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Xxv. §. 11. Entwicklung neuer Gegensätze.
tägiger Barricadenkampf in Paris endigte mit der Versagung der kö-
niglichen Familie aus Frankreich und mit der Erhebung des „Bür-
gerkönigs" Louis Philipp aus der Seitenlinie der Orleans auf
den neubefleckten und geschwächten Thron. Wie ein zündender Funke
fiel diese französische Julirevolution in den überall aufgehäuften Zun-
der der „liberalen" Mißstimmung. Belgien riß sich von Holland
los und wurde unter Zustimmung der Großmächte zu einem besondern
Königreich mit französischer Verfassung erhoben. Polen versuchte
seine verlorene Unabhängigkeit wieder zu gewinnen, wurde aber nach
zweijährigem harten Kampf durch die russischen Heere überwältigt. In
Spanien und Portugal brachen neue verheerende Bürgerkriege
aus. In Italien konnte der Geist der Empörung nur durch den
Einmarsch östreichischer Truppen gedämpft werden. Die Schweiz
war von Hader und Spaltungen erfüllt, und ward durch Aufnahme
einer Masse politischer Flüchtlinge, besonders Polen, der Mutterschooß
fortwährender Unruhen und Revolutionsversuche in sämmtlichen Nach-
barstaaten. Selbst in England regten sich aufständische Versuche und
eine Reform des Parlaments nach französischen Principien ward durch-
gcsetzt. Wie hätten die deutschen Länder davon unberührt bleiben
sollen? Unmittelbar nach der französischen Julirevolution brach in
Braun schweig ein Aufruhr aus, der Fürst des Landes ward ver-
jagt, sein Bruder mußte eine liberale Verfassung bewilligen. Die
Fürsten von Hessen-Cassel und Sachsen wurden gezwungen, ihre
Herrscherrechte mit Mitregenten zu theilen und gleichfalls liberale Ver-
fassungen anzunehmen. Aehnlich ging es mit Hannover, welches
damals noch mit England verbunden war (1837 nach dem Tode Wil-
helm's Iv. von England bekam Hannover wieder seinen eignen
König, Ernst August, und die liberale Verfassung ward etwas ein-
geschränkt). Die Partei der Liberalsten aber im südlichen Deutsch-
land, die linke Seite in den Kammern, und Alles, was von unruhigen
Geistern und politisch überspannten oder sittlich verkommenen Menschen
sich zu ihnen hielt, suchten die revolutionären Bewegungen noch ganz
anders in ihrem Sinne auszubeuten. Sie wollten ganz Deutschland
zu einer großen „untheilbaren Republik" machen, und alle Nachbar-
staaten desgleichen. Auf dem sogenannten Hambach er fest (1832),
wo 30,000 solcher verwirrter und thörichter Köpfe beisammen waren,
ward dieser Plan öffentlich verkündigt, und zu Frankfurt sollte durch
Zersprengung der Bundesversammlung mit der Ausführung begonnen
werden. Aber das ganze Unternehmen scheiterte in kläglicher Weise
und strenge Verordnungen und Maßregeln der Regierungen gegen die
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Extrahierte Personennamen: Louis_Philipp Philipp Ernst August
Extrahierte Ortsnamen: Paris Frankreich Holland Spanien Portugal Italien England Hessen-Cassel Sachsen England England Deutschland Hambach Frankfurt
Xxv. §. 15. Blick in die Zukunft.
679
vierte (römische) Weltreich sich in zehn Hörnern (zehn Königreichen)
darstellen wird — was bereits vorhanden ist —, wird aufkommen ein
anderer (Feind Christi, Antichrist), der drei Könige demüthigen, den
Höchsten lästern, die Heiligen des Höchsten verstören und sich unter-
stehen wird, Zeit und Gesetz zu ändern. Seine Herrschaft wird
dauern 2>y/2 Zeiten. (Sieben Zeiten ist die Fülle oder ganze Zahl
der Zeiten, hier haben wir die Hälfte von sieben.) Alsdann wird
der Menschensohn vom Himmel erscheinen, der Antichrist wird getöd-
tet, alle Gewalt und Macht wird dem Sohne gegeben, und die Hei-
ligen werden sein Reich und seine Herrschaft mit ihm theilen. Dies
alles liegt noch in der Zukunft. Zwar etwas Aehnliches wie das
Emftorkommen eines gottfeindlichen dämonischen Herrschers ist schon öfter
geschehen. Dan. 8 beschreibt die Herrschaft eines solchen Zerstörers
und Lästerers (nämlich des Antiochus Epiphanes) schon in den Zeiten
des dritten Weltreichs (der griechisch-macedonischen Monarchie). Auch
in den Zeiten des vierten Weltreichs ist schon zweimal etwas Aehn-
liches vorgekommen, in der Erscheinung des Mohamed und des
Napoleon. Allein noch waren nicht alle Züge des schrecklichen
Bildes an ihnen wahrzunehmen, die volle Erfüllung steht noch aus.
