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11. Geschichtliches Lesebuch - S. 106

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
106 Viii. Oncken, Das Schattenreich in der Paulskirche. würdigen mußte? Daß unsere Gelehrtenrepublik überhaupt auf der Erde, nicht mehr in den Wolken wandelte und die prosaische Arbeit am heimischen Staat nicht mehr unter ihrer Würde fand? Wie lange war es her, daß Fichte „die Genesung für Nation und Vaterland" einem Geschlechte predigen mußte, dessen edelste Geister, angeekelt von dem Jammer des heiligen römischen Reiches, dachten wie Lessing: „Liebe des Vaterlandes ist eine heroische Schwachheit, die ich recht gern entbehre", oder wie der junge Goethe: „Römerpatriotismus! Davor bewahre uns Gott wie vor einer Riesengestalt! Wir würden keinen Stuhl finden, um darauf zu sitzen, kein Bett, um darinnen zu liegen." In der That, durch ihre Entstehung, ihre Zusammensetzung wie den Geist, der ans all ihrem Reben und Thun hervorbrach wie eine Naturgewalt, befunbete diese Versammlung einen ungeheuren Umschwung, der im Lause eines einzigen Menschenalters sich vollzogen hatte. Der klaffende Zwiespalt, der früher den gelehrten von dem nicht gelehrten Teil der Nation getrennt, war enblich überwunben und das beut)che Bürgertum nunmehr zur Einheit einer staatsbürgerlichen Klasse zusammengewachsen. Der nationale und politische Jbealismus bieses Bürgertums, sein Freiheits- und Einheitstraum hat in dieser Versammlung das Fest seiner siegreichen Auferstehung gefeiert und in ihren Verhanblungen feinen ebelsten Ausbruck niebergelegt. Die Nation glaubte an die erlösenbe Schöpferkraft ihrer Wissenschaft, und die Wissenschaft glaubte an die Allmacht des Einheitsbranges ihrer Nation. Auf biesem Doppelglauben beruhte die Größe dieser Versammlung; so wie er ins Wanken kam, ver-ttmnbelte sich der Reichsbau der Paulskirche aus einem Palast in ein Kartenhaus, das der nächste Winbstoß auseinanberwarf, und die Versammlung selbst kam sich vor, wie ein Prometheus, der an den Felsen des Zweifels geschmiedet ist. Am 19. Mai wühlte sie sich mit 305 von 397 Stimmen einen Präsidenten in der Person eines Staatsmannes, der sogleich in der Ansprache, mit der er sein Amt antrat, einen erschöpfenden Ausdruck beffen gab, was ihn zum Lenker dieser Versammlung so geeignet erscheinen ließ, als wäre er einzig dazu geboren und erzogen worben. Es war Heinrich von Ga gern, seit bent 6. März der Minister des Großherzogtums Hessen, nachbem er vorher Jahre lang die Opposition der zweiten Kammer gegen das Ministerium Du Thil geführt hatte. Er sagte nämlich: „Überwältigt wie ich bin von dem Einbruck, den Ihre Abstimmung auf mich hervorbringen mußte, bin ich nur

