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1. Geschichten aus der Geschichte - S. 148

1890 - Königsberg i. Pr. : Koch
— 148 — seinem lieben Sanssouci. Dort war er noch mehrmals imstande auf seinem Lieblingspferd, dem Schimmelhengst Conde, zu reiten, doch bald vermochte er es nicht mehr. Atembeschwerden nötigten ihn die Nacht statt im Bette auf einem Lehnstuhl zuzubringen, der Schlaf stellte sich spät ein und verließ ihn noch vor Tagesanbruch. Er sagte: „Mein Leben geht auf die Neige, ich muß die Zeit benutzen, sie gehört nicht mir, sondern dem Staate." Er diktierte noch immer in den Morgenstunden die Antworten auf die Berichte seiner Gesandten und auf die eingegangenen Bittschriften. Manchmal hoffte er, daß es wieder besser gehn würde, doch am 15. August 1786 begann der Todeskampf, und in der Nacht zum 17. August verschied der große König. Der König Friedrich Wilhelm Iii. und die Königin Luise. Auf Friedrich den Großen folgte dessen Neffe, Friedrich Wilhelm Ii., (reg. 1786—1797) und auf diesen sein Sohn Friedrich Wilhelmiii. (1797—1840). Dieser war 16 Jahre alt, alsfriedrich Ii. starb, hat also von dem großen Mann so manches lernen können. Er wurde von ihm besonders zu Sparsamkeit und Genügsamkeit angehalten. Später erzählte Friedrich Wilhelm seinen Kindern, wie wenig Taschengeld er erhalten und wie einfache Freuden er genossen hätte. „Zu meinem Geburtstag erhielt ich einmal ein Refedatöpf-chen, sechs Dreier an Wert, und wenn mir mein Hofmeister etwas zu Gute thun wollte, so führte er mich in einen Kaffeegarten und ließ mir da, Wenns hoch kam, für zwei Groschen Kirschen geben." Von früh auf zeigte er die trefflichen Eigenschaften, die ihn durch sein ganzes Leben begleitet haben: strenge Rechtlichkeit, ehrbare Gesinnung, Pflichttreue und Wahrheitsliebe, frommen Sinn und geraden Verstand. Er hatte als Jüngling das Glück, eine Lebensgefährtin zu finden, die seinen höchsten Wünschen entsprach. Es war die Prinzessin Luise, eine Tochter des Herzogs Karl von Mecklenburg-Strelitz. Wer sie sah, war von ihrer Schönheit und Anmut entzückt, aber womöglich noch schöner war ihr Gemüt, ihre Herzensgüte und ihr stets auf das Edle, Wahre und Gute gerichteter Sinn. An dem Prunke des Hoflebens hatte sie wenig Freude, sie liebte das Einfache und befand sich nie wohler als im Verkehr mit den Reizen der Gottesnatur. In ihrer Liebe für alles Einfache und für das Landleben begegnete sie den Neigungen ihres Gemahls. Bei ihrem Einzug in Berlin als Braut des Kronprinzen wurde

