450
Das Verfahren Pombal's gegen die Jesuiten war hart und des-
potisch; aber durch ihn wurde Portugal von den Umtrieben und der
Herrschsucht der Jesuiten befreit. Die von ihm veröffentlichten Schrif-
ten wirkten auch auf andere katholische Länder. Pombal lieferte den
Beweis, daß trotz der Jesuiten und des Papstes ein energischer Wille
überall der Finsterniß zu steuern vermöge. Er enthüllte zuerst den eigen-
thümlichen Charakter der jesuitischen Schulen und derjenigen Art von
Wissenschaft, welche die Jesuiten in ihrem Orden allein treiben ließen.
Ec zeigte der Welt, daß die Jesuiten durch ihre Lehrart das Wachs-
thum der Wissenschaften gehemmt und den Verfall der gelehrten Studien
herbeigeführt hatten. Zu gleicher Zeit gab er aber auch durch seine
Schul-Reformen der Welt das Muster einer neuen Art von Unterricht.
Zu derselben Zeit wurden auch in Frankreich die Klagen über
die Jesuiten immer heftiger, und 1764 wurde der I esuiten-Ord en
in Frankreich gänzlich verboten (S. 359 und 373).
Spanien war gleich im Anfange der Regierung Karls Iii.
(1759 —1788) mit Frankreich in enge Verbindung getreten. Die Män-
ner, welche den größten Einfluß auf den König und die Regierung
hatten, waren mit der französischen Bildung und Aufklärung bekannt
und arbeiteten im Geiste der fortschreitenden Zeit an der Verbefferung
und Hebung des spanischen Staates. Es waren dieses der Genuese
Grimaldi, Campomanes und Aranda, denen als Gehülfe in
kirchlichen Dingen der Geistliche Figeroa zur Seite stand. Der König
war anfangs den Jesuiten gewogen und schien nicht in die Verfolgung
derselben willigen zu wollen. Aber die Männer, welche ihn umgaben,
machten ihm begreiflich, daß eine unumschränkte Monarchie, wie die
neuere Zeit sie fordere, neben dem mächtigen Einfluffe und dem uner-
meßlichen Reichthums der Jeflüten nicht bestehen könne. Sie zeigten
dem König, daß der monarchische Glanz, welchen Karl wünschte, nur
durch das Fortschreiten der Civilisation und durch die auf ihm beruhende
Vermehrung des nationalen Wohlstandes erlangt werden könne, daß
aber beides mit der Fortdauer des Jesuiten-Ordenß unverträglich sei. Diese
Gründe wirkten. Der König erkannte in dem Orden einen Nebenbuhler,
den er beseitigen müsse; er war überdies auf die Jesuiten wegen ihres
trotzigen Benehmens in Amerika ausgebracht. Dennoch wurde anfangs
in den geistlichen Angelegenheiten weiter keine Veränderung vorgenom-
men, als daß die Inquisition den weltlichen Gerichten untergeordnet
wurde. Als aber in Madrid wegen der neuen Finanzmaßregeln ein
Aufstand ausbrach, stellte der König den energischen und verschlossenen
Aranda an die Spitze der Regierung. Bei der Untersuchung erschienen
einige Jesuiten schuldig, den Aufstand angestiftet zu haben. Nun wurde
der Beschluß gefaßt, den Jesuiten-Orden in Spanien aufzu-
heben. Alle Jesuiten in Spanien, mehr als 5000, wurden (1767)
verhaftet und die Güter des Ordens in Beschlag genommen. Die Ver-
hafteten wurden nach Civitavecchia eingeschifft. Da der Papst gegen
ihre Aufnahme protestirte, so mußten die zum Theil alten, zum Theil
kranken Geistlichen längere Zeit auf den Schiffen bleiben, auf welchen
sie wie auf Sklavenschiffen zusammengepreßt waren. Für den lebens-
länglichen Unterhalt der Jesuiten wies die spanische Regierung nur je
neunzig bis hundert Piaster jährlich an. Auch im Königreich Neapel
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T79: [Ludwig Xiv Frankreich König Ludwigs Xvi Napoleon Xviii Xv. Philipp], T49: [König Königin Herzog Peter Hof Elisabeth Minister Tod Graf Regierung], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat]]
Extrahierte Personennamen: Karls Grimaldi Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreich Spanien Karls Frankreich Amerika Madrid Spanien Spanien Civitavecchia
507
Mitglieder des Unterhauses, sondern auch viele Osficiere, mehrere Rechts-
gelehrte und einige andere Männer, welche kein Staatsamt bekleideten.