12. Geschichtliches Lesebuch - S. 107

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Viii. Oncken, Das Schattenreich in der Paulskirche. 107 imstande, wenig Worte zu Ihnen zu reden. — Ich gelobe hier feierlich vor dem ganzen deutschen Volke, daß seine Interessen mir über alles gehen, daß sie die Richtschnur meines Betragens sein werden, solange ein Blutstropfen in meinen Adern rinnt; ich gelobe hier feierlich, als das von Ihnen gewählte Organ Ihrer Versammlung, die höchste Unparteilichkeit. Wir haben die größte Aufgabe zu erfüllen. Wir sollen schassen eine Verfassung für Deutschland, für das gesamte Reich. Der Beruf und die Vollmacht zu dieser Schaffung, sie liegen in der Souveränität der Nation. (Stürmisches-Bravo.) Den Berus und die Vollmacht, dieses Versassuugs-werk zu schassen, hat die Schwierigkeit in unsere Hände gelegt, um nicht zu sagen die Unmöglichkeit, daß ey auf anderem Wege zustande kommen könnte. Die Schwierigkeit, eine Verständigung unter den Regierungen zustande zu bringen, hat das Vorparlament richtig vorgefühlt und uns den Charakter einer konstituierenden Versammlung vindiciert. Deutschland will Eins sein, ein Reich, regiert vom Willen des Volkes, unter der Mitwirkung aller seiner Gliederungen; diese Mitwirkung auch der Staaten-Regierungen zu erwirken, liegt mit im Berufe dieser Versammlung. Wenn über manches Zweifel besteht und Ansichten auseinandergehen, über die Forderung der Einheit ist kein Zweifel, es ist die Forderung der ganzen Nation. Die Einheit will sie, die Einheit wird sie haben, sie befestigen, sie allein wird schützen vor allen Schwierigkeiten, die von außen kommen mögen, die im Innern drohen." Die Versammlung, der diese Worte galten, ging an ihr Werk, fest überzeugt von ihrem Recht und ihrer Macht: in dem uner-schüttlichen Glauben, daß sie dürfe und daß sie könne, was sie sich vorgesetzt, daß ihre Vollmacht unbestreitbar und unanfechtbar sei wie das Licht der Sonne und daß dem nationalen Willen, dem sie Körper und Gestalt zu verleihen habe, nichts unerreichbar sei, daß ihm nichts, schlechterdings gar nichts widerstehen werde. Von diesem Glauben war Heinrich von Gagern erfüllt mit Leib und Seele; ihn bekannte er in dieser seiner ersten Rede mit dem Brustton tiefster Durchdrungenheit und in Worten, die zündend einschlugen, weil sie ganz kunstlos und unmittelbar das trafen, worüber alle einig waren oder einig zu sein glaubten, und nichts von dem berührten, was die Geister trennte. Und in der Seelenkraft, mit der er hier zum erstenmal gewirkt, lag nun das, was ihm an der Spitze dieses Parlaments eine ganz eigenartige Stellung gab. Obgleich weder ein geistreicher Kops, noch ein

13. Geschichtliches Lesebuch - S. 108

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
108 Viii. Oncken, Das Schattenreich in der Paulskirche. tiefer Denker, und mit keiner jener überlegenen Gaben ausgerüstet, durch die ein Mensch anderen fein Gepräge aufdrückt, war er zur Leitung gerade dieses Parlaments ganz unvergleichlich angelegt. Eine stattliche Erscheinung mit männlich schönen Zügen, in Wesen und Haltung vornehm und volkstümlich zugleich, eine Natur voll Wärme und Kraft, als Vorsitzender immer bei der Sache, stets Herr der Form, rasch und glücklich in der Fragestellung wie in treffender Stegreifrede, im heftigsten Redekampf nie erschrocken und nie verlegen: so bändigte er Monate lang die Leidenschaften des Parteihaffes durch die Kraft, mit der er die Saiten der Empfindungen zu rühren wußte, die in dieser Versammlung allen Empfindenden gemeinsam waren. In feiner Person, in der Art und in dem Ton feiner Rede, verkörperte er diesem Parlament den lauteren Adel seines Berufs, die sittliche Hoheit feines Strebens, die Majestät feines Glaubens cm die Allmacht der Nation. In diesem Glauben lag seine Größe und auch sein Verhängnis. Der Genosse seines Glaubens und seines Schicksals war Dahlmann, der die Wahl dieses Präsidenten zuerst und mit solcher Ausdauer betrieben hatte, daß er sie als fein persönliches Verdienst betrachten durfte. Beider Werk war der verhängnisvolle Schritt, den die Versammlung that, als sie eigenmächtig die Rechte einer regierenden Reichsgewalt in Anspruch nahm. Niemals hat das Dahlmann beabsichtigt; keinem Patrioten lagen solche Übergriffe ferner als gerade ihm, dem maßvollen Monarchisten, und doch hat es niemand mehr gefördert als er mit einem Antrage, den nicht zu stellen er für Verrat am Vaterland gehalten hätte und dessen Annahme ihm wie ein rettendes Ereignis für die Nation, wie ein herrlicher Siegespreis für sein eignes vaterländisches Streben erschien. Das Bundesdirektorium, das Dahlmann im Namen des Verfafsungsansfchuffes am 19. Juni beantragte, war anders gedacht, als es sich durch Gagerns überraschendes Eingreifen nachher gestaltete: aber wie immer in der Form es zustande kam, in der Sache war es doch eine willkürliche Schöpfung des Parlaments, von dem es sein Recht und seine Macht bezog, wenn es eine solche überhaupt gewann, und die Notwendigkeit einer solchen Schöpfung war erst hervor- getreten, als auf Dahlmanns Antrag die Paulskirche an einer Frage der großen Politik ihre erste Kraftprobe unternahm. Es war von Herzen gut gemeint, als er bei der erschreckenden Nachricht von dem plötzlichen Rückzug, den der bisher siegreiche General Wrangel aus Jütland und Nordfchleswig genommen hatte, den völkerrechtlichen Aus-