2. Geschichten aus der Geschichte - S. 151

1890 - Königsberg i. Pr. : Koch
— 151 — aus den Fugen, und wie in einem Gedränge derjenige, welcher die größte Stärke besitzt, in die vorderste Reihe gelangt, so erreichte Napoleon als der Klügste und Stärkste die Herrschaft über Frankreich und leider auch über mehr und mehr Länder, die er eroberte. Napoleon war ein fast unvergleichlicher Feldherr und zugleich so schlau, daß er die meisten Staatsmänner zu überlisten wußte. Schon hatte er durch glänzende Siege sein Reich bedeutend erweitert, da wollte er auch Preußen auf das Schlachtfeld locken und fügte ihm absichtlich mancherlei Beleidigungen zu, so daß der König trotz seiner Friedensliebe zum Schwerte greisen mußte. Er hoffte, daß die preußische Armee, die Schöpfung Friedrich des Großen, ihrer Vorfahren würdig den Sieg erfechten würde. Der Krieg begann 1806 im Oktober. Die Königin begleitete ihren Gemahl bis in die Nähe von Jena, wo die erste Schlacht geliefert wurde. Aber sie erfuhr uur um fo eher die Schreckensbotschaft, daß die Schlacht mit der vollständigsten Niederlage der Preußen geendet hatte. Die meisten Festungen ergaben sich dem Sieger fast ohne Widerstand. Es waren eben nicht mehr die Preußen, an deren Spitze Friedrich der Große gestanden. Napoleon drang immer tiefer in Preußen ein und das königliche Paar mußte sich vor ihm nach Königsberg flüchten. In Schwedt traf die Königin mit ihren Kindern zusammen. „Ihr seht mich in Thränen," rief sie aus, „ich beweine den Untergang der Armee! Sie hat den Erwartungen des Königs nicht entsprochen." Zu den beiden ältesten Söhnen sprach sie: „Ach, meine Söhne, ihr seid schon in dem Alter, wo euer Verstand diese schweren Heimsuchungen faffen kann. Aber begnügt euch nicht mit Thränen. Handelt, entwickelt eure Kräfte. Vielleicht läßt Preußens Schutzgeist sich auf euch nieder. Befreiet dann euer Volk von der Erniedrigung, worin es jetzt schmachtet." In Königsberg erkrankte sie an einem Nervenfieber, und als ihr Zustand sich zu bessern anfing, rückte die französische Armee gegen Königsberg an, und die Königin, so schwach sie auch war, beschloß in Memel, der nördlichsten Stadt Preußens, eine neue Zuflucht zu suchen. Sie sagte: „Ich will lieber in die Hände Gottes als dieser Menschen fallen." An einem trüben, feuchten Wintertage unternahm man es, sie in ihrem Wagen sitzend und in Betten eingehüllt über die öde Sandwüste der kurischeu Nehrung zu schaffen. Unter heftiger Kälte, Sturm und Schneegestöber brachte sie drei Tage und Nächte auf der Reife zu, aber wunderbar! die Krankheit begann nachzulassen und die Königin sah

3. Geschichten aus der Geschichte - S. 126

1890 - Königsberg i. Pr. : Koch
— 126 — zwei Geistliche die Salbung, und das Königspaar schmückte sich vorder dichtgedrängten Menge noch einmal mit der Krone. Auf dem Schloßhof wurde der sogenannte Königsochse am Spieße gebraten, und es waren da eherne Adler aufgestellt, die beständig weißen und roten Wein spieen. Braten und Wein wurden der Menge preisgegeben. Auch jagten Reiter durch die Straßen und streuten Geld unter das Volk. Die Festlichkeiten auf dem Schlosse wurden noch fast ununterbrochen bis zum 8. März fortgesetzt. Im Mai hielt der König seinen Einzug in die Hauptstadt Berlin, die Straße des Einzugs heißt seitdem Königsstraße. Friedrich liebte die Pracht und freute sich jeder Gelegenheit kostspielige Feste zu veranstalten. Seine Residenzstadt Berlin schmückte er mit großartigen Bauten, er ließ das königliche Schloß und das Zeughaus errichten, welche noch immer zu den Zierden der Stadt gehören. Auf der Brücke der Königsstraße wurde ein herrliches Erzbild seines großen Vaters aufgestellt. Die schöne und geistreiche Königin Sophie Charlotte gefiel sich am meisten in der Gesellschaft von geistvollen Gelehrten und in der Stille des Landlebens. Besonders gern weilte sie in dem Landschlößchen Lützow, und um dieses bildete sich die nach dem Namen der Königin benannte Stadt Charlottenburg. — In dieser Zeit erstand durch einen gar schlichten Mann das große Waisenhaus in Halle. Den Prediger Hermann Francke jammerte die Not der Armen, die er bei seinen täglichen Besuchen in ihren Häusern kennen lernte. Er unterrichtete daher ihre Kinder unentgeltlich im Christentum und stellte in seiner Kirche eine Büchse für sie aus. Einmal fand er zu feiner Überraschung eine Gabe von sieben Gulden darin, da sagte er: „Das ist ein schönes Kapital! Davon muß man was Rechtes stiften, ich will eine Armenschule einrichten." Er bestellte einen armen Studenten für wöchentlich sechs Groschen zum Lehrer, kaufte von den kleinen Beiträgen in der Armenbüchse Schulbücher und unternahm Reisen, um auch an andern Orten zum Besten seiner Anstalt zu sammeln. Jedes Scherflein entlockte ihm Frendenthränen, und um seines edlen Eifers willen trug jedermann gern zu dem guten Werke bei. Bald war Francke imstande auf die Herstellung eines eigenen Hauses auszugehn; während des Baus war er oft ohne Pfennig, aber er verzagte nicht und sein festes Gott-vertrauen wurde nie getäuscht, es kam oft Geld ein, von wo er es nicht geahnt. Nach zehn Jahren konnten schon 125 Waisenknaben