Wir erwarten also in der Zukunft den Antichrist, der ein
neues Weltreich gründet, und das Reich Gottes umzustürzen versucht,
und eine Zeitlang die Gewalt hat auch über die Jünger des Herrn.
Dann aber wird Christus selber. erscheinen und ihn vernichten und
sein eignes Gottesreich sichtbarlich auf Erden aufrichten, und die Sei-
nigen werden mit ihm herrschen. Das alles wird durch viele andere
Stellen der heiligen Schrift bestätigt, z. B. 2 Thess. 2, 3 ff., wo
noch hinzugefügt wird, daß das Kommen des Antichrists mit einem
Abfall der Christenheit von ihrem Haupt verbunden sei. Etwas
Aehnliches steht Joh. 2, 18 und 4, 3. So wie schon immer auch
aus der Mitte der Gläubigen sich von Zeit zu Zeit eine entschiedene
Feindschaft gegen den Herrn, ein widerchristlicher Sinn sich gebildet
hat, so wird gegen das Ende der Tage dieser Abfall allgemein und
der Widerchrist persönlich und leibhaftig vorhanden sein. Ausführ-
licher ist von der Erscheinung und Thätigkeit des Antichrists die Rede
Offb. 13—19. Da wird zuerst beschrieben, wie das Thier, die Welt-
macht, speciell die römische Weltmacht, zwar zum Tode getroffen, aber
zur Verwunderung aller Welt doch wieder aufgelebt sei. (Das rö-
mische Reich war 476 zerstört und scheinbar vernichtet, aber 800 lebte
es wieder auf.) Alles beugte sich vor seiner Macht, alle Geschlechter
und Sprachen und Heiden. Dann aber tritt ein anderes Thier neben
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Extrahierte Personennamen: Christi Epiphanes Napoleon Christus
110 Ix. §. 7. Erster Zusammenstoß des Orients mit dem Occident.
nehmen Personen aus der königlichen Familie (der Achämeniden) er,
mordet.
Cambyses und Smerdes kommen in der heiligen Schrift unter
dem Namen Ahasvérus und Artasastha vor (Esra 4, 6. 7).
Beide Namen sind eigentlich nur Titel oder ehrende Beinamen, welche
den Königen gegeben wurden und welche sich daher bei vielen persi-
schen Königen wiederholen. Unter ihrer Regierung wurde der Tem-
pelbau zu Jerusalem durch die fälschlichen Anklagen der heidnischen
Bewohner des heiligen Landes gehindert. Cambyses oder Ahas-
vérus hatte über seinen kriegerischen Unternehmungen schwerlich Lust,
sich genauer mit dem Stande der Sachen bekannt zu machen; und
Sin erd es behielt dazu in seiner kurzen Regierung wenig Zeit. Das
waren ohne Zweifel schwere Prüfungen für die Juden. Auf Grund
der alteil Verheißungen hatten sie gehofft, Jerusalem werde schnell wie-
der zu seinem alten Glanz emporsteigen. Jetzt mußten sie erfahren,
was es mit der Offenbarung auf sich habe, die Daniel am Schluß der
siebzig Jahre des babylonischen Erils empfangen hatte, nämlich daß
Jerusalem sollte aufgebauet werden in kümmerlicher Zeit, und daß
die siebzig Jahre sich ausdehnen würden zu siebzig Jahrwochen
(500 Jahr), bis die Verheißungeil sich erfüllten und der Messias er-
schiene (Dan. 9, 24 ff.). Die äußere Herrlichkeit Jerusalem's war für
immer dahiil. Erst das neue Jerusalem wird als der Mittelpunkt des
erscheinenden Gottesreiches auf Erden im himmlischen Glanze sich offen-
baren.
§. 7. Erster Zusammenstoß des Orients mit dem
Occident.
