses auf dreitägigen Burgfrieden Urfehde zu schwören. Anderen Tags in der Frühe stieg „der heilige Zug" bei hellem Herbstwetter durch den Wald hinauf zu der Burg des Reformators: voran der Burgvogt Scheidler mit dem Burschenschwerte, darauf vier Burgmänner, dann, von vier Fahnenwächtern umgeben, Graf Keller mit der neuen Burschenfahne, welche die Jenenser Mädchen ihren sittenstrengen jungen Freunden kürzlich gestickt hatten, dann endlich die

5. Geschichtliches Lesebuch - S. 105

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Viii. Oncken, Das Schattenreich in der Paulskirche. 105 keine mehr getagt hatte seit 1789. Ein Adel der Bildung und der Gesinnung war hier vertreten, wie ihn nur ein Volk von Dichtern und von Denkern aufzubieten hatte, und daß dies Volk eben, da es zum ersten Mal seit Jahrhunderten frei über sich selbst bestimmte, den ganzen Generalstab seiner Wissenschaft, die Auslese der Idealisten seiner Gelehrtenwelt vollzählig zur Arbeit am Staat berief, eben das gab und giebt dieser Versammlung die Bedeutung eines nationalen Ereignisses vom ersten Rang. Genau ein Jahr nach diesem festlichen Tage, am 18. Mai 1849, vernahm die Versammlung aus dem Munde des Abg. Wilhelm Jordan ihre eigne Leichenrede. Ihr ganzes Werk war gescheitert. Dem Reich, das sie geschaffen, hatte der Kaiser sich versagt, und damit war alles gesagt. In der trüben Zeit der Rückstut, die nun begann, hat die öffentliche Meinung weiter Kreise sich gewöhnt zu schelten und zu höhnen auf das „Professorenparlament", das mit unfruchtbarem Gelehrtenkram die Zeit versäumt habe, wo mit weniger Gelehrsamkeit, aber mehr politischem Geschick und revolutionärer Energie zu erreichen gewesen sei, wozu es nachher zu spät geworden. Wir werden sehen, daß diese Urteilsweise durchaus irrig ist, die deutsche Frage war eine Machtfrage zwischen Preußen und Österreich, die mit Volksreden und Parlamentsbeschlüssen nicht zu lösen war, und diese ihre Natur blieb dieselbe, einerlei ob die Nationalversammlung zu Frankfurt ein paar Monate früher oder später an diese deutsche Frage kam, einerlei ob sie von der Partei Heinrichs von Gagern oder von Robert Blum, Karl Vogt und ihren Freunden gelenkt ward. Folglich bestand das einzige, was dies Parlament beitragen konnte zur Wiedergeburt der Nation, lediglich in Gedankenarbeit; für den Wert aber, der dieser zukam, und zwar nicht bloß in den Augen der rasch lebenden Mitwelt, bot doch ein Parlament von ernsten „Professoren" mehr Bürgschaft als eine Versammlung von Schreiern und Schwätzern. Mindestens war die Nation selbst dieser Ansicht, als sie ihren Stolz darein setzte, ihre besten Gelehrten, ihre bewährtesten Forscher, ihre tüchtigsten Geistlichen und Richter, Rechtsanwälte und Lehrer nach Frankfurt zu schicken, und gerade hierin zeigte sich ja der ungeheure Fortschritt, den unser gesamtes Nationalleben gemacht hatte. Wie lange war es denn her, daß die deutsche Wissenschaft sich überhaupt zur Nation bekannte und dem falschen Weltbürgertum unseres papiernen Zeitalters entsagt hatte, dessen Irrlehren noch Paul Pfizer ') so ernster Widerlegung 1) Vgl. S. 62 ff.

