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rend die meisten Metalle erst durch verwickelte chemische Prozesse aus
ihren natürlich vorkommenden Verbindungen abgeschieden werden müssen;
die Thatsache, daß das Holz durch einen natürlichen chemischen Vorgang
alljährlich aus den Bestandteilen der Luft und des Bvdens neu gebildet
wird, ja, daß in früherer Zeit, wo die Bevölkerung der Erde dünner
war und mächtige Urwälder weite Landstriche bedeckten, die jetzt der
Pflug des Landmannes durchzieht, dieser alljährliche Zuwachs das Be-
dürfnis der Menschen weit überstieg; die Festigkeit und Zähigkeit des
Holzes neben seiner Schneidbarkeit und Spaltbarkeit — alles dieses mußte
schon die rohesten Naturvölker darauf hinweisen, das Holz zur Herstellung
seiner Wohnungen, zur Anfertigung von Geräten für häusliche Bedürf-
nisse, wie für Krieg und Verteidigung zu benutzen. Wenn auch dem Holze
zwei für die Benutzung der Metalle wichtige Eigenschaften derselben, die
Schmelzbarkeit und Schmiedbarkeit abgehen, so besitzt doch gerade in den
Anfängen des Kulturlebens der Völker der Mangel dieser Eigenschaften
geringere Bedeutung, da die oben erwähnte leichtere Teilbarkeit des
Holzes ihm einen um so größeren Vorzug vor den schwieriger teilbaren
Steinen oder Metallen verleiht, je unvollkommener die Hülfsmittel für
die Verarbeitung noch sind.
Anoers ist es jetzt. Für viele frübere Verwendungen ist das Holz
durch andere Stoffe ersetzt worden; aber trotzdem ist sein Wert von
Jahr zu Jahr gestiegen. Denn für zahlreiche Zwecke ist es vermöge
seiner Eigenschaften, wohin vor allem sein geringes specifisches Gewichl
und seine geringe Wärmeleitungsfähigkeit gehören, unersetzlich geblieben;
das Menschengeschlecht hat sich von Jahr zu Jahr vermehrt, hat aber —
oft mit unvernünftiger Planlosigkeit — die Riesen der Urwälder gefällt,
um seine Wohnstätten und Äcker an deren Stelle zu setzen, und somit
selbst der schassenden Natur die Möglichkeit genommen, den Verbrauch zu
ersetzen. Erst die Neuzeit hat Besserung in dieser Beziehung geschaffen.
Nicht allein der zunehmende Mangel an Holz, auch die Erkenntnis der
klimatischen Einflüsse haben die Regierungen vermocht, einer regelmäßigen
Forstkultur, ja selbst einer Wiederanpflanzung der zerstörten Wälder ihr
Augenmerk zuzuwenden; und ein Erfolg dieser Bestrebung ist für unser
wirtschaftliches Leben um so wichtiger, da mit der vorläufig noch fort-
schreitenden Ausrottung der Wälder fremder Erdteile auch diese Bezugs-
quelle immer spärlicher fließen dürfte. A. Ledebur.
181. Die Tischler- oder Schreinerarbeiten.
Unter allen Gewerben, welche die mechanische Verarbeitung des
Holzes betreiben, ist die Tischlerei zweifellos die ausgedehnteste. Ist es
doch der Tischler, welcher nicht allein unsere Wohnungen durch An-
fertigung der Thüren, Fensterrahmen, Fußböden erst benutzbar macht,
sondern welcher auch innerhalb unseres Daheims uns erst unsere Behag-
lichkeit schasst, indem er uns mit allen den zahlreichen Gegenständen um-
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„Stein von Stäfa" war der tiefste Stand des Seees mit 1674 bezeichnet. Anno
1854 fiel derselbe noch um 33 cm unter diese Linie. Der See ging auf große
Strecken von dem Ufer zurllck und legte seinen schlammigen Grund offen zu Tage.
Die Anwohner benutzten diese seltene Gelegenheit allerwärts zu Hafenbauten und
Landanlagen.
So geschah es auch zu Obermeilen. Zwei Besitzer daselbst wollten dem See,
der hier eine sonnige Bucht bildet, ein Stück Land abgewinnen. Sie errichteten ein Maw r-
viereck weit in das offene Seebett hinaus und füllten dann den umnmuerten Raum
mit Letten aus, den sie an zwei verschiedenen stellen aus dem Seeboden aus-
graben ließen.
Die Arbeiter hatten zu oberst eine ca. 40 cm dicke Lage von gelblich grauem
Schlamm wegzuschaffen; unter diesem trafen sie auf eine schwarze moderige Schicht
von 72 cm Tiefe. In dieser Schicht, wir wollen sie Fundschicht nennen, lagen
nun wieder Stein-, Knochen- und Hornsachen verschiedener Art; ebenso enthielt die-
selbe auch Haselnüsse, vermodertes Gras und Laub. Und zum größten Erstaunen
der Arbeiter zeigten sich beim Weilergraben auch Köpfe von 20—30 cm dicken
Pfählen, welche in Menge, bloß 30—40 cm auseinander, reihenweise im Seebett staken.
Diese Pfähle, an welchem man noch die Rinde unterscheiden konnte, waren übrigens
so weich, daß sie mit der Schaufel sich wie Lehm durchstechen ließen.
