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wurde, den Schein zu erwecken, als ob er unter der gesetzlichen Herrschaft des Volkes und Senates die erste brgerliche Stellung einnehme.
Dem Volk blieb daher die gesetzgebende Gewalt und die Ernennung der Beamten; doch hatte Octavian durch das tribunicische Amt, das er auf Lebenszeit erhielt, das Recht, die Gesetzgebung zu leiten1); das Recht der Beamten whl vollends wurde durch die Bestimmung, da nur die vom Princeps gebilligten Männer zur Wahl zugelassen wurden, fr das Volk bei-nahe aufgehoben.
Grer war die Macht des Senates 2); denn nicht nur erschien der Prin-cipat von seiner Wahl abhngig, sondern Octavian gab ihm auch das Recht, fr eine Reihe von Provinzen die Statthalter zu ernennen und belie ihm die Stellung einer beratenden Behrde; freilich dadurch, da Octavian zuerst stimmte, bte er einen beherrschenden Einflu im Senate aus.
Die volle Macht im Staate besa Octavian jedoch durch den Oberbefehl der die gesamte Kriegsmacht; Stellung und Namen des Imperators be-hielt er dauernd; dies fhrte dazu, nach Rom ein Hauptquartier (praetorium) zu verlegen; 9 Kohorten Prtorianer (Garde) teils in Rom teils in Italien bernahmen die Wache in dem kaiserlichen Palast und in den Orten, wo sich der Kaiser aufhielt3). Die Legionen standen ausschlielich in den kaiserlichen, an den Grenzen gelegenen Provinzen; sie schworen dem Imperator den Eid, wurden von ihm allein ausgehoben 4), erhielten durch ihn die Befehls-habet und die Lhnung ^); sie waren in stehende Heere umgewandelt und lagen in festen Standorten (Garnisonen).
Wie den Oberbefehl zu Lande, so hatte Octavian auch den zur See; mit den Flotten, die in den Kriegshfen zu Misenum (in Kompanien, unweit von Neapel) und Ravenna (sdl. von der Pomndung) lagen, beherrschte er die italischen Ksten; dadurch ermglichte er auch die regelmige Getreidezufuhr nach der Hauptstadt, eine Sorge (cura annonae), die er unmittelbar in die Hand nahm. Eine Polizei Mannschaft (vigiles) unter dem praefectus urbi hielt in Rom die ffentliche Ordnung aufrecht.
Auf die imperatorische Macht gesttzt, erhob sich der Princeps all-gewaltig der Volk und Senat; seine zusammenfassende Macht spiegelte sich in dem ausschlielichen Recht, Gold- und Silbermnzen mit seinem Bildnis zu
1) Auch traten kaiserliche Verordnungen (constitutiones) den Gesetzen zur Seite.
2) Octavian schuf ihn neu, indem er eine Anzahl Senatoren ernannte und diese dann wieder anbere (durch Kooptation) whlten.
3) Fr den Dienst der einzelnen Mitglieber des kaiserlichen Hauses gab es auch eine germanische Leibwache in Rom.
4) Die in Rom ftehenben Truppen wrben in Italien ausgehoben, sonst fanb ein dilectus nicht mehr statt. Man trat freiwillig ins Heer unter bestimmten Bedingungen, welche die Dienstzeit, den Solb und die Versorgung nach der Dienstzeit betrafen; die Prtorianer bienten 16, die Legionare 20 Jahre. Die Legionen in den Provinzen, an beren Spitze jetzt legati stauben, ergnzten sich aus den Provinzen und zwar ausschlielich durch rmische Brger; die fortschreitend Verleihung des rmischen Brgerrechts und die zahlreichen Militrkolonien ermglichten biefe Ergnzung. Die cobortes vigilum wrben aus Freigelassenen gebildet.
5) Die doppelte Verwaltung der Provinzen durch den Senat und den Kaiser fhrte zu der Errichtung einer doppelten Kasse, des aerarium (Reichskasse) und des kaiserlichen fiscus.
