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Glogau [u.a.]
: Flemming
- Autor: Schneider, Karl Friedrich Robert
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
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Europa. Das Königreich Preußen. Der Wehrstand.
fürt, Mühlhausen, Heiligenstadt. — Westphal en 4: Langenhorst; Petershagen,
Büren; Soest. — Rheinprovinz 5: Brühl; Kempen, Meurs; Neuwied.
Preußen besitzt 6 vollständig eingerichteteuniversitäten: Berlin, Breslau,
Bonn, Greifswald, Halle, Königsberg, von denen Breslau und Bonn
jedes 2 theologische Fakultäten, eine katholische und eine evangelische enthält; hierzu
tritt noch die mit 1 kathol. theologischen und 1 philosophischen Fakultät versehene höhere
Akademie zu Münster. 1820 — 22 waren durchschnittlich 3564, 1829 — 31:
5908, 1843 — 44: 4437 Studenten aller Fakultäten, und zwar im letztem Jahre
1077 ev., 437 kath. Theol., 1010 Juristen, 823 Mediziner, 1015 Glieder der philo-
sophischen Fakultät. 1843/4 hatte Berlin 1656, Breslau 707, Bonn 652, Halle
615, Königsberg 341, Münster 226, Greifswald 210. Außerdem sind noch katho-
lische Priesterseminare zu Braunsberg mit 45, Pelplin 35, Posen 35, Gnesen 11,
Paderborn 76, Trier 51 angehenden Priestern.
Außer diesen allgemeinen Bildungsanstalten giebt es noch zahlreiche Berufs-
Schulen zur Ausbildung für bestimmte Lebensberufe. Die höhern landwirth-
schaftlichen Akademien und Lehranstalten, die Gärtner-, Bergwerk-
und Forstschulen und Akademien, das reich ausgestattete Gew erb inst itu t in
Berlin und die mit ihm verbundenen Provinzial-Gewerbinstitute, die einzel-
nen Gewerbe- und Bauschu len, die allgemeine Bauschule in Berlin, die
Navigations-, die Handelsschulen und Handelslehranstalten, die chi-
rurgisch-medizinischen Lehranstalten, Thierarznei- und Hebammen-
Schulen, pharmazeutische Lehrinstitute, die Taubstummen und Blin-
denanstalten. Für die Künste wirken die 1699 von Friedrich I. in Berlin ge-
stiftete Akademie der Künste und die mit denselben verbundenen Schulen in Ber-
lin und in den Provinzen, die Malerschule zu Düsseldorf, die geographische Kunstschule
in Potsdam, die Singakademien zu Berlin, Breslau und an andern Orten. —
Zur Förderung der Wissenschaften dienen die Akademie derwissenschaften in
Berlin und zahlreiche gelehrte Gesellschaften in allen Landestheilen für einzelne Zweige
der Wissenschaft, die reichen Bibliotheken in Berlin, Breslau, Bonn, Köln, Trier,
Danzig u. a. O., zur Förderung der Kunst die Museen in Berlin, Düsseldorf, die
Kunst- und Künstlervereine in den einzelnen Provinzen, Kunstausstellungen u. s. w.
Der Wehrstand, das preußische Heer.
§. 43. Jeder wehrfähige Preuße ist vom 20. — 40. Jahre auch wehrpflichtig,
die Zahl der Wehrfähigen und Wehrpflichtigen kann sich auf 2mill. belaufen, von denen
jedoch nur J/4 zum Kriegsdienst durchs Loos ausgewählt und ausgebildet wird. Die
eingetretenen Krieger bleiben bei der Garde 3, bei der Linie 2 Jahre unter den Waffen,
gehören dann 4 Jahre noch zur Kriegsreserve, bis zum vollendeten 32. Jahre zur
Landwehr des ersten, bis zum 40. Lebensjahre zum 2. Aufgebote der Landwehr. Das
ganze Heer zerfällt in 8 Armeekorps und das Gardekorps, von denen jedes aus 2 Di-
visionen besteht, je 2 eine Armeeabtheilung bilden. Jedem Armeekorps ist ein bestimm-
ter Landestheil angewiesen, dem Gardekorps das ganze Staatsgebiet; die jedem Armee-
korps zugewiesenen Gebietstheile stimmen bei der verschieden starken Bevölkerung nicht
ganz mit den Provinzialabtheilungen. Im Allgemeinen gehören zum ersten Armee-
korps die Provinz Preußen ohne die Kreise Schwetz, Konitz, Schlochau, Flatow,
Deutsch-Krone, zum zweiten Pommern, der Rb. Bromberg und die bei 1 ge-
nannten westpreuß. Kreise, zum dritten gehört Brandenburg, zum vierten die
Prov. Sachsen, zum fünften die Rb. Posen und Liegnitz, zum sechsten die
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Europa. Die süddeutsche freie Stadt Frankfurt. 1005
Klaffe. Blindenanstalt. Wöhlerstiftung zur Unterstützung von Handels- und Geiverblehrlingen;
physikalischer Verein für Physik und Chemie seit 1824 mit physikalischem Cabinet, chemi-
scher Werkstätte. Profcffiir für Chemie und Physik; geographischer Verein seit 1836.
Lesegesellschaft seit 1788; Frankfurter Bibelgesellschaft seit 1816. evang. Misstonsverein seit
1819, Sendverein für deutsche Protestanten in Nord-Amerika seit 1847; evang. Verein zur
Förderung christl. Erkenntnis, seit >837. evang. Verein der Gustav-Adolphstiftung seit
1842; Kunstverein zur Förderung bildender Kunst seit 1829, Cäcilienverein zur Aus-
sührung größerer, klassischer Tonwerke; Jnstrumentalmnsikvereln, Liedertafel. Liederkranz. Mozart-
stiftung zur Ausbildung musikalischer Talente, zahlreiche Männergesangsvereine, mehrere Vereine
zur sittlichen Besserung, zur Verbreitung von Volks- und Jugendschriften, Volksiesebibliothek
von 1029 Bänden, Pestalozziverein; 24 verschiedene Zeitungen und Zeitschriften.