Man achtete jetzt der Fundsachen etwas mehr wie früher; doch wußte man noch
immer nicht, was für Dinge es seien. Da kamen neben vielen Hirschgeweihen auch
ganz wolgeformte längliche Steine, durchbohrte Knochen, sorgfältig spitz zugeschliffene
Knöchlein, Kugeln mit Löchem, eine Art Hammer, Topfscherben und viel Anderes zum
Vorschein.
Besonders überall da, wo man Pfähle fand, fand man auch diese Dinge.
Der Lehrer des Ortes erhielt des folgenden Tages davon Kunde, er geht an den
Fundort und findet alles bestätigt. Bei genauerer Betrachtung der Fundstücke muß
er sich sagen: Hier hat Menschenhand gearbeitet; das sind Werkzeuge und Geräte,
die der Mensch einst gebraucht hat. Er sammelt und erwirbt nun für sich selbst eine
Menge dieser gefundenen Dinge und macht sofort Bericht an die antiquarische Gesell-
schaft in Zürich. Das war gut und klug. Vier Stunden nach Abgang des Briefes
waren die Herren des Vorstandes schon zur Stelle. Der Präsident, Dr. Keller, sieht
die ganze,,Sammlung des Lehrers und erklärt voll Forschersreude die Gegenstände so-
fort als Äxte, Meißel, Hämmer, Pfrieme, Ahlen, Stech- und Strickwerkzeuge, Korn-
quetscher (nicht Nußknacker), Netzsenker, Schleifsteine, Waffenteile, Kochgeschirre u. s. w.,
alles aus einer uralten Zeit und von einem uralten Volk, Kelten genannt, herrührend.
Der größere Teil der Sammlung war ihm, dem eifrigen vaterländischen Forscher,
schon längst bekannt gewesen.
Die Herren nahmen darauf das Pfahlwerk selbst in Augenschein.
Auffallend war ihnen die Menge der Fundsachen, die un eigentlichen Seebecken
weit draußen und nicht bloß am Strand gefunden wurden. Es galt daher festzu-
stellen, ob die Menschen, denen diese Sachen einst zugehört hatten, wirklich in Hütten
auf den Pfählen gewohnt, die vor ihnen in regelmäßigen Reihen eingerammt im See-
bett standen.
Herr Dr. Keller erinnerte an die Fischergebäude, die vor „Alters in Zürich in der
Limmat, auch auf Pfählen erbaut, gestanden hatten, und die Überzeugung drängte sich
auf, daß hier ähnliche Wasserwohnungen aus uralter Zeit der Untersuchung vorlägen.
Diese Ansicht erhielt feste Form und Begründung, als im nächsten Sommer (1855)
im Bielersee,, gleichfalls solche Pfahlwerke gefunden worden. Da sprach Dr. Keller
mit vollster Überzeugung die Worte aus, daß in frühester Vorzeit Gruppen von Fa-
milien und zwar Kelten ihre Wohnungen auf Pfahlwerk in den Schweizerseeen erbaut
hätten. Er nahm ferner mit Sicherheit an, es beschränke sich diese seltsanie Art der
Niederlassung — der Pfahlbauten — nicht nur auf helvetische Seeen, sondern sie müsse
Brauch bei der ganzen kelüschen Nation gewesen sein.
Sobald die Untersuchungen und Ansichten des Dr. Keller durch die Augsburger
Allgemeine Zeitung bekannt wurden, kamen Berichte über Berichte, daß mau' da und
dort in den Schweizerseeen und auch im Auslande ähnliche Pfahlbauten mit ähnlichen
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Fundstückeu entdeckt habe. Jetzt läßt sich mit Bestimmtheit sagen, daß das Urvolk
der Helvetier allüberall in den Schweizerseeen seine Dörfer auf Pfahlgerüste ins Wasser
hinaus gebaut hat. Allein in der Schweiz sind über 200 solcher Pfahldörfer
entdeckt und genau erforscht worden.
Die Untersuchung zu Obermeilen ergab nun folgendes. Das Dorf muß die
ganze Bucht bis weit in die See hinaus bedeckt haben. Es waren zu dem Unterbau
wohl 100.000 Stück senkrecht eingerammter Pfähle von bedeutender Länge erforderlich.
Auf diesen Pfählen lag ein Gerüst von Balken, das wieder ganz mit Rundholz oder
Spältlingen bedeckt war und ungefähr wie eine große Brücke aussah. Auf diesem
Gerüste wurden Hütten in Menge errichtet. Ein Steg führte von ihm ans Land.
Als die Bevölkerung zunahm, wurden neue Bierecke angebaut.
Der Seegrund unter dem Pfahldorf war ______ =r ggafier
so beschaffen. Der Schlamm war natürlich - r
in der Urzeit noch nicht als oberste Lage vor- ———.........——
Handen. Alles Angeschwemmte mischte sich ....7. Schlamm
später mit der Fund sch icht. Die Pfähle ——————__
staken tief im Seeboden und reichten über die -—.... Fundschicht
Fundschicht und das Wasser hinaus. In die -------~——7 '
Fundschicht fiel nun alles, was die Menschen, Seeboden
die oben auf dem Gerüste viele Jahrhunderte -------------
lang gelebt haben, wegwarfen, so die Nachbleibsel der geschlachteten Tiere, zerbrochene
Geräte, Nußschalen, Küchenabfälle k. Endlich, da das Dorf abbrannte, wie das bei
manchen nachzuweisen ist, fielen Hllttenteile, Vorräte, überhaupt alles, was nicht ge-
rettet wurde, in glühendem Zustand in die Fundschicht hinunter und blieb da liegen
bis auf unsere Tage. Den Seeschlamm, der oben aufliegt, haben Jahrtausende an-
geschwemmt und die Fundschicht damit bedeckt. Was in der Fundschicht an Obst,
Stroh, Getreide, Flachs u. dergl. aufgehoben wird, ist alles verkohlt. Die Kohle
fault nicht, darum sind uns die Dinge jahrtausendelang aufbewahrt geblieben.