Unter den folgenden Königen Darius Hystaspes (st 486),
Lerres (st 463) und Artarerres (st 425) erstieg das Perserreich
den Gipfel seines Glanzes und seiner Macht. Zwar die Eroberungen
nach Westen hin, über Klein-Asien hinaus, nach Thracien, Scythien
und Griechenland, hatten eben so wenig Fortgang als die Kriegszüge
des Cambyses in Afrika über Aegypten hinaus. In der griechi-
schen Geschichte wird noch weiter davon die Rede sein. Aber schon
die Berührung mit der hochgefteigerten westlichen, griechischen Cul-
tur wirkte erfrischend und fördernd auf die Entwickelung des persi-
schen Reiches zurück. Hier mußten alle Kräfte des gewaltigen Reichs
angespannt, alle Hülfsquellen benutzt, alle Staatsmittel entwickelt
werden. Die ungeheuren Völkerzüge von einem Ende des Reichs
bis zum andern, das Zusammenleben der verschiedensten Stämme
aus den entlegensten Provinzen, der längere Aufenthalt derselben auf
dem fremden Boden einer ausländischen Cultur (auch Aegypten em-
pörte sich wieder und mußte auf's Reue bezwungen werden), das
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Personennamen: Artasastha Cambyses Daniel_am_Schluß Darius_Hystaspes Darius
Extrahierte Ortsnamen: Occident Jerusalem Jerusalem Occident Griechenland Afrika
222 Xiv. §. 10. Uebergang Rom's in ein Kaiserreich.
bildeten den zuverlässigsten Bestandtheil seiner Kriegsmacht, die Stütze
seiner Herrschaft; sie waren aber auch nebst den zahlreichen römischen
Pflanzstädten das wirksamste Mittel, um bis an die äußersten Grenzen
des Reichs römische Sitte, Sprache, Gesetze und römische Bildung zu
verbreiten. Die Grenzprovinzen sammt allen sonst noch aus irgend
einem Grunde wichtigen Provinzen behielt Augustus unter seiner
eignen unmittelbaren Verwaltung und ernannte selbst die Legaten und
Proprätoren mit festem Gehalt, welche nach seiner Instruction und unter
seiner strengen Controle die Leitung der Geschäfte in den Provinzen
übernehmen sollten. Da athmeten jene unglücklichen Länder wieder
auf. Anstatt der wilden räuberischen Senatoren und Consularen,
welche ihre Amtsgewalt als Statthalter nur dazu benutzt hatten, um
in möglichst kurzer Zeit ungeheure Reichthümer zusammenzupressen,
erfreuten ste sich jetzt einer wohlgeordneten bürgerlichen und militäri-
schen Verwaltung, die selbst durch die tyrannischen Willkürlichkeiten spä-
ter Kaiser wohl öfters aus eine Zeitlang gestört, aber niemals ganz durch-
brochen wurde. Aber auch die übrigen der Verwaltung des Senats
anvertrauten unwichtigeren Provinzen nahmen Theil an dieser wohl-
thätigen Veränderung. Denn auch die senatorischen Beamten, sowie
der ganze von Augustus gereinigte und wesentlich umgestaltete Se-
nat fühlten sich beständig unter der scharfen Controle des Fürsten
und scheuten sich, einen Anlaß zu geben zu gegründeten Anklagen oder
Verdächtigungen, wodurch sie ihrer Aemter und Güter plötzlich verlustig
gehen konnten. Auch waren ihrer Willkür durch die festen und klaren
Gesetze des römischen Privatrechts überall feste Grenzen gesetzt und
Riegel vorgeschoben, die Niemand so leicht ungestraft durchbrochen hätte.
Daher kam es, daß sich im Großen und Ganzen die Masse der vom
römischen Reich umklammerten Völker eines politischen Wohlseins und
mehrentheils einer ruhigen Behaglichkeit erfreuten, die den Gedanken
an Tumult, Aufstand, Empörung nur sehr schwer und selten aufkom-
men ließ, selbst unter den verworfensten Kaisern. In diesem weiten,
beruhigten, durch einen vielbewunderten Staatsmechaniömus trefflich
zusammengehaltenen und geleiteten Reiche waltete nun der Augustus
als „Vater des Vaterlandes" mit Milde, Weisheit und rücksichtsvoller
Schonung der althergebrachten republikanischen Formen. > Die Titel
König, Herr, Dictator wies er weit von sich ab. Mancher reiche Pri-
vatmann lebte glänzender und schwelgerischer als er. Als einfachen
Bürger sah man ihn unter den Mitbürgern umhergehen. Nur auf
bestimmte Zeit, je fünf oder zehn Jahre, ließ er sich durch immer er-
neute Bitten des Senats und Volks die höchsten Gewalten immer
wieder übertragen. Er war seiner Sache zu gewiß, daß Rom nicht
ohne ein monarchisches Haupt sein könne, und daß seine Regierung als
die höchste Wohlthat von allen Römern empfunden wurde. Eine zahl-
reiche Leibgarde (Prätorianer) stand jeden Augenblick bereit, seinem
Wink zu folgen; die Befugnisse der höchsten republikanischen Würden
und Aemter waren auf ihn übertragen, seine Edicte hatten Gesetzes-
kraft. Jeder Widerstand war verstummt. Von Verschwörungen wider
ihn hörte man nichts mehr. Die bedeutendsten Männer, die größten
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Personennamen: Augustus Augustus Augustus Augustus