14. Geschichtliches Lesebuch - S. 70

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
70 V. Pfizer, Stellung von Österreich und Preußen. bewegten Zeit nicht fortgerissen und verschlungen zu werden, nach langem Schlummer das Bedürfnis fühlen sollte, sich neue Bahnen des Ruhmes und der Größe zu eröffnen, so muß es diese in der neuen Stellung und Bedeutung, die es als europäische Macht gewonnen, und worauf jetzt auch die Art seiner Zusammensetzung aus meist nicht deutschen Ländern hinweist, suchen; aber in Deutschland ist für Österreich, und für Deutschland ist von Österreich forthin nichts mehr zu erwarten. Österreich ist von den großen Kolonien, die sich seit der Völkerwanderung vom deutschen Mntterlande losgerissen haben und den größten Teil von Europa bedecken, die letzte (wie überhaupt Deutschland mit Kolonien nie glücklich gewesen ist, so notwendig ihm dieselben jetzt auch wären, um durch den Verkehr mit fremden Weltteilen unser stockendes Blut zu erfrischen, den Überfluß unserer Bevölkerung abzuleiten und unter einem schönen Himmel ein zweites deutsches Vaterland zu gründen, das beim Absterben unsers Weltteils das europäische überlebt); und eine organische Wiedervereinigung von Österreichs deutschen Provinzen mit Deutschland ist erst dann zu erwarten, wenn von diesen einst die Oberherrschaft auf Ungarn oder Italien übergegangen sein wird. Soll es nun aber gleichwohl noch dahin kommen, daß Deutschland in die Reihe der Nationen wieder eintritt — und daß dieses geschehen müsse, ist ein Gedanke, den kein Deutscher aufgeben kann und aufgeben darf, ohne die Schmach des feigsten Selbstmordes auf sich zu laden — so muß eine neue Zukunft sich uns öffnen, es muß ein neuer Anknüpfungspunkt zu festerer Einigung gefunden werden, ein neuer Kern und Mittelpunkt sich bilden, woran das neue Deutschland sich sammeln, sich erkennen und gestalten kann. Auch bebarf es in der That nur eines Blicks auf unsre gärenbe bewegte Zeit, besonbers auf unser reges geistiges Leben, auf bieses Wimmeln und Wühlen zahlloser Kräfte in jebem Falle menschlicher Thätigkeit, um überzeugt zu sein, daß das zählebige germanische Geschlecht noch nicht ausgelebt hat, vielmehr die Gegenwart die fruchtbarsten Keime fernerer Entwickelung in sich trägt. Deutschland, jetzt auf einer Übergangsstufe begriffen, muß sich verjüngen und den Stanbpnnkt einnehmen, wo es fähig wirb, seine mit der Reformation begonnene Bestimmung als die geistige Macht Europas zu vollenben. Ja, der Kern seiner neuen Gestaltung ist, wenn anders die Gesetze der Natur und der Geschichte noch die alten sinb, bereits vorhanben. Wo anders wäre er nämlich zu suchen, als in bemjenigen