Die Pfähle waren 10—20 m dick; sie sind noch jetzt 2—Sva m lang und
gehören allen Holzarten an. Es waren Spätlinge und ganze Baumstämme.
Die Forscher nehmen an, die ersten Erbauer seien in dunkelster Vorzeit aus Asien
hiereingewandert und haben die dorther stammenden Haustiere: Pferd, Schaf, Ziege,
Rind, deren Knochen man findet, sowie auch Gerste, Weizen und Flachs mit sich ge-
bracht. Sie nährten sich von der Jagd, vom Fischfang, Ackerbau und Viehzucht, von
wilden Früchten, besonders von wildem Obst. Sie kleideten sich in Tierfelle oder selbst
gewobene Leinwand und scheuten sich auch vor Kriegszügen nicht. Ihre Sitten waren
natürlich roh wie das Land, das vielfach aus Wald und Sumpf bestand; doch sieht
man ihren Geräten an, daß sie in der Kultur von Jahrhundert zu Jahrhundert Fort-
schritte im guten machten.
Daß es schon in ganz alten Zeiten Völkerstämme in Asien gab, die ebenfalls in
den Seeen auf Pfahlbauten wohnten, läßt sich aus dem schließen, was der Vater der
Geschichte Herodot erzählt*) von den Wohnungen der Päonen an dem See Prasias.
Ähnliche Wohnungen hat auch Kapitän Cook auf seiner Welmmsegelung im Jahre
1769 bei den Bewohnern Neuseelands gefunden.
Und warum erbauten die Urhelvetier ihre Wohnungen auf dem Wasser? Sie
thaten es, um sich vor Raubtieren und feindlichen Menschen zu schützen.
Chroniken und geschriebene Urkunden aus jener alten Zeit fehlen, aber doch weiß
der Altermmsforscher Licht in das Dunkel zu bringen, daß wir uns annähernd ein
Bild von den Zuständen jener Tage, von der Lebensweise und Hantierung jener Ge-
schlechter machen können. Wo die menschliche Überlieferung schweigt, müssen die Steine
reden.
Da die Gegenstände, die man aus Seebecken und Torfmooren gräbt, Geräts aus
Stein, Bronze und Eisen sind, so hat man die Vorzeit in drei große Zeiträume
eingeteilt: 1. die Steinzeit; 2. die Bronzezeit; 3. die Eisenzeit.
'■) V. Buch, 16.
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Extrahierte Personennamen: Herodot Cook
Extrahierte Ortsnamen: Seeboden Seeboden Asien Asien Neuseelands
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Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
und eine eigentümliche Anziehungskraft auf den Beschauer ausübt. Dem Materiale
nach zerfallen die Bauten in 3 Klassen: Steinbauten, Ziegelbauten und solche, bei
denen natürliche Steine und Ziegel gemischt verwendet wurden. Die Steinbauten
bestehen entweder ans Quadern oder aus Bruchsteinen, teils mit, teils ohne Mörtel
verbunden. Der Ouaderban enthält vollkommen rechtwinklig bearbeitete Steine gleicher
Gattung, deren fester Verband dadurch herbeigeführt wurde, daß kubische und von
außen gesehen doppelt so lange Steine in regelmäßiger Schichtung derartig mit ein-
ander wechselten, daß je eine Schicht aus kubischen Steinen zwischen zwei Schichten aus
doppelt so langen zu liegen kam, deren senkrechte Fugen immer je den zweiten Stein
der kubischen Schicht halbierten. Außer dieser edelsten und vollkommensten, aus Griechen-
land überkommenen Gattung des Quaderbaues, kommen aiich gewisse Abarten vor,
bei denen indes immer dasselbe Prinzip der wechselnden Stoßfugen maßgebend blieb.
Zu Kriegszwecken wandte man Quadern an, die nur an den Innenflächen und an den
Rändern ihrer Stirnseite, besonders aber an den rechtwinkligen Kauten der Gebäude
behauen und glatt umsäumt sind, während die Mitte gar nicht oder nur roh bearbeitet
erscheint. Diese Quadern heißen Buckelsteine. Die innere Verbindung der Quadern
geschah durch hölzerne oder metallene Klammern oder nur niit sehr wenigem Mörtel.
Den Gegensatz zum Quaderbau bildet das Mauerwerk aus rohen Bruch-
steinen, welche ohne regelmäßige Schichtung in Mörtel gelegt, zuweilen jedoch auch
bloß trocken auf einander gehäuft wurden. Das am häufigsten vorkommende, spezifisch
römische Mauerwerk besteht aus kleinen würfelförmigen oder mehr länglichen Tuff-
steinstücken (von etwa 7—14 cm Fläche) mit sehr breiten Mörtelfugen sowohl
zwischen den einzelnen Steinen, als zwischen den ganzen Schichten. Die Fugen durch-
schneiden einander entweder rechtwinkelig oder in der Diagonale mit übereck gelegten
Steinen, wodurch das sogenannte Netzwerk entsteht.