252 Xvt. §. 3. Ruhezei^ und neue Verfolgungen im dritten Jahrhundert.
der sichtbarlich und unaufhaltsam herein. Statt der vier oder fünf
langen und ungestörten Negierungen im Verlauf des zweiten Jahr-
hunderts erblicken wir im dritten Jahrhundert mehr als fünfundzwan-
zig Kaiser nach einander auf dem Throne; natürlich fast alle nur
wenig Jahre, herrschend, fast alle durch gewaltsamen Tod aus dem
Wege geschafft. Rohe Menschen, aus den entferntesten Provinzen,
durch Tapferkeit beim Heere zu Ehren gelangt, werden von ihren Sol-
daten zu Imperatoren ausgerufen, kämpfen gegen ihre Gegner und
Vorgänger, stoßen sie vom Thron oder unterliegen selber und werden
nach kurzer Frist und Herrlichkeit durch Dolch und Gift oder durch
das Schwert eines neuen stärkern Gegners wieder über Seite ge-
bracht. Dynaftieen, erbliche Fürstengeschlechter vermögen diese wild
aus der Masse auftauchenden Soldatenkaiser nicht zu stiften. Jede
der vormals von Rom unterjochten und noch unterworfen gehaltenen
Provinzen scheint jetzt sich rächen zu sollen für die lang getragene
schwere Unbill, indem sie nun selber einen Tyrannen den Römern auf
den Kaiserthron sendet. Selbst Thracien und Arabien liefern ihren
Beitrag. Bei dem unablässigen Aufsteigen und Untersinken dieser
Kaiser, bei dem llnaufhörlich sich erneuernden Thronwechsel war na-
türlich an eine consequente Behandlung der großen Staatsangelegen-
heiten nicht zu denken. Auch die christliche Kirche erfuhr die ver-
schiedenste Behandlung. Die meisten Kaiser hatten gar nicht einmal
Zeit, sich um sie zu bekümmern, wenige brachten eine Vorliebe für das
Ehristenthum schon mit auf den Thron; andere offenbarten ihre schon
lang gehegte Feindschaft, sobald sie zur Macht gelangt waren, in
grimmigen Verfolgungen. Im Ganzen jedoch wurde während der
100 Jahre von Septimius Severus (um 200) bis zum Diocle-
ti anus (um 300) nur drei oder vier Mal die Ruhe der Christen un-
terbrochen, nämlich zu Anfang und Ende des Jahrhunderts durch die
beiden eben genannten Herrscher selber, und in der Mitte nací) drei-
ßigjähriger Ruhe durch den Mari minus Th rar (235—238) und
etwa zehn Jahre später durch den Der ins (248—251), Gallus
(bis 253) und Valerianus (bis 259). Durch des Letztern Sohn
und Nachfolger Gallienuö (259—208) wurde schon das erste To-
leranzedict für die Christenheit erlassen, so daß während der nächsten
vierzig Jahre die Rühe der Gemeinden nicht mehr gestört wurde.
Der Kaiser Septimius Severus (193—211), unter welchem
das dritte Jahrhundert begann, war anfangs den Christen sehr gün-
stig gestimmt; wie man sagt deshalb, weil ein christlicher Arzt ihn aus
einer gefährlichen Krankheit gerettet hatte. Allein daö änderte sich
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2oß Xvi. §. 5. Letzte und schwerste Verfolgung im Römerreich.