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29
Ein Fürst traf auf einem Spazierritte einen fleißigen
und frohen Landmann an dem Ackergeschäft an und ließ
sich mit ihm in ein Gespräch ein. Nach einigen Fragen
erfuhr er, daß der Acker nicht sein Eigenthum sei, sondern
daß er als Taglöhner täglich um 15 kr. arbeite. Der Fürst,
der für sein schweres Regiernngsgeschäft freilich mehr Geld
brauchte und zu verzehren hatte, konnte es in der Ge-
schwindigkeit nicht ausrechnen, wie es möglich sei, täglich
mit 15 kr. auszureichen und noch so frohen Muthes dabei
zu sein, und verwunderte sich darüber. Aber der brave
Mann im Zwilchrock erwiederte ihm: „Es wäre mir s
übel gefehlt, wenn ich so viel brauchte. Mir muß ein
Drittheil davon genügen; mit einem Drittheil zahle ich
meine Schulden ab, und den übrigen Drittheil lege ich auf
Kapitalien an/' Das war dem guten Fürsten ein neues
Räthsel. Aber der fröhliche Landmann fuhr fort und sagte:
„Ich theile meinen Verdienst mit meinen alten Eltern, die
nicht mehr arbeiten können, und mit meinen Kindern,
die es erst lernen müssen; jenen vergelte ich die Liebe,
die sie nnr in meiner Kindheit erwiesen haben, und von
diesen hoffe ich, daß sie mich einst in meinem müden Alter
auch nicht verlassen werden." War das nicht artig gesagt
und noch schöner und edler gedacht und gehandelt? Der
Fürst belohnte die Rechtschaffenheit des wackern Mannes,
sorgte für seine Söhne, und der Segen, den ihm seine
sterbenden Eltern gaben, wurde ihm im Alter von seinen
dankbaren Kindern durch Liebe und Unterstützung redlich
entrichtet.
Aber ein Anderer ging mit seinem Vater, welcher
durch Alter und Kränklichkeit freilich wunderlich gewor-
den war, so übel um, daß dieser wünschte, in ein Armen-
spital gebracht zu werden, das im nämlichen Orte war.
Dort hoffte er wenigstens bei dürftiger Pflege von den
Vorwürfen frei zu werden, die ihm daheim die letzten
Tage seines Lebens verbitterten. Das war dem undank-
baren Sohne ein willkommenes Wort. Ehe die Sonne
hinter den Bergen hinabging, war dem armen, alten
Greis sein Wunsch erfüllt. Aber dieser fand im Spital
auch nicht Alles, wie er es wünschte. Wenigstens ließ
er seinen Sohn nach einiger Zeit bitten, ihm die letzte
Wohlthat zu erweisen und ihm ein paar Leintücher zu
schicken, damit er nicht alle Nacht auf bloßem Stroh schla-
fen müßte. Der Sohn suchte die zwei schlechtesten, die er
hatte, heraus und befahl seinem zehnjährigen Kinde, sie
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Vorwort zur dritten Auslage.
Bei der dritten Auflage hat der Vers., um jede
Störung bei dem gleichzeitigen Gebrauch verschiedener
Auflagen zu vermeiden, sich aller Aenderungen ent-
halten, nur mit Ausnahme derer, die zur Herbei-
führung einer immer größeren Korrektheit und Gleich-
mäßigkeit im Einzelnen unerläßlich schienen.
Die mit der ersten Auflage des Lesebuchs gleich-
zeitig erschienene, als Vorrede für jenes dienende
Schrift über Zweck, Plan und Einrichtung des Lese-
buchs für die Volksschule, wird demnächst in einer
zweiten, theilweise umgearbeiteten Auflage ausgegeben
werden. Um so mehr kann sich der Verf. für Alles
das auf sie beziehen, was er sonst in diesem Vorwort
zu bemerken haben würde.
Im Juni 1851.
Vorwort zur vierten,fünften, sechsten, sieben-
ten, achten, neunten und zehnten Auslage.