Viele weigerten sich die Ernennung anzunehmen. Br ad schaw, ein
Advokat von Rnf, war Präsident des Gerichtshofes, und 69 Mitglieder
waren zugegen, als am 20. Januar 1649 der König vor daß Gericht
gestellt wurde. Der König bestritt die Competen; des Gerichtshofes
und zeigte die würdigste Fassung und die edelste Besonnenheit. Die
Stimmung des zahlreich anwesenden Volkes wurde für den Angeklagten
täglich günstiger und nöthigte die Richter ihr Verfahren zu beschleuni-
gen. Bei verschlossenen Thüren, ohne dem Angeklagten einen Verthei-
diger gegeben oder ihm die Vertheidigung gestrttet zu haben, sprach der
Gerichtshof fast ohne alle Discussion die Verurth e i lung aus. Am
27. Januar wurde dem König das Urtheil publicirt: „Nachdem das
Gericht in seinem Gewissen überzeugt sei, daß er, Kar! Stuart, sich der
ihm zur Last gelegten Verbrechen schuldig gemacht habe, verdamme es
ihn als Tyrannen, Verräther, Mörder und öffentlichen Feind der Nation
zum Tode durch Trennung des Hauptes vom Rumpfe." Vier ehema-
lige königliche Räthe stellten sich persönlich vor Gericht und erklärten,
sie allein seien als Rathgeber deß unschuldig verurtheilten Königs an
allen den Schritten schuld, die man ihm zum Verbrechen angerechnet
habe, uyd nach dem Gesetze dafür verantwortlich, sie also solle man
strafen. Sie wurden aber abgewiesen, da den Machthabern nur an dem
Untergange des Königs gelegen war. Dagegen hatten Karls Gegner
den Fanatismus der Soldaten so aufgeregt, daß einige derselben dem
König ins Gesicht spuckten, als er nach der Verkündigung des Urtheils
die Sitzung verließ. Cromwell, der ein Mitglied des Gerichtshofes war,
hatte während der Sitzungen gelacht und Possen getrieben. Als ec das
Todesurtheil unterzeichnet hatte, strich er seinem Nachbar, einem eifrigen
Republikaner, die mit Tinte gefüllte Feder ins Gesicht, und dieser zö-
gerte nicht ihm dasselbe zu thun.
Nachdem das Urtheil ausgesprochen war, verstattete man dem
König nur noch drei Tage biß zur Vollstreckung desselben. Karl be-
schäftigte sich in dieser Zeit nur mit den Tröstungen der Religion. Noch
in der letzten Nacht erquickte ihn der sanfteste Schlaf. Karls ältester
Sohn sandte aus den Niederlanden, wo er sich aufhielt, einen Abge-
ordneten mit einem Blanquet, welches die Machthaber nach Belieben
ausfüllen sollten. Aber nur einige wollten hierauf eingehen. Von den
auswärtigen Mächten machten nur die vereinigten Niederlande Vorstel-
lungen zu Gunsten deß unglücklichen Monarchen. Am 30. Januar
1649 wurde Karl vor dem Schlosse Whitehall enthauptet.
Als der Scharfrichter den Kopf des Enthaupteten bei den Haaren er-
griff und mit den Worten dem Volke zeigte: „das ist der Kopf eines
Verräthers!" da machte sich der Unwille und der Abscheu der gepreßten
Herzen in einem langen und dumpf tönenden Murren Luft. Zwei
starke Reiterabtheilrurgen gerstreuten aber die Menge. Cromwell, welcher
der Hinrichtung aus einem Fenster zusah, sagte ruhig zu den Umstehen-
den °. „Nun ist die Religion gerettet und die Freiheit von Tausenden
gegründet. Die Grundpfeiler der englischen Republik sind befestigt.
Laßt uns setzt unser Leben daran wagen, den Staat blühend zu machen
und die Ruhe von außen zu erhalten."
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau]]
TM Hauptwörter (200): [T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
Extrahierte Personennamen: Karls Karls Cromwell Karl Karl Karls Karl Karl Cromwell
Extrahierte Ortsnamen: Karls Niederlanden Whitehall
537
den Händen der Direktoren in Europa und der Beamten in Indien zer-
rann. Die Beamten erlaubten sich jede Art von Unterschleif und be-
drückten die Eingebornen, während die Kompagnie immer in neue Kriege,
in Verlegenheiten und Schulden verwickelt wurde. Die Direktoren in
London waren die Vorgesetzten, unter denen die vier Präsidentschaften
standen. Jeder Präsident handelte für sich. Diesen Uebeln suchte die
Regierung durch die Regulationsakte (1773) zu steuern. Eine
neue Organisation der Kompagnie sollte theils der Regierung in Indien
Einheit verleihen, theils sie in Abhängigkeit von der Krone bringen. Die
Hauptpunkte der Akte waren, bessere Bestimmungen in der Wahl der
24 Direktoren, Erhöhung der Stimmfähigkeit in der Generalversamm-
lung, Erhebung deß Gouverneurs von Bengalen zum Generalgouver-
neur aller britischen Besitzungen, Gründung eines obersten Gerichts-
hoses, königliche Sanction für gewisse Akte und daß Recht des Veto's.