Ans die Fabrikation der Ziegel verwendeten die Römer sehr große Sorgfalt, so-
ivohl in der Auswahl des besten Materials, als in Beziehung auf den Grund des
Brennens zur Erzielung der möglichsten Härte und einer schönen roten Farbe. Ge-
setzlichen Vorschriften zufolge sollte jeder Ziegel mit einem Fabrikstempel versehen sein,
welcher den Namen des Verfertigers in den Anfangsbuchstaben, zuweilen auch den
Verfertignngsorr und chronologische Data enthielt. Zu Militärbanten, die von den
technischen Truppen ausgeführt wurden, fabrizierten die letzteren auch die Ziegel und
jede Legion hatte ihren bestimmten Stempel, womit dieselben bezeichnet wurden. Größe
und Format der römischen Ziegel ist sehr verschieden; in der Regel sind sie jedoch
sehr lang und dünn und haben bei einer Fläche von 0,08—0,16 qm oft nur eine
Dicke von 2 cm. Dabei sind die Mörtelfugen mindestens eben so stark, zuweilen
stärker als die Steine. Außer zum reinen Ziegelbau wurden einzelne Schichten von
Ziegeln auch als Binder häufig in Neubau, Bruchsteinbau verwendet, teils in ge-
wöhnlicher wagerechter Lage, teils auch mit schiefer Gegeneinanderstellung, daß dadurch
eine verschiedene Figuration sich bildete.
Uebrigens wurden oft nur die beiden Außenseiten der Mauern aus Quadern oder
anderem Steinwerk in regelrechtem Verbände aufgeführt, während das Innere aus
unregelmäßig ausgeschüttetem und mit Mörtel reichlich versehenem Gußwerk bestand.
Außer bei den Quaderbauten wurden die Wände innerlich und äußerlich mit
Kalk geputzt oder mit Steintafeln geblendet. Der römische Mörtel besteht aus Kalk
und reinein, von thonigen Beimischungen durchaus freiem grobkörnigen Sande, ge-
wöhnlich mit einem Zusatz von gestoßenen Ziegeln und Topfscherben; doch finden sich
in der Mörtelmasse des Gußwerkes häufig völlig unvermischte Kalkstücke, was zwar
von geringerer Sorgfalt beiin Durcharbeiten des Mörtels zeugt, im Innern des Mauer-
werks aber keinen Nachteil brachte.
Neben dem Massivbau, der bei allen Prachtbauten wie überhaupt m den
Städten zur Anwendung kam, war auch bei ländlichen und anderen bloßen Nlltzlich-
keitsbauten der Fachwerksbau gebräuchlich.
In künstlerischer Beziehung knüpfte die römische Baukunst zwar an die griechische
an als unmittelbare Fortsetzung und gewifferniaßen Kopie derselben, wobei jedoch
einerseits altitalische Elemente sich einmischten und andererseits neue Bildungen
hinzutraten. Im allgemeinenen unterscheiden sich die römischen Bauwerke von den
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Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
500 Pfeilern getragenen Leitungskanal, der teilweise mehr als 28 m sich über der
Sohle der überschrittenen Thäler erhob. Die Aquädukte, einmal durch die Barbaren
zerstört, blieben nachher in Trümmern liegen und erst der neuesten Zeit war die
Wiederaufnahme dieses Zweiges der Baukunst durch Ausführung großer Eisenbahn-
viadukte vorbehalten.
Ähnlich verhält es sich mit den Kunststraßen, die das römische Gebiet in
Deutschland nach allen Richtungen durchzogen. Die Bauart derselben war je nach Be-
dürfnis, Terrain und Material verschieden, doch verfolgen sie fast immer gerade Linien
und vermeiden gewöhnlich sumpfigen Boden. Die Dammschüttung zwischen zwei
Verkleidungsmauern oder Pfahlreihen betrug bei einer Brücke zwischen 2,50 bis zu
1,70 m, zuweilen gegen 5 m über dem natürlichen Boden und die Fahrstraße be-
gleiteten zu beiden Seiten zwei etwas erhöhte Kieswege für Fußgänger. Bei der
vollkommensten Gattung bestand der Damm aus vier verschiedenen Lagen: zu unterst
eine trockene oder in Mörtel gelegte Schicht glatter Steine, darüber eine Lage zer-
schlagener Steine, sodann eine mit Ziegelbrocken vermischte Mörtelschicht und endlich
ein Pflaster aus glatten, in regelmäßig vieleckigen Formen zugehauenen Steinen
Die Wohngebäude in deutsch-römischen Mederlassungen bestanden wahrschein-
lich meistens nur in Ziegel- oder selbst in Lehmfachwerk ausgeführten Holzbauten,
so daß kaum Überreste davon nachzuweisen sind. Die weitläufigen und stattlichen
Wohngebäude der Reichen waren dagegen aus festen und kostbaren Materialien nach
festem Plaue gebaut. Der Hauptteil war der von Säulenhallen umgebene insgemein
rechteckige innere Hof, um welchen sich die anderen Gebäude anreihten. Die im Jahre
1833 zu Fließen bei Trier entdeckten Überreste einer Villa aus der Zeit Konstantinus
zeigen eine große Anzahl verschiedenartiger Räume, die sich zu einer in der Haupt-
form viereckigen Anlage zusammenreihen.' Verschiedene Verbindungsgänge sondern die
einzelnen Räume: heizbare Wintergemächer und Wohnräume für den Sommer, Bade-
einrichtungen und andere Lokalitäten, mit Mauern umgebene Höfe schließen sich dem
Gebäude an. Die vorgefundenen Mosaikfußböden zeugen von der ehemaligen prunk-
vollen Ausstattung der Gemächer.
