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1. Vaterländische Geschichte der neuesten Zeit - S. 87

1910 - Düsseldorf : Bagel
87 richtungen getroffen. So wurde 1820 jeder Gemeinde die Pflicht auferlegt, ein ordentliches Schulhaus oder wenigstens eine ausreichende Schulstube zu beschaffen, die nui dem Unterrichte dienen sollte. Die Besoldung blieb freilich lange noch kärglich. Sie bestand noch teils aus Naturalien, teils, aber recht knapp, aus barem Gelde. Betrug dies doch noch 1838 in dem vierten Teil aller Stellen weniger als 60 Taler. Es ist eine Ehre des Lehrerstandes, daß er trotz dieser Verhältnisse so Tüchtiges leistete. Unterstützt wurde sein Eifer durch die Ueberwachung der Aufsichtsbeamten, die zu einem geregelten Prüfen verpflichtet waren; meist dienten dazu Ortsgeistliche und Superintendenten. Der Schulbesuch war zwangsweise und dauerte vom 6. bis zum 14. Lebensjahre. Das schien lange zu währen; aber wer den Unterricht durchgemacht hatte, hatte nicht bloß einen eingehenden Religionsunterricht genossen, sondern dazu auch sich viele schätzenswerte Kenntnisse und Fertigkeiten erworben. Jedenfalls hatte er im Rechnen, Lesen und Schreiben eine gute Grundlage für die weitere Arbeit im Leben gewonnen. Das Interesse des Königs Friedrich Wilhelm Iii. für die Ausbreitung der Bildung ist um so bemerkenswerter, als er eigentlich nicht ohne Mißtrauen der Erweiterung des Wissens zusah. Er meinte, jeder sollte nur so viel lernen, als er zum Leben nötig habe. Das andere wäre überflüssig, stimme zum Mißvergnügen und wirke schließlich leicht revolutionär. Anders aber stand er zu den kirchlichen Fragen. Die Religion, meinte er, wirke beruhigend; er tat alles, diesen Segen zu mehren. Bei den Protestanten wünschte er die Kluft zwischen den Lutheranern und Reformierten auszufüllen, indem er zur dritten Jubelfeier der Reformation (1817) die Union einführte. Die Auffassung von dem Unterscheidenden wies er dem Gewissen des einzelnen zu, nach außen aber solle das Gemeinsame betont werden. Und um dies auch äußerlich zu kennzeichnen, solle der Name Protestanten, der nur etwas Verneinendes bezeichne, vertauscht werden gegen die bejahende Bezeichnung Evangelische. Diese Union war dem König Herzenssache; nach Kräften drängte er zur allgemeinen Einführung und das gelang auch im wesentlichen. Eine Ausnahme machten nur einzelne „altlutherisch“ bleibende Gemeinden in Breslau und anderswo. — Auch in Aeußerlichkeiten gestaltete der König glücklich um. Er befahl den