4. Geschichten aus der Geschichte - S. 152

1890 - Königsberg i. Pr. : Koch
— 152 — endlich im Glanze eines milden Sonnenlichts Memel vor sich. Bald langten dort auch der König und die Kinder an. Im Februar 1807 leuchtete für Preußen ein Hoffnungsstrahl auf. Der Kaiser von Rußland, Alexander I., schloß einen Bund mit Preußen gegen Napoleon, und in der Schlacht bei Pr. Eylan, wo Russen und Preußen kämpften, thaten sich die letzteren, die um ihren König versammelt waren, durch Tapferkeit hervor, aber es war kein zweifelloser Sieg. Gleichwohl ließ Napoleon dem König Frieden anbieten, wenn er mit Rußland brechen wollte, doch auf diese Bedingung ging Friedrich Wilhelm nicht ein. Alexander besuchte die königliche Familie in Memel und sagte zu seinem Bundesgenossen: „Nicht wahr? Keiner von uns beiden fällt allein? Entweder beide zusammen oder keiner von beiden." Unterdessen hatte Napoleon mehr Streitkräfte an sich gezogen und gewann im Juni bei Friedland einen entscheidenden Sieg über die verbündeten Preußen und Russen; damit war das Verderben Preußens besiegelt. Die Königin schrieb an ihren Vater: „Mein Glaube soll nicht wanken, aber hoffen kann ich nicht mehr. Nun denn, so wollen wir ans dem Wege des Rechts leben, sterben und, wenn es sein muß, Salz und Brot essen." Der Kaiser Alexander vergaß seine feierliche Zusage und schloß einen Bund mit Napoleon. Dieser lud die königliche Familie zu den Friedensnnterhandluugeu nach Tilsit ein. Da er auf Preußen ganz besonders erbittert war, so riet Alexander, die Königin möchte mit Napoleon über die Friedensbedingungen sprechen, die Anmut, Hoheit und Reinheit ihrer ganzen Erscheinung könne auf den harten Sieger mildernd wirken. Sie willigte ein, doch unter Thränen sagte sie: „Das ist das schmerzlichste Opfer, das ich meinem Volke bringe, und nur die Hoffnung, diesem dadurch nützlich zu sein, kann mich dazu bringen." Napoleon wollte die Frau, von der er so viel gehört hatte, kennen lernen und lud sie zu einem Mittagsmahl bei sich ein. Mit allen königlichen Ehren wurde sie abgeholt, und so lange sie von gleichgiltigen Dingen sprachen, bezeigte ihr Napoleon die feinste Höflichkeit, aber als die Rede auf den Frieden kam, konnte ihn die Königin nicht zum geringsten Zugeständnis bewegen. Die Gewalt, die sie sich angethan, mit Napoleon zu sprechen, war erfolglos geblieben. Nur eine hohe Meinung von ihr nahm er mit sich. Im Frieden von Tilsit mußte Preußen die volle Hälfte seines Besitzes abtreten und wurde aus einem hochgeachteten Lande eines