Gebet und gab eine Reihe kräftiger Herrscher (Claudius 268—270,
Aurelian us bis 275, Tacitus bis 276, Probus bis 282, Ca-
r us bis 283), welche die Einheit des Reichs wiederherstellten, die eindrin-
genden Barbaren zurücktrieben, die Grenzen sicherten und Ordnung und
Frieden in die Provinzen zurückführten. Einen ganz neuen Aufschwung
schien vollends die Kaisergewalt nehmen zu wollen, als im Jahre 284
Diocletianus zur Regierung kam. Dieser feine Kopf und gewandte
Staatsmann suchte vor allen Dingen den beiden Uebelständen abzu-
helfen, welche ihm als die schlimmsten erschienen, nämlich der allzu-
großen Abhängigkeit der Kaiser von den Soldaten und der mangel-
haften Vertheidigung der Grenzen durch die Statthalter. Deshalb
verließ er völlig die republikanischen und soldatischen Gewohnheiten sei-
ner Vorgänger und schlug neue Bahnen ein. Zurückgezogen in das
Innere seines weitläufigen Palastes, als geheiligte Majestät von allen
Unterthanen streng geschieden und fast unzugänglich, im ehrfurchtgebie-
tenden Prunkgewand, von den zahlreichen Palastbeamten nur in krie-
chender Selbstwegwerfung bedient, wollte er, gleich den ehemaligen
Herrschern des orientalischen Reichs, den Völkern als ein höheres We-
sen erscheinen und mit scheuer Ehrfurcht nur von ferne angebetet
werden. Um aber die Grenzen des ungeheuren Reichs besser schützen
zu können, nahm er einen Mitregenten (Augustus) an, und beide
Herrscher hielten es dann für nothwendig, sich noch wieder jeder einen
Gehülfen (Cäsar) zuzugesellen, so daß nun vier Regenten, jeder mit
prachtvollem Hofstaat und glänzender Haushaltung, von den schwer be-
lasteten Provinzen unterhalten werden mußten. Es begreift sich aber
leicht, daß solche Einrichtung nur ein neuer stärkerer Schritt zur künf-
tigen Zerspaltung und Theilung des Reiches sein konnte. So lange
der überlegene Geist des Diocletianus die Oberleitung zu führen
wußte, ging Alles gut; so wie er aber zurückgetreten war (305), trat
eine heillose Verwirrung ein und blutige Kriege unter beit Regenten,
bis endlich wiederum Einer, Conftantinus, die Alleinherrschaft ge-
wann. Rom aber, bisher der Mittelpunkt der Welt, trat von nun
an auf eine geraume Zeit in den Hintergrund. Die Herrscher hatten
ihre Hofhaltungen in Nicomedien, Alerandrien, Trier, Mailand oder
Ravenna, und ihr Besuch in Rom war eine Seltenheit. Der Senat
hatte durch Diocletian den letzten Rest von Macht und Ansehen ver-
loren. Denn die despotische Form des neugeordneten Kaiserthums konnte
keinerlei fremde Regierungsgewalt neben sich ertragen. Der Mittelpunkt
des Heidenthums ging zu Grunde, um als Mittelpunkt der christlichen
Kirche wieder aufzuleben.
§. 5. Letzte und schwerste Verfolgltttg im Römerreich.
Je näher der Zeitpunkt heranrückte, wo die römische und grie-
chische Götterwelt untergehen mußte vor dem Glanz und der Maje-
stät des lebendigen Gottes und seines Sohnes Jesu Christi, desto
grimmiger lauerte der Haß und die Feindschaft des Fürsten dieser
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Extrahierte Personennamen: Claudius_268—270 Augustus Cäsar Jesu_Christi
Extrahierte Ortsnamen: Conftantinus Nicomedien Trier Mailand Ravenna Rom Gottes
Xx. §. 9. Ueberaang des Kaiserthums von dem sächsischen Hause ic. 381
§.9. Uebergang des Kaiserthums von dem sächsischen
Hause aus das fränkisch-salische.