15. Geschichtliches Lesebuch - S. 129

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Ix. Oncken, Die Trennung von Österreich und der preußische Erbkaiser. 129 entsprechen scheine. Hiernach müsse man als die entschiedene Absicht Österreichs ansehen: daß alle österreichischen Lande in staatlicher Einheit verbunden bleiben sollen und daß die Beziehungen Österreichs zu Deutschland dann erst staatlich geordnet werden könnten, wenn beide Staatenverbände zu neuen festen Formen gelangt sein, d. h. ihre innere Neugestaltung vollendet haben würden. Daraus folgerte das Reichsministerium Gageru: Österreich lehnt jede Bedingung ab, welche die staatliche Verbindung der deutschen mit den nichtdeutschen österreichischen Landesteilen lockern würde. Folglich wird es nach den über die Natur des Bundesstaats gefaßten Beschlüssen der Versammlung „als in den zu errichtenden deutschen Bundesstaat nicht eintretend zu betrachten sein". Sein „Unionsverhältnis zu Deutschland" aber wird mittelst einer besonderen Unionsakte geordnet, und die Verhandlung über diese auf gesaudt-schastlichem Wege eingeleitet werden. „Die Verfassung des deutschen Bundesstaates jedoch, deren schleunige Beendigung im beiderseitigen Interesse liegt, kann nicht Gegenstand der Unterhandlung mit Österreich sein." Dieses Programm besagte: Bundesstaat ohne Österreich, aber völkerrechtliche Union mit Österreich, d. H. ein Verhältnis, wie es heute seit dem Bündnis vom 7. Oktober 1879 zum Segen beider Reiche in Kraft ist. Die Aufnahme aber, die dieses Programm sofort bei seinem Bekanntwerden fand, ließ erkennen, daß von der Klarheit, welche der 30. November gebracht zu haben schien, auf der Linken schon keine Spur mehr vorhanden war, denn mit einer Wärme, als ob man sich noch mitten im Taumel der Märzbegeisterung befände und seitdem nichts, gar nichts Neues erlebt hätte, jubelte sie der Rede des Abg. I. Veuedey (Köln) zu, als der sagte: „Ich trage darauf an, daß dieser Antrag direkt von uns, augenblicklich und ohne Verhandlung verworfen werde. (Bravo auf der Liukeu.) Wir sind hierher gekommen, um Deutschlands Einheit zu konstituieren, und man schlägt uns hier vor, einen Teil Deutschlands aus Deutschland hinauszuwerfen. (Stürmisches Bravo und Händeklatschen auf der Linken.) An dem Tage, wo wir diesen Antrag auch nur verhandeln, verhandeln wir eine Teilung Deutschlands. Die deutsche Nation hat schon genug gelitten, jetzt endlich ist sie aufgestanden und hat uns hierher gesandt, Deutschland zu konstituieren, und man will uns einen Teil Deutschlands feil machen. Ich bin hierher gekommen in die Paulskirche, fest entschlossen, mit der Paulskirche zu stehen oder zu fallen. Aber nicht Müller, Geschichtliches Le'ebuch. q

16. Geschichtliches Lesebuch - S. 120

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
120 Viii. Oncken, Das Schattenreich in der Paulskirche. Dänemark seine Rechtskraft nicht verloren hatte. Diese Erwägungen waren es auch, welche das Reichsministerium veranlaßten, von jedem Antrag auf Verwerfung des Waffenstillstandes abzusehen, obgleich ihm die Widersprüche zwischen Vollmacht und Ausführung keineswegs entgingen. Wie aber man hierüber denken mochte, eines war gewiß: die Ausführung des Waffenstillstandes, der am 2. September zu Lübeck bereits ratificiert worden, konnte gar nicht „sistiert" werden ohne Bruch des Völkerrechtes, und wie wollte nun diese Versammlung die Krone Preußen zwingen, solchen Völkerrechtsbruch zu begehen? Die bloße Zumutung war eine Kriegserklärung an die Preußen mehr als an die Dänen, und nur wer jene wollte, wer die Monarchisten der Versammlung verfeinden wollte mit der nationalen Monarchie und dann wider diese anstürmen mit allen Dämonen der Anarchie und des Bürgerkrieges — nur der konnte mit gutem Gewissen stimmen für die „Sistierung", die Dahlmann beantragt hatte. Wie aber kam er, der Preuße, der Monarchist, der Mann der maßvollen gesetzmäßigen Freiheit in die Lage, mit den Feinden Preußens, der Monarchie und der Ordnung einen doch unmöglichen Beschluß zu fassen? Die Antwort liegt in den Schlußsätzen seiner Rede vom 5. September: „Diese neue deutsche Macht, welche, solange Deutschland besteht, noch nie erblickt ward, die ihren Mittelpunkt hier in der Paulskirche hat und über welche das Vertrauen des gesamten deutschen Volkes wacht, sie soll von Anfang her in ihrem Aufkeimen beschnitten, sie soll, wenn es möglich wäre, nach allen Seiten hin zerfetzt und endlich zerbrochen werden. (Vielseitiges Bravo.) Unterwerfen wir uns bei der ersten Prüfung, die uns naht, den Mächten des Auslandes gegenüber, kleinmütig bei dem Anfang, bei dem ersten Anblick der Gefahr, dann, meine Herren, werden Sie Ihr ehemals stolzes Haupt nie wieder erheben ! (Auf der Linken lebhaftes Bravo.) Denken Sie an diese meine Worte. Nie!" (Wiederholter Beifall.) Ganz ebenso faßte nachher Wurm (aus Hamburg), sonst auch ein sehr maßvoller Mann, alles das, worüber er nicht hinwegkam, in den Sätzen zusammen: „Lassen Sie uns nicht herabwürdigen jene Centralgewalt, die wir, umkleidet mit der Majestät der deutschen Nation, geschaffen haben, lassen Sie nicht unter die Füße getreten werden, was das Symbol der deutschen Einheit ist, die Schmach bleibt, die brennende Schmach, daß die Centralgewalt und die Nationalversammlung ignoriert sind." War das, was die Versammlung „Centralgewalt" nannte, eine Thatsache oder nur ein Wahngebilde? War das „Reich" der Pauls-