6. Geschichtliches Lesebuch - S. 50

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
50 Iv. ö. Sybel, Einwirkung der Julirevolution auf Deutschland. der preußischen Staatsmänner, Herrn von Motz, der nach langer Mühe das Defizit aus dem Staatshaushalt beseitigt hatte, war es endlich auch gelungen, die durch das Zollgesetz von 1818 ausgestreute Saat zu frischem Wachstum zu bringen; 1828 schloß Hessen-Darmstadt den Zollverein mit Preußen; 1829 folgte ein Handelsvertrag mit Bayern und Württemberg, ausgesprochener Maßen zu dem Zwecke, um als Vorbereitung zu einem vollständigen Zollverein zu dienen. Wenn dies gelang, so war kein Zweifel, daß Baden, Kurhessen, Thüringen, Sachsen sehr bald folgen müßten und folgen würden — wie es denn im Verlaufe weniger Jahre wirklich geschah — dann war mit Ausnahme der kleinen Küstenstaaten das ganze außerösterreichische Deutschland zu einem großen, im Innern freien, nach außen geschlossenen Verkehrsgebiet unter preußischer Leitung, unabhängig vom Bundestage, geeinigt. Nun kamen 1830 jene süddeutschen Aufforderungen nach Berlin zu preußischem Schutz für den bedrohten Oberrhein, zu einem gemeinschaftlichen Militärsystem, ebenfalls unabhängig vom Bundestage und dessen ohnmächtiger Kriegsverfassung, und erst recht unabhängig von Österreich und dessen unzuverlässigem Rückhalt. Es ist wahr, die Süddeutschen redeten zunächst nur von Vorkehrungen gegen die augenblickliche Kriegsgefahr. Aber wäre denn eine inhaltlose Chimäre der Gedanke gewesen, den Augenblick zu benutzen und den Schutz gegen die heutige Gefahr nur unter der Bewilligung bleibender Einrichtung des gemeinsamen Kriegswesens zu bewilligen? Der Zollverein gab dazu das Muster; ja seine Konsequenzen führten geradeswegs auf ein solches Ziel hin. Dann hätte sich innerhalb des weitern Bundes mit Österreich und seinen Anhängern ein engerer preußischer Bund gebildet, gegründet auf lebendige nationale Interessen, befähigt zu deren fortschreitender und fruchtbarer Fortentwicklung, die erste Stufe zu einem wahrhaft nationalen deutschen Reiche. Diese Gedanken legte Graf Bernstorff m zwei Denkschriften dem Könige vor, indem er zugleich einer Anregung Metternichs auf neue Zwangsmaßregeln gegen die Revolution mit einem Vortrage des preußischen Bundestagsgesandten antworten ließ, das beste Mittel gegen den Geist der Empörung fei die Abstellung der Mißbrauche, deren sich so viele deutsche Regierungen schuldig gemacht hätten. Es war ein Ton, wie er bisher so rein in dem Saale des Bundespalastes noch nicht erklungen war. Es leuchtet ein, daß bei der Betretung dieses Weges eine starke

7. Geschichtliches Lesebuch - S. 62

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
62 V. Pfizer, Kosmopolitismus und Nationalität. V. Lin Prophet des neuen deutschen Reiches. (Pfizer, Briefwechsel zweier Deutschen. Stuttgart, 1831. 15. und 17. Brief.) 15. Brief. ■Kosmopotitismus und Nationalität. Drei Heroen unserer Litteratur, Herder, Goethe und Schiller haben uns das Evangelium der Humanität gepredigt und, indem sie selbst einer allgemein menschlichen Bildung, die in dem Gleichgewicht harmonischer Entfaltung aller Geiftesrichtnngen bestehen soll, ihre besten Lebenskräfte opferten, durch Lehre und Beispiel die Deutschen zu Kosmopoliten geweiht. Allein entweder haben diese großen Geister selbst den unrechten Weg gewiesen, oder sie sind von ihren Jüngern mißverstanden worden. Denn anstatt von den als Musterbilder aufgestellten Griechen zu lernen, daß echte Humanität einer Nation nur auf der Grundlage der Nationalität, wie echte Bildung des Individuums nur auf der Grundlage der Individualität ruhen kann, haben die Deutschen die Humanität im Gegensatze der Nationalität als ein Surrogat, nicht als ein wohlthätiges Korrektiv derselben aufgefaßt, und durch den politischen Zustand Deutschlands begünstigt, hat die Irrlehre des Kosmopolitismus so feste Wurzel geschlagen, daß die Deutschen jeden Gedanken an Dentschheit als eine Verunreinigung ihres weltbürgerlichen Charakters verschmähen, die Forderungen der Nationalität, Nationalrechte und Nationalehre aber nur noch im Ausland und bei fremden Völkern gelten lassen. Billiger Weise wird daher der einzige deutsche Volksstamm, der sich selbst fühlt und auf seine Volksehre etwas zu halten wagt, der preußische, von dem übrigen Deutschland mit Bitterkeit getadelt und angefeindet. Dagegen kann der Rechtssinn deutscher Publizisten kaum Worte finden, um seinen Unwillen über die Teilung und Vernichtung der polnischen Nation mit hinreichenber Energie auszubrücken. Man hält es für unverantwortlich, wenn die Grenzen des neuen Griechenlands so eng gezogen werben sollen, daß die griechische Nation einen Teil des vorzugsweise klassischen Bobeus verliert. Mau erklärt die