Durch diese neue Einrichtung wurde für die Abhängigkeit von dem
Mutterlande etwas, für Indien und die Kompagnie aber wenig gewon-
nen. Die Verwaltung wurde konzentrirter, aber es wurde kein dauern-
der Friede. Um zu bestehn, wurde das Erobern Nothwendigkeit. Die
Bedrückungen erzeugten Widerstand, der Widerstand Kriege mit den Ein-
gebornen und den sie unterstützenden Franzosen. Ein ausgezeichneter
Mann, Warren Hastings, wurde 1774 zum Gouverneur von In-
dien ernannt. Er hat unter den schwierigsten und bedenklichsten Um-
ständen die englische Herrschaft in Ostindien gerettet und das, was
Clive gegründet und begonnen hatte, glücklich erhalten und glänzend
erweitert. Freilich erlaubte er sich auch Hinterlist und Raubsucht, Ver-
schwendung und daß schmutzige Verfahren einer Handelsklugheit, die
mit der einen Hand ein blutiges Schwert schwingt, um den leeren
Beutel in der andern zu füllen. Hastings hat mit den Maratten,
mit Hyder Ali und mit dessen Sohn Tippo Saib blutige Kriege
geführt. Allein der glückliche Ausgang dieser Kriege und alle Erpress
sungen verbesserten die Geschäfts - und Handelslage der Kompagnie
nicht. Sie konnte ihre Verpflichtungen nicht erfüllen, man hielt sie für
bankerutt, und zugleich bildete sie einen Staat im Staate. Es wurde
deshalb verlangt, daß die Kompagnie unter strengere Aufsicht der Regie-
rung und des Parlaments gestellt werde. Die Bill, welche Fox als
Minister zur besseren Verwaltung der ostindischen Angelegenheiten bean-
tragte, wurde vom Parlament nicht angenommen. Dagegen setzte
William Pitt, der jüngere Sohn des verstorbenen Lord Chatam, sei-
nen Vorschlag durch (1784). Den Direktoren und Aktionären wurde
eine oberaufsichtliche Behörde zur Seite gesetzt, welche aus sechs vom
Könige ernannten Mitgliedern des geheimen Raths besteht. Die Wirk-
samkeit derselben erstreckt sich auf alle Staats- und Kriegsangelegenhei-
ten der Gesellschaft, mit Ausschluß des Handels. Alle Berichte aus
Indien und alle Befehle und Verordnungen nach Indien müssen ihr
vorgelegt werden, und es steht ihr frei, die Befehle und Verordnungen
zu verändern, ja in Fällen dringender Nothwendigkeit kann sie eigne
Befehle, ohne Mittheilung an die Direktoren, erlassen. Die Ernennung
deß höchsten Kriegßbesehlshabers gebührt dem König; er kann auch den
General-Gouverneur, die Vorsteher und Glieder der drei Regierungen
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
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TM Hauptwörter (200): [T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T103: [England Krieg Frankreich Spanien Franzose Engländer Flotte Jahr Holland Frieden], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T186: [Stadt Insel Hauptstadt Tunis Handel Afrika Land Hafen Küste Algier], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]
545
Beschränkungen auferlegte, weil die Bürger eine Soldatenherrschaft be-
fürchteten. Die Amerikaner waren keineswegs ein einiges Volk, son-
dern Völkerschaften, welche die Verschiedenheit der Religion, Abstam-
mung und Beschäftigung vielfach trennte. Die Versammlungen der
einzelnen Provinzen ließen selbst dem Kongreß wenig Einfluß aus die
inneren Angelegeicheiten der Provinzen. Zu den mannigfachen Schwie-
rigkeiten kam noch das Dasein einer königlich gesinnten Partei.
Washington schloß die Engländer in Boston ein, sandte aber auch
kleine Abtheilungen gegen daß von Streitkräften fast ganz entblößte
Kanada. Eine dieser Schaaren, von Montgomery geführt, besetzte
Montreal und bedrohte Quebeck. Aber Montgomery siel, und seine
Schaar trat den Rückzug an. Das englische Heer in Boston litt wäh-
rend des Winters von 1775 bis 1776 den schrecklichsten Mangel. Die
Truppen mußten mit allem Nothwendigen aus England versehen wer-
den, selbst mit Pferdefutter und Steinkohlen. Im Frühjahr 1776 ging
Howe mit dem englischen Heere nach Halifax und dann, durch Trup-
pen aus Europa bis zu 30,000 Mann verstärkt, nach Neuyork, welches
er nach Besiegung der Amerikaner besetzte. Washington zog sich, eines
großen Theils seines Geschützes beraubt, mit kaum 3000 Mann über
den Delaware zurück.
Nachdem wiederholte Kämpfe stattgefunden hatten, war den Ame-
rikanern der Gedanke unerträglich, dereinst in das Verhältniß der Ab-
hängigkeit von England zurückzutreten. In den Provinzen wurde mit
Eifer an der Begründung einer neuen Verfassung gearbeitet. Jede
Provinz besaß eine dem Unterhaus zu vergleichende Versammlung von
Bevollmächtigten und einen mit dem Oberhause zu vergleichenden Se-
nat. Durch diese wurden die Gesetze erlassen, Abgaben ausgeschrieben,
die Verwaltung der Provinz besorgt. Jetzt entschieden sich fast alle
diese gesetzgebenden Versammlungen für die Trennung von England und
sandten ihre Abgeordneten mit den hierauf bezüglichen Vollmachten an
den Kongreß, von welchem die Erklärung der Unabhängigkeit
(1776) ausgesprochen wurde. So gestaltete sich ein mächtiger aus 13
Staaten bestehender Freistaat, deren jeder seine eigene Verwaltung und
Gesetzgebung behielt, während die auf Politik, Münze, Flotte, Abgaben
und das Heer bezüglichen Angelegenheiten sowie die Ausgleichung inne-
rer Streitigkeiten dem Kongresse verblieben, und einem Staatsrathe die
ausübende Gewalt übertragen wurde. Jetzt übertrug der Kongreß
Washington auf sechs Monate die Dictatur, er räumte ihm die Gewalt
ein, Milizen von den Provinzen einzuforvern und Befehlshaber zu er-
nennen und abzusetzen. Dieser Beweis des unbedingten Vertrauens hob
die Zuversicht Washingtons. Mit verstärktem Heere ging er über den
Delaware zurück und lieferte mehrere siegreiche Gefechte, doch vermochte
er die Besetzung von Philadelphia durch Howe nicht zu verhindern.