Die ausübende Gewalt und die Stadt- und Justizverwaltung hat der
Senat mit einem ältern von den Schöffen, einem jüngern von den Senatoren gewähl-
ten Bürgermeister; die gesetzgebende Versammlung besteht aus 20 Senatsmit-
gliedern, 20 Mitgliedern der städtischen Bürgervertretung, 45 der übrigen christlichen
Bürgerschaft, 11 Abgeordneten der Dorfschaften; die vom 1848 erwählten Verfaffungs-
ausschuß entworfene neue Verfaffung trng der große Rath Bedenken, anzunehmen; für
die spezielle Justizverfaffung bestehen das Oberappellationsgericht in Lübeck, das Appel-
lationsgericht in Frankfurt, Stadtgericht, Curatelamt, Polizeigericht, Stadt-und Land-
justizamt als peinliches Verhöramt. — Die Staatseinnahmen 1846: 1,850,977
Fl. oder 1,057,701 rthl., 1851 : 1,499,020 Fl. oder 856,582 rthl. Staatsausgaben
1846: 1,405,276 Fl. 1851: 1,613,506 Fl. oder 922,003 rthl. Staatsschuld
1847: 13,226,000, auf den Kopf 190, 1851: 15,724,000, auf den Kopf 218 Fl.
1848—51 fand ein großer Ausfall der Staatseinnahmen, eine Vermehrung der Staats-
ausgaben statt. — Soldaten: 1 Bataillon Fußvolk 683 Mann, 227 Mann Re-
serve, 114 Ersatzmannschaft, im Ganzen 1024 Mann mit Einschluß von 132 Schü-
tzen; die Stadtwehr und das Freikorps 5278 Mann. In enger Bundesversammlung
mit den übrigen freien Städten gemeinsam, in der vollen 1 alleinige Stimme. 1 Stadt,
Frankfurt mit der Vorstadt Sachsenhausen und den Stadtgärten, 1847 mit 2980,
504 und 643 Wohnhäusern und 10,862 Wohnungen, 8 Dorfschaften, Bornheim,
Oberrad, Niederrad, Hausen, Niederursel, Bonames, Niedererlenbach, Dortelweil mit
1147 Wohnhäusern, jene durchschnittlich von 14—15, diese von gegen 9 Köpfen bewohnt.
Frankfurt, berühmte Handelsstadt, reich an geschichtlichen Erinnerungen, überaus lieblich
aus der rechten Mainseite gelegen, mit der jenseits liegenden Vorstadt Sachsenhausen durch eine
steinerne, auf 14 Pfeilern ruhende. 380 Schritt lange. 11 Schritt breite Bogenbrücke verbunden,
ringsum von den prächtigsten Gärten und Landhäusern umgeben, die alten Häuser zum großen
Theil mit hervorspringenden Erkern und Thürmchen versehen, zumeist von riesengroßen Karyatiden
getragen-, 20 große und kleine Plätze, 16 Kirchen und Bethäuser, 220 meist enge und krumme
Gaffen, besonders im Innern der Stadt, auf allen lebendiger Verkehr, die Zeil unter allen die
prachtvollste Straße. 760 Schritt lang, die Fahrgasse zur Mainbrücke die belebteste, längs
des Mains die schöne Aussicht, eine prachtvolle Häuserreihe, stromabwärts die von präch-
tigen Baumgruppen^ beschattete Mainlust, statt der früher vorhandenen engen, finstern Thore
schlanke, zierliche Säulcndurchgänge. das Bibliothekgebände mit schöner Säulencolonnade,
1825 erbaut, studiis übe;täte reddita civitas, in der Vorhalle die sitzende lebensgroße Bild-
säule von Göthe aus Marmor durch Marchest in Mailand gemeißelt, unweit davon Denkmal
der 1792 hier gefallenen Hessen; das Denkmal des Senators Guiollet, der die alten Wälle in
schone Spaziergänge verwandelte, das früher Thurn- und Taxissche Palais jetzt Versammlungs-
Ort des deutschen Bundestages, das Thurn- und Taxissche Postamtsgebäude, früher Gasthaus
zum rothen Hause, der Römer oder das Rathhaus mit dem Platze, auf dem die Festlich-
keiten der Kaiserkrönung begangen wurden (Göthes Schilderung in Dichtung und Wahrheit),
der Römer selbst wenig stattlich im Aeußern, unten Kramgewälbe. früher ausschließlich von
llaliknlschen Kaufleuten; der Kaisersaal mit der goldenen Bulle und früher mit den kunstlosen
Bildnissen der Kaiser von Kaiser Karl dem Großen dis Franz Ii., die durch neuere, treffliche
Bilder, zum Theil von den berühmtesten Meistern gemalt, durch Fürsten. Städte, Künstler.
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1282 Europa. Das Kaiserthum Oesterreich. Das lombardisch - benetlanische Königreich.
Die Landwirthschaft ist Haupterwerbszweig, nach vielen Richtungen hin
ausgebildet, ausgezeichnet reichen Erwerb gewahrend; doch auch Fabrik wesen man-
cherlei Art; Seidenfilande.n und Filatorien, Seidenwebereien in großer
Ausdehnung, Benetianische Strohhüte, venetianische Glasperlen und
Glaswaaren (Hohl- und Tafelglas, farbige Glaspasten, unechte Edelsteine,geblasene
Spiegel), Benetianer Goldketten, Spitzen, Kunstblumen und rothe
Kappen, venetianischer Theriak, Cremoneser Geigen, Paduaner
Darmsaiten, Mailänder Bronze-, Tischler-, Seidenzeug, Band- und
Posamentirwaaren, Seiden- und Filzhüte, Chokolate, Veroneser
Salami, die großen Seifenfabriken zu Verona, Venedig, Belluno haben einen
Ruf auch über das Königreich hinaus erlangt.
Außerdem Flachs- und Baumwollspinnerei, Leinwand, Tisch-, Baumwoll-, Wollzeuge,
Tuch an mehreren Orten, Seidenzeuge besonders zu Mailand, Como, Mantua, Bergamo,
Brescia, Venedig, Vicenza, Verona, Amianthzcuge in Veltlin, Leder besonders in Verona,
Montagnara, Udine, 82 und 39 Papierfabriken, Metallwaaren zu Treviso, Stahl zu
Brescia, Eisenbleche zu Dondo, Mcsserschmicdwaaren zu Mailand, Brescia, Eisenhämmer
in mehrern lombardischen Thälern, berühmt die venetianischen Schiffswerften, Porzellan
und Fayence zu Mailand, Novi, Vicenza.
Bedeutend der Handel bei dem großen Reichthum der Landeserzeugnifse, die
Ausfuhr bedeutender als die Einfuhr: Seide, Seidcnzeuge, Käse, Flachs, Garn, Zwirn,
Getreide, Wolle, Eisenwaaren die Hauptgegenstände der Ausfuhr. Venedig, Mai-
land, Verona, Brescia, Bergamo sind die Haupthandelsorte. Venedig durch
Jahrhunderte berühmte Welthandelsstadt, von seiner Größe herabgesunken, fängt unter
dem Schutz und unter der Gunst der österreichischen Regierung von Neuem an aufzu-
blühen, erstreckt sich land- und seewärts weithin, der Werth der Handelswaaren im I.