8. Geschichtliches Lesebuch - S. 64

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
64 V. Pfizer, Kosmopolitismus und Nationalität. man es für unmenschlich und frevelhaft, ihn von feiner Familie weg zu verkaufen, Weib und Kinder aus feinen Armen zu reißen; aber Nationen werden immer noch ohne Gewissensregung zerstückelt, auseinandergerissen und mit den abgehauenen blutenden Gliedern Schacher getrieben, wenn gleich der Despot Napoleon selbst es ausgesprochen hat: „daß diejenigen nicht mit dem Geiste des Jahrhunderts übereinstimmen, welche meinen, daß die Nationen Viehherden seien, die nach göttlichem Recht einigen Familien angehören". Denn eben die neue Zeit fängt an, die Rechte der Nationen geltend zu machen und zurückzufordern. Immer klarer tritt es hervor, daß mit den Sprachen sich die Bölker teilen, Nation und Sprache aber identisch sind, und daß es frevelhaft und thöricht ist, zu scheiden, was die ewigen Gesetze der Natur und der Geschichte verbunden haben. Die Sprache ist der halbe Mensch, und zwar diejenige Hälfte des Menschen, durch welche er einer Nation angehört: so weit eine Sprache reicht, so weit reicht auch eine Nation: dies ist (einzelne Ausnahmen, wie sich überall von selbst versteht, abgerechnet) das leitende Prinzip der neuen Zeit, welche Nationen bilden will, und zwar nicht bloß eine herrschende, sondern auf der Grundlage einer ehrlichern, naturgemäßem Politik und gegenseitiger Achtung der nationellen Persönlichkeit viele. In künftigen Jahrhunderten mag freilich wieder ein ganz anderes Prinzip der Gestaltung zur Herrschaft gelangen; aber der große Kampf der Gegenwart, der jetzt die europäische Welt in ihren Grundfesten bewegt und erschüttert, wird um die Existenz und die Rechte der Nationen gekämpft. In diesem Kampf ist zwar Polen dreimal unterlegen, aber Griechenland, Belgien und Irland haben teilweise gesiegt; bald wird Italien nachfolgen, und Deutschland sollte allein zurückbleiben? Wie die Nichtachtung der freien Persönlichkeit das absolute Unrecht, der.inbegriff aller Berbrechen ist, so kann auch ein Volk nicht freventlicher beeinträchtigt, nicht tiefer im Mark des Lebens angegriffen werden, als wenn man feine Nationalität antastet. Das heiligste Recht einer Nation ist das, als solche zu bestehen und anerkannt zu werden, solange sie die Kraft hat zu bestehen; hat sie diese Kraft verloren, so geschieht ihr freilich kein Unrecht, wenn ihrem selbständigen Dasein ein Ende gemacht wird. Aber wehe dem Volke, bei welchem das Bewußtsein der Nationalität nie erwacht oder auf immer eingeschlafen ist! Es gleicht dem dumpfen Sklaven, der vor dem Gedanken der Befreiung zittert, dem Hunde, der die Hand leckt, die ihn fchlägt.