Ein englisches Heer unter Bourgoyne, welches von Kanada aus
nach Süden vordrang, wurde von dem amerikanischen General Gates
in dem Orte Saratoga, nachdem es von 7000 auf 3500 zusammen-
geschmolzen war, zur Ergebung gezwungen (1777).
Seit dem Siege bei Saratoga gab sich in Frankreich die un-
verhohlenste Theilnahme an den Angelegenheiten der Kolonien von Nord-
amerika kund. Schon 1776 hatte der Kongreß Benjamin Franklin
35
TM Hauptwörter (50): [T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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TM Hauptwörter (200): [T76: [Staat See Nordamerika Stadt Union Mississippi Washington Ohio Gebiet vereinigt], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T103: [England Krieg Frankreich Spanien Franzose Engländer Flotte Jahr Holland Frieden], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Ortsnamen: Washington Boston Kanada Boston England Halifax Europa Neuyork Washington England England Washington Washingtons Philadelphia Kanada Saratoga Frankreich
547
geschlagen wurde. Indeß lähmten die gleichzeitigen Kämpfe mit den
europäischen Staaten die Entwickelung der englischen Macht, und
Washington führte die Entscheidung des Krieges herbei, als er in Ver-
bindung mit den französischen Truppen den englischen General Corn-
wallis zwang, sich in Yorktown mit 7000 Mann zu ergeben
(1781).
Seit 1771 nahm auch Spanien an dem Kriege gegen England
Theil. Auf Anregung Rußlands vereinigten sich 1780 unter dem Na-
men eines Systemes einer bewaffneten See-Neutralität die
nordischeu Mächte, um mit Gewalt der Willkür Einhalt zu thun,
mit welcher England den Verkehr der Neutralen mit den Amerikanern
zu stören suchte. Holland wurde an dem Beitritt zu dieser See-
Neutralität dadurch gehindert, daß England ihm den Krieg erklärte. So
schien England für seine Seeherrschaft einen Kampf mit allen Mäch-
ten bestehen zu müssen, aber mit eben so großer Klugheit wie Kraft
führte es denselben, so daß es seine Ueberlegenheit unwiderleglich be-
wies. Zwar landete unter dem Schuhe einer vereinigten spanisch-fran-
zösischen Flotte ein Heer aus Minor ca und besetzte, trotz der tapferen
Vertheidigung des Engländers Murray, die Insel (1781), aber die
Wegnahme von Jamaika wurde durch einen glorreichen Sieg Rod-
ney's über die französische Flotte vereitelt (1782). Eben so scheiterte
die von Frankreich und Spanien unternommene Belagerung
Gibraltars an der unbezwingbaren Tapferkeit von Elliot, trotz der
vom Ritter d'ar^on erfundenen und mit großem Aufwand ausgeführ-
ten schwimmenden Batterien. Daß englische Parlament sprach seinen
Wunsch nach dem Frieden aus; Lord North legte seine Stelle nieder,
und das neue Ministerium knüpfte Friedensunterhandlungen an. Zu
Paris wurde 1783 der Friede geschlossen und die dreizehn ver-
einigten Provinzen als ein unabhängiger Staat von England anerkannt.
In Neuyork nahm Washington von seinen Waffenbrüdern feier- Washington^
lich Abschied und eilte dann nach Annapolis ju Maryland, wo sich da- nordamerika-
mals der Congreß befand. In die Hände desselben legte er seine Ober- "'^öaten.^'
befehlshaberstelle nieder, am 23. December 1783. Dann begab er sich
auf sein Landgut Mount Vernon in Virginien. Aber die Liebe und
Verehrung seiner Mitbürger entriß ihn bald wieder der Ruhe. Der
Mangel einer innern und wahren Vereinigung wurde den Staaten
Nordamerika's immer fühlbarer, vorzüglich als es darauf ankam, den
öffentlichen Kredit zu befestigen und zu erhalten. Der Staat hatte vier-
zig Millionen Schulden, und der Congreß, der verpflichtet war, sie zu
bezahlen, hatte nicht das Recht, Abgaben aufzulegen. Man entschloß
sich daher 1787 zu einem festeren Bundesvertrage. Die einzel-
nen Staaten entsagten ihrer Unabhängigkeit in allen Fällen, welche die
äußeren Verhältnisse betreffen, wie in einigen der wichtigsten Angele-
genheiten der inneren Verwaltung und übertrugen dieselben einer Bun-
desregierung. Diese besteht aus einem gesetzgebenden, in zwei Kammern
getheilten Eongresse, den die Repräsentanten der einzelnen Staaten
bilden, und aus einem auf vier Jahre gewählten Präsidenten, der Ober-
befehlshaber der See- und Landmacht ist. Die richterliche Gewalt ist
ganz unabhängig von dem Congreffe und dem Präsidenten und ist einem
35 *
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
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Extrahierte Personennamen: Murray
Extrahierte Ortsnamen: Washington Spanien England Holland England England Jamaika Frankreich Spanien Lord_North Paris England Neuyork Washington Washington Annapolis Maryland
548
Die englische
Literatur bis
zur Mitte des
18. Jahr-
hunderts.
