Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Lehrbuch der Geschichte für die Ober-Secunda höherer Lehranstalten - S. 96

1895 - Gotha : Perthes
96 wurde, den Schein zu erwecken, als ob er unter der gesetzlichen Herrschaft des Volkes und Senates die erste brgerliche Stellung einnehme. Dem Volk blieb daher die gesetzgebende Gewalt und die Ernennung der Beamten; doch hatte Octavian durch das tribunicische Amt, das er auf Lebenszeit erhielt, das Recht, die Gesetzgebung zu leiten1); das Recht der Beamten whl vollends wurde durch die Bestimmung, da nur die vom Princeps gebilligten Männer zur Wahl zugelassen wurden, fr das Volk bei-nahe aufgehoben. Grer war die Macht des Senates 2); denn nicht nur erschien der Prin-cipat von seiner Wahl abhngig, sondern Octavian gab ihm auch das Recht, fr eine Reihe von Provinzen die Statthalter zu ernennen und belie ihm die Stellung einer beratenden Behrde; freilich dadurch, da Octavian zuerst stimmte, bte er einen beherrschenden Einflu im Senate aus. Die volle Macht im Staate besa Octavian jedoch durch den Oberbefehl der die gesamte Kriegsmacht; Stellung und Namen des Imperators be-hielt er dauernd; dies fhrte dazu, nach Rom ein Hauptquartier (praetorium) zu verlegen; 9 Kohorten Prtorianer (Garde) teils in Rom teils in Italien bernahmen die Wache in dem kaiserlichen Palast und in den Orten, wo sich der Kaiser aufhielt3). Die Legionen standen ausschlielich in den kaiserlichen, an den Grenzen gelegenen Provinzen; sie schworen dem Imperator den Eid, wurden von ihm allein ausgehoben 4), erhielten durch ihn die Befehls-habet und die Lhnung ^); sie waren in stehende Heere umgewandelt und lagen in festen Standorten (Garnisonen). Wie den Oberbefehl zu Lande, so hatte Octavian auch den zur See; mit den Flotten, die in den Kriegshfen zu Misenum (in Kompanien, unweit von Neapel) und Ravenna (sdl. von der Pomndung) lagen, beherrschte er die italischen Ksten; dadurch ermglichte er auch die regelmige Getreidezufuhr nach der Hauptstadt, eine Sorge (cura annonae), die er unmittelbar in die Hand nahm. Eine Polizei Mannschaft (vigiles) unter dem praefectus urbi hielt in Rom die ffentliche Ordnung aufrecht. Auf die imperatorische Macht gesttzt, erhob sich der Princeps all-gewaltig der Volk und Senat; seine zusammenfassende Macht spiegelte sich in dem ausschlielichen Recht, Gold- und Silbermnzen mit seinem Bildnis zu 1) Auch traten kaiserliche Verordnungen (constitutiones) den Gesetzen zur Seite. 2) Octavian schuf ihn neu, indem er eine Anzahl Senatoren ernannte und diese dann wieder anbere (durch Kooptation) whlten. 3) Fr den Dienst der einzelnen Mitglieber des kaiserlichen Hauses gab es auch eine germanische Leibwache in Rom. 4) Die in Rom ftehenben Truppen wrben in Italien ausgehoben, sonst fanb ein dilectus nicht mehr statt. Man trat freiwillig ins Heer unter bestimmten Bedingungen, welche die Dienstzeit, den Solb und die Versorgung nach der Dienstzeit betrafen; die Prtorianer bienten 16, die Legionare 20 Jahre. Die Legionen in den Provinzen, an beren Spitze jetzt legati stauben, ergnzten sich aus den Provinzen und zwar ausschlielich durch rmische Brger; die fortschreitend Verleihung des rmischen Brgerrechts und die zahlreichen Militrkolonien ermglichten biefe Ergnzung. Die cobortes vigilum wrben aus Freigelassenen gebildet. 5) Die doppelte Verwaltung der Provinzen durch den Senat und den Kaiser fhrte zu der Errichtung einer doppelten Kasse, des aerarium (Reichskasse) und des kaiserlichen fiscus.

2. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 31

1873 - Hildburghausen : Gadow
29 Ein Fürst traf auf einem Spazierritte einen fleißigen und frohen Landmann an dem Ackergeschäft an und ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein. Nach einigen Fragen erfuhr er, daß der Acker nicht sein Eigenthum sei, sondern daß er als Taglöhner täglich um 15 kr. arbeite. Der Fürst, der für sein schweres Regiernngsgeschäft freilich mehr Geld brauchte und zu verzehren hatte, konnte es in der Ge- schwindigkeit nicht ausrechnen, wie es möglich sei, täglich mit 15 kr. auszureichen und noch so frohen Muthes dabei zu sein, und verwunderte sich darüber. Aber der brave Mann im Zwilchrock erwiederte ihm: „Es wäre mir s übel gefehlt, wenn ich so viel brauchte. Mir muß ein Drittheil davon genügen; mit einem Drittheil zahle ich meine Schulden ab, und den übrigen Drittheil lege ich auf Kapitalien an/' Das war dem guten Fürsten ein neues Räthsel. Aber der fröhliche Landmann fuhr fort und sagte: „Ich theile meinen Verdienst mit meinen alten Eltern, die nicht mehr arbeiten können, und mit meinen Kindern, die es erst lernen müssen; jenen vergelte ich die Liebe, die sie nnr in meiner Kindheit erwiesen haben, und von diesen hoffe ich, daß sie mich einst in meinem müden Alter auch nicht verlassen werden." War das nicht artig gesagt und noch schöner und edler gedacht und gehandelt? Der Fürst belohnte die Rechtschaffenheit des wackern Mannes, sorgte für seine Söhne, und der Segen, den ihm seine sterbenden Eltern gaben, wurde ihm im Alter von seinen dankbaren Kindern durch Liebe und Unterstützung redlich entrichtet. Aber ein Anderer ging mit seinem Vater, welcher durch Alter und Kränklichkeit freilich wunderlich gewor- den war, so übel um, daß dieser wünschte, in ein Armen- spital gebracht zu werden, das im nämlichen Orte war. Dort hoffte er wenigstens bei dürftiger Pflege von den Vorwürfen frei zu werden, die ihm daheim die letzten Tage seines Lebens verbitterten. Das war dem undank- baren Sohne ein willkommenes Wort. Ehe die Sonne hinter den Bergen hinabging, war dem armen, alten Greis sein Wunsch erfüllt. Aber dieser fand im Spital auch nicht Alles, wie er es wünschte. Wenigstens ließ er seinen Sohn nach einiger Zeit bitten, ihm die letzte Wohlthat zu erweisen und ihm ein paar Leintücher zu schicken, damit er nicht alle Nacht auf bloßem Stroh schla- fen müßte. Der Sohn suchte die zwei schlechtesten, die er hatte, heraus und befahl seinem zehnjährigen Kinde, sie

3. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. V

1873 - Hildburghausen : Gadow
Vorwort zur dritten Auslage. Bei der dritten Auflage hat der Vers., um jede Störung bei dem gleichzeitigen Gebrauch verschiedener Auflagen zu vermeiden, sich aller Aenderungen ent- halten, nur mit Ausnahme derer, die zur Herbei- führung einer immer größeren Korrektheit und Gleich- mäßigkeit im Einzelnen unerläßlich schienen. Die mit der ersten Auflage des Lesebuchs gleich- zeitig erschienene, als Vorrede für jenes dienende Schrift über Zweck, Plan und Einrichtung des Lese- buchs für die Volksschule, wird demnächst in einer zweiten, theilweise umgearbeiteten Auflage ausgegeben werden. Um so mehr kann sich der Verf. für Alles das auf sie beziehen, was er sonst in diesem Vorwort zu bemerken haben würde. Im Juni 1851. Vorwort zur vierten,fünften, sechsten, sieben- ten, achten, neunten und zehnten Auslage. Die zehnte Auflage erscheint ebenso wie die vor- hergehenden ohne eine wesentliche Abänderung, damit das Lesebuch ohne Störung in den Schulen verwendet werden kann. Der rasche Absatz der bereits erschienenen neun bedeutenden Auslagen in so kurzer Zeit seines Er- scheinens gibt dem Werke die beste Empfehlung. Im November 1853; im Juli 1857; im Okto- der 1859; im September 1861; Mai 1864; Novem- der 1867; August 1869; Januar 1871 ; Mai 1873.

4. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 45

1873 - Hildburghausen : Gadow
43 wie aus einem überwältigten Herzen kam, wenigstens über- wältigte sie dem Herrn Charles das seinige. „Herr Charles," dachte er, „und ein armer polnischer Fuhrmann" — und als der Pole schon anfing, eines der Kinder nach dem andern zum Abschied zu küssen, und sie auf polnisch zur Folgsamkeit und Frömmigkeit ermahnte, „guter Freund," sagte der Herr Charles, „bleibt noch ein wenig da. Ich bin doch so arm nicht, daß ich euch nicht euern wohl- verdienten Fuhrlohn bezahlen könnte, so ich doch die Fracht euch abgenommen habe." und gab ihm die fünfhundert Rubel. Also sind jetzt die Kindlein versorgt, der Fuhrlohn ist bezahlt, und so ein oder der andere geneigte Leser vor den Thoren der großen Stadt hätte zweifeln mögen, ob der Vetter auch zu finden sei, und ob er's thun werde, so hat doch die heilige Vorsehung ihn nicht einmal dazu vonnöthen gehabt. 16. Ein gutes Recept. In Wien der Kaiser Joseph war ein weiser und wohlthätiger Monarch, wie Jedermann weiß, aber nicht alle Leute wissen, wie er einmal der Doktor gewesen ist und eine arme Frau kurirt hat. -Eine arme kranke Frau sagte zu ihrem Büblein: „Kind, hole nur einen Doktor, sonst kann ich's nimmer aushalten vor Schmerzen." Das Büblein lief zum ersten Doktor und zum zweiten, aber keiner wollte kommen, denn in Wien kostet ein Gang zu einem Patienten einen Gulden, und der arme Knabe hatte nichts als Thränen, die wohl im Himmel für gute Münze gelten, aber nicht bei allen Leuten auf der Erde. Als er aber zum dritten Doktor auf dem Wege war oder heim, fuhr langsam der Kaiser in einer offenen Kutsche an ihm vorbei; der Knabe hielt ihn wohl für einen reichen Herrn, ob er gleich nicht wußte, daß es der Kaiser ist, und dachte: Ich will's probiren. „Gnädiger Herr," sagte er, „wollet ihr mir nicht einen Gulden schenken, seid so barmherzig!" Der Kaiser dachte: „Der faßt's kurz und denkt, wenn ich den Gulden auf einmal bekomme, so brauch ich nicht sechzigmal um den Kreuzer zu betteln." „Thut's ein Käsperlein oder zwei Vierundzwanziger nicht auch?" fragt ihn der Kaiser. Das Büblein sagte: „Nein," und offenbarte ihm, wozu er des Geldes be- nöthigt sei. Also gab ihm der Kaiser den Gulden und ließ sich genau von ihm beschreiben, wie seine Mutter

5. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 79

1873 - Hildburghausen : Gadow
77 feit, bei geringer oder großer Habe, ist immer Reichthum und stellt dich in gleiche Reihe mit dem stolzesten Ritter vom goldenen Vließ. O, so sei denn weise und laß Thätig- keit am Morgen mit dir gehen und dich begleiten, bis die Abendglocke zur Ruhe läutet. Laß Rechtschaffenheit sein wie den Athem deiner Seele, und vergiß nie, einen Pfennig übrig zu haben, wenn alle deine Ausgaben berechnet und bezahlt sind: dann wirst du den Gipfel irdischer Glückselig- keit erreichen und Unabhängigkeit wird dein Schild und Har- nisch, dein Helm und deine Krone sein; dann wird deine Seele aufrecht gehen und sich nicht vor dem Schurken in Seide bücken, weil er Schätze besitzt; dann wirst du keinen Schlag einstecken, weil die Hand, die ihn droht, einen dia- mantenen Ring trägt 36. Nöthige Winke für Diejenigen, die gern reich werden möchten. Der ganze Vortheil, den der Besitz des Geldes verschafft, ist der Gebrauch des Geldes. Vorausgesetzt, dass du ein Mann von anerkannter Klugheit und Rechtschaffenheit bist, so kannst du mit fünf Thalern jährlich dir den Gebrauch von hundert Thalern verschaffen. Wer des Tags vier Pfennige durch Müssiggang ver- liert, der verliert jährlich über fünf Thaler, das heisst, er verliert den Preis von hundert Thalern. Wer, einen Tag in den andern gerechnet, täglich vier Pfennige unnütz ausgibt, der gibt abermals damit den Vortheil aus, täglich hundert Thaler zu seinem Gebrauch zu haben. Wer unnöthiger Weise einen Thaler werth von seiner Zeit verschwendet, der verliert einen Thaler und handelt nicht klüger, als wenn er geradezu einen Thaler zum Fenster hinauswürfe. Wer einen Thaler verliert, ver- liert nicht allein diese Summe, sondern zugleich alle Vor- theile, die er erwarben konnte, wenn er sie auf irgend eine Art angelegt oder umgesetzt hätte, und diess beträgt in der Zeit, dass ein junger Mann alt wird, eine beträcht- liche Summe. Weiter: Wer auf Credit verkauft, fordert einen Preis für seine Waare, der dem Kapital und den Zinsen seines Geldes für die Zeit, die es ihm ausbleibt, gleich kömmt: folglich bezahlt der, der auf Credit kauft, Zinsen für das, was er kauft, und der, welcher baar be-

6. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 80

1873 - Hildburghausen : Gadow
78 zahlt, hätte sein Geld sonst benutzen können, so dass im Grunde jeder, der etwas besitzt, was er gekauft hat, den Gebrauch davon verzinst. Doch ist es beim Kaufen immer besser, baar zu bezahlen, weil Derjenige, der auf Credit verkauft, darauf rechnet, durch schlimme Schulden fünf am hundert zu verlieren, und desshalb auf Alles, was er so verkauft, so viel schlägt, dass ihm jeder Schade wieder beikömmt. Wer, was er kauft, auf Credit nimmt, bezahlt seinen Theil von jenem Aufschlag. Wer mit baarem Gelde bezahlt, entgeht, oder kann doch jener Auflage entgehen. 37. Salomon und der Sämann. Im Feld der König Salomon Schlägt unterm Himmel auf den Thron; Da sieht er einen Sämann schreiten, Der Körner wirft nach allen Seiten. Was machst du da? der König spricht, Der Boden hier trägt Erndte nicht; Laß ab vom thörichten Beginnen, Du wirst die Aussaat nicht gewinnen. Der Sämann, seinen Arm gesenkt, Unschlüssig steht er still und denkt; Dann fährt er fort, ihn rüstig hebend, Dem weisen König Antwort gebend: Ich habe nichts als dieses Feld, Geackert hab' ich's und bestellt. Was soll ich weiter Rechnung pflegen? Das Korn von mir, von Gott der Segen. 38. Nuschirwan und der Greis. Nuschirwan, ein reicher Fürst des Morgenlandes, fand auf seiner Jagdpartie einen Greis, der einen Nuss- baum pflanzte. „Alter!“ redete er ihn an, „denkst Du, dass dieser Baum Dir noch Früchte geben soll?'4 „Früchte soll er geben,“ antwortete der Alte, „das denk’ ich, wenn nicht mir, doch meinen Eukeln. Andere pflanzten und ich genoss; nun will ich pflanzen, dass Andere geniessen mögen.“ „Sih!“ rief Nuschirwan. Nun ist zu'wissen, dass, so oft Nuschirwan das Wörtchen Sih! ausrief, der

7. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 85

1873 - Hildburghausen : Gadow
83 machen ein Viel. Nehmt euch vor kleinen Ausgaben in Acht; ein kleiner Leck versenkt ein grosses Schiff. Ein leckrer Gaumen führt zum Bettelstab; Narren bezahlen die Schüsseln, und die klugen Leute verzehren sie. Ihr habt euch hier zu einer öffentlichen Versteigerung von allerhand Kaufmannsgut und Galanteriewaaren ver- sammelt. Ihr nennt diese Dinge Güter, aber wenn ihr nicht auf eurer Hut seid, so werden sie für Einige unter euch zu Uebeln werden. Ihr denkt, sie werden wohlfeil, vielleicht weit unter ihrem Werthe weggehen; allein wenn ihr sie nicht unentbehrlich braucht, so werdet ihr sie auf jeden Fall zu theuer bezahlen. Kaufet nur, was ihr nicht nöthig habt, so werdet ihr bald das Nöthige verkaufen müssen. Viele haben sich bloss durch ihr wohlfeiles Ein- käufen zu Grunde gerichtet. Bedenke dich immer ein wenig, ehe du einen guten Handel eingehst. Der Vortheil desselben ist oft bloss scheinbar : der Kauf kann, indem er dich von deinem Gewerbe abzieht, dir im Grunde un- endlich mehr schaden als Gewinn bringen. 0, es ist eine grosse Thorheit, die Reue theuer zu bezahlen, und gleichwohl wird diese Thorheittäglich in Versteigerungen begangen, weil man nicht an das Sprichwort denkt, wel- ches sagt: Der Weise wird durch fremden Schaden klug, ein Narr kaum durch seinen eigenen. Ich kenne Leute, die um eine schöne Halskrause gern fasten und ihren eigenen Kindern das Brod entziehen. Scharlach und Seide, Sammet und Atlas löschen das Feuer in der Küche aus. Weit entfernt, Bedürfnisse zu sein, gehören sie kaum un- ter die Bequemlichkeiten des Lebens: man wünscht sie, bloss weil sie ins Auge fallen. So sind die künstlichen Bedürfnisse der Menschen zahlreicher geworden als ihre natürlichen, und so gerathen reiche Leute in Armuth und müssen oft von denen borgen, die sie sonst kaum über die Achsel an sahen, die sich aber durch Sparsamkeit undfleiss im Wohlstände erhielten. Mancher, der am meisten klagt, hatte ein artiges Vermögen geerbt, er vergass aber, wie er dazu gekommen, und dachte: nun ist es helle und wird nicht wieder dunkel; eine so geringe Ausgabe von einem Vermögen, wie das meinige, kömmt nicht in Betracht: aber, wie das Sprichwort sagt, wenn man immer aus dem Mehlfasse nimmt und nicht wieder hineinfüllt, kömmt man bald auf den Boden, und wenn der Brunnen trocken ist, schätzt man erst das Wasser. Lieben Freunde, wollt ihr wissen, was das Geld werth ist, so geht hin und borgt 6 *

8. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 273

1873 - Hildburghausen : Gadow
271 Die meisten Pflanzen haben eine wunderbare Ver- mehrungskraft, wie jeder aufmerksame Landwirth wohl weiß. Tausend Samenkörner von einer einzigen Pflanze, so lange sie lebt, ist zwar schon viel gesagt, nicht jede trägt's, aber es ist auch noch lange nicht das Höchste. Man hat schon an einer einzigen Tabakspflanze 40,000 Körnlein gezählt, die sie in einem Jahre zur Reife brachte. Man schätzt eine Eiche, daß sie 500 Jahre leben könne. Aber wenn wir uns nun vorstellen, daß sie in dieser langen Zeit nur 5omal Früchte trage und jedesmal in ihren weit verbreiteten Aesten und Zweigen nur 500 Eicheln, so liefert sie doch 25,000, wovon jede die Anlage hat, wieder ein solcher Baum zu werden. Gesetzt, daß dieses geschehe, und es ge- schehe bei jeder von diesen wieder, so hätte sich die einzige Eiche in der zweiten Abstammung schon zu einem Walde von 625 Millionen Bäumen vermehrt. Wie viel aber eine Million oder looomal 1000 sei, glaubt man zu wissen, und doch erkennt es nicht Jeder. Denn wenn Ihr ein gan- zes Jahr lang vom 1. Januar bis zum 31. December alle Tage 1000 Striche an eine große Wand schreibet, so habt Ihr am Ende des Jahres noch keine Million, sondern erst 365,000 Striche, und das zweite Jahr noch keine Million, sondern erst 730,000 Striche, und erst am 26. September des dritten Jahres würdet Ihr zu Ende kommen. Aber unser Eichenwald hätte 625 solcher Millionen, und so wäre es bei jeder andern Art von Pflanzen nach Verhältniß in noch viel kürzerer Zeit, ohne an die zahlreiche Vermehrung durch Augen, Wurzelsprossen und Knollen zu gedenken. Wenn man sich also einmal über diese große Kraft in der Natur gewundert hat, so hat man sich über den großen Reichthum an Pflanzen aller Art nicht mehr zu verwundern. Obgleich viele tausend Körner und Körnlein alle Jahre von Menschen und Thieren verbraucht werden, viele tausend im Boden ersticken oder im Aufkeimen durch ungünstige Witterung und andere Zufälle wieder zu Grunde gehen, so bleibt doch, Jahr aus Jahr ein, ein freudiger und un- zerstörbarer Ueberfluß vorhanden. Auf der ganzen, weiten Erde fehlt es nirgends an Gesäme, überall nur an Platz und Raum. Aber wenn jeder reife Kern, der sich von seiner Mutterpflanze ablöset, unter ihr zur Erde fiele und liegen

9. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 87

1873 - Hildburghausen : Gadow
85 gierung denken, die bei schwerer Strafe auferlegte, euch wie Personen von Stande zu kleiden? Würdet ihr nicht sagen, ihr wäret freie Leute, hättet das Recht, euch nach eurem Belieben zu kleiden; der Befehl kränke eure Frei- heiten, die Regierung wäre tyrannisch ? Gleichwohl unter- werft ihr euch selbst einer solchen Tyrannei, wenn ihr des Kleiderstaats wegen euch in Schulden steckt. Euer Gläubiger hat dasrecht, sobald es ihm gefällt, euch eurer Freiheit zu berauben. Wenn ihr nicht im Stande seid zu zahlen, kann er euch euer ganzes Eigenthum ab- pfänden lassen. Als ihr den Kauf schlosset, dachtet ihr vielleicht wenig an die Bezahlung; Gläubiger haben ein besseres Gedächtniss als Schuldner. Die Gläubi- ger sind Tag wähler und geben genau auf Termin und Verfallzeit Acht. Der Zahlungstag bricht an, ehe ihr noch aufgewacht seid, und die Schuldforderung ist da, ehe ihr zur Befriedigung Anstalt gemacht habt. Oder denkt ihr auch daran, so wird euch der Termin, der erst so lang schien, fürchterlich kurz vorkommen: ihr werdet glauben, die Zeit habe zu ihren Flügeln an den Achseln auch noch Flügel an die Ferse bekommen. Der hat kurze Fasten, der Geld schuldig ist, das zu Ostern bezahlt werden soll. Vielleicht seid ihr eben jetzt in Umständen, dass ihr eine kleine Thorheit begehen könnt, ohne dafür zu büssen, al- leinlegt lieber etwas für das Alter und Nothfälle zurück: denn wie das Sprichwort sagt: die Morgenröthe währt nicht den ganzen Tag. Der Verdienst kann von kurzer Dauer und ungewiss sein, die Ausgaben aber sind gewiss und dauern, so lange ihr lebt. Man kaun leichter zwei Heerde bauen, als auf einem immer Feuer halten. Geh lieber ohne Abendbrod zu Bette, als dass du mit Schulden aufstehst. Erwirb so viel du kannst, und halt zu Rathe, was du erworben hast. Das ist das ächte Geheimniss, Blei in Gold zu verwandeln. Wer diesen Stein der Weisen besitzt, der wird nicht länger über schlechte Zeiten oder drückende Abgaben klagen. So, meine Freunde, lauten die Lehren der Vernunft und Klugheit. Doch dürft ihr euch nicht allein auf euren Fleiss, eure Sparsamkeit und Wachsamkeit verlassen. So vortreffliche Dinge das sind, so werden sie euch doch ohne den Segen des Himmels wenig helfen. Bittet deshalb demüthig um diesen Segen, und seid nicht hart gegen den, der desselben entbehrt, sondern springt ihm hülf- reich bei. Bedenkt, dass Hiob litt und doch hernach

10. Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen - S. 92

1873 - Hildburghausen : Gadow
90 zugleich mit mehreren Kaufleuten an dem Gasthause vor- über, die Wirthin steht an der Thüre, sie sagen ihr, daß sie soeben mit diesen Kaufleuten ein Geschäft abschließen wollten, sie bestellten zugleich ein Abendessen. Aber noch vor der Zeit des Abendessens kommt einer der beiden Fremden und bittet sich die Kiste aus, weil das Geschäft abgeschlossen sei. Die Wittwe hat kein Arges, sie hatte beide eben zusammen gesehen, beide hatten auf den Abend Essen bestellt; so gibt sie das Geld heraus, der Fremde entfernt sich damit. Abends kommt der andere, er fragt nach dem anvertrauten Schatze; sie antwortet, daß sein Freund und Genosse das Geld vor einer Stunde schon ab- geholt. Der Fremde kommt darüber in große Bestürzung, sein Gefährte bleibt aus. Nun hält er der Frau vor, daß sie wider den Vertrag gehandelt, er fordert Schadlos- haltung, er hat bereits auf Ersatz des anvertrauten Gutes geklagt. — Ivo tröstet die Frau und verspricht ihr seinen Beistand. Des andern Tages meldete er sich mit ihr bei Gericht, er wird der Verklagten als Rechtsanwalt zugeordnet. Der Kläger wiederholt seine Klage, er beruft sich auf den In- halt des Verwahrungs-Vertrags. Verklagte muß den Ver- trag einräumen, sie kann auch nicht leugnen, dagegen ge- handelt zu haben. Kläger bittet um ihre Vernrtheilung nach dem Inhalte des Vertrags. Deren bedarf es nicht, erwidert Ivo, der Advocat. Die Geldkiste ist nicht verloren; die Verklagte wird sie ausantworten, sobald sie von Rechts- wegen dazu verurtheilt ist. Rein, antwortete der Kläger, keine Frist, keine Bedingung! Entweder das Geld zur Stelle oder augenblickliche Vernrtheilung. Die Verurthei- lung, erwidert Ivo, kann nur nach dem Inhalte des Ver- trags geschehen, wie du ihn selbst angegeben hast; die Frau ist zur Herausgabe nicht eher schuldig, als bis dein Ge- schäftsfreund und Reisegefährte, der so plötzlich verschwunden ist, zugleich mit dir dazu erscheint. — Hier wird der Kläger verlegen, er sieht sich in seiner eignen List gefangen, er fürchtet sich verrathen, er sucht vergeblich sich heraus zu reden, endlich entdeckt es sich, daß sich beide Fremde zu dem Betrüge gegen die einfältige Frau verbunden hatten. Die Verklagte wird nun freigesprochen, der Kläger wegen seines Betrugs bestraft.
   bis 10 von 451 weiter»  »»
451 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 451 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 150
1 261
2 384
3 271
4 722
5 940
6 180
7 839
8 222
9 311
10 926
11 251
12 238
13 135
14 273
15 160
16 363
17 160
18 365
19 217
20 167
21 196
22 169
23 242
24 293
25 221
26 454
27 323
28 481
29 186
30 280
31 435
32 82
33 275
34 387
35 174
36 271
37 1740
38 545
39 451
40 155
41 220
42 351
43 268
44 110
45 1059
46 430
47 221
48 393
49 274