1850 betrug 21 */3 Mill. Fl. — Der Binnenhandel begünstigt durch die trefflichen
Straßen, die nach allen Richtungen hin ziehen, besonders großartig die Straßenzüge
über den Splügen und das Wormser Joch, kein anderer italienischer Staat kommt ihm
darin gleich; das Land wird von der lombardisch-venetianischen Eisenbahn
seiner ganzen Länge nach von Venedig bis Mailand durchzogen, von ihr gehen Zweig-
bahnen ab, von Mailand nach Monza und Como, von Verona nach Mantua
und Borgoforte nach Ssw, nach Tprol in ixrichtung, von Venedig über
Treviso zur südlichen Staatsbahn. Lebhafte Schifffahrt auf dem Adria-
meere, Dampfschifffahrt auf Garda-, Como- und dem großen See, viel Schiff-
fahrt auf den Flüffen und den zahlreichen Kanälen.
Gefördertes Schulwesen, wie in keinem andern italienischen Staate, viel wissen-
schaftliches Leben und Streben, nicht unbedeutend die dasselbe fördernden Anstalten und
Sannnlungen, viel Leben für die Künste; in der Lombardei I Universität zu Pavia,
7 Akademien oder höhere Spezial- und Kunstschulen, 9 theologische, 20 philosophische Lehr-
Anstalten, 64 Gymnasien, 12 Spezial-, 761 allgemeine, 75 Haupt-, 2038 Trivial-, 1852
Wiederholungs- und viele andere Schulen. — Im Venetianischen 1 Universität zu
Padua, 4 Akademien, 11 theol., 16 philos. Lehranstalten, 24 Gymnasien, 5 Spezialschulen,
447 allgemeine Lehranstalten, 34 Haupt-, 1577 Trivial-, 78 Mädchen-, 9 Wiederholungs-
und mehrere andere Schulen. — Das k. k. Institut der Wissenschaften zu Mailand und
zu Venedig, Athenern der Wissenschaften zu Brescia, Salo, Bergamo; Venedig, Treviso,
die Academia fistco-medico-statistica zu Mailand, die Akademien der Wissenschaften und
Künste zu Padua und Rovigo, die Academia scientifica literaria zu Bovoleuta, die Aca-
demia Olimpica zu Vicenza, die k. k. Akademien der schönen Künste zu Mailand und
Venedig, die Academia Todini di belle Arti zu Lovere, die Academia Carrara di belle
Arti zu Bergamo, die Zeichnenschule Malaspina und die öffentliche Malerschule zu Pavia,
die Akademie für Maler und Bildhauer zu Verona, die philharmonische Gesellschaft zu
Cremona, die Gesellschaft des Handels, Ackerbaus und der Gewerbe zu Verona, die Acker-
baugesellschaft zu Udine.
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1418 Europa. Das vereinigte Königreich Großbritannien und Jreland.
und von diesen in kleinen Theilen an Unter- und Unter-Unterpächter gegeben - ein im
Ganzen fruchtbares Land voll der drückendsten Armuth — englische Freiheit und irische
Knechtschaft im schneidendsten Gegensatze, wenig Fabrikthätigkeit; der gemeine Mann
vom Vornehmen verachtet, sollte von ihm gehoben werden, von den Engländern ver-
achtet, dieselben von ihnen gehaßt; viele berühmte Männer aus ihrer Mitte, mehr aber
aus der Mitte der Anglo-Jren, welche aufbrausender, unbehutsamer, heftiger,
phantastischer als die eigentlichen Engländer sind: Swift, Goldsmith, Sterne, Burke,
Thomas Moore, Stell, Congreve, Sheridan, Canning, O'connel — etwas ist in
neuester Zeit für Verbesserung der irischen Zustände geschehen; sehr häufig wandern die
Iren aus, nach England, nach Amerika.
§. 19. In der Volkserziehung und dem Volksunterricht hat Groß-
britannien bis in neuester Zeit bedeutend gegen die meisten übrigen europäischen Staaten
zurückgestanden; erst in neuester Zeit ist denselben vom Staate und von Vereinen Theil-
nahme und Unterstützung zugewendet worden, haben sie einen kräftigen Aufschwung ge-
nommen, sind zahlreiche Armen-, Volks-, Sonntagsschulen, Schulen für
verwahrloste Kinder ins Leben gerufen worden.
1818 wuchsen in England und Waleö 8/h der Kinder ohne jeglichen Unterricht auf, nach
Lord John Ruffels Angaben waren über I>/r Mill. Kinder ohne allen Unterricht im Lesen,
Schreiben, Rechnen Religion geblieben, darum herrscht auch unter den Erwachsenen große Un-
wiffenheit, von 135,845 im Jahre 1848 getrauten Brautpaaren konnte y3 der Männer, >/, der
Frauen weder lesen noch schreiben, unter 10,000 in demselben Jahre ergriffenen Verbrechern
war kaum i/,o des Lesenö und Schreibens mächtig. Den ersten jährlichen Beitrag zur Errich-
tung von Schulhäusern leistete die Regierung im Jahre 1833 mit 20,000 Pfd. Sterl., 1839
wurden 30,000, «843: 40.000, 1845: 75,000, 1849: 125,000 Pfd. Sterl. zu Schulzwecken
bewilligt. Von 1839 — 50 wurden 3782 neue Schulhäuser für 709,000 Kinder erbaut, dazu
470,850 vom Staate, 327,000 Pfd. St. vom Vereine für Armenschulen der bischöflichen Kirche ausge-
geben; mehrere Schullehrerseminare wurden gegründet, das bedeutendste zu Kneller Hall.