9. Geschichtliches Lesebuch - S. 65

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
V. Pfizer, Kosmopolitismus und Nationalität. 65 Man verachtet den Mann, der nicht den Mut hat, Beleidigungen zurückzuweisen, der sich ungestraft mißhandeln läßt und seine Persönlichkeit jedem frechen, gewaltthätigen Eingriffe preisgiebt. Aber eine Nation wagt es, sich damit zu brüsten, daß sie jeder andern Nation gerne den Vorrang vor sich einräumt, daß sie nicht geizt mit ihrem Eigentums und um ein paar Provinzen nicht mit ihren Nachbarn streiten will, daß sie allen Erinnerungen einstiger Größe freiwillig entsagt, ans alles Selbsthandeln und Mitsprechen in den großen Welt-angelegenheiten Verzicht leistet und sich damit begnügt, dem Ausland zu applaudieren, über das, was dort geschieht oder geschehen sollte, mit einem Schein von Tiefsinn zu schwatzen, ihren klugen Rat anzubieten und das Unwesentliche und Verkehrte nachzuäffen. Wird denn Deutschland nie zur Besinnung kommen, seine Würde wieder fühlen und erkennen, was es sich selber schuldig ist? oder erst dann, wenn Frankreich und Rußland sich noch Jahrzehnte wieder in seine Herrschaft geteilt haben, wenn es die Schmach eines Rheinbundes noch einmal erlebt und die russische Knute gekostet hat? Werden wir nie nach einem gemeinschaftlichen Eigentum, wäre es auch vorerst nur ein gemeinschaftliches Gesetzbuch, eine Handelsvereinigung, streben? Die Nation, welche Roms Weltreich zertrümmert, Europa wiedergeboren und durch viele Jahrhunderte beherrscht hat, welche dann mit der Reformation an die Spitze der geistigen Weltbewegungen getreten ist, kann nicht ans gemeinem, schlechtem Stoff gebildet sein. Und doch, was ist aus Deutschland jetzt geworden? Dank sei es der Selbstsucht seiner Fürsten, die in früherer Zeit nicht ruhten, bis ihr Kaiser in ein Schattenbild zusammenschwand, dank der Verblendung dieses Kaisers, der seine Bestimmung nicht erkannte, dank der jetzigen Maßlosigkeit, der Eigensucht, dem Bettelstolz und der dummen Eitelkeit der einzelnen Stämme; es ist jetzt so weit mit uns gekommen, daß Engländer uns das feigste und niederträchtigste Volk der Erde („tlie raost base and timicl people of the world“) schelten dürsen, daß Franzosen uns mit den Barbaren des Nordens in eine Reihe stellen und einen Fremden, über dessen Herkunft sie nicht ganz gewiß find, zu beleidigen glauben, wenn sie ihn für einen Deutschen ansprechen, daß ein Deutscher im Ausland, wenn seine Bescheidenheit ihm nicht erlaubt, sich für einen Engländer oder gor Fronzofen auszugeben, lieber für einen Dänen, Schweden oder Ruffen als für einen Deutschen gelten will, daß man in einer deutschen Provinz die Straßenjungen jetzt in deutscher Sprache schwören hört: so w.ihr ich ein Müller, Geschich'.llches Lesebuch. 5

10. Geschichtliches Lesebuch - S. 66

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
66 V. Pfizer, Kosmopolitismus und Nationalität. Franzose bin! Deutschland ist wohl auch das einzige Land, wo man es lächerlich oder wahnsinnig findet, wenn einer noch den Mut hat, sich mit den Interessen der Nation zu beschäftigen, wo es Tausende giebt, für die der Gedanke, Frankreich einverleibt zu werden, eine fremde Sprache, fremde Gesetze und fremde Sitten annehmen zu müssen, nichts Abschreckendes hat, wo ganze Provinzen, und gerade die schönsten, von der Natur am meisten begünstigten und durch geschichtliche Erinnerungen vorzugsweise nationalen, es als ein Glück betrachten, wenn sie mit Verleugnung ihres Blutes dem deutschen Namen entsagen und in einer fremden Nation untergehen dürfen. Doch das alles berührt uns nicht und kann nur eine Eitelkeit verwunden, über welche wir Allerweltsbürger längst hinaus sind. Wir richten unsern Blick auf wesentlichere Dinge, auf unser geistiges Leben und auf unsre Litteratur. Aber auch hier wird uur ein Blinder es nicht sehen, welche Früchte uns der Mangel eines volkstümlichen Geistes getragen hat.............. Um nicht ungerecht zu sein, mnß zwar zugegeben werden, daß unsre Zersplitterung und der Mangel an Selbstachtung und Selbstgefühl zum Teil auch aus ehrenwerter Quelle geflossen sind. Wir verdanken nämlich unsre Zerstücklung mit dem Bestreben unsre Denk-und Glaubensfreiheit um jeden Preis zu retten. Unsre Selbstvergessenheit beruht teilweise auf der Fähigkeit, auch das fremde Gute bereitwillig anzuerkennen und über fremde Erfolge sich zu freuen. Die Hauptquellen der jetzt herrschenden Gesinnung und des jämmerlichen politischen Zustands sind aber minder rühmlicher Art, und die lebhafte Teilnahme an den Geschicken des Auslands gründet sich größtenteils auf Trägheit und Verzagtheit, die uns abhält, selbst zu handeln, während unsre dadurch herbeigeführte Langeweile und Neugier eine erwünschte Unterhaltung darin findet, über fremde Angelegenheiten zu falbadern. Täuschen wir uns daher nicht länger und beschwichtigen Scham und Gewissen ferner nicht mit dem heillosen Aberglauben, als ruhe in unserer Zersplitterung und Zerstücklung das Palladium der geistigen Freiheit; erblicken wir nicht länger in unserer politischen Nichtigkeit den Schutzgeist unserer Bildung und Aufklärung. Möge das Beispiel von England und Frankreich, wo wahre Aufklärung weit allgemeiner und verbreiteter ist, uns von der Furcht befreien, als ob große gemeinschaftliche Interessen und ein wieder beginnendes Leben in der Weltgeschichte den freien Schwung unseres Geistes lähmen, die edle
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