Die zehnte Auflage erscheint ebenso wie die vor-
hergehenden ohne eine wesentliche Abänderung, damit
das Lesebuch ohne Störung in den Schulen verwendet
werden kann.
Der rasche Absatz der bereits erschienenen neun
bedeutenden Auslagen in so kurzer Zeit seines Er-
scheinens gibt dem Werke die beste Empfehlung.
Im November 1853; im Juli 1857; im Okto-
der 1859; im September 1861; Mai 1864; Novem-
der 1867; August 1869; Januar 1871 ; Mai 1873.
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43
wie aus einem überwältigten Herzen kam, wenigstens über-
wältigte sie dem Herrn Charles das seinige. „Herr
Charles," dachte er, „und ein armer polnischer Fuhrmann"
— und als der Pole schon anfing, eines der Kinder nach
dem andern zum Abschied zu küssen, und sie auf polnisch
zur Folgsamkeit und Frömmigkeit ermahnte, „guter Freund,"
sagte der Herr Charles, „bleibt noch ein wenig da. Ich
bin doch so arm nicht, daß ich euch nicht euern wohl-
verdienten Fuhrlohn bezahlen könnte, so ich doch die Fracht
euch abgenommen habe." und gab ihm die fünfhundert
Rubel. Also sind jetzt die Kindlein versorgt, der Fuhrlohn
ist bezahlt, und so ein oder der andere geneigte Leser vor
den Thoren der großen Stadt hätte zweifeln mögen, ob der
Vetter auch zu finden sei, und ob er's thun werde, so
hat doch die heilige Vorsehung ihn nicht einmal dazu
vonnöthen gehabt.
16. Ein gutes Recept.
In Wien der Kaiser Joseph war ein weiser und
wohlthätiger Monarch, wie Jedermann weiß, aber nicht
alle Leute wissen, wie er einmal der Doktor gewesen ist
und eine arme Frau kurirt hat. -Eine arme kranke Frau
sagte zu ihrem Büblein: „Kind, hole nur einen Doktor,
sonst kann ich's nimmer aushalten vor Schmerzen." Das
Büblein lief zum ersten Doktor und zum zweiten, aber
keiner wollte kommen, denn in Wien kostet ein Gang zu
einem Patienten einen Gulden, und der arme Knabe hatte
nichts als Thränen, die wohl im Himmel für gute Münze
gelten, aber nicht bei allen Leuten auf der Erde. Als er
aber zum dritten Doktor auf dem Wege war oder heim,
fuhr langsam der Kaiser in einer offenen Kutsche an ihm
vorbei; der Knabe hielt ihn wohl für einen reichen Herrn,
ob er gleich nicht wußte, daß es der Kaiser ist, und
dachte: Ich will's probiren. „Gnädiger Herr," sagte
er, „wollet ihr mir nicht einen Gulden schenken, seid so
barmherzig!" Der Kaiser dachte: „Der faßt's kurz und
denkt, wenn ich den Gulden auf einmal bekomme, so
brauch ich nicht sechzigmal um den Kreuzer zu betteln."
„Thut's ein Käsperlein oder zwei Vierundzwanziger nicht
auch?" fragt ihn der Kaiser. Das Büblein sagte:
„Nein," und offenbarte ihm, wozu er des Geldes be-
nöthigt sei. Also gab ihm der Kaiser den Gulden und
ließ sich genau von ihm beschreiben, wie seine Mutter
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Extrahierte Personennamen: Charles Charles Charles Joseph
77
feit, bei geringer oder großer Habe, ist immer Reichthum
und stellt dich in gleiche Reihe mit dem stolzesten Ritter
vom goldenen Vließ. O, so sei denn weise und laß Thätig-
keit am Morgen mit dir gehen und dich begleiten, bis die
Abendglocke zur Ruhe läutet. Laß Rechtschaffenheit sein wie
den Athem deiner Seele, und vergiß nie, einen Pfennig
übrig zu haben, wenn alle deine Ausgaben berechnet und
bezahlt sind: dann wirst du den Gipfel irdischer Glückselig-
keit erreichen und Unabhängigkeit wird dein Schild und Har-
nisch, dein Helm und deine Krone sein; dann wird deine
Seele aufrecht gehen und sich nicht vor dem Schurken in
Seide bücken, weil er Schätze besitzt; dann wirst du keinen
Schlag einstecken, weil die Hand, die ihn droht, einen dia-
mantenen Ring trägt
36. Nöthige Winke für Diejenigen, die gern
reich werden möchten.