Bedeutender sind die Überreste eines großen Prachtbaues zu Trier, bekannt unter
dem Namen der Thermen, neuerdings von einigen als Kaiserpalast Konstantinus
bestimmt. Heinrich Otte.
60. Stadt und Land, Kunst und Handwerk zur Zeit
der Merowinger.
Seit dem Ende der Wanderzeit saßen die Germanen in allen Pro-
vinzen des westlichen Römerreichs unter Königen. In Deutschland war
der Osten bis zur Elbe und Saale von Slaven überzogen und einzelne
Haufen derselben hatten sich in thüringischen und hessischen Dörfern bis
hinauf zum Main festgesetzt. Den Norden des deutschen Bodens hielten
Friesen und Sachsen; der Süden vom Harz bis zu den Alpen: das Land
der Thüringer, Alemannen, Burgunden und Bayern war im Besitz oder
im Kampf mit den Franken.
Es begann eine Zeit verhältnismäßiger Ruhe; überall waren die
Völker genötigt, sich in neuen Verhältnissen einzurichten, auf der Ackerscholle,
in den Mauern römischer Städte und um die Friedhöfe neugebauter
Kirchen. Wie sie hier die Bildung fremdländischer Leute aufnahmen, wie
sie handelten und ihren Acker bauten, wird in folgendem gemustert. Denn
was auf diesen Gebieten des Lebens aus dem Altertum erhalten blieb
und damals neu geschaffen wurde, das dauerte länger und formte mehr
an Charakter und Leben des Volkes, als die Missethaten seiner Fürsten
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Otte Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Lehmfachwerk Deutschland Main Sachsen Altertum
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121
Blumen wird in diesen Jahrhunderten nicht erwähnt — dann zog das
Stadtvolk' mit Fahnen und den Abzeichen seiner Korporationen würdig auf,
neben dem Germanen und Inländischen auch fremde Landsleute, z. B.
Italiener, Syrer, Juden. Wenn ein König begrüßt wurde, sang jedes
Volk einen langen, schön gefügten Glückwunsch in seiner Sprache, der
vorher einstudiert wurde.
Für den Beifall, welchen ein Germanenfürst fand, und für die Ge-
schenke, welche er beim Einzug erhielt, war er dem Stadtvolke dankbar;
er machte einzelnen Gegengeschenke und erließ der Stadt Abgaben. Denn
obwohl der germanische König zuweilen gegen seine Städte harten Willen
bewies, er hatte doch einige Scheu vor der Menschenmenge. Wie ihm
der freudige Zuruf wohlthat, weil er aus guten Wünschen eine gute
Wirkung für sich hoffte, so fürchtete er auch die Vorbedeutung ihres Zorn-
geschreis und die Gefahren eines lauten Fluchs. Als König Gunthram
einmal durch einen Anschlag gegen sein Leben aufgeregt war, wandte er
sich in der Kirche an das versammelte Volk und bat ernstlich, ihn nicht
umzubringen, wie man mit seinen Brüdern gethan, sondern ihn wenigstens
noch drei Jahre leben zu lassen, bis er seinen Neffen groß gezogen.
Und diese königliche Bitte bestimmte das Volk zu lauten Wünschen für
sein Heil.
War der König in recht guter Laune, so gab er den Städtern auch
Schaufeste. Wie der Vandalenherr in Afrika und König Leuvigild in
Spanien, saß 543 auch der Frankenkönig im Circus von Arles, angethan
mit dem Prachtgewande eines römischen Konsuls, unter Germanen und
Provinzialen als Veranstalter der Circusspiele. Sie bestanden in Wett-
reiten und Wagenrennen. — In den Amphitheatern aber wurden große
Jagden veranstaltet. Die Kämpfe mit wilden Tieren waren unter den
Franken sicher eben so blutig, als in römischer Zeit; die Tierkämpfer und
Gladiatoren wurden nicht mehr von den Königen in großer Schule ge-
züchtet, aber sie bildeten immer noch eine Genossenschaft, welche sich an
Fürsten und Große hing oder abenteuernd in der Fremde zu Festkämpfen sich
vermietete; sie waren unehrliche Leute auch in den Augen der Germanen,
aber sie blieben als Raufbolde und Meuchelmörder verdorbener Großen,
trotz dem Hohn, mit welchen das Gesetz sie behandelte und trotz dem Haß
der Kirche durch das ganze Mittelalter lebendig.
Unendlich viel war verwüstet worden, aber in den Ländern des
Mittelmeers hatten vier Jahrhunderte des kaiserlichen Roms so reichlich
schöne Gebilde und kluge Lehre, so viel Erfindung und Lebensgenuß ab-
gelagert, daß die Germanenstämme immer noch sehr vieles fanden, was
unmerklich in ihr Leben überging, von ihnen bis zu uns; und was einen
Zusammenhang der Kultur erhielt, den wir uns wohl geringer denken,
als recht ist. — Denn der Schmied hämmerte und der Zimmermann
hieb die Späne von den Balken während der ganzen Wanderzeit; der
Steinschneider schnitt dem Frankenkönig seinen Siegelring wie einst dem
römischen Cäsar. Die Technik des Lupushandwerks war zu jener Zeit noch
ziemlich erhalten und wurde von den Fürsten und der Kirche eifrig in
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Cäsar
Extrahierte Ortsnamen: Afrika König_Leuvigild Spanien Arles Frankenkönig
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Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
schanzte Städte und befestigte Häuser der Reisigen erhoben sich jetzt überall
auf deutschem Boden, nicht nur an Rhein und Donau, in Franken,
Schwaben und Bayern, auch im alten Sachsenland und in den Ostmarken
gegen Slaven und Ungarn.