Obergericht übertragen. Zu der Würde eines Präsidenten ward zuerst
Washington erhoben und blieb es durch wiederholte Wahl bis 1797.
Auch an der Spitze der Verwaltung beförderte er den Wohlstand, den
Frieden und die Befestigung des jungen Staates und vollendete dadurch
sein Werk und seinen Ruhm. Es gelang ihm nicht, von allen Parteien
seines Vaterlandes anerkannt zu werden, besonders wurde er als ein
Anhänger und Begünstiger des englischen Einfluffeß angegriffen, als er
1794 einen Handelsvertrag mit England schloß. Er erklärte im Sep-
tember 1796, daß er die Würde eines Präsidenten bei einer neuen
Wahl nicht wieder annehmen werde. Washington starb 1799. In
seinem Testament vermachte er fünfzig Aktien, jede von hundert Pfund,
zur Errichtung einer Hochschule in dem District Columbia. Auch
schenkte er allen seinen Sklaven die Freiheit und sicherte den hülflosen
Alten eine lebenslängliche Unterstützung zu.
Den religiösen Interessen gegenüber bildeten sich im Laufe unseres
Zeitraums die Reflexion des Verstandes und die Bestrebungen der Wis-
senschaft mit nicht minderer Stärke und Erfolg aus. Die Grundlage
für alle folgenden naturwissenschaftlichen und philosophischen Bestrebun-
gen legte Franz Baco von Verulam (1561 — 1626). Er stammte
aus einer angesehenen Familie und gelangte selbst zu den höchsten
Staatsämtern; er wurde aber wegen Bestechungen seiner Würden ent-
setzt und starb in ärmlichen Verhältnissen. In der Wissenschaft glänzt
sein Name als Heller Stern. Er entwarf den Plan zu einer Reform
der Philosophie und schrieb das Organon oder eine allgemeine Metho-
denlehce und eine Encyklopädie der Wissenschaften. Seiner Methode
liegt die Ueberzeugung zum Grunde, daß man nicht durch Speculation,
sondern allein durch Beobachtung und Erfahrung zur Wahrheit gelan-
gen könne. Der scholastischen Methode oder der Ableitung des Wissens
aus dem Begriff, d. h. aus unerwiesenen Abstractionen, setzte er die
Forderung entgegen, von der Wirklichkeit und der Erfahrung auszuge-
hen. Von den übersinnlichen Gegenständen wies er die Forschung auf
die Natur und Geschichte hin.
Baco's Gedanken führte auf eigenthümliche Weise John Locke
(1632 —1704) weiter aus. Wenn Baco zur Erforschung der Wahrheit
auf das sinnliche Dasein verwies, so leugnete Locke die selbständige
Existenz und Wahrheit des Denkens überhaupt. Er bestritt die Lehre des
Cartesius von den angebornen Ideen, unter welchen dieser allgemeine,
dem menschlichen Geiste ungehörige Bestimmungen verstanden hatte.
Locke behauptete, daß die Seele deß Kindes eine leere Tafel sei, welche
nur im Verlaufe der Zeit mit den Zeichen angefüllt und durch die
sinnliche Wahrnehmung beschrieben werde. Sein Bestreben ging dahin,
zu zeigen, wie auch die metaphysischen Begriffe aus der Erfahrung ab-
geleitet und aufgenommen werden, z. B. Raum, Bewegung, Form aus
der äußern, Denken, Wollen u. s. w. aus der innern Wahrnehmung.
Der Verstand bildet alle diese Begriffe, indem er die durch die Wahr-
nehmungen gewonnenen Vorstellungen bearbeitet, zusammenfügt, ver-
gleicht und gegen einander stellt.
Isaak Newton (1642 — 1727) hat sich um die Mathematik und
Physik die größten Verdienste erworben. Seine berühmte Theorie des
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
Extrahierte Personennamen: Franz_Baco Franz John_Locke Locke Isaak_Newton Isaak
558
Die Nieder-
lande bis zur
Ernennung
Wilhelmsvon
Dranien zum
Statthalter.
Die Nieder-
lande unter
Wilhelmlu.,
Iv. u. V.
3) Die vereinigten Niederlande.