Wie dringend nothwendig erscheint dem menschlichen Urtheil des
deutschen Vaterlandsfreundes nach dem zum großen Theil verfehlten
Regiment der beiden letzten Ottonen die Wiederkehr eines gewaltigen
Kaisers, eines Mannes von gleicher Weisheit, Kraft und Entschlossenheit
wie die beiden ersten Sachsenkönige. Aber der Herr hat es anders
im Sinne. Er laßt einen Fürsten den Thron besteigen, dem man das
Lob der Thätigkeit, Tapferkeit, Einsicht und Frömmigkeit nicht versagen
kann, der aber den Ruhm und Glanz des deutschen Namens, die
Herrlichkeit und Machtfülle des deutschen Kaiserthums nicht wieder
herzustellen vermag. Heinrich Ii. (1003—1024), der letzte Sachsen-
kaiser, aus einer Seitenlinie des kaiserlichen Hauses und Herzog von
Bayern, schien mehr geeignet, ein friedliches Regiment zu führen, als
durch große kriegerische Thaten und gewaltiges Eingreifen der Welt
Gesetze vorzuschreiben. Die Nordlande und das von Heinrich und
Otto eroberte wendische Gebiet zwischen Elbe und Oder blieben un-
ter seiner Regierung dem deutschen Einfluß entzogen. Ein mächtiges
Polenreich begann sich im Osten unter Boleslav, ein scharf geson-
dertes Frankenreich im Westen unter Robert, Hugo Cap et's
Sohn, im Gegensatz gegen die kaiserliche Oberherrlichkeit selbständig zu
entwickeln. Italien schien verloren. Zwar gelang es Heinrich,
mehrmals siegreich einzudringen und sowohl die lombardische Krone
zu Pavia als aud> die Kaiserkrone zu Rom zu gewinnen. Aber er
vermochte auf die Dauer das hinterlistige und wetterwendische Volk
nicht zu bewältigen, und gleich nach seinem Abzüge herrschte wieder
der anmaßliche Gegenkönig Harduin sammt den übrigen italienischen
Großen mit unverkürzter Gewalt. Die Päpste waren schutzlos dem
wilden Getreide der römischen Adelsparteien und der benachbarten Her-
zoge preisgegeben. Dieselben Scenen der Erniedrigung und Gottlosig-
keit wiederholten sich in dem päpstlichen Palast, wie ein Jahrhundert
zuvor. In Deutschland selbst aber drohte der Reichöverband immer
lockerer, die Unterthänigkeit der Herzoge und Markgrafen immer frag-
licher zu werden. Ohne Scheu befehdeten sich große und kleine Lehens-
träger unter einander und wenig achtete man der kaiserlichen Ent-
scheidung. Durch Gewalt ließ sich hier wenig ausrichten. Die Kai-
ser mußten auf andere Mittel sinnen, um ihre Macht in Deutschland
dauernder zu festigen. Das that Heinrich Ii. nach seiner frommen
Sinnensart und praktischen Einsicht dadurch, daß er der hohen Geist-
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Ii Heinrich Heinrich Heinrich Otto Robert Hugo_Cap_et's Heinrich Heinrich Heinrich_Ii Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Bayern Pavia Harduin Gottlosig- Deutschland Deutschland
()34 Xxv. §. Jo. Deutschlands sittliche und politische Wiedergeburt.
nachgab, auf den Besitz des ganzen Königreichs Sachsen, das ihm
versprochen war, verzichtete, sich mit der Hälfte und mit einigen Gebiets-
erweiterungen in Westphalen und am Rhein begnügte, auch den Besitz
des sogenannten Herzogthums Warschau Rußland überließ und nur
Posen behielt. Nicht minder widerlich war die Einmischung der
Engländer. Um alle die besten holländischen Colonieen, die sie im
Lauf der französischen Kriege erobert hatten, jetzt behalten zu können,
brachten sie es dahin, daß ein altes deutsches Reichsland, niederländisch
Burgund oder Belgien, zuletzt den Oestreichern gehörig, an Holland
abgetreten und ein neues Königreich der vereinigten Niederlande gestif-
tet wurde. Was sollen wir weiter aufzählen alle die Beweise von
Nichtachtung, die unserm Vaterland noch immer von den Fremden zu
Theil wurden, und von der Uneinigkeit der deutschen Staaten unter ein-
ander. Zur Wiederherstellung eines deutschen Reiches konnte es unter
solchen Umständen nicht kommen. Es konnte nur ein deutscher Buud
aufgerichtet werden, ein Bund von sechsunddreißig souveränen Staaten,
von den europäischen Großmächten Oestreieh und Preußen an bis zu
den kleinen Fürsten von Lippe, Waldeck, Reuß, Liechtenstein und zu den
vier freien Städten hinunter. Daß alle diese an Macht und Größe so
verschiedenen Staaten gleich viel gelten, daß sie zu jedem wichtigen
Beschluß Stimmeneinhelligkeit erzielen, daß sie ohne Bundesgericht,
ohne Vollziehungsbehörde nur auf allseitigen guten Willen gewiesen
sein sollten, das mußte sich bald genug als unerträgliche Hemmung
jeder inner» Weiterbildung erweisen. Jndeß es blieb dabei, und am
5. Noveinber 1816 trat der Bundestag in Frankfurt zusammen.
Gestehen wir es also, die politischen Früchte des großen Sieges waren
keineswegs den Wünschen und Hoffnungen der Vaterlandsfreunde ent-
sprechend, und auch die sittliche Erhebung schien unter den eifersüchti-
gen Fürsten schon wieder zu schwinden. Jndeß es schien doch nur so.