Die Methodisten bauen jetzt überall wohleingerichtete Schulen und Lehrerseminare. England ist
das Vaterland der Bell-Lancasterschen oder wechselseitigen Unterrichts weise, bei
welcher die Schüler lehrend das Gelernte fester behalten, die schwächern Schüler fördern; schon
frühzeitig werden die Kinder den Schulen durch die Fabriken entzogen; in neuerer Zeit ist auch
für diese Kinder mehr gesorgt worden. — Die Sonntags sch ulen, die erste wurde 1781 zu
Gloucester errichtet, stnd als die ersten Anfänge des eigentlichen öffentlichen Volksunterrichts in
England zu betrachten; 1833 bestanden deren 16,828 mit über N/r Mill. Schüler, 1850 aber
20,000 mit 2 Mill. Schülern und einer großen Zahl von freiwilligen Lehrern; mehrere Vereine
stnd dafür thätig. In Schottland ist schon früher mehr für daö Volksschulwesen gesorgt
gewesen, in Jreland, überhaupt unter den Katholiken, bei weitem weniger gethan; wichtig
sind die Schulen für ganz verwahrloste und zerlumpte Kinder, ragged schools,
in denen sich die aufopfernde Liebe der Engländer im hellsten Lichte zeigt; sie befinden sich zumeist
in den schmutzigsten, Ekel erregenden Straßen und Gäßchen von London, wo unerschrockene
Lehrer und Lehrerinnen mit Liebe, Treue und Muth unverdroffen, geduldig, ausdauernd bei der
höchsten Rohheit unter Verhöhnungen sich dem Unterricht und der innern und äußern Ver-
befferung der oft thierisch verwilderten Kinder widmen und oft die erfreulichsten Erfolge erringen;
die angesehensten Männer betheiligen sich mit Rath und That an denselben. In vielen Städten
bestehen durch milde Beiträge Armenschulen, sehr viele Kinder werden in den Workhouses
Schools unterrichtet.
Im Gegensatz zu der Volksbildung ist die Bildung der Hähern Klassen,
welche vorzugsweis auf den Gymnasien und Universitäten bewirkt wird. Auf
den Gymnasien, mit denen häufig Pensionate verbunden sind, wird vorzugsweis die
klassische Bildung, der Unterricht in den beiden alten klassischen Sprachen, Latein
und Griechisch, betrieben, darauf alle Zeit und Kraft verwendet, darin Tüchtiges ge-
leistet; den Hähern Ständen ist es Ehrensache, sich eine tüchtige klassische Bildung zu
erwerben, auch noch in den reifern Jahren die alten Klassiker zu lesen, was nicht ohne
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Europa. Deutschlands Bewohner.
Werner, Copernikus, Keppler waren die Wiederanfanger, Vorgänger und Gesetzgeber
in der Astronomie, für die Mineralogie Georg Agricola, für die Botanik,
Otto Brunfels, Hieronymus Bock, Leonhard Fuchs, für das Thierreich der deutsche
Schweizer Conrad Gessner; die berühmten Naturforscher Haller, Swammerdam,
Fahrenheit, Kopernikus, Euler, Blumenbach, Werner, Göthe, Oken, K. v. Raumer,
H. v. Schubert, Leopold v. Buch, A. v. Humboldt, der Meister des naturwissenschaft-
lichen Wissens, K. v. Sternberg, Olbers, Reichenbach, Koch, Wildenow, Link, Ehren-
berg, Göppert, Nöggerath, Liebich, Bronn und viele, viele andere der neuesten Zeit
sind Deutsche, die größte Zahl der neuentdeckten Planeten ist von Deutschen aufgefunden
worden; groß ist die Zahl der Mathematiker, der Geschichtsforscher,
I. v. Müller, Niebuhr, Fr. v. Raumer, Heeren, Leopold Ranke, Leo, Rotteck u. v. a.,
für Geographie wirkten in älterer Zeit Martin Behaim, Merian, Büsching,
Cannabich, Kant, Ritter, Zeune, Fr. Hoffmann, Berghaus, Schouw u. v. v. a>;
Ritter ist der Vater der neuern wissenschaftlichen Geographie; ihnen zur Seite standen
die deutschen Reisenden Behaim, Pallas, Gebr. Förster, A.v.humboldt, Prinz von
Neuwied, Niebuhr, Lichtenstein, Spix und Martius, Ehrenberg und Hemprich, Burk-
hard, Meyen, Rüppel, Russegger u. v. v. a. — Groß ist die Zahl der deutschen Rech ts-
gelehrten. — Deutsche Theologie hat von jeher sich durch Gründlichkeit der
Forschung ausgezeichnet, reich ist die katholische Kirche darin, viele gelehrte Forscher
hat die reformirte Kirche von Calvin und Zwingli an aufzuweisen, was Luther
und Melanchthon, was die ihnen gleichgesinnten Männer zur Zeit der Reformation,
was die große Schaar der gelehrten und glaubensvollen Männer späterer Zeit in der
lutherischen Kirche gethan und gewirkt und errungen, das ist bekannt; kein Volk
als das deutsche hat eine solche Bibelübersetzung als die durch Dr. M. Luther; er
hat dem Volk das Buch der Bücher gegeben, die lutherische Kirche in ihren Bekenntniß-
schriften zu demselben einen trefflichen Leitstern in den möglichen Abwegen hinzugefügt.
Vogels Geschichtsbilder, seine Germania, Sartorius Lebensspiegel, Bd. 3, enthalten
ausführlichere Auskunft über Deutschlands berühmte Männer.
tz. 63. Die reich gepflegte Wissenschaft ist aber nicht blos Sache der Gelehrten
geblieben, sie ist als geistiges Bildungs- und Tüchtigungsmittel mehr wie in andern
Ländern durch Schulen und Unterrichtsanstalten ins Volk mit eingedrungen.
Deutschland ist reicher als alle übrigen Länder an Zahl und Art seiner Schulen, von
den höchsten bis zu den niedrigsten, durch welche geistigebildung bewirkt, getragen,
gehoben, erhalten wird; treffliche Schulmänner haben zu allen Zeiten gelebt, Johann
Wessel, R. Agricola, Erasmus, Johannes Reuchlin im 14. und 15. Jahrhundert,
Luther, Melanchton, Trotzendorf, Neander, Sturm im 16.und 17. Jahrhundert,
Rattich, Commenius, A. H. Franke, die Philanthropinisten, Pestalozzi in der
neuern Zeit, eine große Anzahl derselben in den neuesten Zeiten (s. K. v. Räumers Ge-
schichte der Pädagogik). Kein Land der Erde kann sich Deutschland in Betreff der
Verbreitung geistiger Bildung gleich stellen; Unterricht und Gelehrsamkeit hat alle
Stände durchdrungen, die vielen deutschen Staaten und Staatlein bildeten eben so viele
geistige Lebenspunkte und Lebensheerde, Fürsten und Magistrate förderten geistige
Ausbildung; Deutschland ist überaus reich an Unterrichtsanstalten, ein Fürst wollte
es dem andern, eine Stadt der andern zuvorthun; daher die große Zahl der Universitäten,
die große Zahl der Gymnasien, die allgemein verbreiteten Elementarschulen; fast kein
Staat ist darin zurück geblieben, die meisten haben dafür große Opfer gebracht; die
Eigenthümlichkeiten des Schulwesens in den einzelnen Ländern anzugeben, gestattet der
Raum nicht. Selbst die Franzosen haben dem deutschen Schulwesen ihre Anerkennung
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Europa. Deuschlands Bewohner.