Nach der Befreiung der niederländischen Provinzen von der
spanischen Herrschaft hatten die höchste Gewalt die Generalstaaten,
wie man die Versammlung der ständischen Deputirten der einzelnen
Landschaften nannte. Jede Provinz sandte gewöhnlich .sechs bis sieben
Abgeordnete, hatte jedoch nur eine Stimme. Der Vorsitz wechselte von
einer Woche zur andern. Wichtige Beschlüsse, z. B. über Krieg und
Frieden, neue Steuern, Bündniffe, Abänderung der Grundgesetze, er-
forderten Einstimmigkeit aller Provinzen. Für die Vollziehung der Be-
schlüsse sorgte der Statthalter, welcher von den einzelnen Provinzen
gewählt wurde; ihm zur Seite stand der hohe Rath, der sich in drei
Kollegien, für Polizei, für Finanzen und für Marinesachen schied. Der
Statthalter hatte auch die Verwaltung des Kriegswesens, war Ober-
anführer der Land - und Seemacht und ernannte die Officiere. Die
Verfassung so wie der Einfluß des Statthalters in den einzelnen Pro-
vinzen war sehr verschieden. Die mächtigste unter den verbundenen
Provinzen war Holland, welches über die Hälfte zu allen gemeinsa-
men Abgaben beisteuerte. Den Vorsitz auf dem Landtage von Holland
hatte der Ra thßpensi o n ar. Derselbe Beamte leitete auch an der
Spitze des Rathes von Holland die Verwaltung dieser Provinz, und
fehlte niemals unter den Deputirten Hollands zu den Generalstaaten.
Ec war der erste Beamte nach dem Statthalter. Statthalter aber
der vereinigten Niederlande war nach dem Tode von Friedrich Hein-
rich (1647) dessen zwanzigjähriger Sohn Wilhelm Ii. Dieser starb
schon vach drei Jahren (1650), und erst nach seinem Tode gebar seine
Gemahlin einen Knaben, der nachher Wilhelm Heinrich genannt
wurde. Dieses Ereigniß, zu einer Zeit, wo der Handel Hollands
die höchste Blüthe erreicht hatte, das Volk sich seiner ganzen Kraft
bewußt war und die Kunst und Wissenschaft ein reiches Leben entwickelte,
weckte die republikanische Partei zu neuer Thätigkeit, und auf einer Ver-
sammlung der Generalstaaten wurde der Beschluß gefaßt, für die Zu-
kunft keinen Statthalter mehr zu erwählen.
Der Erlaß der Navigationsakte (S. 509) (1651) veranlaßte
einen Seekrieg mit England. So tapfer auch die Holländer unter
Ruyter, der vom Matrosen zum Admiral emporgestiegen war, und
unter Tromp kämpften, die Kräfte ihres kleinen Freistaates waren
der aufblühenden Macht Englands nicht gewachsen und im Frieden
(1654) mußten sie die Schifffahrtsakte anerkennen. Dessenungeachtet
blieb der Handel der vereinigten Niederlande dem englischen überlegen.
Es brach unter Karl Ii. abermals ein Krieg mit England aus
(1664—1667). Tromp und Ruyter kämpften muthig zur See, und
Letzterer zwang durch Besetzung der Themsemündung Karl Ii. zum Frieden
von Breda.
Als (1672) die vereinigten Niederlande in Folge des von Lud-
wig Xiv. begonnenen Rachekrieges den mächtigen Heeren Frankreichs
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
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TM Hauptwörter (200): [T103: [England Krieg Frankreich Spanien Franzose Engländer Flotte Jahr Holland Frieden], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Hein- Friedrich Wilhelm Wilhelm Heinrich Heinrich Karl_Ii Karl Tromp Karl_Ii Karl
Extrahierte Ortsnamen: Wilhelmsvon
Dranien Niederlande Holland Holland Holland Hollands Niederlande Hollands England Englands Niederlande England Breda Lud-
642
alle möglichen Hindernisse in den Weg, und das Parlament gab sich
zum Werkzeuge des Widerstandes her. Als der König in einem Lit
de Justice (1775) befahl, die Ediete zu registriren, brach ein Aufstand
aus; der König entließ Turgot, und Malesherbes legte ebenfalls seine
Stelle nieder. Das alte System mit Personensteuern, Frohndiensten,
Monopolen, Handelsgesellschaften, Privilegien und Aemterverkäufen wurde
wieder hergestellt, zu eben der Zeit, wo der vorhandene Gärungsstoff
durch die Unterstützung der Amerikaner vermehrt und die Vorliebe für
republikanische Staatsformen in Frankreich verbreitet worden war.