Durch die unvermuthete Rückkehr Napoleon's von Elba, durch die
erneute gemeinsame Kriegesarbeit wurde die Nothwendigkeit des engen
Zusammenhaltens, die Unsicherheit des irdischen Friedens und Besitz-
thums, die Gefahr der Entzweiung auf's Neue den verbündeten Für-
sten nachdrücklich vor die Augen gestellt. Da traten am 26. September
1815 die drei Monarchen von Rußland*), Preußen und Oestreich zu
der sogenannten heiligen Allianz zusammen, zu dem heiligen
Bunde, in welchem sich jeder verpstichtete, seine Regierung nach christ-
lichen Grundsätzen in Liebe, Gerechtigkeit und Frieden führen zu wollen.
Man sollte meinen, dazu sei jeder Monarch ohnehin verpflichtet, und
so ist es auch. Aber in der Zeit gänzlicher Verdunkelung des Gottes-
worteö, gänzlicher Glaubenslosigkeit und Glaubensspötterei war es für
lächerlich gehalten, in der Politik aus die Vorschriften des Evangeliums
*) Urheber des Bundes war Alexander von Rußland: er war während der
Befreiungskriege religiös angeregt worden durch die Frau von Krüden er.
Ps. 91 war sein Lieblingspsalm. Des preußischen Königs Licblingöspruch:
meine Zeit in Unruhe, meine Hoffnung in Gott.
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Extrahierte Personennamen: Oestreich Alexander_von_Rußland Alexander Königs_Licblingöspruch
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Xxv. §. 11. Entwicklung neuer Gegensätze.
rung Wiens, ja Oestreichs, in den Händen bartloser Studenten
und Zeitungsschreiber; Staatskanzler Metternich ward vertrieben,
Kaiser Ferdinand zur Flucht genöthigt, eine Nationalversammlung
aufgerichtet, das ganze Kaiserreich bis in seine Grundfesten erschüttert.
Und nicht viel besser ging es in jenen schimpflichen Märztagen des
Jahres 1848 in Berlin. Auch dort, wie in allen Städten Deutsch-
lands die verabredeten Forderungen: Preßfreiheit, Volksvertretung,
Vereinsrecht, mündliches Gerichtsverfahren, Bürgerwehr u. s. w. Der
König, der schon ein Jahr vorher die landständische Verfassung zum
Abschluß gebracht hatte und einer freien Verfassung nicht abgeneigt
war, gewährte fast Alles, was gewünscht wurde. Aber um die Ge-
währung der Forderungen war es ja der nichtswürdigen Rotte nicht
zu thun, sondern um Tumult, Aufruhr, Barricadenkämpfe, Minister-
wechsel,- Nationalversammlung, Zeughausplünderung, Pöbelherrschaft,
wie das alles denn auch in Berlin bis zum November 1848 reichlich
zu sehen war. Die dritte deutsche Stadt, welche zum Hauptheerd
der tollen Deutschthümlerei ausersehen war, war die Bundesstadt
Frankfurt. Dort war die Bundesversammlung schnell beseitigt, und
an ihrer Stelle tagte das Reichsparlament mit dem Erzherzog Jo-
hann als Reichsverweser an der Spitze. Viele ehrenwerthe Männer
waren da zusammen gekommen, die wirklich das Beste Deutschlands
suchten, und Preußen an die Spitze eines einigen eng verbundenen
Deutschlands, nicht mehr eines Staatenbundes, sondern eines Bun-
desstaates stellen wollten. Aber sie gingen dabei nicht die Wege des
Rechts und der Gerechtigkeit. Auf dem gewaltsamen und unordentlichen
Verfahren konnte der Segen Gottes nicht ruhen. Die republikanische
Partei in der Versammlung, längere Zeit grollend zurückgedrängt,
brach immer offener hervor. Straßenkampf und schändlicher Meuchel-
mord in Frankfurt, blutiger Barricadenkampf in Dresden (Mai 1849)
und in mehreren preußischen Städten, offene Empörung der Pfalz
und Badens, wo nach dem Abfall des Militärs der Großherzog ver-
trieben ward, Einsetzung einer provisorischen Centralregierung in Stutt-
gart, nachdem der republikanische Rest des Parlaments Frankfurt
hatte verlassen müssen, — das waren die weiteren Maßnahmen und
Erfolge der Freiheitshelden und Wühler. Aber es nabm Alles ein
klägliches Ende. Wien war schon Ende October 1848 wieder in
den Händen der kaiserlichen Truppen und die Lombardei mit Ve-
nedig durch das Schwert des tapfern Radetzky den Empörern und
ihrem Werkzeug, dem Piemontesenkönig Karl Albert wieder entris-
sen. Berlin war im November 1848 durch die entschlossenen Mi-
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Extrahierte Personennamen: Metternich Ferdinand Ferdinand Radetzky Karl_Albert Karl
Extrahierte Ortsnamen: Wiens Berlin Berlin Deutschlands Deutschlands Meuchel- Frankfurt Dresden Badens Stutt- Berlin
Xiv. §. 8. Cäsar's Hervortreten. 215
Jahre lang (60—50) die römischen Angelegenheiten bestimmt und
geleitet wurden.