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Sehr zahlreich sind die übrigen Lehr- und Schulanstalten sowohl für die allge-
meine höhere bürgerliche und gewerbliche Ausbildung, als auch für bestimmte einzelne
Lebensberufe, für das Kaufmanns-, Forst-, landwirthschaftliche, Berg-Wesen u. s. w.,
zur Ausbildung von Chirurgen, Thierärzten u. si w. Eine große Sorgfalt ist in den
letzten Jahrzehnten auf die Bildungsstätten für Heranbildung tüchtiger Lehrer ver-
wendet worden, sehr groß ist die Anzahl der Mittel- und Elementarschulen, der bei
ihnen angestellten Lehrer, der sie besuchenden Schüler. Auch für Musik und Ma-
lerei bestehen Akademien und Schulen; unter den Malerakademien sind die zu
Berlin, Dresden, Düsseldorf, München, Wien besonders zu nennen; Künstler- und
Kunstvereine suchen die Kunst noch weiter zu fördern und zu unterstützen. Der eigen-
thümlich ausgebildete Buchhandel in Deutschland ist auch ein Zeichen des regen
geistigen und wissenschaftlichen Lebens.
§. 66. Deutschland ist das Vaterland der großartigen und wichtigen, ins große
Volksleben tief eingreifenden Erfindungen. Das Schießpulver 1348 durch
Berthold Schwarz, Papier aus Leinwandlumpen, wahrscheinlich zu Ende des 13. oder
Anfang des 14. Jahrhunderts zuerst in der Familie des Maler Holbein zu Ravens-
burg, die Oelmalerei durch Johannes van Eik 1420, die Holzschneider und
Kupferstecherkunft, letztere 1436 durch Rust, die Buchdruckerkunst, diese
Königin der Erfindungen, das Element des geistigen Lebens und Strebens, die Fürstin
der Künste, die in wenigen Jahrhunderten die Gestalt der Welt geändert, die Gedanken
entfesselt, die Pforten der Forschung eröffnet, die Wissenschaft aus der düstern Kloster-
zelle auf den Markt der Oeffentlichkeit hervorgehoben, jede große Idee, früher nur
Eigenthum des Einzelmenschen, zum Gemeingut aller gemacht, die Intelligenz des
Geistes auf den Thron der Menschheit gesetzt, die entferntesten Völker mit einander
verbunden; Straßburg und Mainz sind ihre eigentlichen Geburtsstätten, mehr
als 17 Städte streiten sich um den Ruhm ihrer Erfindung, Johann Guttenberg
ihr eigentlicher Erfinder, Peter Schöffer und Faust sind seine Mitgehülfen
(Dr. Falkensteins Geschichte der Buchdruckerkunst). Die Taschenuhren durch
Peter Hele 1500, das Spinnrad durch Jürgens 1530, Drath, Näh- und
Stecknadeln in Nürnberg 1400, die Lithographie 1794 durch Senefelder in
München, alles dieses sind deutsche Erfindungen, der vielen andem, minder tief
in das Weltleben eingreifenden, aber dennoch wichtigen Erfindungen nicht zu gedenken,
wie z. B. die Erfindung des Orgelpedals durch Bernhard 1480, des Pianoforte
1717 durch Schröder, und anderer musikalischer Instrumente, die Darstellung des
ersten Erdglobus durch M. Behaim in Nürnberg, der Flintenschlösser 1517,
des Kattundrucks 1523, besonders zahlreich sind die chemischen Erfindungen,
Rubinglas durch Kunkel v. Löwenstein, Porzellan durch Böttiger 1705, der
Phosphor, elektrische Zündmaschinen durch Fürstenberger 1778, Platin-
feuerzeuge durch Döbereiner, Zündhölzchen, Runkelrübenzucker, gal-
vanoplastische Arbeiten, Schießbaumwolle u. v. a. chemische Präparate;
Brenngläser durch Tschirnhaus, Luftpumpe und Elektrisirmaschine durch
O. v. Guerike u. s. w. u. s. w.
§• 67. Auf dem Grunde des ganzen deutschen Wesens, gestützt und gehoben
durch deutsche Wissenschaften und Kunst und Erfindungen, zum Theil gepflegt durch
die Fürsten, noch mehr aber durch die volle innere Kraft des Volkes hat sich das Ge-
werbs wesen und der Bürger st and schon frühzeitig und kräftig entwickelt, beson-
ders in den freien Reichsstädten, und unter diesen vorzüglich in Nürnberg, welche
die Mutter sehr vieler Erfindungen, die Geburtsstätte und Pflegerin einer reichen Ge-
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Europa. Deutschlands Bewohner.
werbsthatigkeit ist, die hier entstanden, von hier aus sich weiter verbreiteten, ihre Ent-
stehung außer dem tüchtigen Sinne ihrer Bewohner mehrern gelehrten Männern, und
unter diesen besonders Regiomontan verdanken, während besten Aufenthalt in Nürnberg
zu Ende des 15. Jahrhunderts sich Nürnberg zu hoher Blüthe entfaltete, wie
H. v. Schubert in seinem Büchlein „Peurbach und Regiomontan" anziehend dargethan
hat. Die Handwerksinnungen, die gebotene Wanderschaft der Gesellen
war eine Eigenthümlichkeit des deutschen Handwerkslebens. Eine große Veränderung
haben die gewerblichen Verhältnisse in Deutschland erlitten, Deutschland ist mit in die
Reihe der großen Fabrikstaaten getreten, manche Gegenden mehr, andere weniger; aus-
gezeichnet durch ihre Gewerbsthätigkeit sind Schlesien durch seine Linnen-, Wollen-,
Baumwollen-, Glas-, Thon-, Metallwaaren, seine großen Brennereien, die Lausitz
um Görlitz, Lauban, Zittau und Löbau durch seine Webereien, Böhmen durch Glas-,
Linnen- und Baumwollenwaaren, Niederösterreich, besonders in Wien und seiner
Umgegend, das sächsische Erzgebirge mit seinen Abhängen durch seine Spitzen,
Kattune, feinen Wollwaaren, musikalischen Instrumente, Holz-, Serpentinsteinwaarren,
das Mansfeldische auf den Thüringer Stufen, mehr auf die Städte beschränkt,
der Thüringerwald durchseine Holz- und Glaswaaren und seine Schiefertafeln,
Franken, besonders Nürnberg, Fürth, Schwabach, Erlangen mit der Mannigfaltig-
keit seiner gewerblichen Erzeugnisse, der Schwarzwald mit seinen Uhren und Stroh-
geflechten und seinen Geweben, der Niederrhein, besonders um Solingen mit seinen
Schneidewerkzeugen, Remscheid mit seinen Schlosserwaaren, das Wupperthal mit
seinen Färbereien und Webereien, Crefeld mit seinen Seiden- und Sammtzeugen,
Aachen, Eupen und Malmedy mit Metallwaaren, Tüchern und Leder, die Grafschaft
M a r k mit ihren Metallwaaren, Bielefeld mit seiner w e st p h ä l isch e n Leinwand. Außer-
dem haben mehrere große Städte, wie Berlin, Breslau, Magdeburg, Köln, Hamburg
eine großartige Gewerbsthätigkeit entwickelt, mehrere Städte der Mark und Nieder-
lausitz besitzen große Tuchfabriken. Die große Gewerbeausstellung in Berlin im Jahre
1844, die österreichische Industrieausstellung im Jahre 1845 haben glänzende Zeug-
nisse über den Zustand und die Fortschritte des deutschen Gewerbs- und Fabrikwesens
gegeben, siehe amtlichen Bericht über die allgemeine Ausstellung deutscher Gewerbs-
erzeugnisse in Berlin, Bd. 1 —3. Allgemeine Uebersichten des gesummten deutschen
Gewerbs- und Fabrikwesens sind bis jetzt noch schwer zu geben, bei den einzelnen Ländern
sollen sie für dieselben gegeben werden, so weit Vorarbeiten dafür vorhanden sind.