5. Geschichten aus der Geschichte - S. 154

1890 - Königsberg i. Pr. : Koch
— 154 — folgenden Tage zu der vorbereiteten Festoper im Theater zu erscheinen, aber Friedrich Wilhelm sagte: „Mein erster Gang ist in die Kirche." Am nächsten Sonntag wohnte er mit seiner Gemahlin der Dankfeier im Dome bei, auch in allen andern Kirchen fand eine Dankfeier statt. Seit Jahren hatte Luise gewünscht, ihren Vater in Strelitz zu besuchen. Seitdem sie Preußen angehörte, hatte sie nur einmal „unter dem väterlichen Dache" geschlafen. Jetzt unternahm sie die Reise; sie wollte dort acht Tage bleiben und der König versprach ihr nach wenigen Tagen dahin zu folgen. Als er eintraf, äußerte Luise, wie glücklich sie sich fühle, ihren Mann im Hause des Vaters als Tochter vom Hause zu empfangen. Und zum Vater sagte sie: „Ich bin heute sehr glücklich als Ihre Tochter und als die Frau des besten der Männer." Doch am folgenden Tage fühlte sie sich unwohl, ließ es sich aber nicht merken. Nach der Abreise des Königs nahm die Krankheit zu, Ärzte wurden zu Rate gezogen und gaben Hoffnung auf baldige Genesung. Doch nicht lange, so erklärten sie ihren Zustand für hoffnungslos. Der König beeilte sich nach Strelitz zurückzukehren. Mit ihm kamen der Kronprinz und Prinz Wilhelm. Als sie an ihrem Lager standen, sagte sie erfreut: „Ach, lieber Fritz, lieber Wilhelm! Seid ihr da?" Doch bald darauf hörte man, wie sie mit matter Stimme sprach: „Ach, mir hilft nichts als der Tod." Und bald hauchte sie ihre edele Seele aus. Der König hatte ihre rechte Hand mit der feinigen umfaßt und die Schwester kniete auf der anderen Seite und hielt die linke. Er fiel vor Schmerz zusammen, dann drückte er der Heißgeliebten unter Thränen und Küssen die Augen zu. Die Söhne waren aus dem Sterbezimmer hinausgeschickt, jetzt fand er sie weinend auf der Schloßtreppe stehn und rief ihnen zu: „Es ist zu Ende. Kommt herein!" Es war der härteste Schlag, der ihn treffen konnte, und das ganze Volk trauerte mit ihm um die Königin, die stets im vollsten Sinne eine Landesmutter gewesen. — Sie starb am 19. Juli 1810, erst 34 Jahre alt. Einen Trost wenigstens nahm die verklärte Königin in das Jenseits mit. Sie hatte noch erlebt, daß das niedergeschmetterte Preußen wieder frischen Mut faßte und sich bemühte zu der Höhe der Macht und des Ansehns zu gelangen, von der es herabgestürzt war. Viele Einrichtungen, welche für die Zeit Friedrichs des Großen gepaßt hatten, eigneten sich nicht mehr für die neue Zeit,

6. Geschichten aus der Geschichte - S. 149

1890 - Königsberg i. Pr. : Koch
— 149 — sie von einem kleinen lieblichen Mädchen mit einem Blnmenstranß begrüßt, da neigte sie sich zu ihm nieder und küßte es; ihre Oberhofmeisterin, welche ans strenge Formen hielt, erschrak und sagte: „Mein Himmel, was haben Ew. Königliche Hoheit gethan! Das ist ja ganz gegen die Hofsitte." „Wie?" entgegnete sie, „darf ich das nicht mehr thun?" — Es war damals Sitte, daß vornehme Eheleute einander mit Sie anredeten, daher fiel es dem Schwiegervater auf, als er seinen Sohn, den Kronprinzen, die Prinzessin Du nennen hörte. Aber jener erklärte scherzend: „Es geschieht aus guten Gründen. Mit dem Du weiß man immer, woran man ist, dagegen bei dem Sie ist immer das Bedenken, ob es mit einem großen S gesprochen wird oder mit einem kleinen." Als der Kronprinz erfuhr, daß das Gut Paretz an den Wiesen der Havel zu verkaufen war, wo er schon als Knabe gern geweilt hatte, kaufte er es, um dort mit seiner Gattin das Landleben auf eigenem Besitz zu genießen. Das alte gutsherrliche Wohnhaus ließ er abbrechen und ein neues aufführen, mit dem Auftrag an den Baumeister, daß alles in ländlich-bescheidener Weise hergestellt werden solle. Daher fand man dort keine kostbaren Möbel, keine reich gestickten Teppiche, keine goldenen und silbernen Gerätschaften. Auch die Gartenanlagen ähnelten nicht einem Fürstenpark, sondern denen eines einfachen Gutsgartens. Er wollte in Paretz nur als „Schulze von Paretz" angefehn werden, und als einmal eine Fürstin zu Besuch war und die Prinzessin fragte, ob es ihr denn nicht langweilig werde, Wochen und Wochen in dieser ländlichen Einsiedelei zuzubringen, erhielt sie die Antwort: „Ach nein, ich bin ganz glücklich als gnädige Frau von Paretz." Schon in ihrer Kindheit hatte sie nach dem Spruche gehandelt: Wohlzuthun und mitzuteilen vergesset nicht. Wenn Gutsleute von Not oder Krankheit heimgesucht wurden, waren sie ihrer thätigen Teilnahme sicher. Und wenn das Erntefest gefeiert wurde und der Erntekranz überreicht war, mischten sich Prinz und Prinzessin unter die Menge und nahmen auch an dem Tanzvergnügen teil. Bei solcher Gelegenheit wurden viele Buden aufgebaut und Käufer und Verkäufer fanden sich zahlreich ein. Die Prinzessin kaufte große Körbe mit Eßwaren, verteilte sie unter alt und jung und hatte ihre Freude an dem Geschrei der Kleinen: „Mir auch was, mir auch was, Frau Prinzessin!" Ebenso verging kein Weihnachtsmarkt in Berlin, wo sie sich nicht unter das Gedränge begeben und reich-