17. Geschichtliches Lesebuch - S. 143

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Ix. Oncken, Die Trennung von Österreich und der preußische Erbkaiser. 143 Sandkorn, nach dem Worte des Dichters, zum Bau der Ewigkeiten zu tragen. Wir werden, wenn der Stein, den wir dem Gipfel nahe glaubten, sich abermals herabwälzt und „mit Donnergepolter" zu unseren Füßen niederfällt, ihn immer von neuem heften und emporzuwälzen suchen und in duldender Arbeit beharren, bis der erwachende Genius des Vaterlands die Fessel bricht und uns von der Qual vergeblicher Arbeit erlöst." Der Antrag Welcker ward mit 283 gegen 252 Stimmen abgelehnt: „Die Österreicher haben den Untergang des Vaterfandes votiert": so klagten die Patrioten der erbkaiserlichen Partei, aber wenig Tage später trugen sie dennoch den Sieg davon. In der Sitzung am Mittwoch den 28. März 1849 wurde von 290 Stimmen gegen 248, die sich der Abstimmung enthielten, der König Friedrich Wilhelm Iv. von Preußen zum erblichen Kaiser der Deutschen gewählt. Der Präsident Eduard Simsou aus Königsberg setzte, als er diese Thatsache verkündigte^ hinzu: „Möge der deutsche Fürst, der wiederholt und öffentlich in unvergessenen Worten den warmen Herzschlag für die deutsche Sache sein kostbares mütterliches Erbe genannt hat, sich nun als Schutz und Schirm der Einheit, der Freiheit, der Größe unseres Vaterlandes beweisen, nachdem eine Versammlung, aus dem Gesamtwillen der Nation hervorgegangen, wie feine, die je auf deutschem Boden tagte, ihn anderen Spitze gerufen hat. An unserem edlen Volke aber möge, wenn es aus die Erhebung des Jahres 1848 und aus ihr nun erreichtes Ziel zurückblickt, der Ausfpruch des Dichters zur Wahrheit werden, dessen Wiege vor jetzt fast einem Jahrhundert in dieser alten Kaiser-stadt gestanden hat: „Nicht den Deutschen geziemt es, die fürchterliche Bewegung Ziellos fortzuleiten, zu schwanken hierhin und dorthin. Dies ist unser: so laßt uns sprechen und fest es behalten." Gott sei mit Deutschland und seinem neu gewählten Kaiser!" Bei biesen Worten erscholl ein breifaches stürmisches Hoch in der Versammlung und auf der Galerie. Von außen vernahm man Geläute aller Glocken und Kanonenbonner.