Und die Städte waren in den letzten Jahrhunderten wie über Nacht
entstanden, daß man bei vielen nicht zu sagen wußte, wann sie begonnen
hatten; der größte Kulturfortschritt vollzog sich leise, doch im Zwang der
Stunde und die Zeitgenossen, welche daran arbeiteten, wußten wenig, wie
unermeßlich der Segen war, den sie dadurch ihren Enkeln bereiteten.
Und wer von der Erscheinung zurückblickt auf ihren Grund, der vermag
gerade hier die geheimnißvolle Arbeit schöpferischer Kraft wie in einer Werkstätte
zu belauschen, und ehrfürchtig zu erkennen, wie dem Menschengeschlecht Unglück
in Glück und Verderb in den edelsten Fortschritt umgewandelt wird.
Es war ein Unglück für die Deutschen, daß die Zahl der freien
Landleute sich seit der Völkerwanderung mit reißender Schnelligkeit ver-
ringerte, die Zahl der Dienstpflichtigen und Unfreien sich unaufhörlich ver-
mehrte ; es war traurig, daß alle Gewalten, welche das Leben der Deutschen
regierten, um die Wette dazu beitrugen: die Könige und ihre Beamten,
welche zu vornehmen Gebietern des Volkes geworden waren; die christliche
Kirche und ihre Bildung, welche den Vornehmen stärker vom Volke schied;
nicht weniger endlich das geprägte Silber und Gold, welches Reiche erhob
und Arme niederdrückte.
Aber durch dieselben Gewalten wurde auch der Fortschritt gewonnen,
auf einem Umwege, doch darum nicht minder glorreich. Zuerst half eine
alte Vorschrift der Kirche, aus romanischen Ländern nach Deutschland ge-
bracht, daß Bistümer nur in Städten angelegt werden sollten. Wo der
Dom eines Bistums sich auf deutschem Grunde erhob, da mußte die
Umgebung mit Menschen gefüllt und gegen die Landschaft abgeschlossen
werden. Der Bischof oder Reichsabt zog an seinen Herrensitz seine große
Familie von kunstfertigen Unfreien; der Heilige, dessen Gebeine in der
Kirche Wunder thaten, sammelte an seinen Festtagen große Mengen Volkes
in dem Stadtraume; auf den freien Plätzen erhoben sich die Buden der
Kaufleute; sehr früh erwarben die geistlichen Herren für die Waren, die
zu der großen Messe geführt wurden, auf der Straße des Königs Schutz
und Zollfreiheit. Die Landschaft gewöhnte sich, in des Bischofs oder
Abtes Stadt zu pilgern, in regem Marktgewühl zu handeln. Zumal wo
Deutsche gegen Slaven, Avaren und Ungarn kämpften, auf dein eroberten
Grenzgebiet an der Elbe und Donau, erwiesen sich die Kirche des Heili-
gen und die Stadtmauer als das einzige Mittel, die Umgegend dauernd
zu behaupten. So wurden Bremen, Hamkurrg, Lübeck, Magdeburg, Merse-
burg, Naumburg, Zeitz, Quedlinburg, Halberstadt, Hildesheim, Fulda,
Bamberg, Salzburg und viele andere Städte gegründet.
Dasselbe geschah, wo ein König oder großer Landesherr auf seinem
Wirtschaftshof einen Palast, die „Pfalz" gebaut hatte; auch solche Orte
erhielten schnell weiten Umfang, denn dorthin forderte der Gebieter sein
Heer und die Gewaltigen seines Reiches. Herren und Mannschaft kamen
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
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mit großem Troß und suchten außer dem Obdach, auch die Genüsse, welche
die Zeit bot, sie kauften Waren, sahen Neuigkeiten, welche ausgestellt wur-
den und lachten über die Possen des wandernden Spielmannes, der mit
seiner Harfe und seiner Bande herzugeeilt war. An solchen Plätzen ent-
standen Aachen, Frankfurt, Ulm, Nürnberg, Goslar, Braunschweig.
Seitdem im 9. Jahrhundert die Normannen von der See, die Un-
garn im Süden räuberisch das offene Land durchzogen, vergaßen die
Deutschen in der Not der Stunde überall die alte Abneigung gegen um-
mauerte Wohnsitze. Herrenhose und Häuser der Dienstmannen, Abteien
und größere Dörfer wurden befestigt, in vielen erwuchs das städtische Le-
den. Was von neuen Städten um 1100 zwischen Rhein und Elbe, zwi-
schen Nordsee und Donau lag, war freilich einer modernen Hauptstadt
sehr unähnlich. Noch schloß der umfriedete Raum Ackerflächen und Gär-
ten ein, die Mehrzahl der Einwohner waren Landbauer, welche ihre Ge-
spanne aus der Stadt auf die Außenäcker führten, das Ganze zunächst
eine große Dorfanlage um Kirche, Bischofshaus oder Palast. Wie auf
dem Dorf galt dort das Hofrecht des Bischofs oder Königs, denn die
Bürger waren Dienstpflichtige und Unfreie; unfrei vor andern
fast alle Handwerker. Dazwischen saßen aber auch Freie, einzeln oder
in größerer Zahl, Kaufleute, Landbesitzer der Umgegend oder fromme An-
hänger der Kirche, außerdem reisige Dienstmannen ihres Herrn. Aber
Freie und Unfreie waren vor fremder Gewalt gesichert, sie standen im
Schutz eines mächtigen Herrn, der mild über ihnen waltete und unter den
eng Zusammenlebenden bessere Ordnung zu halten vermochte. Und sie
hatten Gelegenheit zu Verdienst, wie ihn das offene Land nicht bot. Ta-
gesverkehr und gemeinsamer Vorteil milderte sehr bald den Gegensatz
zwischen Freien und Unfreien. Denn der freie Kaufmann entnahm von
dem hörigen Handwerker die Waren, Metallarbeit und wollene Gewebe
und vertrieb sie mit seinen bewaffneten Knappen im Lande. Handwerk,
Handel und Geldverkehr traten in enge Verbindung und gewannen dadurch
einen plötzlichen Aufschwung. Der Segen der Arbeit und ihre Leben
schaffende Kraft wurden dem Volke deutlich.