Der ganze Vortheil, den der Besitz des Geldes
verschafft, ist der Gebrauch des Geldes.
Vorausgesetzt, dass du ein Mann von anerkannter
Klugheit und Rechtschaffenheit bist, so kannst du mit
fünf Thalern jährlich dir den Gebrauch von hundert
Thalern verschaffen.
Wer des Tags vier Pfennige durch Müssiggang ver-
liert, der verliert jährlich über fünf Thaler, das heisst, er
verliert den Preis von hundert Thalern. Wer, einen Tag
in den andern gerechnet, täglich vier Pfennige unnütz
ausgibt, der gibt abermals damit den Vortheil aus,
täglich hundert Thaler zu seinem Gebrauch zu haben.
Wer unnöthiger Weise einen Thaler werth von seiner
Zeit verschwendet, der verliert einen Thaler und handelt
nicht klüger, als wenn er geradezu einen Thaler zum
Fenster hinauswürfe. Wer einen Thaler verliert, ver-
liert nicht allein diese Summe, sondern zugleich alle Vor-
theile, die er erwarben konnte, wenn er sie auf irgend eine
Art angelegt oder umgesetzt hätte, und diess beträgt
in der Zeit, dass ein junger Mann alt wird, eine beträcht-
liche Summe. Weiter: Wer auf Credit verkauft, fordert
einen Preis für seine Waare, der dem Kapital und den
Zinsen seines Geldes für die Zeit, die es ihm ausbleibt,
gleich kömmt: folglich bezahlt der, der auf Credit kauft,
Zinsen für das, was er kauft, und der, welcher baar be-
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zahlt, hätte sein Geld sonst benutzen können, so dass im
Grunde jeder, der etwas besitzt, was er gekauft hat,
den Gebrauch davon verzinst. Doch ist es beim Kaufen
immer besser, baar zu bezahlen, weil Derjenige, der
auf Credit verkauft, darauf rechnet, durch schlimme
Schulden fünf am hundert zu verlieren, und desshalb
auf Alles, was er so verkauft, so viel schlägt, dass ihm
jeder Schade wieder beikömmt.
Wer, was er kauft, auf Credit nimmt, bezahlt seinen
Theil von jenem Aufschlag.
Wer mit baarem Gelde bezahlt, entgeht, oder kann
doch jener Auflage entgehen.
37. Salomon und der Sämann.
Im Feld der König Salomon
Schlägt unterm Himmel auf den Thron;
Da sieht er einen Sämann schreiten,
Der Körner wirft nach allen Seiten.
Was machst du da? der König spricht,
Der Boden hier trägt Erndte nicht;
Laß ab vom thörichten Beginnen,
Du wirst die Aussaat nicht gewinnen.
Der Sämann, seinen Arm gesenkt,
Unschlüssig steht er still und denkt;
Dann fährt er fort, ihn rüstig hebend,
Dem weisen König Antwort gebend:
Ich habe nichts als dieses Feld,
Geackert hab' ich's und bestellt.
Was soll ich weiter Rechnung pflegen?
Das Korn von mir, von Gott der Segen.