2. Vaterländische Geschichte der neuesten Zeit - S. 31

1910 - Düsseldorf : Bagel
31 Das alles war ein neues Leben, welches in die weltpolitischen, auf roher Gewalt beruhenden Pläne Napoleons nicht hineinpaßte. Nicht jede Regung des vaterländischen Geistes im Lande Preußen ist ihm verständlich gewesen. Aber daß dies zertretene Volk ihm noch gefährlich werden möchte, ahnte er doch, als er im Tilsiter Frieden auch den Rest vernichten wollte, und ihn nur bestehen ließ aus „Achtung vor seinem Bundesgenossen Kaiser Alexander“. Zu seiner besonderen Bewachung diente darum noch die Vereinigung der beiden Länder, die es im Süden und Osten begrenzten, Sachsens und Warschaus; beide wurden einem Gebieter gegeben, dem von Napoleon zum König ernannten früheren Kurfürsten von Sachsen. Sachsen ist der geschichtliche Nebenbuhler Preußens. Es war früher das größte Kurfürstentum und der gegebene Führer des evangelischen Nordens; so blieb es auch im Reichstage an der Spitze des corpus evangelicorum, selbst dann noch, als der Kurfürst August der Starke, des katholischen Polens wegen, selber katholisch geworden. Der tatsächliche Führer der Evangelischen wurde aber nach diesem Uebertritte Preußen, und dieser Wechsel der Aufgaben führte zu einem dauernden politischen Gegensatz, der u. a. in den Schlesischen Kriegen zum Ausdruck kam. Sachsen und das Großherzogtum Warschau begegneten sich demnach in ihren Gefühlen gegenüber Preußen. Noch inniger wollte Napoleon diese Gemeinschaft machen, als er das dazwischen liegende Schlesien auch noch mit ihnen vereinen und Preußen aufs neue verkleinern wollte. Die Handhabe dazu gab ihm die Not Preußens, die Kriegskontributionen aufzutreiben. Schon war die Mehrzahl der preußischen Minister dafür gewonnen, Schlesien aufzugeben. Aber den Anstrengungen der Patrioten, namentlich der Königin Luise gelang es glücklicherweise noch, dieses Aeußerste zu hintertreiben und den ganzen Rest für den Tag der Erhebung zusammenzuhalten. Und die Kräfte dieses Restes, die unter unendlichen Entsagungen ausgebildet waren, sollten nun Verwendung finden, um den letzten möglichen Helfer, um Rußland zu überwinden und Napoleon auch in diesem großen und benachbarten Lande zum entscheidenden Herren zu machen! Unter solchen Erwägungen trat Friedrich Wilhelm Iii. im Jahre 1812 auf die Seite des französischen Kaisers! Er konnte nicht anders handeln, aber der Entschluß war gewiß sehr schwer.

3. Vaterländische Geschichte der neuesten Zeit - S. 88

1910 - Düsseldorf : Bagel
Geistlichen, statt der Modefräcke den kleidsamen Luthermantel als Amtstracht anzulegen und erstrebte dann, durch eine neue Agende eine Einheit des Kultus zu erreichen. Nach allerlei Verbesserungen wurde sie 1830 allgemein angenommen. Den rheinischen Gemeinden, in denen die eine Presbyterialverfassung begeht enden Reformierten die Mehrzahl bildeten, gewährte er sogar eine Synodalverfassung, die dem Laienelement einen erheblichen Anteil an der Verwaltung zuwies. (1835) Ein Ausfluß seiner evangelischen Gesinnung war auch die Aufnahme von 500 Zillertalern, die Tirol der lutherischen Konfession halber verlassen mußten. Sie wurden 1837 bei Erdmannsdorf in Schlesien angesiedelt und gediehen hier gerade so gut, wie die Salzburger, die 100 Jahre früher von Friedrich W ilhelm I. in Ostpreußen eine neue Heimat erhalten hatten. So ausgesprochen evangelisch Friedrich Wilhelm Iii. aber auch war, so legte er doch den größten Wert darauf, auch mit der katholischen Kirche in geordnete und freundliche Beziehungen zu kommen. Und hier gelang die Verständigung mit Rom, wenn auch nicht schnell, so doch leicht und zur vollsten beiderseitigen Befriedigung. Preußens Vertreter war der Geschichtsforscher Niebuhr, dessen Persönlichkeit die Verhandlungen in Rom leicht machte. Seine (und Altensteins) Geschicklichkeit zeigte sich auch darin, daß er nur äußere Fragen, nämlich die Abgrenzung und Ausstattung der Bistümer, zum Gegenstand der Verhandlungen machte, und da diese Ausstattung auf das glänzendste ausfiel,*) konnte der Papst in seiner Bulle de salute ammarum seiner Freude Ausdruck geben, daß seinen Wünschen so wunderbar (mirifice) entgegengekommen sei. Die Teilung wurde in der Art vollzogen, daß im Westen drei Suffragan-Bischöfe (von Trier, Münster, Paderborn) dem Erzbischof von Köln untergeordnet sein sollten. Im Osten kamen ebenfalls auf die vereinigten Erzbistümer Posen-Gnesen drei Bistümer, Kulm, Breslau und Ermeland, doch sollten die beiden letzten unmittelbar unter dem Papste stehen. Der Breslauer, dessen Bezirk besonders bedeutend war und weit in das Oesterreichische hineinreichte, erhielt den Namen eines Fürstbischofs. Die Wahl der Bischöfe *) Preußen gab für die neuen Bistümer Köln und Trier 92 000 Taler, während Napoleon für die etwa gleich großen Bistümer Trier und Aachen nur 53000 Francs hatte anweisen lassen.