ß. 68. Mit den Gewerben steht der Handel in der innigsten Beziehung; bei
seiner Lage mitten in Europa zwischen 0 und W, zwischen und 8 hatte Deutschland
bis zum 30jährigen Kriege einen blühenden Handel, an dem besonders die süddeutschen
Städte Nürnberg und Augsburg und die 85 Städte der Hansa regen Antheil nahmen;
der 30jährige Krieg versetzte dem deutschen Handel eine tiefe Wunde, der Weg um
Afrika nach Ostindien entzog ihm zum Theil den Zwischenhandel mit dem Orient; die
Continentalsperre unter Napoleon drohte ihn ganz zu vernichten, die letzten 3 Friedens-
jahrzehnte, das neu erwachte rege Leben in Deutschland, die Bildung des deutschen
Zollvereins haben ihm neuen Aufschwung gegeben, ihn größerer Selbständigkeit ent-
gegen geführt; die Eisenbahnen scheinen ihn noch größerer Entwickelung entgegen zu
führen. Außer den niederländischen sind Emden, Bremen, Hamburg, Lübeck, Rostock,
Stettin, Danzig, Königsberg, Memel, Triest die bedeutendsten See Handelsstädte,
vor allen Hamburg, das nächst London zu den bedeutendsten Seehandelsstädten in
Europa gehört. Die bedeutendsten Binnenhandelsstädte sind Wien, Prag,
Reichenberg, Brünn, Olmütz, Troppau, Linz, Steier, Salzburg, Grätz, Botzen,
1857 -
Glogau [u.a.]
: Flemming
- Autor: Schneider, Karl Friedrich Robert
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Europa. Das Königreich Preußen. Rheinprobinz.
Kuppen mit großen Felsblöcken, Lavastücken und zerklüftetem Gestein besetzt, nicht selten
mit alten Burgruinen, mit noch bewohnten Schlössern besetzt; in der hohen Eifel,
mehr im N und O, erheben sich höhere Kegelberge; hin und wieder kraterahnliche Ver-
tiefungen, Bimsstein- und Schlackenmassen-Kegel, Humriche genannt; mehrere
Basalthöhlen, merkwürdige Basaltsäulenbildungen, viele Basaltbrüche; Thon- und
Grauwackenschiefer die vorherrschenden Gebirgsarten. Die Eifel im Allgemeinen ein steiles,
kaltes, steiniges Land mit wenigen, kleinen, sehr armen, genügsamen, ehrlichen, wenig
gebildeten Bewohnern, denen der Hafer, die einzige hier sicher gedeihende Getreideart,
die Hauptspeise gewährt, Morgens als Brei, Mittags als Suppe, am Abend ein Ge-
müse; ihre Hütten dürftig und schlecht, wie die ärmsten, schmutzigsten Hütten in Ire-
land; vor 40 — 50 Jahren fast ganz unbekannt, nur von Landkrämern und Trödel-
juden besucht; selten ließen sie sich mit ihren Hafcrsäcken in den Nheinstädten sehen,
von deren Bewohnern angestaunt, — das rhein preußische Sibirien, mit kaum
1600 E. auf Um.; viel ist unter preuß. Regierung hier anders geworden — Gewerb-
thätigkeit, Unterricht, Wohlstand haben sich gehoben, Straßenanlagen haben das Land mit
den bebauten Gegenden und ihrer Cultur in Verbindung gebracht. — Einen großen
Gegensatz bilden damit die überaus fruchtbaren, reich angebauten und bevölkerten Thäler
des Rheins, der Nahe, der Mosel, der Nette, der Ahr, die wegen ihrer Natur-
schönheiten und der weit fortgeschrittenen Bildung ihrer Bewohner berühmt sind; hier
lagen früher die der Schifffahrt gefährlichen Rheinstellen, besonders zwischen Bingen
und St. Goar: das Binger Loch, das wilde Gefährt bei Bacharach, die Bank von
St. Goar, die in neuester Zeit weniger gefährlich durch Absprengen der Felsen gemacht
worden sind. Der Hundsrück ist zum Theil noch stark bewaldet, rauh, aber doch minder
als die Eifel. Weniger Getreidebau als in den übrigen Rheinbezirken, dagegen sehr
viel Holz; der meiste und beste Wein des Staates; die besten Weinsorten sind die
Rheinweine von Bacharach, Oberwesel, Mannebach; Steeg, Enghell, Oberspei,
Ehrenbreitstein, Linz, Erpel, Rheinbreitbach; die Moselweine von Traben, Trar-
bach, Enkirch, Winningen, die feurigen aber wenig haltbaren Na he weine von Mon-
zingen, Laubenheim, Langenlonsheim, Münster, die Ahrweine oder Ahrbleicharte
von Walporzheim und Bodendorf; viel Obst und treffliches Gemüse, guter Flachs und
Hanf, viel Kleesaamen; Bergbau auf Eisen, Blei, Kupfer, Steinkohlen, Braun-
kohlen, Alaun u. a., Saline zu Theodorhall und Münster, bei Kreuznach; viele Mine-
ralquellen, treffliche Bausteine, Dachschiefer, Wetz- und Schleifsteine; der Vieh stand
wenig gefördert, 15,620 Pferde, nur 132 auf Um., 405 Esel, 191,140 Rinder,
174,226 Schaafe, wovon 1650 ganz-, 13,687 halb-, 158,889 unveredelt, 26,133
Ziegen, 54,035 Schweine. — Fabrikthätigkeit wenig ausgebildet, darin allen übrigen
Rheinbezirken nachstehend; sehr bedeutend dagegen ist die Schifffahrt und der Handels-
verkehr auf Rhein und Mosel mit Dampf- und andern Schiffen. Koblenz ist der berg-,
wein-, obst-, holz- und burgenreichste, dagegen der pferdeärmste Regierungsbezirk der
Rheinprovinz. Die geistige Bildung in den Berggegenden der Eifel und des Hundsrücks
wenig, in den Thälern mehr gefördert. 3 Gymnasien: Koblenz kath., Creuznach und
Wetzlar evang., 2 Progymnasien, 12 höhere Bürger-, 10 Töchter-, 3 Mittel-, 1071
Elementarschulen, 1 evang. Schullehrerseminar Neuwied, 210 evang. Mutter- und
Tochterkirchen mit 164 Predigern, 1 Brüdergemeinde zu Neuwied, 1 Mennoniten-
Bethaus ebendaselbst, 353 kath. Mutter- und Tochterkirchen mit 330 Geistlichen, die
unter dem Erzbischof von Köln und dem Bischof zu Trier stehen, 103 Synagogen.