38. Nuschirwan und der Greis.
Nuschirwan, ein reicher Fürst des Morgenlandes,
fand auf seiner Jagdpartie einen Greis, der einen Nuss-
baum pflanzte. „Alter!“ redete er ihn an, „denkst Du,
dass dieser Baum Dir noch Früchte geben soll?'4 „Früchte
soll er geben,“ antwortete der Alte, „das denk’ ich, wenn
nicht mir, doch meinen Eukeln. Andere pflanzten und
ich genoss; nun will ich pflanzen, dass Andere geniessen
mögen.“ „Sih!“ rief Nuschirwan. Nun ist zu'wissen,
dass, so oft Nuschirwan das Wörtchen Sih! ausrief, der
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83
machen ein Viel. Nehmt euch vor kleinen Ausgaben in
Acht; ein kleiner Leck versenkt ein grosses Schiff. Ein
leckrer Gaumen führt zum Bettelstab; Narren bezahlen
die Schüsseln, und die klugen Leute verzehren sie.
Ihr habt euch hier zu einer öffentlichen Versteigerung
von allerhand Kaufmannsgut und Galanteriewaaren ver-
sammelt. Ihr nennt diese Dinge Güter, aber wenn ihr
nicht auf eurer Hut seid, so werden sie für Einige unter
euch zu Uebeln werden. Ihr denkt, sie werden wohlfeil,
vielleicht weit unter ihrem Werthe weggehen; allein wenn
ihr sie nicht unentbehrlich braucht, so werdet ihr sie auf
jeden Fall zu theuer bezahlen. Kaufet nur, was ihr nicht
nöthig habt, so werdet ihr bald das Nöthige verkaufen
müssen. Viele haben sich bloss durch ihr wohlfeiles Ein-
käufen zu Grunde gerichtet. Bedenke dich immer ein
wenig, ehe du einen guten Handel eingehst. Der Vortheil
desselben ist oft bloss scheinbar : der Kauf kann, indem
er dich von deinem Gewerbe abzieht, dir im Grunde un-
endlich mehr schaden als Gewinn bringen. 0, es ist
eine grosse Thorheit, die Reue theuer zu bezahlen, und
gleichwohl wird diese Thorheittäglich in Versteigerungen
begangen, weil man nicht an das Sprichwort denkt, wel-
ches sagt: Der Weise wird durch fremden Schaden klug,
ein Narr kaum durch seinen eigenen. Ich kenne Leute,
die um eine schöne Halskrause gern fasten und ihren
eigenen Kindern das Brod entziehen. Scharlach und Seide,
Sammet und Atlas löschen das Feuer in der Küche aus.
Weit entfernt, Bedürfnisse zu sein, gehören sie kaum un-
ter die Bequemlichkeiten des Lebens: man wünscht sie,
bloss weil sie ins Auge fallen. So sind die künstlichen
Bedürfnisse der Menschen zahlreicher geworden als ihre
natürlichen, und so gerathen reiche Leute in Armuth und
müssen oft von denen borgen, die sie sonst kaum über die
Achsel an sahen, die sich aber durch Sparsamkeit undfleiss
im Wohlstände erhielten. Mancher, der am meisten klagt,
hatte ein artiges Vermögen geerbt, er vergass aber, wie
er dazu gekommen, und dachte: nun ist es helle und wird
nicht wieder dunkel; eine so geringe Ausgabe von einem
Vermögen, wie das meinige, kömmt nicht in Betracht:
aber, wie das Sprichwort sagt, wenn man immer aus dem
Mehlfasse nimmt und nicht wieder hineinfüllt, kömmt man
bald auf den Boden, und wenn der Brunnen trocken ist,
schätzt man erst das Wasser. Lieben Freunde, wollt ihr
wissen, was das Geld werth ist, so geht hin und borgt
6 *
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271
Die meisten Pflanzen haben eine wunderbare Ver-
mehrungskraft, wie jeder aufmerksame Landwirth wohl weiß.