Necker, ein aus Genf gebürtiger, in Paris reich gewordener Ban-
quier', wurde als Generaldirektor, später als Minister an die
Spitze der Finanzen gestellt. In seiner Geldverlegenheit sah der König
über den Umstand hinweg, daß Necker ein Ausländer und Protestant
war. Neckers geistreiche Frau versammelte in glänzenden Gesellschaften
Gelehrte um sich, und er selbst hatte sich durch eine von der Akademie
gekrönke Lobschrift auf Colbert in den Ruf tiefer Kenntnisse der Staats-
wirthschaft gesetzt. Aber seinen größern Wirkungskreis erlangte Necker
nicht ohne Schleichwege. Die Staatsschulden hatten eine Höhe von
4100 Millionen Livres und die jährlichen Ausgaben ein Mehr von
24 Millionen erreicht; überdies hatte der Krieg mit England neue An-
leihen von 530 Millionen nöthig gemacht. Dennoch schaffte Necker
Rath durch ein von seinem persönlichen Credit unterstütztes System der
Anleihen, deckte durch Ordnung und Sparsamkeit den Ausfall und
stellte das richtige Verhältniß der Einnahme zur Ausgabe her. Als er
aber in einer Druckschrift die öffentliche Rechnung (compte rendu) vor-
legte und das Streben blicken ließ, durch Aufhebung der Steuerfreiheit
der bevorrechteten Stände und durch zeitgemäße Umbildung der veralte-
ten Staatseinrichtungen für Frankreich mehr als ein zweiter Sully zu
werden, erregte er die Unzufriedenheit deß Hofes über seinen sparsamen
Staatshaushalt und die Bedenklichkeit ves Königs. Neckers Eitelkeit
verleitete ihn, für sich Sitz im Staatsrathe und für seine Frau Zutritt
am Hose zu verlangen, und unter Zeichen der Ungnade enthielt er seine
Entlassung (1781).
Die beiden folgenden Finanzminister vermehrten die Staatsschulden
durch neue Anleihen um 322 Millionen. Nun erhielt Ca tonne, ein
tief verschuldeter, in Liebeshändeln alt gewordener Höfling, durch ein-
flußreiche Frauen die Stelle eines Finanzministers. Der immer freund-
liche Minister schaffte die unermeßlichen Summen, mit denen ec den
immer steigenden Forderungen des Hofes Genüge leistete, durch neize
Anleihen herbei, und in drei Jahren wuchs die Staatsschuld abermals
um tausend Millionen. Am Ende kam auch Calonne auf den bereits
von Turgot und Necker gefaßten Gedanken einer gleichen Be-
steurung aller Stände. Da er Bedenken trug, es mit den Parla-
menten aufzunehmen, brachte er die Berufung der Notabeln, eines
Ausschusses der Reichsstände, in Vorschlag. Die Notabeln waren nur
eine berathende Versammlung, die kein Recht hatte, Abgaben zu bewilli-
gen und Gesetze zu geben. Die 140 nach Versailles berufenen Notabeln
(1787) erblickten in den Entwürfen des Ministers eine Verletzung ihrer
Standesrechte und machten gegen den verhaßten Minister ihre Privile-
gien als Nationalrechte geltend. Darüber aufgebracht, ließ Calonne an
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lassen und das Parlament nachgiebig machen. Daß Parlament kehrte
nach Paris zurück, und der König begab sich in die Sitzung, um die
Einschreibung der neuen Anleihe zu verfügen. Der Siegelbewahrer La-
moignon setzte in einem Vortrage auseinander, daß der König das
unumschränkte Oberhaupt der Nation und nur Gott Rechenschaft schuldig
sei. Gegen diese Grundsätze sprachen mehrere Mitglieder des Parlaments
und verbreiteten sich weiter über die in der Verwaltung herrschende Will-
kür. Nach der Stimmensammlung ließ der Siegelbewahrer die Stimmen
nicht zählen, sondern befahl im Namen des Königs, die Anleihe als
bewilligt in die Register einzutragen Da erhob der Herzog von Or-
leans gegen dieses Verfahren, als gegen einen Gewaltschritt, Einspruch.
Ec that dies, weil er mit dem Hofe gespannt war und sich wichtig
machen wollte. Am folgenden Tage wurde der Herzog angewiesen, aus
eines seiner Landgüter zu gehen, und zwei Parlamentsräthe, die sich am
kecksten geäußert hatten, wurden als Staatsgefangene aus Festungen ab-
geführt.
Nun begann der Kampf zwischen dem Hose und den Parlamenten
von neuem. Im Mai 1788 wurden abermals zwei Parlamentsräthe in
Folge unehrerbietiger Zuschriften dieser Gerichtshöfe an den König, in
dem Parlamentshause verhaftet. In einem zu Versailles gehaltenen lit
de justice erließ der König fünf Ediete, durch welche das Recht der
Parlamente, königliche Verordnungen durch Einzeichnung in die Register
gewissermaßen zu bestätigen, auf solche Verordnungen beschränkt wurde,
die ein jedes Parlament allein angingen. Es wurden Untergerichte ein-
gesetzt, und die Geschäfte sowie das Beamten-Personal der Parlamente
beträchtlich vermindert. Dieser Schritt der Regierung führte neuen Wi-
derstand herbei. Die Parlamente in den Provinzen weigerten sich, Folge
zu leisten, und an mehreren Orten brachen heftige Unruhen aus. Das
Militär leistete nirgends seiner Bestimmung Genüge; mehrere Oberbe-
fehlshaber und Offieiere legten ihre Stellen nieder; andere gaben ihre
Soldaten durch daß Verbot, Gewalt anzuwenden, den Mißhandlungen
der Aufrührer Preis. Die Verlegenheit des Hofes wurde durch Geld-
mangel und durch die schreckliche Verheerung vermehrt, welche ein Un-
gewitter über einen großen Theil Frankreichs anrichtete. Mangel und
Theurung vermehrten die Gährung des Volkes. Da erschien ein Edict,
durch welches alle Zahlungen aus den königlichen Kassen theils einge-
schränkt, theils auf ein Jahr verschoben, theils auf Kassenscheine gesetzt
wurden, und alle Erscheinungen eines ausbrechenden Staatsbankeruttes
traten ein. Das Volk beging Unordnungen und Ausschweifungen, und
aus den Provinzen lies eine Unglücksbotschaft nach der andern ein. Die
Minister waren betäubt und uneinig, mehrere Mitglieder der königlichen
Familie drangen aus Neckers Zurückberufung; die Königin schrieb
an ihn und bat, er möge die Finanzverwaltung unter Oberaufsicht
Brienne's wieder übernehmen. Aber Necker erklärte, daß er nur nach
Brienne's Abgänge und mit dem Range eines wirklichen Ministers ein-
treten wolle. Nun wurde Brienne entlassen, und diese Entlassung in
Paris mit Freudenbezeigungen aus öffentlichen Plätzen gefeiert. Neckers
Berufung erregte eine grenzenlose Freude, und die Rente stieg an einem
Morgen um dreißig Procent.