7. Geschichten aus der Geschichte - S. 153

1890 - Königsberg i. Pr. : Koch
— 153 — vor dem sich kein anderes fürchten durfte. Dazu kam die Forderung einer erschrecklichen Summe Geldes; so lange es nicht bis auf Heller und Pfennig erlegt wäre, sollten die Festungen von französischen Garnisonen besetzt bleiben, welche von dem bereits ausgesogenen Lande reichlich genährt werden mußten. Die Gesundheit der Königin, die schon von den traurigen Erlebnissen der letzten Zeit stark angegriffen war, litt unter dem Einfluß der kalten, feuchten Luft in Memel, sie sehnte sich nach Königsberg zurück, und nachdem die Franzosen diese Stadt verlassen hatten, siedelte die königliche Familie dorthin über. Sie wohnten nahe der Stadt in einem einfachen Hause, zu dem ein großer Park gehört. Dieser Landsitz heißt seitdem Luisenwahl und ist mit einer schönen Marmorbüste der Königin geschmückt. Als Kaiser Wilhelm I. einmal in Königsberg war, besuchte er den Garten und das Haus, worin er einen Teil seiner Knabenzeit gelebt hatte, und erzählte seiner Umgebung, wie oft er im Schlafzimmer bei nächtlicher Weile von Grauen ergriffen gewesen, wenn er das Lausen und Nagen der zahlreichen Mäuse über der hölzernen Decke zu hören bekam. So einfach war die Wohnung! Die Königin sah hier gern geistvolle und vaterlandsliebende Männer um sich; da wurden dann Gespräche über die Ereignisse geführt, welche die Hoffnung auf eine bald wieder besser werdende Zeit wach erhielten, oder über einzelne Stellen belehrender Bücher. Trotz ihrer sehr geschmälerten Mittel unterstützte sie auch hier kranke oder arme Menschen reichlich. Und wie in edelen Gemütern schweres Unglück häufig statt verzagt zu machen, die Kraft hat, Geist und Gemüt zu erhöhen, so war es auch bei Luise; unter ihren Sorgen und Schmerzen befestigte sich noch ihr Gottvertrauen. Doch an ihren Körperkräften nagten die steten Aufregungen, der Wechsel zwischen Hoffen und Fürchten schon lange. Endlich war Preußen von den französischen Truppen verlassen und das Königspaar begab sich nach Berlin. Luise schrieb an ihre Schwester: „So werde ich denn bald wieder in Berlin sein und zurückgegeben so vielen treuen Herzen, welche mich lieben und achten." Es war am 23. Dezember, gerade an demselben Tage und in derselben Stunde, wo sie vor 16 Jahren als Braut in die Residenz eingezogen war, als sie unter dem Geläute der Kirchenglocken und den herzlichsten Zurufen vor dem königlichen Palais aus dem Wagen stieg. Der Magistrat bat König und Königin am