Tausend Samenkörner von einer einzigen Pflanze, so lange
sie lebt, ist zwar schon viel gesagt, nicht jede trägt's, aber
es ist auch noch lange nicht das Höchste. Man hat schon
an einer einzigen Tabakspflanze 40,000 Körnlein gezählt,
die sie in einem Jahre zur Reife brachte. Man schätzt eine
Eiche, daß sie 500 Jahre leben könne. Aber wenn wir
uns nun vorstellen, daß sie in dieser langen Zeit nur 5omal
Früchte trage und jedesmal in ihren weit verbreiteten
Aesten und Zweigen nur 500 Eicheln, so liefert sie doch
25,000, wovon jede die Anlage hat, wieder ein solcher
Baum zu werden. Gesetzt, daß dieses geschehe, und es ge-
schehe bei jeder von diesen wieder, so hätte sich die einzige
Eiche in der zweiten Abstammung schon zu einem Walde
von 625 Millionen Bäumen vermehrt. Wie viel aber eine
Million oder looomal 1000 sei, glaubt man zu wissen,
und doch erkennt es nicht Jeder. Denn wenn Ihr ein gan-
zes Jahr lang vom 1. Januar bis zum 31. December alle
Tage 1000 Striche an eine große Wand schreibet, so habt
Ihr am Ende des Jahres noch keine Million, sondern erst
365,000 Striche, und das zweite Jahr noch keine Million,
sondern erst 730,000 Striche, und erst am 26. September
des dritten Jahres würdet Ihr zu Ende kommen. Aber
unser Eichenwald hätte 625 solcher Millionen, und so wäre
es bei jeder andern Art von Pflanzen nach Verhältniß in
noch viel kürzerer Zeit, ohne an die zahlreiche Vermehrung
durch Augen, Wurzelsprossen und Knollen zu gedenken.
Wenn man sich also einmal über diese große Kraft in der
Natur gewundert hat, so hat man sich über den großen
Reichthum an Pflanzen aller Art nicht mehr zu verwundern.
Obgleich viele tausend Körner und Körnlein alle Jahre von
Menschen und Thieren verbraucht werden, viele tausend
im Boden ersticken oder im Aufkeimen durch ungünstige
Witterung und andere Zufälle wieder zu Grunde gehen,
so bleibt doch, Jahr aus Jahr ein, ein freudiger und un-
zerstörbarer Ueberfluß vorhanden. Auf der ganzen, weiten
Erde fehlt es nirgends an Gesäme, überall nur an Platz
und Raum.
Aber wenn jeder reife Kern, der sich von seiner
Mutterpflanze ablöset, unter ihr zur Erde fiele und liegen
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85
gierung denken, die bei schwerer Strafe auferlegte, euch
wie Personen von Stande zu kleiden? Würdet ihr nicht
sagen, ihr wäret freie Leute, hättet das Recht, euch nach
eurem Belieben zu kleiden; der Befehl kränke eure Frei-
heiten, die Regierung wäre tyrannisch ? Gleichwohl unter-
werft ihr euch selbst einer solchen Tyrannei, wenn ihr
des Kleiderstaats wegen euch in Schulden steckt. Euer
Gläubiger hat dasrecht, sobald es ihm gefällt, euch eurer
Freiheit zu berauben. Wenn ihr nicht im Stande seid
zu zahlen, kann er euch euer ganzes Eigenthum ab-
pfänden lassen. Als ihr den Kauf schlosset, dachtet
ihr vielleicht wenig an die Bezahlung; Gläubiger haben
ein besseres Gedächtniss als Schuldner. Die Gläubi-
ger sind Tag wähler und geben genau auf Termin und
Verfallzeit Acht. Der Zahlungstag bricht an, ehe ihr noch
aufgewacht seid, und die Schuldforderung ist da, ehe ihr
zur Befriedigung Anstalt gemacht habt. Oder denkt ihr
auch daran, so wird euch der Termin, der erst so lang
schien, fürchterlich kurz vorkommen: ihr werdet glauben,
die Zeit habe zu ihren Flügeln an den Achseln auch noch
Flügel an die Ferse bekommen. Der hat kurze Fasten,
der Geld schuldig ist, das zu Ostern bezahlt werden soll.