25 Städte, 35 Flecken, 1092 Dörfer, 369 Kolonien und Weiler, 1450 vereinzelte
Niederlassungen mit 205,000 Gebäuden, wovon 78,381 Wohn-, 2352 Fabrikgebäude,
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Glogau [u.a.]
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- Autor: Schneider, Karl Friedrich Robert
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Europa. Das Kaiserthum Oesterreich.
Prerau, Oderberg 37v2 M. I., die Flügelbahnen daran 17 M., Florisdorf-Stockerau, Gän-
serndorf-Marchegg, Lundenburg-Brünn, Prerau - Olmütz, Oderberger Grenzflügel, im Ganzen
also 541/2 M. I. 2) Wien-Gloggnitzer Eisenbahn: die 91/8 M. l. Hauptbahn über
Mövling und Wiener Neustadt mit 6»/« M. l. Flügelbahn von Wien nach Bruck, von Mödling
nach Laxenburg, von Neustadt nach Katzelsdorf, im Ganzen 16’/» M. l. 3) Ungarische
Privatvahn von Katzelsdorf nachocdenburg 3»/« M. 4) Lombardische Privatbahn,
Mailand-Como. — b) Staats bah neu. 1) Nördliche: Olmütz-Trübau, Brünn - Trübau,
Trübau-Prag, Prag-Lodosttz, Lobositz-Außig, Außig bis zur sächsischen Grenze, Krakau-
Oberschlestcn, zusammen 72-/sm. 2) Südliche: Mürzzuschlag-Graz, Graz-Laibach 43 M.
3) Lombardisch-venetianische: Mailand-Treviglio. Verona-Venedig 21 M. 4) Süd-
östliche oder ungarische Central-Eisenbahn: Marchegg-Preßburg, Preßburg-Pesth,
Pesth -Szolnok; 1850 waren noch unvollendet: Verona-Treviglio 17 M., Gloggnitz-Mürz-
zuschlag 53/8, Wiener Verbindungsbahn, Verona -Mantua 5m., Laibach-Triest I81/2, Oravitza-
Baschiach 9 M., zusammen 553/g M.
Ein großes Telegraphen netz verbreitet sich von Wien aus nach allen Richtungen des
Landes, und steht zum Theil an den Grenzen mit den Telegraphen der Nachbarländer, und
durch diese mit einem großen Theil von Europa in der schnellsten Verbindung, theils fürstaats-
Depeschen, theils für Privatnachrichten. Von Wien nach Nw über Lundenburg, Olmütz,
Böhmisch Trübau, Prag, Außig, Bodenbach 81'/z M., mit einem Flügel von Lundenburg
über Brünn nach Trübau 20'/Z M.; nach No über Olmütz, Oderderg, Bielitz, Krakau 37z/,o M.,
mit Flügel von Oderberg nach Troppau 52/, M., nach 0 über Preßburg, Neuhäusel, Pesth
39i/> M., nach W über Linz, Salzburg, Kuffstein, Innsbruck, Feldkirch, Bregenz 1041/4 M.,
nach Sw von Innsbruck, Brixen, Botzen, Trient, Roveredo, Verona, Peschiera, Bretzcia,
Mailand 58i/2 M., nach S über Graz, Marburg, Cilly, Laibach, Triest 71 M., die südliche
Verbindung von Triest über Görz, Udine, Venedig, Verona 50y, M., im Ganzen gegen
500 M. Telegraphenliuie.
Im Handel und Wandel wird nach Conventions gülden zu 60 Kreuzer, im Werth
von 20 Sgr. preuß. gerechnet, Goldmünzen sind die Kaiserdukaten zu 41/2 Fl., Silber-
münzen: 3, 5, 6, 10, 20 Kreuzer-, 1 und 2 Guldenstücke, Kupfermünzen zu 1,2,3
und 6 Kreuzerstücken, die jetzt seltner werden. Gold- und Silbermünzen oft sehr selten. Sehr
viel Papiergeld, in Banknoten zu I, 2, 5, 10, 50, 100, 1000 Fl., die früheren Ein-
lösungsscheine Wiener Währung vermindern sich; in neuester Zeit noch ungarische An-
weisungen, Münzscheine, Reichsschatzscheine. In Tyrol wird nach 24gulden fußigen
Gulden zu 50 Kreuzer, im lombardisch -venetianlschen Königreiche nach lira austriaca, 20 Krzr.
C.-M. gerechnet. Im Jahre 1848—49 wurden über 17y2 Mill. Fl. Münzen geprägt, um
dem Mangel an klingendem Geld abzuhelfen, 4441 Doppel-, 684,614 eins. Dukaten, 118,754
Zweigulden-, 3964 Guldenstücke, über 131/2 Mill. Zwanziger, gegen 90'/2 Mist. Sechskreuzer;
über 73/i Mist. kupferne Zweikrcuzer, 27*/, Einkreuzer, 652,800 Halbkreuzer, 232,635 Viertelkreuzer.