18. Geschichtliches Lesebuch - S. 150

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
150 X. Aus der Frankfurter Nationalversammlung. richtig damit, es lasse sich dem nicht widersprechen, es sei gar nicht auszukommen in Haus und Hof ohne das Einmaleins; gerade ebenso ist es im Staatswesen mit dem Erbrechte beschaffen, welches ich hier zu verteidigen übernommen habe. Da läßt sich freilich auseinandersetzen, vor welchen Übeln das Erbrecht uns bewahrt, wie es bewahrt vor den mannigfachen und schwer empfundenen Übeln der Wahlberechtigung, wie es bewahrt vor den Übeln des Zwischenreichs zc. Aber am Ende kehrt es doch immer auf das allereinfachste zurück, und wir müssen zugestehen, daß gerade da das Erbrecht sich am unliebenswürdigsten beweist, wo es am meisten staatsmännisch auftritt, indem es nämlich in seiner vollkommenen Ausbildung auf höchst ungalante Weise alle Frauen ausschließt von dem Throne, solange noch einer vom Mannesstamme vorhanden ist, indem es alle Jüngeren ausschließt, alle jüngeren Prinzen, solange noch ein älterer da ist, indem es endlich keinem Prinzen einen Teil am Genusse der Herrschaft vergönnt, bis die Reihe an ihn gekommen ist, überhaupt aber jedem Erbberechtigten nur das Ganze des Staates übrig läßt, indem es ihn jedes Anrechts an einen Staatsteil beraubt. Und dennoch hat dieses System der Erbherrschaft neben so vielen Herbigkeiten auch seine zarte und in das innere Wefen der Menschheit dringende Seite. Nachdem es vor allen Dingen den Staat sichergestellt hat, denn der Staat muß in alle Wege die Hauptsache bleiben, führt es in das Staatswesen die Wärme der Familie ein, indem es die Herrschaft an ein regierendes Haupt knüpft. Ich weiß gar wohl, meine Herren, daß ich hiermit, wenn ich das Lob der Erbherrschaft rede, eine Saite anschlage, die in den Augen vieler von Ihnen längst zersprungen ist. Das aber hindert mich auf keine Weise. Erlauben Sie, daß ich eine schlichte Thatsache schlicht erzähle, die sich zu Ende des Jahres 1812 in Mitteldeutschland begab. Damals war der erste Strahl der Hoffnung nach Deutschland gedrungen, daß wir wohl des fremden Regiments erledigt werden möchten. Da fanden sich in Mitteldeutschland Volksversammlungen vornehmlich von Landleuten und Bauern zusammen. Man beredete sich, wie es zunächst werden solle. Darin waren alle einig, die Fremden müßten vertrieben werden, aber sollte man den alten Fürsten wieder aufnehmen, das war die Frage. Es begab sich, daß auch in einem Lande, ich will es lieber nicht nennen, wo der alte Fürst keineswegs gelobt und sonderlich geliebt war, — man wußte ihm manches, was nicht zum Frieden diente, nachzureden, — in der Schänke eines Dorses diese Sache verhandelt ward. Viel war hin-

19. Geschichtliches Lesebuch - S. 207

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Xiv. Marcks, Persönlichkeit Wilhelms I. 207 höchstens reproduktiv. Keiner einzigen hat er sein ganzes Selbst hingegeben und eben darum von jeder das jedesmal Notwendige aufnehmen und annehmen können. Und trotz dieser steten Nachgiebigkeit war er ein Ganzes und Besonderes für sich. Von innen heraus kommt ihm nur eine, aber allerdings eine überaus bedeutende Strömung : jene altpreußische, die er ja auch nicht hervorgebracht, die er geerbt hatte. Das preußische Weseu, die preußische Macht, das preußische Heer, darin eben findet man stets von neuem die historische Kraft, die ihn innerlich erfüllte, die den Kern seiner Persönlichkeit durchdrang, ja, man darf sagen, der Kern seiner Persönlichkeit war. Dieses Preußentum hatte er sich in den Jahrzehnten seiner Jugend ganz persönlich erlebt; in dessen Kreisen arbeitete sein Geist selbständig, hier bildete er selber die staatlichen und militärischen Gedanken lebendig fort, hier war er produktiv. Ju diesem Boden wurzelte die Einheit seines ganzen Daseins: so viel er in der Mitte seines Lebens an Neuem aufnahm, — je älter er wurde, um so siegreicher drangen die starken Kräfte feiner frühen Bildungszeit wieder in ihm hervor, und das Ende feines Lebens knüpfte sichtbar an feine Jugend an. Was er inzwischen aufgenommen, hatte er jedesmal, nachdem es ihn erst deutlich beeinflußt hatte, mit diesen seinen eingebornen Kräften verschmolzen, es verarbeitet, es in das Ganze seines Wesens eingefügt; er hatte sich durch all diese Einflüsse bereichert und weitergebildet, er hatte aber auch diese Gedanken der fortgehenden Zeit jedesmal mit seinem Grundgedanken des Prenßentnmes durchdrungen: so umgebildet sind die ihm zugebrachten Ideen aus ihm wieder in die Welt zurückgeströmt und haben sich dort bethätigt. Das ist das Verhältnis dieses Einzelnen zu seiner Zeit gewesen: durch Geburt und Schicksal auf eine hohe Stelle versetzt, die ihm gestattete zu wirken; die neuen Aufgaben und Gedanken wesentlich nur wie etwas Fremdes empfangend — ward er fähig, sie sich zu eigen zu machen, weil er in feinem Innern ein Eigenstes besaß, dem er sie einfügen konnte; alle Kraft feines Wirkens stieg jedesmal erst aus diesem Kerne seines Wesens empor. Dadurch, daß er inmitten alles Neuern immer sich selber wiederfand, immer sich selber zuletzt wieder zur Geltung brachte, hat er nach außen hin tief zu wirken vermocht; er, der Bescheidene und ewig Lernende, hat den Stempel seiner Eigenart in all die Schöpfungen seiner Epoche hineingeprägt: in diesem Persönlichsten, Eingeborenen, früh und innerlich Erlebten liegt doch auch bei diesem einfachen Menschen das letzte Geheimnis und die letzte Erklärung all seiner Willenskraft.