Vielleicht seid ihr eben jetzt in Umständen, dass ihr eine
kleine Thorheit begehen könnt, ohne dafür zu büssen, al-
leinlegt lieber etwas für das Alter und Nothfälle zurück:
denn wie das Sprichwort sagt: die Morgenröthe währt
nicht den ganzen Tag. Der Verdienst kann von kurzer
Dauer und ungewiss sein, die Ausgaben aber sind gewiss
und dauern, so lange ihr lebt. Man kaun leichter zwei
Heerde bauen, als auf einem immer Feuer halten. Geh
lieber ohne Abendbrod zu Bette, als dass du mit Schulden
aufstehst. Erwirb so viel du kannst, und halt zu Rathe,
was du erworben hast. Das ist das ächte Geheimniss,
Blei in Gold zu verwandeln. Wer diesen Stein der Weisen
besitzt, der wird nicht länger über schlechte Zeiten
oder drückende Abgaben klagen.
So, meine Freunde, lauten die Lehren der Vernunft
und Klugheit. Doch dürft ihr euch nicht allein auf euren
Fleiss, eure Sparsamkeit und Wachsamkeit verlassen. So
vortreffliche Dinge das sind, so werden sie euch doch
ohne den Segen des Himmels wenig helfen. Bittet deshalb
demüthig um diesen Segen, und seid nicht hart gegen
den, der desselben entbehrt, sondern springt ihm hülf-
reich bei. Bedenkt, dass Hiob litt und doch hernach
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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90
zugleich mit mehreren Kaufleuten an dem Gasthause vor-
über, die Wirthin steht an der Thüre, sie sagen ihr, daß
sie soeben mit diesen Kaufleuten ein Geschäft abschließen
wollten, sie bestellten zugleich ein Abendessen. Aber noch
vor der Zeit des Abendessens kommt einer der beiden
Fremden und bittet sich die Kiste aus, weil das Geschäft
abgeschlossen sei. Die Wittwe hat kein Arges, sie hatte
beide eben zusammen gesehen, beide hatten auf den Abend
Essen bestellt; so gibt sie das Geld heraus, der Fremde
entfernt sich damit. Abends kommt der andere, er fragt
nach dem anvertrauten Schatze; sie antwortet, daß sein
Freund und Genosse das Geld vor einer Stunde schon ab-
geholt. Der Fremde kommt darüber in große Bestürzung,
sein Gefährte bleibt aus. Nun hält er der Frau vor, daß
sie wider den Vertrag gehandelt, er fordert Schadlos-
haltung, er hat bereits auf Ersatz des anvertrauten Gutes
geklagt. — Ivo tröstet die Frau und verspricht ihr seinen
Beistand.
Des andern Tages meldete er sich mit ihr bei Gericht,
er wird der Verklagten als Rechtsanwalt zugeordnet. Der
Kläger wiederholt seine Klage, er beruft sich auf den In-
halt des Verwahrungs-Vertrags. Verklagte muß den Ver-
trag einräumen, sie kann auch nicht leugnen, dagegen ge-
handelt zu haben. Kläger bittet um ihre Vernrtheilung
nach dem Inhalte des Vertrags. Deren bedarf es nicht,
erwidert Ivo, der Advocat. Die Geldkiste ist nicht verloren;
die Verklagte wird sie ausantworten, sobald sie von Rechts-
wegen dazu verurtheilt ist. Rein, antwortete der Kläger,
keine Frist, keine Bedingung! Entweder das Geld zur
Stelle oder augenblickliche Vernrtheilung. Die Verurthei-
lung, erwidert Ivo, kann nur nach dem Inhalte des Ver-
trags geschehen, wie du ihn selbst angegeben hast; die Frau
ist zur Herausgabe nicht eher schuldig, als bis dein Ge-
schäftsfreund und Reisegefährte, der so plötzlich verschwunden
ist, zugleich mit dir dazu erscheint. — Hier wird der Kläger
verlegen, er sieht sich in seiner eignen List gefangen, er
fürchtet sich verrathen, er sucht vergeblich sich heraus zu
reden, endlich entdeckt es sich, daß sich beide Fremde zu dem
Betrüge gegen die einfältige Frau verbunden hatten. Die
Verklagte wird nun freigesprochen, der Kläger wegen seines
Betrugs bestraft.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief]]