8. Geschichten aus der Geschichte - S. 129

1890 - Königsberg i. Pr. : Koch
— 129 — Seme Erholung fand er in der Jagd, die er leidenschaftlich liebte, in Handarbeiten, wie Drechseln und Kleben, und in einer wunderlichen Gesellschaft, dem Tabakskollegium. Er besuchte es mit großer Regelmäßigkeit; Generale, Minister, auch Offiziere niederen Ranges waren um ihn, es mußte aber auch einer da sein, an dem der König seine oft recht derben Späßchen auslasten konnte. Die Gesellschaft versammelte sich abends zwischen fünf und sechs. Man saß auf Holzschemeln um eine lange einfache Tafel. Vor jedem Gaste lag eine knrze Thonpfeife, der Tabak stand in Körbchen bereit, kupferne Pfannen mit glühendem Torf dienten zum Anzünden. Jeder hatte einen Weißen steinernen Krug mit Bier und ein Glas vor sich. Hier fühlte sich der König sehr behaglich und nahm auch unvorsichtige Reden nicht übel. Kronprinz Friedrich. Der Kronprinz war am 24. Januar 1712 geboreu. In seinem Charakter vereinigte sich des Vaters fester Sinn und feuriges Temperament mit dem zarten, innigen Gefühl seiner Mutter, Sophie Dorothea, einer Schwester des Königs von England. Von seiner ersten Erzieherin, einer ehrwürdigen vornehmen Frau, die schon die Erzieherin seines Vaters gewesen, empfing er die Vorliebe für die französische Sprache, welche vom Vater gehaßt, aber die Sprache des Hofs und aller höher gestellten Familien war. Im siebenten Jahr begann der Unterricht im Kriegswesen. Wie es bei Prinzen gewöhnlich ist, stieg er in seiner militärischen Würde schnell auf und war mit 16 Jahren Oberstlieutenant. Als solcher hatte er nun die Einübung seiner Soldaten zu besorgen, doch seine Neigungen waren damals nicht die eines Soldaten, wie er auch die Jagd, das größte Vergnügen seines Vaters, für eine rauhe Beschäftigung hielt. Die schönsten Stunden waren für ihn die, in welchen er sich der Lektüre geistvoller Bücher hingeben oder das Flötenspiel üben konnte. Als der Vater einmal mit ihm Dresden besuchte, hörte er den berühmten Musiker Quantz Flöte blasen und wünschte nun diese Kunst gleichfalls zu lernen. Die Lehrstunden mußten vor dem König geheim gehalten werden, doch die Mutter hatte es zu vermitteln gewußt, daß Quantz mehrmals im Jahr für einige Tage nach Berlin kam, wo er sich denn an den schnellen Fortschritten seines Schülers erfreuen konnte. Der Prinz wurde ein Meister im Flötenspiel und hat sich die Liebe dafür bis in sein hohes Alter bewahrt. Die 9

9. Geschichten aus der Geschichte - S. 131

1890 - Königsberg i. Pr. : Koch
— 131 — sprechen darf." Auch der Fürst von Dessau, der beim König viel galt, verwandte sich dringend für den Prinzen. Da versank der König in Nachdenken und gab dann eine mildere Gesinnung zu erkennen. Dem Kronprinzen stand indessen eine schwere Stunde bevor. Katte war zum Tode verurteilt und der König ließ sich durch die inständigsten Bitten seines Vaters und Großvaters nicht zur Begnadigung bewegen. Er verfügte, daß Katte gleichfalls nach Küstrin gebracht und dort vor den Augen des Kronprinzen hingerichtet werden sollte. Ganz buchstäblich wurde der Befehl freilich nicht ausgeführt, doch kam der traurige Zug an dem Gefängnis vorbei. Weinend rief Friedrich dem Freunde zu: „Mein lieber Katte, vergeben Sie mir, daß ich Sie in dieses Unglück gestürzt habe." Katte antwortete: „Dessen bedarfs nicht, gnädiger Herr, wenn ich zehn Leben zu verlieren hätte, so wollte ich sie willig für Sie hingeben." Am Sandhügel angekommen, erlitt er furchtlos den Tod. An diesem grausigen Vormittag fiel der Kronprinz mehrmals in tiefe Ohnmacht. Der Feldprediger, welcher Katte auf dem Wege zum '-Lode begleitet hatte, kam nach der Hinrichtung zu Friedrich, überbrachte ihm die letzten Aufträge seines Freundes und ermalmte ihn mit freundlichen Worten, sich seiner großen Schuld gegen den Vater bewußt zu werden. Der Besuch wurde mehrmals wiederholt, und endlich ging der Prinz in sich und bereute, was er gethan. Als der König dies erfuhr, sprach er seine Begnadigung aus, doch bestimmte er, daß er noch einige Jahre in Küstrin bleiben, in einem Privathaus wohnen, in Civilkleidern gehn, innerhalb der Thore bleiben und zu seiner Übung bei der dortigen Verwaltung als Kriegsrat arbeiten sollte. Der Prinz betrieb das letztere mit dem größten Eifer. In das folgende Jahr fiel das Vermählnngs-seft feiner Schwester Wilhelmine; da wagte man dem König vorzustellen, daß die Freude seiner Gemahlin an diesem frohen Tage ohne die Gegenwart ihres Lieblings nur unvollkommen sein würde. Weil er nun bei ungewöhnlich guter Laune war, ließ er den Sohn aus Küstrin kommen, versteckte ihn aber bis gegen das Ende der Tafel, dann trat er mit ihm in den Saal und führte ihn zur Königin mit den Worten: „Sehet Ihr, Madame, da ist nun der Fritz wieder." Er hätte der Mutter, dem Sohn und der Schwester keine größere Freude bereiten können. In diesen Tagen erschienen auch, vom Fürsten von Dessau geführt, alle Generale und Obersten Berlins vor dem König und baten, den Kronprinzen wieder in den Militär- 9*