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 3
1 6
2 2
3 29
4 76
5 2
6 5
7 4
8 11
9 21
10 0
11 5
12 11
13 7
14 5
15 6
16 20
17 65
18 0
19 6
20 12
21 7
22 1
23 10
24 2
25 6
26 3
27 1
28 10
29 2
30 2
31 3
32 13
33 4
34 6
35 4
36 187
37 8
38 10
39 29
40 38
41 45
42 15
43 13
44 4
45 90
46 12
47 0
48 1
49 0
50 0
51 3
52 10
53 2
54 65
55 7
56 5
57 3
58 0
59 36
60 40
61 18
62 1
63 8
64 12
65 4
66 14
67 3
68 113
69 16
70 4
71 16
72 208
73 6
74 9
75 7
76 18
77 14
78 2
79 12
80 3
81 0
82 2
83 6
84 4
85 15
86 5
87 20
88 3
89 1
90 2
91 7
92 178
93 1
94 64
95 2
96 5
97 5
98 22
99 3

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 4
1 10
2 3
3 23
4 2
5 123
6 1
7 39
8 4
9 6
10 2
11 5
12 10
13 13
14 0
15 2
16 4
17 1
18 1
19 11
20 2
21 0
22 3
23 0
24 3
25 3
26 6
27 5
28 3
29 17
30 1
31 3
32 0
33 30
34 2
35 4
36 0
37 1
38 4
39 164
40 1
41 1
42 1
43 25
44 10
45 0
46 1
47 6
48 2
49 8
50 33
51 7
52 165
53 0
54 19
55 5
56 0
57 2
58 0
59 20
60 25
61 1
62 62
63 1
64 8
65 15
66 1
67 11
68 0
69 1
70 0
71 2
72 1
73 4
74 4
75 4
76 4
77 3
78 17
79 2
80 18
81 22
82 4
83 0
84 2
85 4
86 9
87 1
88 1
89 0
90 1
91 6
92 2
93 2
94 2
95 1
96 7
97 2
98 6
99 27
100 23
101 5
102 1
103 8
104 3
105 4
106 5
107 6
108 0
109 0
110 15
111 6
112 1
113 3
114 25
115 3
116 4
117 0
118 1
119 0
120 2
121 3
122 8
123 4
124 11
125 6
126 4
127 5
128 1
129 9
130 0
131 8
132 2
133 13
134 2
135 0
136 26
137 2
138 0
139 0
140 7
141 2
142 15
143 6
144 2
145 33
146 2
147 4
148 2
149 1
150 5
151 11
152 8
153 0
154 66
155 14
156 4
157 8
158 1
159 1
160 0
161 0
162 2
163 2
164 0
165 6
166 11
167 0
168 7
169 5
170 6
171 2
172 2
173 26
174 2
175 54
176 2
177 43
178 1
179 7
180 0
181 0
182 15
183 108
184 2
185 1
186 1
187 1
188 15
189 1
190 0
191 6
192 0
193 0
194 4
195 0
196 17
197 6
198 2
199 12