C. Julius Cäsar, der größte Mann seiner Zeit, war zugleich
der größte Römer, der je gelebt hat, insofern er alle Vollkommenheiten,
zu denen ein Römer gelangen konnte, in sich vereinigte. Denn er be-
saß die ganze Willensstärke und Selbstbeherrschung der alten Repu-
blikaner zugleich mit den gewandeten Manieren des feinen Weltmannes,
wie sie aus der griechischen Schule nach Rom gekommen waren. Er
besaß die altrömische kriegerische Tüchtigkeit und die griechisch-römische
gelehrte Bildung, seine Beredtsamkeit und schriftstellerisches Talent. Er
übertraf alle seine Zeitgenossen an Klarheit des Blicks, Uebersicht der
Lage, Gewandtheit des Geistes, Reichthum an Auswegen und Hülfs-
mitteln, nicht minder an Energie des Willens, Sicherheit des Ganges,
geistiger Herrschaft über seine Soldaten und bewußter Festhaltung und
Verfolgung eines klar vorgesteckten Zieles. Dies Letztere gab ihm ganz
besonders das entscheidende Uebergewicht über den Po mp ejus.
Der wußte nur, was er nicht wollte, nämlich Keinen neben sich auf-
kommen lassen, der ihm Ehre und Macht streitig machen könnte. Cä-
sar aber strebte von Anfang an entschieden auf die Herrschaft los.
Das gab seinem ganzen Wesen und Handeln solche Stetigkeit, Einheit
und Folgerichtigkeit, daß wir ihn von dem ersten Augenblick seines
öffentlichen Auftretens an stets mit dem Gedanken begleiten: dieser ist
es, dem Gott die Herrschaft der Welt bestimmt hat. In sittlicher Be-
ziehung stand er nicht höher als Po mp ejus und die Besseren unter
seinen Zeitgenossen. Aber in späteren Jahren hob ihn das Bewußt-
sein der großen Aufgabe, zu der er berufen sei, über die Gemeinheiten
seines frühern Lebens etwas hinweg, und ein gewisser Adel der Ge-
sinnung tritt deutlicher hervor. Nachdem er in seiner Provinz Lusita-
nia sich vorgeübt und bereichert, darnach in Rom Alles geordnet und
den Pompejus wider dessen Willen und Meinung seinen Zwecken
dienstbar gemacht hatte, sorgte er vor allen Dingen dafür, sich ein Heer
heranzubilden, durch welches er, wenn der Augenblick gekommen wäre,
den Pompejus und ganz Rom darniederwerfen könnte. Und hier
bot sich ihm eine unvergleichliche Gelegenheit zu einem Kriegsunterneh-
men, zu einer Eroberung, welche zugleich für den ganzen Verlauf der
weitern Geschichte von der äußersten Wichtigkeit ist. Er eroberte G a l-
lien. Bis auf den kleinen südlichen Theil Galliens auf beiden Seiten
der Rhonemündung am Meer zwischen den Pyrenäen und Alpen war
ganz Gallien, ja der ganze Norden bisher den Römern so gut wie
völlig fremd geblieben. Und doch sollte gerave in diesen Ländern Mit-
teleuropa's künftig der Mittelpunkt der Weltgeschichte sich bilden. In
den Alpengegenden, das sahen wir schon, und in den Ländern westlich
vom Rhein wohnten keltische Völker; dagegen hinter Rhein und
Donau germanische Völker, von welchen wir hier noch nicht weiter
zu sprechen haben. Damals nun gerade als Cäsar mit seinen Le-
gionen in dem südlichen Gallien und in der Schweiz ankam, suchten
sich die Gallier eines germanischen Stammes zu erwehren, der unter
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