20. Geschichtliches Lesebuch - S. 214

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
214 Xv. Maurenbrecher, Die schleswig-holsteinsche Frage. Christian Viii. und Friedrich auf den Thron zu steigen haben; Holstein würde dann dem Angusteuburger Herzog zufallen. Aber wenn wirklich ein so großes Jnteresfe in Dänemark vorhanden war, alle die Länder in bisherigem Umfange vereinigt zu erhalten, war es dann notwendig das schleswig-holsteinsche Erbrecht zu Gunsten der Dänen umzubiegen? Oder lag es nicht näher, in Dänemark die Verfassung zu ändern, um dem Angusteuburger einen Erb-anspruch auf Dänemark zu schaffen? Dann wäre gar kein Konflikt zwischen Deutschland und Dänemark entstanden. Für jene Prinzessin Charlotte und ihren hessischen Gemahl interessierte sich überhaupt kein Mensch; dies Paar zu übergehen hätte keine irgendwie erheblichen Interessen verletzt. Seit der Thronbesteigung Christians Viii. waren die Erwägungen und Überlegungen aller einschlagenden Möglichkeiten unter den Dänen begonnen. Aber die Entscheidung entsprang nicht aus einer kaltblütigen Abwägung der Landesinteressen, sondern aus persönlichem Gefühle. Der Angnstenburger Prinz war fehr unbeliebt bei den Dänen, persönlich verzankt mit König Christian Viii. und ebenso mit dem Kronprinzen Friedrich; er war ein unliebenswürdiger und sehr unangenehmer Mensch; so entschloß man sich in Dänemark festzuhalten ebensowohl an dem Charakter des Gesamtreiches als auch an der weiblichen Nachfolge in Dänemark und Schleswig; und da Holstein eng mit Schleswig verbunden bleiben mußte, so würde in Holstein dasselbe dänische Erbrecht neu einzuführen sein. Den Ausschluß des Augustenbnrgers verkündigte in der That der sogenannte offene Brief des dänischen Königs vorn 8. Juli 1846; er enthielt eine ganz offenkundige, unverhüllte, nackte Verletzung des deutschen Fürstenrechtes. Sofort erhob sich Widerspruch in Schleswig und Holstein; auch der Deutsche Bund regte sich; ganz Deutschland hallte wieder von sittlicher und politischer Entrüstung über die Unverschämtheit der Dänen. 1848 erhoben sich die Herzogtümer, es kam zum ersten Kriege zwischen Deutschland und Dänemark um die Befreiung der Herzogtümer. 1848 war in Dänemark der kinderlose Friedrich Vii. auf dem Throne gefolgt, der letzte des Hauses, der an der Willensmeinung des Vaters von 1846 festhielt, an der staatsrechtlichen Einheit zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark. König Friedrich Wilhelm Iv. von Preußen war bereit, das Recht des Augustenbnrgers zu schützen, dessen Sache in ganz Deutschland sehr populär geworden. Die Er-
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