Wer um 1100 von Köln nach Hamburg, von Augsburg nach Nürn-
berg reiste, der kümmerte sich gar nicht darum, daß die eine Stadt um
ein Jahrtausend älter war als die andere. Aber man merkte damals
doch einen Unterschied in Aussehen, Kraft und Wohlstand zwischen den
alten Römerstädten auf deutschem Boden und den neu gewordenen. Utrecht,
Mainz, Köln, Trier, Regeusburg, Speier, Augsburg waren die altberühm-
ten Städte des Reiches, Sitze großer Bischöfe oder alter Kaiserpfalzen;
zwischen den großen Kirchen und geschwärzten Römertürmen und neben
den Dienstleuten der Bischöfe hatte sich dort eine größere Zahl Freier
angesiedelt; Köln war um 1100 bereits eine große Handelsstadt; Utrecht
ein Mittelpunkt der flamländischen Wollenindustrie; die Zahl der steiner-
nen Gebäude war größer, die Stadtmauer wahrscheinlich und besser mit
Türmen und Außenwerken geschützt, das Selbstgefühl der Bürger kecker,
auch ihre Freiheiten besser und ihr Vornehmen stolz. Aber obgleich sie
Ahreus, Lehr- und Lesebuch für Fortbildungsschulen. 9
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I. Lebensbilder.
Außerhalb der Ringmauern der Städte, in der freien Natur giebt es fast keine
Geschichte. Die Natur hat kein Alter, sie ist stets jnng:
„Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag."
Alles ist heute wie gestern, wie es vor tausend Jahren war, und giebt es Fußstapfen
und Spuren der Zeit, wie in den Bildungen der Thäler und Felsen, so sind dies
so kolossale geologische Perioden, daß die Phantasie des Menschen sie nicht zu ermessen
vermag.
In unsern Städten dagegen gewahrt man in einem kleinen übersehbaren Bilde
auf Schritt und Tritt den unterhaltenden, interessanten, den ergreifenden Gang der
Zeit. Die Städte waren von vornherein die Ausgangspunkte der Kultur, die Gc-
burtsstätten der Gesetze, der politischen Verfassung 'und der Freiheit, die Sitze der
bildenden Künste und Wissenschaften. In ihnen lebten die großen Gedanken und die
großen Männer des Volkes. In ihnen geschahen die entscheidenden Dinge und bei
ihnen wurden die folgenreichen Kämpfe ausgefochten.
Auf dem platten Lande, wo alles zerstreut und vereinzelt wohnt, blieb jeder sein
eigner Herr für sich und in der Zersplitterung der Kräfte konnte nichts Großes ge-
schehen. Das „Land" hat in allen Gegenden der Welt tvilde Horden und Raub-
ritter, Sklaverei und Leibeigenschaft erzeugt. Die Stadtlust macht frei. Erst wenn
die Menschen sich in den engen Städten zusammen fanden, da entstand das Be-
dürfnis nach Ordnung und Regel. Da lernte jeder sich fügen, sich beschränken, da
traten die Gesetzgeber auf. Da entstand die Gemeinde, der Staat, die Freiheit. Da
verbanden sich alle Kräfte zu einem schönen Bunde, da schlug das Herz jedes Bürgers
für seinen Mitbürger. Sie lernten sich als Bruder schützen und es wob sich unter
ihnen „das teuerste der Bande,^der Trieb zum Vaterlande."
Selbst bei den kleinsten Städten, ist die Summe der Erinnerungen groß. Da
stehen noch die zum Himmel weisenden Türme und die ehrwürdigen Kathedralen,
welche die Vorväter bauten und in denen ganze fromme Geschlechter aus- und ein-
zogen; — die Rathäuser, die Kunsthallen und die Versammlungsräume der mannig-
faltigen Brüder- und Gesellschaften der Bürger, in denen sie unzählige Lebensfragen
der Vorzeit berieten, — sowie die Brückenpfeiler, die sie einst felsenfest im Fluss
begründeten.
Die alten steinernen Wohnhäuser der Städte, die dem Zahne der Zeit nicht so
leicht wichen, haben noch alle den Charakter der Epoche ihrer Geburt. Jedes redet
noch von seinem Jahrhundert. Einige sind ganz altfränkisch, gotisch und stehen noch
wie uralte Bäume im Walde da. Andere erinnern in ihren Rokoko-Skulpturen an
unsere mit Perücke und Zopf paradierenden Großväter. Zwischendurch drängt sich
ein nach dem allernenesten Geschmack gebauter, als junger Rekrut sich in die Reihe
der alten Veteranen. Jedes Haus ist ein Buchstabe in einer zu Stein gewordenen
Chronik, die man vor sich aufgeschlagen sieht.