10. Geschichten aus der Geschichte - S. 183

1890 - Königsberg i. Pr. : Koch
— 183 — diges. Er war mit der geistvollen Weimarischen Prinzessin Augnsta vermählt, und das hohe Paar konnte unter freudiger Teilnahme des Volks seine goldene Hochzeit feiern. Aus dieser Ehe waren der allverehrte Kronprinz Friedrich Wilhelm und die edle Frau, die Großherzogin von Baden, Luise, entsprossen. Man kann sich kein schöneres Bild von dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern vorstellen, als das am preußischen Hofe. Von seiten der Eltern gab sich die wärmste Liebe kund, die von den Kindern mit der innigsten Verehrung vergolten wurde. So streng der Kaiser im Dienste war, so milde, ja fast weichherzig war er außer dem Dienste. Wenn er nach einer Schlacht die Namen der Toten und Verwundeten durchging, kamen ihm Thränen in die Augen und er konnte sich kaum des Trübsinns erwehren. Er mochte kein Torpedoboot sehn, weil es unter den Feinden so großes Verderben anrichtet. Wurde ihm ein Todesurteil zur Bestätigung vorgelegt, so dauerte es immer lange, bis er seine Unterschrift dazu gab. Er brauchte sogar Vorwände, die Entscheidung aufzuschieben, und nachdem er die Akten von Anfang bis zu Ende genau gelesen, fragte er wohl noch den Justizminister: „Liegen denn gar keine Milderungsgründe vor, die die Begnadigung zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe möglich machen?" Der Kaiser war es ja seiner Stellung als Fürst oft schuldig, sich in Pracht und Prunk zu zeigen, aber wo er sich davon entbinden konnte, lebte er am liebsten einfach. Seine Ruhestätte während der Nacht war ein eisernes Bettgestelle, und als ein Modewarenhändler, der wohl gerne den Titel eines Hoflieferanten erhalten wollte, ihm einen kostbaren seidenen Schlafrock übersandte, lehnte er das Geschenk ab mit der kurzen Bemerkung: „Die Hohen-zollern tragen keine Schlafröcke." Für andere gab er Geld mit vollen Händen hin, für sich war er sehr sparsam, fast knauserig. Er erneuerte seine Kleider ungern und mochte ein schadhaftes wollenes Hemde lieber ausbessern lassen als es mit einem neuen vertauschen, ebenso mußten seine Stiefel lange vorhalten, nur das durchaus Notwendige wurde angeschafft. Im Verkehr mit seiner Dienerschaft entfuhr ihm nie ein böses Wort. Verdroß ihn etwas an einem Diener, so sagte er nur: „Das darf nicht vorkommen," und es war ein Zeichen höchster Erregtheit wenn er sagte: „Das muß nicht vorkommen." Eine Tasse, aus der er seit 20 Jahren seinen Thee getrunken, das Ge-
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