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1. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 440

1882 - Kiel : Homann
440 Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. rend die meisten Metalle erst durch verwickelte chemische Prozesse aus ihren natürlich vorkommenden Verbindungen abgeschieden werden müssen; die Thatsache, daß das Holz durch einen natürlichen chemischen Vorgang alljährlich aus den Bestandteilen der Luft und des Bvdens neu gebildet wird, ja, daß in früherer Zeit, wo die Bevölkerung der Erde dünner war und mächtige Urwälder weite Landstriche bedeckten, die jetzt der Pflug des Landmannes durchzieht, dieser alljährliche Zuwachs das Be- dürfnis der Menschen weit überstieg; die Festigkeit und Zähigkeit des Holzes neben seiner Schneidbarkeit und Spaltbarkeit — alles dieses mußte schon die rohesten Naturvölker darauf hinweisen, das Holz zur Herstellung seiner Wohnungen, zur Anfertigung von Geräten für häusliche Bedürf- nisse, wie für Krieg und Verteidigung zu benutzen. Wenn auch dem Holze zwei für die Benutzung der Metalle wichtige Eigenschaften derselben, die Schmelzbarkeit und Schmiedbarkeit abgehen, so besitzt doch gerade in den Anfängen des Kulturlebens der Völker der Mangel dieser Eigenschaften geringere Bedeutung, da die oben erwähnte leichtere Teilbarkeit des Holzes ihm einen um so größeren Vorzug vor den schwieriger teilbaren Steinen oder Metallen verleiht, je unvollkommener die Hülfsmittel für die Verarbeitung noch sind. Anoers ist es jetzt. Für viele frübere Verwendungen ist das Holz durch andere Stoffe ersetzt worden; aber trotzdem ist sein Wert von Jahr zu Jahr gestiegen. Denn für zahlreiche Zwecke ist es vermöge seiner Eigenschaften, wohin vor allem sein geringes specifisches Gewichl und seine geringe Wärmeleitungsfähigkeit gehören, unersetzlich geblieben; das Menschengeschlecht hat sich von Jahr zu Jahr vermehrt, hat aber — oft mit unvernünftiger Planlosigkeit — die Riesen der Urwälder gefällt, um seine Wohnstätten und Äcker an deren Stelle zu setzen, und somit selbst der schassenden Natur die Möglichkeit genommen, den Verbrauch zu ersetzen. Erst die Neuzeit hat Besserung in dieser Beziehung geschaffen. Nicht allein der zunehmende Mangel an Holz, auch die Erkenntnis der klimatischen Einflüsse haben die Regierungen vermocht, einer regelmäßigen Forstkultur, ja selbst einer Wiederanpflanzung der zerstörten Wälder ihr Augenmerk zuzuwenden; und ein Erfolg dieser Bestrebung ist für unser wirtschaftliches Leben um so wichtiger, da mit der vorläufig noch fort- schreitenden Ausrottung der Wälder fremder Erdteile auch diese Bezugs- quelle immer spärlicher fließen dürfte. A. Ledebur. 181. Die Tischler- oder Schreinerarbeiten. Unter allen Gewerben, welche die mechanische Verarbeitung des Holzes betreiben, ist die Tischlerei zweifellos die ausgedehnteste. Ist es doch der Tischler, welcher nicht allein unsere Wohnungen durch An- fertigung der Thüren, Fensterrahmen, Fußböden erst benutzbar macht, sondern welcher auch innerhalb unseres Daheims uns erst unsere Behag- lichkeit schasst, indem er uns mit allen den zahlreichen Gegenständen um-

2. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 109

1882 - Kiel : Homann
Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. 109 „Stein von Stäfa" war der tiefste Stand des Seees mit 1674 bezeichnet. Anno 1854 fiel derselbe noch um 33 cm unter diese Linie. Der See ging auf große Strecken von dem Ufer zurllck und legte seinen schlammigen Grund offen zu Tage. Die Anwohner benutzten diese seltene Gelegenheit allerwärts zu Hafenbauten und Landanlagen. So geschah es auch zu Obermeilen. Zwei Besitzer daselbst wollten dem See, der hier eine sonnige Bucht bildet, ein Stück Land abgewinnen. Sie errichteten ein Maw r- viereck weit in das offene Seebett hinaus und füllten dann den umnmuerten Raum mit Letten aus, den sie an zwei verschiedenen stellen aus dem Seeboden aus- graben ließen. Die Arbeiter hatten zu oberst eine ca. 40 cm dicke Lage von gelblich grauem Schlamm wegzuschaffen; unter diesem trafen sie auf eine schwarze moderige Schicht von 72 cm Tiefe. In dieser Schicht, wir wollen sie Fundschicht nennen, lagen nun wieder Stein-, Knochen- und Hornsachen verschiedener Art; ebenso enthielt die- selbe auch Haselnüsse, vermodertes Gras und Laub. Und zum größten Erstaunen der Arbeiter zeigten sich beim Weilergraben auch Köpfe von 20—30 cm dicken Pfählen, welche in Menge, bloß 30—40 cm auseinander, reihenweise im Seebett staken. Diese Pfähle, an welchem man noch die Rinde unterscheiden konnte, waren übrigens so weich, daß sie mit der Schaufel sich wie Lehm durchstechen ließen. Man achtete jetzt der Fundsachen etwas mehr wie früher; doch wußte man noch immer nicht, was für Dinge es seien. Da kamen neben vielen Hirschgeweihen auch ganz wolgeformte längliche Steine, durchbohrte Knochen, sorgfältig spitz zugeschliffene Knöchlein, Kugeln mit Löchem, eine Art Hammer, Topfscherben und viel Anderes zum Vorschein. Besonders überall da, wo man Pfähle fand, fand man auch diese Dinge. Der Lehrer des Ortes erhielt des folgenden Tages davon Kunde, er geht an den Fundort und findet alles bestätigt. Bei genauerer Betrachtung der Fundstücke muß er sich sagen: Hier hat Menschenhand gearbeitet; das sind Werkzeuge und Geräte, die der Mensch einst gebraucht hat. Er sammelt und erwirbt nun für sich selbst eine Menge dieser gefundenen Dinge und macht sofort Bericht an die antiquarische Gesell- schaft in Zürich. Das war gut und klug. Vier Stunden nach Abgang des Briefes waren die Herren des Vorstandes schon zur Stelle. Der Präsident, Dr. Keller, sieht die ganze,,Sammlung des Lehrers und erklärt voll Forschersreude die Gegenstände so- fort als Äxte, Meißel, Hämmer, Pfrieme, Ahlen, Stech- und Strickwerkzeuge, Korn- quetscher (nicht Nußknacker), Netzsenker, Schleifsteine, Waffenteile, Kochgeschirre u. s. w., alles aus einer uralten Zeit und von einem uralten Volk, Kelten genannt, herrührend. Der größere Teil der Sammlung war ihm, dem eifrigen vaterländischen Forscher, schon längst bekannt gewesen. Die Herren nahmen darauf das Pfahlwerk selbst in Augenschein. Auffallend war ihnen die Menge der Fundsachen, die un eigentlichen Seebecken weit draußen und nicht bloß am Strand gefunden wurden. Es galt daher festzu- stellen, ob die Menschen, denen diese Sachen einst zugehört hatten, wirklich in Hütten auf den Pfählen gewohnt, die vor ihnen in regelmäßigen Reihen eingerammt im See- bett standen. Herr Dr. Keller erinnerte an die Fischergebäude, die vor „Alters in Zürich in der Limmat, auch auf Pfählen erbaut, gestanden hatten, und die Überzeugung drängte sich auf, daß hier ähnliche Wasserwohnungen aus uralter Zeit der Untersuchung vorlägen. Diese Ansicht erhielt feste Form und Begründung, als im nächsten Sommer (1855) im Bielersee,, gleichfalls solche Pfahlwerke gefunden worden. Da sprach Dr. Keller mit vollster Überzeugung die Worte aus, daß in frühester Vorzeit Gruppen von Fa- milien und zwar Kelten ihre Wohnungen auf Pfahlwerk in den Schweizerseeen erbaut hätten. Er nahm ferner mit Sicherheit an, es beschränke sich diese seltsanie Art der Niederlassung — der Pfahlbauten — nicht nur auf helvetische Seeen, sondern sie müsse Brauch bei der ganzen kelüschen Nation gewesen sein. Sobald die Untersuchungen und Ansichten des Dr. Keller durch die Augsburger Allgemeine Zeitung bekannt wurden, kamen Berichte über Berichte, daß mau' da und dort in den Schweizerseeen und auch im Auslande ähnliche Pfahlbauten mit ähnlichen

3. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 110

1882 - Kiel : Homann
110 Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. Fundstückeu entdeckt habe. Jetzt läßt sich mit Bestimmtheit sagen, daß das Urvolk der Helvetier allüberall in den Schweizerseeen seine Dörfer auf Pfahlgerüste ins Wasser hinaus gebaut hat. Allein in der Schweiz sind über 200 solcher Pfahldörfer entdeckt und genau erforscht worden. Die Untersuchung zu Obermeilen ergab nun folgendes. Das Dorf muß die ganze Bucht bis weit in die See hinaus bedeckt haben. Es waren zu dem Unterbau wohl 100.000 Stück senkrecht eingerammter Pfähle von bedeutender Länge erforderlich. Auf diesen Pfählen lag ein Gerüst von Balken, das wieder ganz mit Rundholz oder Spältlingen bedeckt war und ungefähr wie eine große Brücke aussah. Auf diesem Gerüste wurden Hütten in Menge errichtet. Ein Steg führte von ihm ans Land. Als die Bevölkerung zunahm, wurden neue Bierecke angebaut. Der Seegrund unter dem Pfahldorf war ______ =r ggafier so beschaffen. Der Schlamm war natürlich - r in der Urzeit noch nicht als oberste Lage vor- ———.........—— Handen. Alles Angeschwemmte mischte sich ....7. Schlamm später mit der Fund sch icht. Die Pfähle ——————__ staken tief im Seeboden und reichten über die -—.... Fundschicht Fundschicht und das Wasser hinaus. In die -------~——7 ' Fundschicht fiel nun alles, was die Menschen, Seeboden die oben auf dem Gerüste viele Jahrhunderte ------------- lang gelebt haben, wegwarfen, so die Nachbleibsel der geschlachteten Tiere, zerbrochene Geräte, Nußschalen, Küchenabfälle k. Endlich, da das Dorf abbrannte, wie das bei manchen nachzuweisen ist, fielen Hllttenteile, Vorräte, überhaupt alles, was nicht ge- rettet wurde, in glühendem Zustand in die Fundschicht hinunter und blieb da liegen bis auf unsere Tage. Den Seeschlamm, der oben aufliegt, haben Jahrtausende an- geschwemmt und die Fundschicht damit bedeckt. Was in der Fundschicht an Obst, Stroh, Getreide, Flachs u. dergl. aufgehoben wird, ist alles verkohlt. Die Kohle fault nicht, darum sind uns die Dinge jahrtausendelang aufbewahrt geblieben. Die Pfähle waren 10—20 m dick; sie sind noch jetzt 2—Sva m lang und gehören allen Holzarten an. Es waren Spätlinge und ganze Baumstämme. Die Forscher nehmen an, die ersten Erbauer seien in dunkelster Vorzeit aus Asien hiereingewandert und haben die dorther stammenden Haustiere: Pferd, Schaf, Ziege, Rind, deren Knochen man findet, sowie auch Gerste, Weizen und Flachs mit sich ge- bracht. Sie nährten sich von der Jagd, vom Fischfang, Ackerbau und Viehzucht, von wilden Früchten, besonders von wildem Obst. Sie kleideten sich in Tierfelle oder selbst gewobene Leinwand und scheuten sich auch vor Kriegszügen nicht. Ihre Sitten waren natürlich roh wie das Land, das vielfach aus Wald und Sumpf bestand; doch sieht man ihren Geräten an, daß sie in der Kultur von Jahrhundert zu Jahrhundert Fort- schritte im guten machten. Daß es schon in ganz alten Zeiten Völkerstämme in Asien gab, die ebenfalls in den Seeen auf Pfahlbauten wohnten, läßt sich aus dem schließen, was der Vater der Geschichte Herodot erzählt*) von den Wohnungen der Päonen an dem See Prasias. Ähnliche Wohnungen hat auch Kapitän Cook auf seiner Welmmsegelung im Jahre 1769 bei den Bewohnern Neuseelands gefunden. Und warum erbauten die Urhelvetier ihre Wohnungen auf dem Wasser? Sie thaten es, um sich vor Raubtieren und feindlichen Menschen zu schützen. Chroniken und geschriebene Urkunden aus jener alten Zeit fehlen, aber doch weiß der Altermmsforscher Licht in das Dunkel zu bringen, daß wir uns annähernd ein Bild von den Zuständen jener Tage, von der Lebensweise und Hantierung jener Ge- schlechter machen können. Wo die menschliche Überlieferung schweigt, müssen die Steine reden. Da die Gegenstände, die man aus Seebecken und Torfmooren gräbt, Geräts aus Stein, Bronze und Eisen sind, so hat man die Vorzeit in drei große Zeiträume eingeteilt: 1. die Steinzeit; 2. die Bronzezeit; 3. die Eisenzeit. '■) V. Buch, 16.

4. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 114

1882 - Kiel : Homann
114 Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. und eine eigentümliche Anziehungskraft auf den Beschauer ausübt. Dem Materiale nach zerfallen die Bauten in 3 Klassen: Steinbauten, Ziegelbauten und solche, bei denen natürliche Steine und Ziegel gemischt verwendet wurden. Die Steinbauten bestehen entweder ans Quadern oder aus Bruchsteinen, teils mit, teils ohne Mörtel verbunden. Der Ouaderban enthält vollkommen rechtwinklig bearbeitete Steine gleicher Gattung, deren fester Verband dadurch herbeigeführt wurde, daß kubische und von außen gesehen doppelt so lange Steine in regelmäßiger Schichtung derartig mit ein- ander wechselten, daß je eine Schicht aus kubischen Steinen zwischen zwei Schichten aus doppelt so langen zu liegen kam, deren senkrechte Fugen immer je den zweiten Stein der kubischen Schicht halbierten. Außer dieser edelsten und vollkommensten, aus Griechen- land überkommenen Gattung des Quaderbaues, kommen aiich gewisse Abarten vor, bei denen indes immer dasselbe Prinzip der wechselnden Stoßfugen maßgebend blieb. Zu Kriegszwecken wandte man Quadern an, die nur an den Innenflächen und an den Rändern ihrer Stirnseite, besonders aber an den rechtwinkligen Kauten der Gebäude behauen und glatt umsäumt sind, während die Mitte gar nicht oder nur roh bearbeitet erscheint. Diese Quadern heißen Buckelsteine. Die innere Verbindung der Quadern geschah durch hölzerne oder metallene Klammern oder nur niit sehr wenigem Mörtel. Den Gegensatz zum Quaderbau bildet das Mauerwerk aus rohen Bruch- steinen, welche ohne regelmäßige Schichtung in Mörtel gelegt, zuweilen jedoch auch bloß trocken auf einander gehäuft wurden. Das am häufigsten vorkommende, spezifisch römische Mauerwerk besteht aus kleinen würfelförmigen oder mehr länglichen Tuff- steinstücken (von etwa 7—14 cm Fläche) mit sehr breiten Mörtelfugen sowohl zwischen den einzelnen Steinen, als zwischen den ganzen Schichten. Die Fugen durch- schneiden einander entweder rechtwinkelig oder in der Diagonale mit übereck gelegten Steinen, wodurch das sogenannte Netzwerk entsteht. Ans die Fabrikation der Ziegel verwendeten die Römer sehr große Sorgfalt, so- ivohl in der Auswahl des besten Materials, als in Beziehung auf den Grund des Brennens zur Erzielung der möglichsten Härte und einer schönen roten Farbe. Ge- setzlichen Vorschriften zufolge sollte jeder Ziegel mit einem Fabrikstempel versehen sein, welcher den Namen des Verfertigers in den Anfangsbuchstaben, zuweilen auch den Verfertignngsorr und chronologische Data enthielt. Zu Militärbanten, die von den technischen Truppen ausgeführt wurden, fabrizierten die letzteren auch die Ziegel und jede Legion hatte ihren bestimmten Stempel, womit dieselben bezeichnet wurden. Größe und Format der römischen Ziegel ist sehr verschieden; in der Regel sind sie jedoch sehr lang und dünn und haben bei einer Fläche von 0,08—0,16 qm oft nur eine Dicke von 2 cm. Dabei sind die Mörtelfugen mindestens eben so stark, zuweilen stärker als die Steine. Außer zum reinen Ziegelbau wurden einzelne Schichten von Ziegeln auch als Binder häufig in Neubau, Bruchsteinbau verwendet, teils in ge- wöhnlicher wagerechter Lage, teils auch mit schiefer Gegeneinanderstellung, daß dadurch eine verschiedene Figuration sich bildete. Uebrigens wurden oft nur die beiden Außenseiten der Mauern aus Quadern oder anderem Steinwerk in regelrechtem Verbände aufgeführt, während das Innere aus unregelmäßig ausgeschüttetem und mit Mörtel reichlich versehenem Gußwerk bestand. Außer bei den Quaderbauten wurden die Wände innerlich und äußerlich mit Kalk geputzt oder mit Steintafeln geblendet. Der römische Mörtel besteht aus Kalk und reinein, von thonigen Beimischungen durchaus freiem grobkörnigen Sande, ge- wöhnlich mit einem Zusatz von gestoßenen Ziegeln und Topfscherben; doch finden sich in der Mörtelmasse des Gußwerkes häufig völlig unvermischte Kalkstücke, was zwar von geringerer Sorgfalt beiin Durcharbeiten des Mörtels zeugt, im Innern des Mauer- werks aber keinen Nachteil brachte. Neben dem Massivbau, der bei allen Prachtbauten wie überhaupt m den Städten zur Anwendung kam, war auch bei ländlichen und anderen bloßen Nlltzlich- keitsbauten der Fachwerksbau gebräuchlich. In künstlerischer Beziehung knüpfte die römische Baukunst zwar an die griechische an als unmittelbare Fortsetzung und gewifferniaßen Kopie derselben, wobei jedoch einerseits altitalische Elemente sich einmischten und andererseits neue Bildungen hinzutraten. Im allgemeinenen unterscheiden sich die römischen Bauwerke von den

5. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 118

1882 - Kiel : Homann
118 Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. 500 Pfeilern getragenen Leitungskanal, der teilweise mehr als 28 m sich über der Sohle der überschrittenen Thäler erhob. Die Aquädukte, einmal durch die Barbaren zerstört, blieben nachher in Trümmern liegen und erst der neuesten Zeit war die Wiederaufnahme dieses Zweiges der Baukunst durch Ausführung großer Eisenbahn- viadukte vorbehalten. Ähnlich verhält es sich mit den Kunststraßen, die das römische Gebiet in Deutschland nach allen Richtungen durchzogen. Die Bauart derselben war je nach Be- dürfnis, Terrain und Material verschieden, doch verfolgen sie fast immer gerade Linien und vermeiden gewöhnlich sumpfigen Boden. Die Dammschüttung zwischen zwei Verkleidungsmauern oder Pfahlreihen betrug bei einer Brücke zwischen 2,50 bis zu 1,70 m, zuweilen gegen 5 m über dem natürlichen Boden und die Fahrstraße be- gleiteten zu beiden Seiten zwei etwas erhöhte Kieswege für Fußgänger. Bei der vollkommensten Gattung bestand der Damm aus vier verschiedenen Lagen: zu unterst eine trockene oder in Mörtel gelegte Schicht glatter Steine, darüber eine Lage zer- schlagener Steine, sodann eine mit Ziegelbrocken vermischte Mörtelschicht und endlich ein Pflaster aus glatten, in regelmäßig vieleckigen Formen zugehauenen Steinen Die Wohngebäude in deutsch-römischen Mederlassungen bestanden wahrschein- lich meistens nur in Ziegel- oder selbst in Lehmfachwerk ausgeführten Holzbauten, so daß kaum Überreste davon nachzuweisen sind. Die weitläufigen und stattlichen Wohngebäude der Reichen waren dagegen aus festen und kostbaren Materialien nach festem Plaue gebaut. Der Hauptteil war der von Säulenhallen umgebene insgemein rechteckige innere Hof, um welchen sich die anderen Gebäude anreihten. Die im Jahre 1833 zu Fließen bei Trier entdeckten Überreste einer Villa aus der Zeit Konstantinus zeigen eine große Anzahl verschiedenartiger Räume, die sich zu einer in der Haupt- form viereckigen Anlage zusammenreihen.' Verschiedene Verbindungsgänge sondern die einzelnen Räume: heizbare Wintergemächer und Wohnräume für den Sommer, Bade- einrichtungen und andere Lokalitäten, mit Mauern umgebene Höfe schließen sich dem Gebäude an. Die vorgefundenen Mosaikfußböden zeugen von der ehemaligen prunk- vollen Ausstattung der Gemächer. Bedeutender sind die Überreste eines großen Prachtbaues zu Trier, bekannt unter dem Namen der Thermen, neuerdings von einigen als Kaiserpalast Konstantinus bestimmt. Heinrich Otte. 60. Stadt und Land, Kunst und Handwerk zur Zeit der Merowinger. Seit dem Ende der Wanderzeit saßen die Germanen in allen Pro- vinzen des westlichen Römerreichs unter Königen. In Deutschland war der Osten bis zur Elbe und Saale von Slaven überzogen und einzelne Haufen derselben hatten sich in thüringischen und hessischen Dörfern bis hinauf zum Main festgesetzt. Den Norden des deutschen Bodens hielten Friesen und Sachsen; der Süden vom Harz bis zu den Alpen: das Land der Thüringer, Alemannen, Burgunden und Bayern war im Besitz oder im Kampf mit den Franken. Es begann eine Zeit verhältnismäßiger Ruhe; überall waren die Völker genötigt, sich in neuen Verhältnissen einzurichten, auf der Ackerscholle, in den Mauern römischer Städte und um die Friedhöfe neugebauter Kirchen. Wie sie hier die Bildung fremdländischer Leute aufnahmen, wie sie handelten und ihren Acker bauten, wird in folgendem gemustert. Denn was auf diesen Gebieten des Lebens aus dem Altertum erhalten blieb und damals neu geschaffen wurde, das dauerte länger und formte mehr an Charakter und Leben des Volkes, als die Missethaten seiner Fürsten

6. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 121

1882 - Kiel : Homann
Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. 121 Blumen wird in diesen Jahrhunderten nicht erwähnt — dann zog das Stadtvolk' mit Fahnen und den Abzeichen seiner Korporationen würdig auf, neben dem Germanen und Inländischen auch fremde Landsleute, z. B. Italiener, Syrer, Juden. Wenn ein König begrüßt wurde, sang jedes Volk einen langen, schön gefügten Glückwunsch in seiner Sprache, der vorher einstudiert wurde. Für den Beifall, welchen ein Germanenfürst fand, und für die Ge- schenke, welche er beim Einzug erhielt, war er dem Stadtvolke dankbar; er machte einzelnen Gegengeschenke und erließ der Stadt Abgaben. Denn obwohl der germanische König zuweilen gegen seine Städte harten Willen bewies, er hatte doch einige Scheu vor der Menschenmenge. Wie ihm der freudige Zuruf wohlthat, weil er aus guten Wünschen eine gute Wirkung für sich hoffte, so fürchtete er auch die Vorbedeutung ihres Zorn- geschreis und die Gefahren eines lauten Fluchs. Als König Gunthram einmal durch einen Anschlag gegen sein Leben aufgeregt war, wandte er sich in der Kirche an das versammelte Volk und bat ernstlich, ihn nicht umzubringen, wie man mit seinen Brüdern gethan, sondern ihn wenigstens noch drei Jahre leben zu lassen, bis er seinen Neffen groß gezogen. Und diese königliche Bitte bestimmte das Volk zu lauten Wünschen für sein Heil. War der König in recht guter Laune, so gab er den Städtern auch Schaufeste. Wie der Vandalenherr in Afrika und König Leuvigild in Spanien, saß 543 auch der Frankenkönig im Circus von Arles, angethan mit dem Prachtgewande eines römischen Konsuls, unter Germanen und Provinzialen als Veranstalter der Circusspiele. Sie bestanden in Wett- reiten und Wagenrennen. — In den Amphitheatern aber wurden große Jagden veranstaltet. Die Kämpfe mit wilden Tieren waren unter den Franken sicher eben so blutig, als in römischer Zeit; die Tierkämpfer und Gladiatoren wurden nicht mehr von den Königen in großer Schule ge- züchtet, aber sie bildeten immer noch eine Genossenschaft, welche sich an Fürsten und Große hing oder abenteuernd in der Fremde zu Festkämpfen sich vermietete; sie waren unehrliche Leute auch in den Augen der Germanen, aber sie blieben als Raufbolde und Meuchelmörder verdorbener Großen, trotz dem Hohn, mit welchen das Gesetz sie behandelte und trotz dem Haß der Kirche durch das ganze Mittelalter lebendig. Unendlich viel war verwüstet worden, aber in den Ländern des Mittelmeers hatten vier Jahrhunderte des kaiserlichen Roms so reichlich schöne Gebilde und kluge Lehre, so viel Erfindung und Lebensgenuß ab- gelagert, daß die Germanenstämme immer noch sehr vieles fanden, was unmerklich in ihr Leben überging, von ihnen bis zu uns; und was einen Zusammenhang der Kultur erhielt, den wir uns wohl geringer denken, als recht ist. — Denn der Schmied hämmerte und der Zimmermann hieb die Späne von den Balken während der ganzen Wanderzeit; der Steinschneider schnitt dem Frankenkönig seinen Siegelring wie einst dem römischen Cäsar. Die Technik des Lupushandwerks war zu jener Zeit noch ziemlich erhalten und wurde von den Fürsten und der Kirche eifrig in

7. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 128

1882 - Kiel : Homann
128 Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. schanzte Städte und befestigte Häuser der Reisigen erhoben sich jetzt überall auf deutschem Boden, nicht nur an Rhein und Donau, in Franken, Schwaben und Bayern, auch im alten Sachsenland und in den Ostmarken gegen Slaven und Ungarn. Und die Städte waren in den letzten Jahrhunderten wie über Nacht entstanden, daß man bei vielen nicht zu sagen wußte, wann sie begonnen hatten; der größte Kulturfortschritt vollzog sich leise, doch im Zwang der Stunde und die Zeitgenossen, welche daran arbeiteten, wußten wenig, wie unermeßlich der Segen war, den sie dadurch ihren Enkeln bereiteten. Und wer von der Erscheinung zurückblickt auf ihren Grund, der vermag gerade hier die geheimnißvolle Arbeit schöpferischer Kraft wie in einer Werkstätte zu belauschen, und ehrfürchtig zu erkennen, wie dem Menschengeschlecht Unglück in Glück und Verderb in den edelsten Fortschritt umgewandelt wird. Es war ein Unglück für die Deutschen, daß die Zahl der freien Landleute sich seit der Völkerwanderung mit reißender Schnelligkeit ver- ringerte, die Zahl der Dienstpflichtigen und Unfreien sich unaufhörlich ver- mehrte ; es war traurig, daß alle Gewalten, welche das Leben der Deutschen regierten, um die Wette dazu beitrugen: die Könige und ihre Beamten, welche zu vornehmen Gebietern des Volkes geworden waren; die christliche Kirche und ihre Bildung, welche den Vornehmen stärker vom Volke schied; nicht weniger endlich das geprägte Silber und Gold, welches Reiche erhob und Arme niederdrückte. Aber durch dieselben Gewalten wurde auch der Fortschritt gewonnen, auf einem Umwege, doch darum nicht minder glorreich. Zuerst half eine alte Vorschrift der Kirche, aus romanischen Ländern nach Deutschland ge- bracht, daß Bistümer nur in Städten angelegt werden sollten. Wo der Dom eines Bistums sich auf deutschem Grunde erhob, da mußte die Umgebung mit Menschen gefüllt und gegen die Landschaft abgeschlossen werden. Der Bischof oder Reichsabt zog an seinen Herrensitz seine große Familie von kunstfertigen Unfreien; der Heilige, dessen Gebeine in der Kirche Wunder thaten, sammelte an seinen Festtagen große Mengen Volkes in dem Stadtraume; auf den freien Plätzen erhoben sich die Buden der Kaufleute; sehr früh erwarben die geistlichen Herren für die Waren, die zu der großen Messe geführt wurden, auf der Straße des Königs Schutz und Zollfreiheit. Die Landschaft gewöhnte sich, in des Bischofs oder Abtes Stadt zu pilgern, in regem Marktgewühl zu handeln. Zumal wo Deutsche gegen Slaven, Avaren und Ungarn kämpften, auf dein eroberten Grenzgebiet an der Elbe und Donau, erwiesen sich die Kirche des Heili- gen und die Stadtmauer als das einzige Mittel, die Umgegend dauernd zu behaupten. So wurden Bremen, Hamkurrg, Lübeck, Magdeburg, Merse- burg, Naumburg, Zeitz, Quedlinburg, Halberstadt, Hildesheim, Fulda, Bamberg, Salzburg und viele andere Städte gegründet. Dasselbe geschah, wo ein König oder großer Landesherr auf seinem Wirtschaftshof einen Palast, die „Pfalz" gebaut hatte; auch solche Orte erhielten schnell weiten Umfang, denn dorthin forderte der Gebieter sein Heer und die Gewaltigen seines Reiches. Herren und Mannschaft kamen

8. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 129

1882 - Kiel : Homann
Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. 129 mit großem Troß und suchten außer dem Obdach, auch die Genüsse, welche die Zeit bot, sie kauften Waren, sahen Neuigkeiten, welche ausgestellt wur- den und lachten über die Possen des wandernden Spielmannes, der mit seiner Harfe und seiner Bande herzugeeilt war. An solchen Plätzen ent- standen Aachen, Frankfurt, Ulm, Nürnberg, Goslar, Braunschweig. Seitdem im 9. Jahrhundert die Normannen von der See, die Un- garn im Süden räuberisch das offene Land durchzogen, vergaßen die Deutschen in der Not der Stunde überall die alte Abneigung gegen um- mauerte Wohnsitze. Herrenhose und Häuser der Dienstmannen, Abteien und größere Dörfer wurden befestigt, in vielen erwuchs das städtische Le- den. Was von neuen Städten um 1100 zwischen Rhein und Elbe, zwi- schen Nordsee und Donau lag, war freilich einer modernen Hauptstadt sehr unähnlich. Noch schloß der umfriedete Raum Ackerflächen und Gär- ten ein, die Mehrzahl der Einwohner waren Landbauer, welche ihre Ge- spanne aus der Stadt auf die Außenäcker führten, das Ganze zunächst eine große Dorfanlage um Kirche, Bischofshaus oder Palast. Wie auf dem Dorf galt dort das Hofrecht des Bischofs oder Königs, denn die Bürger waren Dienstpflichtige und Unfreie; unfrei vor andern fast alle Handwerker. Dazwischen saßen aber auch Freie, einzeln oder in größerer Zahl, Kaufleute, Landbesitzer der Umgegend oder fromme An- hänger der Kirche, außerdem reisige Dienstmannen ihres Herrn. Aber Freie und Unfreie waren vor fremder Gewalt gesichert, sie standen im Schutz eines mächtigen Herrn, der mild über ihnen waltete und unter den eng Zusammenlebenden bessere Ordnung zu halten vermochte. Und sie hatten Gelegenheit zu Verdienst, wie ihn das offene Land nicht bot. Ta- gesverkehr und gemeinsamer Vorteil milderte sehr bald den Gegensatz zwischen Freien und Unfreien. Denn der freie Kaufmann entnahm von dem hörigen Handwerker die Waren, Metallarbeit und wollene Gewebe und vertrieb sie mit seinen bewaffneten Knappen im Lande. Handwerk, Handel und Geldverkehr traten in enge Verbindung und gewannen dadurch einen plötzlichen Aufschwung. Der Segen der Arbeit und ihre Leben schaffende Kraft wurden dem Volke deutlich. Wer um 1100 von Köln nach Hamburg, von Augsburg nach Nürn- berg reiste, der kümmerte sich gar nicht darum, daß die eine Stadt um ein Jahrtausend älter war als die andere. Aber man merkte damals doch einen Unterschied in Aussehen, Kraft und Wohlstand zwischen den alten Römerstädten auf deutschem Boden und den neu gewordenen. Utrecht, Mainz, Köln, Trier, Regeusburg, Speier, Augsburg waren die altberühm- ten Städte des Reiches, Sitze großer Bischöfe oder alter Kaiserpfalzen; zwischen den großen Kirchen und geschwärzten Römertürmen und neben den Dienstleuten der Bischöfe hatte sich dort eine größere Zahl Freier angesiedelt; Köln war um 1100 bereits eine große Handelsstadt; Utrecht ein Mittelpunkt der flamländischen Wollenindustrie; die Zahl der steiner- nen Gebäude war größer, die Stadtmauer wahrscheinlich und besser mit Türmen und Außenwerken geschützt, das Selbstgefühl der Bürger kecker, auch ihre Freiheiten besser und ihr Vornehmen stolz. Aber obgleich sie Ahreus, Lehr- und Lesebuch für Fortbildungsschulen. 9

9. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 68

1882 - Kiel : Homann
68 I. Lebensbilder. Außerhalb der Ringmauern der Städte, in der freien Natur giebt es fast keine Geschichte. Die Natur hat kein Alter, sie ist stets jnng: „Die unbegreiflich hohen Werke Sind herrlich wie am ersten Tag." Alles ist heute wie gestern, wie es vor tausend Jahren war, und giebt es Fußstapfen und Spuren der Zeit, wie in den Bildungen der Thäler und Felsen, so sind dies so kolossale geologische Perioden, daß die Phantasie des Menschen sie nicht zu ermessen vermag. In unsern Städten dagegen gewahrt man in einem kleinen übersehbaren Bilde auf Schritt und Tritt den unterhaltenden, interessanten, den ergreifenden Gang der Zeit. Die Städte waren von vornherein die Ausgangspunkte der Kultur, die Gc- burtsstätten der Gesetze, der politischen Verfassung 'und der Freiheit, die Sitze der bildenden Künste und Wissenschaften. In ihnen lebten die großen Gedanken und die großen Männer des Volkes. In ihnen geschahen die entscheidenden Dinge und bei ihnen wurden die folgenreichen Kämpfe ausgefochten. Auf dem platten Lande, wo alles zerstreut und vereinzelt wohnt, blieb jeder sein eigner Herr für sich und in der Zersplitterung der Kräfte konnte nichts Großes ge- schehen. Das „Land" hat in allen Gegenden der Welt tvilde Horden und Raub- ritter, Sklaverei und Leibeigenschaft erzeugt. Die Stadtlust macht frei. Erst wenn die Menschen sich in den engen Städten zusammen fanden, da entstand das Be- dürfnis nach Ordnung und Regel. Da lernte jeder sich fügen, sich beschränken, da traten die Gesetzgeber auf. Da entstand die Gemeinde, der Staat, die Freiheit. Da verbanden sich alle Kräfte zu einem schönen Bunde, da schlug das Herz jedes Bürgers für seinen Mitbürger. Sie lernten sich als Bruder schützen und es wob sich unter ihnen „das teuerste der Bande,^der Trieb zum Vaterlande." Selbst bei den kleinsten Städten, ist die Summe der Erinnerungen groß. Da stehen noch die zum Himmel weisenden Türme und die ehrwürdigen Kathedralen, welche die Vorväter bauten und in denen ganze fromme Geschlechter aus- und ein- zogen; — die Rathäuser, die Kunsthallen und die Versammlungsräume der mannig- faltigen Brüder- und Gesellschaften der Bürger, in denen sie unzählige Lebensfragen der Vorzeit berieten, — sowie die Brückenpfeiler, die sie einst felsenfest im Fluss begründeten. Die alten steinernen Wohnhäuser der Städte, die dem Zahne der Zeit nicht so leicht wichen, haben noch alle den Charakter der Epoche ihrer Geburt. Jedes redet noch von seinem Jahrhundert. Einige sind ganz altfränkisch, gotisch und stehen noch wie uralte Bäume im Walde da. Andere erinnern in ihren Rokoko-Skulpturen an unsere mit Perücke und Zopf paradierenden Großväter. Zwischendurch drängt sich ein nach dem allernenesten Geschmack gebauter, als junger Rekrut sich in die Reihe der alten Veteranen. Jedes Haus ist ein Buchstabe in einer zu Stein gewordenen Chronik, die man vor sich aufgeschlagen sieht. Eine noch ältere Sprache als die Häuser redet der Lauf der Straßen, die Form und Figur der öffentlichen Plätze, der Stadtplan selber. Dieser änderte sich nicht so leicht. So oft auch die Häuser umher weggebrannt und demoliert sein mögen, die alte dem Boden eingezeichnete Einteilung der Grundstücke, die Breite und Länge, die Windungen und Verengungen der Straße blieben. Jede Ecke, jede unregel- mäßige Biegung, jede Spaltung und Abzweigung in diesem städtischen Straßen- labyr'inth ist daher uralt. Man kann sie nicht ohne Interesse gewahren. Irgend eine Laune, irgend ein Zufall brachte sie einst hervor und war sie einmal da, so blieb sie für alle Zeiten. So ist jeder Winkel der Stadt gewissermaßen historisch. Fast jedes finstere Nebengäßchen hat seine hundertjährige Geschichte. Der städtische Ge- schichtsschreiber weiß' dann auch, wie es kam, daß dieses Gäßchen so klein, so enge blieb, und von jeher der Sitz der städtischen Armut und des Elends war. Er weist dir nach, wo die allerältesten Stadtmauern waren. Noch erkennst du in den Windungen mancher Straßen diewindungen des frühesten Stadtgrabens, hinter denen die ersten Ansiedler dem Feinde trotzten, der später zugeworfen und in eine doppelte Häuserreihe verwandelt wurde. Ein Kranz lieblicher Stadtgärten und Blumenbeete, die auf dem alten mit Blut ge-

10. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 220

1882 - Kiel : Homann
220 Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. seine Blicke auf Frankreich. Daheim aber verbrannte man Hexen, folterte die Angeklagten, trieb Goldmacherei und Sterndeuterei. Deutschland wurde von Ludwig Xiv. mit der größten Willkür be- handelt; er wollte nicht nur im Innern Frankreichs Herr sein, er wollte auch Herr sein in Europa. Das deutsche Elsaß hatte er bereits, da erklärte er plötzlich, daß er zu alledem, was er vom heiligen deutschen Reich erobert habe, auch noch alles das haben müsse, was jemals damit zusammengehangen, z. B. alle Klöster und Ortschaften, die einmal im Lehnsverbande mit Elsaß gestanden hätten und wäre dies auch tausend Jahre her. Hatten seine Gelehrten (die Reunionskammern) einen solchen Ort in den Akten aufgefunden, so ließ er sogleich denselben in Besitz nehmen. Dabei steckten in den berüchtigten Raubkriegen seine Soldaten wie Mordbrenner ganze Städte und Dörfer der Pfalz und des Rheinlaudes in Brand. Zahlreiche Ruinen am Rhein sind noch heute davon stumme Zeugen. Während man in Regensburg auf dem deutschen Reichstage mit fruchtlosen Beratungen die Zeit verlor, erscholl auf einmal die Nachricht: Straßburg ist französisch. Am 28. September 1681 hatte Ludwig die Stadt besetzen lassen. Straßburg, dieser Schlüssel von Oberdeutschland, von dem Karl V. noch gesagt hatte, „wenn Wien und Straßburg zugleich bedroht wären, so würde er zuerst zur Rettung von Straßburg hineilen," — dieses wichtige Straßburg war also französisch geworden und das mitten im Frieden. Und der deutsche Kaiser sah müssig zu. Unter allen deutschen Fürsten war es der große Kurfürst, der die Schmach Deutschlands am schmerzlichsten fühlte. Sein Sieg bei Fehrbellin über die gefürchteten Schweden hob zuerst Preußen in der öffentlichen Meinung. Aber das Vollgefühl unserer Manneskraft ward erst wieder in den Herzen der Deutschen lebendig, als Friedrich der Große 1757 die Franzosen bei Roßbach besiegte. Nach Müller, v. Dumreicher und Vehse. 06. Schilderung einer deutschen Stadt um 1750. Es ist eine mäßig große Stadt um 17.50. Noch stehen die allen Ziegelmauern, Türme nicht nur über den Thoren, auch hie und da über den Mauern. Manchem ist ein hölzernes Noldach aufgesetzt, in den stärksten sind Gefängnisse eingerichtet, andere, schon baufällig, die vielleicht im großen Kriege zerschossen wurden, sind abgetragen. Auch die Stadt- mauer ist geflickt, vorspringende Winkel und Bastionen liegen in Trümmern, blühender Flieder und Gartenblumen sind dahinter gepflanzt und ragen über die Steine; der Stadtgraben liegt zum Teil trocken, dann weiden wohl noch Kühe einzelner Bürger darin oder die Tuchmacher haben ihre Rahmen mit eisernen Häkchen aufgestellt und spannen friedlich die Tücher daran auf; die gewöhnlichste Farbe ist seit den Pietisten Pfeffer und Salz, wie man schon damals sagte, und die alte Lieblingsfarbe der Deutschen, blau, das nicht mehr aus deutschem Waid, sondern aus dem fremden Indigo bereitet wird. Noch haben die engen Thoröffnungen hölzerne
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