Eine noch ältere Sprache als die Häuser redet der Lauf der Straßen, die Form
und Figur der öffentlichen Plätze, der Stadtplan selber. Dieser änderte sich nicht
so leicht. So oft auch die Häuser umher weggebrannt und demoliert sein mögen, die
alte dem Boden eingezeichnete Einteilung der Grundstücke, die Breite und Länge,
die Windungen und Verengungen der Straße blieben. Jede Ecke, jede unregel-
mäßige Biegung, jede Spaltung und Abzweigung in diesem städtischen Straßen-
labyr'inth ist daher uralt. Man kann sie nicht ohne Interesse gewahren. Irgend
eine Laune, irgend ein Zufall brachte sie einst hervor und war sie einmal da, so blieb
sie für alle Zeiten. So ist jeder Winkel der Stadt gewissermaßen historisch. Fast
jedes finstere Nebengäßchen hat seine hundertjährige Geschichte. Der städtische Ge-
schichtsschreiber weiß' dann auch, wie es kam, daß dieses Gäßchen so klein, so enge
blieb, und von jeher der Sitz der städtischen Armut und des Elends war. Er weist
dir nach, wo die allerältesten Stadtmauern waren. Noch erkennst du in den Windungen
mancher Straßen diewindungen des frühesten Stadtgrabens, hinter denen die ersten Ansiedler
dem Feinde trotzten, der später zugeworfen und in eine doppelte Häuserreihe verwandelt
wurde. Ein Kranz lieblicher Stadtgärten und Blumenbeete, die auf dem alten mit Blut ge-
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Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
seine Blicke auf Frankreich. Daheim aber verbrannte man Hexen, folterte
die Angeklagten, trieb Goldmacherei und Sterndeuterei.
Deutschland wurde von Ludwig Xiv. mit der größten Willkür be-
handelt; er wollte nicht nur im Innern Frankreichs Herr sein, er wollte
auch Herr sein in Europa. Das deutsche Elsaß hatte er bereits, da
erklärte er plötzlich, daß er zu alledem, was er vom heiligen deutschen
Reich erobert habe, auch noch alles das haben müsse, was jemals damit
zusammengehangen, z. B. alle Klöster und Ortschaften, die einmal im
Lehnsverbande mit Elsaß gestanden hätten und wäre dies auch tausend
Jahre her. Hatten seine Gelehrten (die Reunionskammern) einen solchen
Ort in den Akten aufgefunden, so ließ er sogleich denselben in Besitz
nehmen. Dabei steckten in den berüchtigten Raubkriegen seine Soldaten
wie Mordbrenner ganze Städte und Dörfer der Pfalz und des Rheinlaudes
in Brand. Zahlreiche Ruinen am Rhein sind noch heute davon stumme
Zeugen. Während man in Regensburg auf dem deutschen Reichstage mit
fruchtlosen Beratungen die Zeit verlor, erscholl auf einmal die Nachricht:
Straßburg ist französisch. Am 28. September 1681 hatte Ludwig die Stadt
besetzen lassen. Straßburg, dieser Schlüssel von Oberdeutschland, von dem
Karl V. noch gesagt hatte, „wenn Wien und Straßburg zugleich bedroht
wären, so würde er zuerst zur Rettung von Straßburg hineilen," —
dieses wichtige Straßburg war also französisch geworden und das mitten
im Frieden. Und der deutsche Kaiser sah müssig zu. Unter allen deutschen
Fürsten war es der große Kurfürst, der die Schmach Deutschlands am
schmerzlichsten fühlte. Sein Sieg bei Fehrbellin über die gefürchteten
Schweden hob zuerst Preußen in der öffentlichen Meinung. Aber das
Vollgefühl unserer Manneskraft ward erst wieder in den Herzen der
Deutschen lebendig, als Friedrich der Große 1757 die Franzosen bei
Roßbach besiegte.
Nach Müller, v. Dumreicher und Vehse.
06. Schilderung einer deutschen Stadt um 1750.
Es ist eine mäßig große Stadt um 17.50. Noch stehen die allen
Ziegelmauern, Türme nicht nur über den Thoren, auch hie und da über
den Mauern. Manchem ist ein hölzernes Noldach aufgesetzt, in den
stärksten sind Gefängnisse eingerichtet, andere, schon baufällig, die vielleicht
im großen Kriege zerschossen wurden, sind abgetragen. Auch die Stadt-
mauer ist geflickt, vorspringende Winkel und Bastionen liegen in Trümmern,
blühender Flieder und Gartenblumen sind dahinter gepflanzt und ragen
über die Steine; der Stadtgraben liegt zum Teil trocken, dann weiden
wohl noch Kühe einzelner Bürger darin oder die Tuchmacher haben ihre
Rahmen mit eisernen Häkchen aufgestellt und spannen friedlich die Tücher
daran auf; die gewöhnlichste Farbe ist seit den Pietisten Pfeffer und Salz,
wie man schon damals sagte, und die alte Lieblingsfarbe der Deutschen,
blau, das nicht mehr aus deutschem Waid, sondern aus dem fremden
Indigo bereitet wird. Noch haben die engen Thoröffnungen hölzerne
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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