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Extrahierte Personennamen: Necker Neckers
Extrahierte Ortsnamen: Paris Versailles Frankreichs Paris
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dem Adel und 300 aus der Geistlichkeit berufen, am 27. April 1789 in Ver-
failles zu erscheinen. Necker versäumte es, der Regierung den nöthigen Einfluß
aus die Wahlen zu verschaffen, und überließ dieselben den Gegnern des Hofes
und den Feinden des Thrones. Bei dem Mangel angemeffener Beschrän-
kungen der Wählbarkeit wurden zu Abgeordneten des dritten Standes eine
Menge Menschen ohne Vermögen, besonders Advokaten, gewählt, die
mehr zu gewinnen als zu verlieren hatten. Aber der größte Mißgriff
des Ministers bestand darin, daß er den König weder die Form der
Versammlung, noch die Grenzen ihrer Befugnisse vorher bestimmen ließ,
so lange dies noch vom Könige abhängig war. Ueber die Macht der
Versammlung herrschten so dunkle Vorstellungen, daß man meinte, die
ganze Staatsgewalt sei in ihre Hand gelegt. Indem Necker der Ver-
sammlung selbst die Entscheidung über ihre Form überließ, legte er gleich
in die Vorhalle derselben einen Stein des Anstoßes und der Zwietracht.
Er sprach viel von Einführung der englischen Verfaffung, übersah aber
die beständige Theilnahme der englischen Minister an den Verhandlungen
des Parlaments und das durch sie für die Krone ausgeübte Recht der
Gesetzesvorschläge. Weder sich noch seinen Amtsgenossen verschaffte
Necker einen Platz in der Versammlung, um in derselben die Rechte des
Königs zu vertreten.
Zu Anfange des Mai's waren die Abgeordneten in Versailles ver-
sammelt. Der Adel erschien in schwarzsammtnen, mit Goldstoff gefüt-
terten Mänteln und trug Hüte mit hohen Federn; den Deputirten des
dritten Standes waren einfache schwarze Mäntel und Hüte ohne Federn
vorgeschrieben; der Adel und die Geistlichkeit wurden zur Vorstellung bei
dem Könige durch beide geöffnete Flügelthüren eines Prunksaales ge-
führt; dem dritten Stand öffnete sich nach langem Harren im Vorsaale
nur eine halbe Flügelthür zu einem gewöhnlichen Zimmer des Königs,
durch welches die Abgeordneten schnell durchziehen mußten. Diese klein-
lichen Berechnungen zeigten eine Verkennung der herrschenden Stimmung
und verfehlten ihren Zweck, da der Adel die Auszeichnung als ein
Recht betrachtete, der dritte Stand durch die Zurücksetzung sich scbwer
gekränkt fühlte.
Im langen Zuge begaben sich am 4. Mai die Abgeordneten zur
Anhörung einer Messe in die Kirche, und am folgenden Tage wurde
die Versammlung feierlich eröffnet. Die Deputirten saßen nach den drei
Ständen abgetheilt vor dem Throne, und den Glanz des anwesenden
Hofes verdunkelte der Ehrfurcht gebietende Anblick, den die zahlreichen,
seit 175 Jahren zum ersten Male wieder berufenen Stellvertreter
der Nation gewährten. Viele Vornehme, besonders Frauen, wurden
von bangen Ahnungen ergriffen; die Königin sah sehr bewegt aus; nur
der König zeigte seine gewöhnliche Ruhe und sprach in einer vom
Throne gehaltenen Rede, in einem würdigen Tone gute Hoffnungen
aus, ohne die bedenkliche Lage des Staates zu verschweigen. Die Rede
des Königs wurde mit Beifall angehört; dagegen mißfiel Neckers drei-
stündiger ermüdender Vortrag. Der Minister wollte plötzlich die Thätig,
keit der Versammlung auf die Finanzhülfe beschränken; er verlangte
Gehorsam für die Befehle des Königs, zählte die Mittel her, durch
welche der König sich hätte helfen können, ohne die Stände zu berufen,
und schilderte die Vorrechte des Adels von ihrer rechtlichen Seite. Necker
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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