§. 23. Der Lehrstand und die Schulen. Sehr verschieden ist der Unterricht
über die einzelnen Länder des Staates verbreitet, in den westlichen, auch durch Gewerb-
thätigkeit ausgezeichneten Ländern steht er im Allgemeinen weit höher, als in den öst-
lichen, ja er schließt sich in den erstern dem der im Schulwesen gefördertsten Länder an,
so daß Lesen, Schreiben und Rechnen ziemlich allgemein unter den Bewohnern ver-
breitet sind, während in den letztern das Schulwesen erst auf den Anfangsstufen steht,
kaum '/3 — '/4 der schulpflichtigen Kinder die Schulen besuchen; in neuester Zeit ist
auch hier dem Schulwesen eine größere Thätigkeit zugewendet worden. Die meiste
Bildung ist unter den Bewohnern deutschen Stammes verbreitet, dann kommen die
Magyaren, Italiener und Böhmen; Wien, Prag und Gratz sind die Hauptsitze deut-
scher Gelehrsamkeit, Pesth der Sitz der magyarischen, Prag der czechischen, Pavia,
Padua, Mailand und Venedig Sitze der italienischen Gelehrsamkeit, von wo aus viel
für Hebung des geistigen Lebens geschieht, in der letzten Zeit namentlich auch unter den
Czechen und Magyaren. Unverkennbar ist der gute Wille der Behörden, den Unter-
richt zu befördern, nicht unbedeutend die Zahl der wiffenschaftlichen Gesellschaften und
Vereine, bedeutend die Zahl der Berufsschulen.
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- Inhalt: Zeit: Geographie
Europa. Das Kaiserthum Oesterreich. Siebenbürgen, Transtlbanien. Erdely. 1229
zuerst in der Mitte des 12. Jahrhunderts, und erhielten besondere Freiheiten. Ma-
gyaren, Szekler und Sachsen sind die herrschenden Völkerstämme; nach den von
ihnen vorzugsweis inne gehabten Bezirken zerfällt das Land in das Land der Ungarn
oder Magyaren, 7/,, im W uni) in der Mitte, das Land der Szekler, 2/n,
der hohe Gebirgs-80 und einige kleinere Bezirke der Mitte, das Land der Sachsen
2/,, , im 8 und Iv. Am volksdichtesten ist das Land der Sachsen mit 2850, dann
das der Szekler mit 2250, das der Ungarn mit 1950 E. auf Ihm. — Ihren reli-
giösen Verhältnissen nach gehören 610,000 der unirt-griechischen, 727,000 der nicht
unirt-griechischen, 223,000 der katholischen, 232,000 der lutherischen, 360,000 der
reformirten Kirche an, c. 50,000 sind Unitarier, 7000 Juden. Zur kathol. Kirche
gehören 2/3 der Szekler, zahlreiche Ungarn und Deutsche, der griechischen gehören alle
Walachen, die Zigeuner und Griechen an, die nichtunirten bilden die größere, die unirten
die kleinere Hälfte, der luther. sind alle Sachsen, viele Deutsche, 15,000 Ungarn, der
reformirten '/3 der Szekler und ein Theil der Ungarn, Unitarier sind '/7 der Szekler
und einige Ungarn zugethan. Das weibliche Geschlecht übertrifft das männliche um
32,000; ihren Ständen und ihrer Beschäftigung nach sind 5000 Geistliche, 82,000
Adlige, 5000 Beamte und Höhergestellte, 16,000 Gewerbsleute, 120,000 Bauern.
Die Gewerbthätigkeit noch wenig ausgebildet, am meisten unter Deutschen
und Sachsen, denen Siebenbürgen einen großen Theil seiner Kultur verdankt, Fa-
briken nur wenige bedeutende, zumeist in den Händen der Deutschen, Leinwand,
Tuch, Wollzeuge, zumeist als Nebenbeschäftigung, feine Kastorhüte, Talglichte,
Vitriol, Alaun, Salpeter, Kochsalz, Leder, Safsian, Papier, Pulver, Steingut, Glas,
Strohhüte, eiserne und kupferne Geräthe, Holzwaaren, Hausgeräthschaftcn, Seiler-
und Töpferwaaren, Hornkämme, Wachsbleichen, Holzkohlen, Pottasche sind die Haupt-
gegenstände.— Der Handel meist nur mit Naturprodukten: Salz, Getreide, Rinder,
Pferde, Talg, Wachs, Honig, Holz, Wolle, Schweine, Häute, Felle, Eisen, Spieß-
glanz, Gold, Silber zur Aus-, Tuch, Leinwand, Woll- und Scidenzeuge, Galanterie-
waaren, Glas, Specereien u. s. w. zur Einfuhr, lebhafter Durchfuhrhandel nach und
aus der Türkei. Hermannstadt, Kronstadt, Bistritz, Szamos-Ujvar sind die Haupt-
Handelsplätze. —
Für die geistige Bildung sorgen 1 Akademie, 8 Lyceen, 3 theologische Lehranstalten,
25 Gymnasien, 5 Special-, 47 Haupt-, 1362 Trivial-, 286 Mädchen-, 3 Wieder,
holungsschulen, 1 Museum, mehrere wissenschaftliche und technische Vereine.
In alter Zeit ein Theil von Dacien, später römischer Provinzentheil, vom Ende
des 3. Jahrhunderts an von germanischen und andern Völkerschaften durchzogen, im
11. Jahrhundert Besitzthum der Magyaren, in der Mitte des 12. Jahrhunderts durch
sächsische Kolonisten, wahrscheinlich vom Niederrhein, die zum Anbau, zur Sittigung
und Vertheidigung ins Land gerufen wurden, theilweis bevölkert, lange Zeit Theil von
Ungarn, bis es 1538 in dem siebenbürgischen Woiwoden Zapolya einen eigenen Fürsten
erhielt, der auch über einen Theil von Ungarn herrschte, 154 Jahre bestand es als
selbstststä'ndiges Fürstenthum, bald unter türkischer, bald unter römisch-kaiserlicher
Oberhoheit, 1699 vom Fürsten Michael Apasi Ii. gegen ein Jahrgeld an Kaiser Leo»
pold I. abgetreten, 1765 zu einem Großfürstenthum erhoben, 1849 der Union mit
Ungarn widerstrebend, 1850 zu einem selbstständigen Kronenland mit Gebietserweite-
rung erhoben. Früher in das Land der Ungarn, der Szekler und der Sachsen,
mit 8 Komitaten, 14 Stühlen, 3 Bezirken und der siebenbürgischen Militärgrenze,
jetzt in 5 Kreise: Hermannstadt, Karlsburg, Klausenburg, Dees, Maros-Vasarhely
mit 36 Bezirkshauptmannschaften getheilt, die aber noch nicht ganz festgestellt sind,