4. Vaterländische Geschichte der neuesten Zeit - S. 89

1910 - Düsseldorf : Bagel
durch das Domkapitel sollte im Osten wie bisher unter entscheidender Mitwirkung der Krone stattfinden. Im Westen war ihr Einfluß etwas geringer, doch mußte sich das Domkapitel vor der Wahl dessen versichern, daß sein Kandidat dem Könige genehm sei. (persona grata) Demgemäß konnte dieser jeden unbequemen Bewerber zeitig ausschließen. — So hatten sich die obersten Gewalten leicht geeinigt. Eine andere Frage war es, ob die Verständigung im wirklichen Leben ebenso glatt sich machen werde. Leider sollte dies nicht der Fall sein; denn schon bald stießen hier in den Vertretern der Staatsgewalt und den Führern der katholischen Kirche die Gegensätze gradezu feindlich aufeinander. Es war begreiflich, daß die westlichen Bistümer, welche bis 1803 reichsunmittelbar gewesen, den Verlust der Landeshoheit noch nicht verschmerzt hatten. Nun waren sie einem protestantischen Landesherrn untergeben. Politisch und kirchlich fühlte man sich deshalb unbehaglich. Dem Unmut gab aber deutlichen Ausdruck der Generalvikar Clemens August von Droste-Vischering in Münster. Ihm und seinen Gesinnungsgenossen war die Begründung der Bonner Hochschule w^enig willkommen, namentlich aber, daß den nationalen Bestrebungen innerhalb der katholischen Kirche die katholisch-theologische Fakultät in Bonn sich tatkräftig anschloß. Führer der letzteren war der aus Münster herübergekommene Hermes. Wie Wessenberg in Konstanz, wollte Hermes in Bonn die Lehren der katholischen Kirche mit dem Ergebnis der modernen Philosophie und den Ansprüchen des Vaterlandes in Einklang bringen. Der streitbare Generalvikar in Münster veranlaßte aber ein Verbot an die jungen Theologen, die Bonner Hochschule bezw. das katholische Konvikt zu besuchen, eine Anordnung, die schon deshalb nicht durchzuführen war, weil die Staatsbehörde (Vincke) als Antwort die Münstersche Hochschule schließen ließ. Neue Nahrung erhielt der Streit, als die Frage wegen der gemischten Ehen entbrannte. Das preußische Landrecht bestimmte, daß für die Konfession der Kinder die des Vaters maßgebend sei, die katholische Kirche beanspruchte indes, daß alle Kinder aus gemischten Ehen katholisch werden müßten. Daß der preußische Staat, der auch jetzt noch in der Mehrzahl von Evangelischen bewohnt wturde, hier nicht alles der ändern Partei zugeben dürfe,

5. Vaterländische Geschichte der neuesten Zeit - S. 261

1910 - Düsseldorf : Bagel
261 anderseits aber wuchs sie gleichzeitig ungemein durch die Erklärung der päpstlichen Unfehlbarkeit in kirchlichen Dingen. Allerdings war dieses Dogma anfangs wohl einem lebhaften Widerspruch begegnet, hatte aber doch, nachdem das Konzil einmal gesprochen, nach und nach die Zustimmung sämtlicher Bischöfe gefunden. Die Vereinigung aller kirchlichen Gewalt in der einen Person des Papstes bedeutete aber selbstverständlich einen gewaltigen Machtzuwachs. Die Trennung mancher, die sich im Gegensatz zu der neuen Lehre Altkatholiken nannten, änderte daran nicht viel. Die Masse der Katholiken gab sich mit der Lehre der Unfehlbarkeit zufrieden, und das Bekenntnis der 50 000 Altkatholiken hatte um so weniger Werbekraft, als es in der streitigen Frage nur verneinender Art war. Das Volk aber verlangt, um in Bewegung zu kommen, nicht bloß die Ablehnung; es fordert packende und begeisternde Gedanken. Daß die neu erstarkte katholische Kirche sich nun sofort zu der jungen protestantischen Großmacht freundlich stellen werde, war wohl nicht zu erwarten. Das frühere Deutschland hatte mehr katholische Einwohner gehabt; in dem jetzigen, neuen waren 62 °/o evangelisch. Und da in den katholischen Kreisen Süddeutschlands, zumal in Bayern, die Abneigung gegen die politische Verbindung mit Preußen die alte geblieben war, äußerte sich diese Stimmung unter der Mitwirkung des allgemeinen, gleichen Wahlrechtes in der Bildung einer starken Reichstagsgruppe, der Zentrumsfraktion, die sich fast nur aus katholischen Abgeordneten zusammensetzte. An sich wäre das freilich kein Grund zum Kampf mit dem Ministerium Bismarck gewesen, obschon dieser es bald als eine der ungeheuerlichsten Erscheinungen bezeichnete, daß sich eine konfessionelle Fraktion in einer politischen Versammlung bilde. Schärfer aber wurde der Gegensatz dadurch, daß der gewandte v. Windthorst, der längst schon in hannoverschen Diensten die Bismarcksche Politik bekämpft hatte, Leiter dieser Fraktion wurde. Auch nach der Einverleibung seines Heimatlandes war er, soweit das möglich, der Vertreter und Berater des Weifenhofes geblieben und führte nun auf parlamentarischem Boden den Kampf gegen das neu erstehende Reich weiter. Und wie

6. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 496

1859 - Lübeck : Rohden
496 Xxiii. §. 6. Nlederbeucning und Wiederaufrichtung der Papstmacht. reits erfüllen zu sollen, wonach „die große Stadt, die das Reich hat über die Könige auf Erden, von eben diesen Königen bloß und wüste gemacht und mit Feuer verbrannt werden wird." Aber solche Zeit steht noch bevor. Viel zu sehr hatte der katholische Kaiser den Papst nöthig, als daß er ihn gänzlich hätte verderben sollen. Wir sehen ihn bald wieder Unterhandlungen mit seinem Gefangenen an- knüpfen, ihn freigeben, sich mit ihm verbünden. Mit heimlichem Widerwillen, aber durch die Umstände gezwungen, tritt der Papst wieder auf die Seite des Kaisers. Er muß den übermächtigen Nach- bar in Italien dulden, muß sich bereit erklären, seine politischen Ent- würfe zu unterstützen — aber Eins bedingt er sich dafür aus, Eins gewährt ihm der Kaiser zur erwünschten Entschädigung: seinen kräf- tigen Arm zur Ausrottung der lutherischen Ketzerei. Im Jahr 1529 kommt Kaiser Karl selber aus Spanien nach Italien. In Bologna trifft er mit dem Papst zusammen. Er ist auf dem Wege nach Deutsch- land. Da werden die schärfsten Maßregeln gegen die hartnäckigen Ketzer in Deutschland verabredet. Und bemerken wir es wohl. Der Kaiser war jetzt ein Anderer, als vor neun Jahren, er war jetzt in die Jahre der Reife und der Selbständigkeit eingetreten. Von jetzt an sehen wir ihn im Rache wie im Felde überall selbst an der Spitze, bei ihm steht immer die letzte Entscheidung, überall sieht er selbst, urthellt er selbst, handelt er selbst. Unermüdlich ist er in den Staats- geschäften, unüberwindlich im Felde. Und alle dieft so lange gesparte Kraft, alle den frischen Eifer einer langsam bedachten, aber nun ent- schieden ergriffenen Politik ist der Kaiser entschlossen zur neuen Kräftigung des Papstthums in Deutschland gegen die Protestanten zu kehren. Schon länger waren die ersten vorläufigen Wirkungen der neuge- kräftigten Papstmacht und des entschieden kaiserlichen Katholicismus in Deutschland wahrgenommen. Die katholisch gesinnten Fürsten und Städte, insonderheit die geistlichen Fürsten, deren Eristenz bedroht war, deren Besitzungen hier und da bereits eingezogen wurden, erhüben wieder ihr Haupt, traten aus einer abwehrenden wieder in eine angrei- fende Haltung. Da wurden die Lutherischen verfolgt, da wurde das erste Märtyrerblut der evangelischen Kirche vergossen. Die Herzoge von Bayern und die kleineren mit dem päpstlichen Legaten verbundenen Für- sten und Bischöfe hatten gleich nach ihrer Absonderung von der großen Gesammtaufgabe des deutschen Volks angefangen, evangelisch gesinnte Priester zu entsetzen, in's Gefängniß zu werfen, adlige Besitzer aus ihren Gütern zu vertreiben, Beamte peinlich zu verhören, Bürger und Bauern hinzurichten. Besonders eifrige Prediger wurden mit der Zunge an den Pranger genagelt, andere mit dem Staupbesen gestrichen, Luther's

7. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 497

1859 - Lübeck : Rohden
Xxiii. §. 6. Niederbeugung und Wiederaufrichtung der Papstmacht. 497 Bücher vom Henker verbrannt. In Karl's burgundischen Landen, unter den Friesen, bei den Ditmarsen finden wir ähnliche Verfolgungen. Wie schmählich sind die beiden jungen Mönche Vos und Esch in Brüssel in den Flammen erstickt; wie schrecklich ist der fromme Hein- rich von Zütphen in Meldorf zu Tode gemartert. Noch viel gewalt- samer war man zu Werke gegangen nach dem Bauernkrieg. Unter dem Vorwand, die Empörer zu strafen, schlug man die Evangelischen nieder. In Franken wurden an 40 evangelische Prediger neben der Landstraße an die Bäume gehenkt. Erzherzog Ferdinand, des Kaisers Bruder, der 1526 die Kronen von Ungarn und Böhmen zu gewinnen hoffte, zeigte sich zwar den Böhmen gegenüber gut husfitisch, allein eben so entschieden trat er vor den Ungarn als strenger Katholik auf. In Wien wurden evangelisch gesinnte Bürger enthauptet. Wirk- lich gewann er beide Reiche und befestigte und vergrößerte die östrei- chisch-habsburgische Hausmacht, während Karl's Heere die italienischen Provinzen vertheidigten oder neu gewannen. Da hatte denn auch der Reichstag, der 1529 nach Spei er zusammenberufen war, eine sehr veränderte Gestalt. Die geistlichen Fürsten und ihre Freunde hatten das entschiedene Uebergewicht. Die kaiserlichen Commissarien waren so eifrig katholisch wie möglich. Sie beantragten nichts weniger, als die Aufhebung des Reichstagsbeschluffes von 1526, wonach jeder Fürst in Sachen der Religion sich nach eignem Gewissen zu verhalten hatte. Keine Neuerung soll mehr vorgenommen werden, Alles soll bleiben wie es ist, Messe und geistliche Gerichtsbarkeit wieder hergestellt und beibe- halten werden bis zur Versammlung eines allgemeinen Conciliums. Die Mehrheit der versammelten Reichsstände nahm diese Vorschläge an; sie wurden zum Beschluß erhoben. Dadurch wäre das in den letzten Jahren rechtsgültig aufgerichtete und durchgeführte Reformations- werk wieder rückgängig gemacht, alle reformatorischen Stiftungen in Frage gestellt worden. Die evangelischen Stände waren entschlossen, sich den einseitigen Beschlüssen der katholischen Majorität nicht zu fügen. In öffentlicher Sitzung legten sie eine feierliche Verwahrung dagegen ein: sie würden sich nach wie vor nach dem Beschlüsse von 1526 halten, dessen Rechtsverbindlichkeit nicht in Zweifel gezogen werden könne. Von dieser ihrer Protestation führen sie den Namen Protestanten. So endigte der Reichstag in offenbarer Entzweiung. Und der Kaiser? Da er eben in Italien, alle seine Feinde als überwunden in demüthiger Hal- tung vor sich sah, da er sich krönen ließ mit der alten römischen Kai- serkrone, und den Schwur erneuerte, den Papst und die römische Kirche gegen alle ihre Feinde zu vertheidigen, kam die Gesandtschaft der evan- gelischen Stände aus Deutschland, und that ihm Meldung von der ge- schehenen Protestation auf dem Reichstag zu Speier. Dürfen wir uns wundern, daß er sie ungnädig empfing, daß er sich desto fester in seinem Vorhaben bestärkte, diese ärgerlichen Wirren endlich zu beseitigen? Mit den katholischen Ständen in der Schweiz hatte die habsburgische Macht ein enges Bündniß geschlossen, in Folge dessen es zu einem Krieg und nach einigen Jahren (1531) zu einer Niederlage der evan- gelischen Züricher kam, in der auch Zwingli siel. Nichts Anderes, v. Rohden, Leitfaden. 32

8. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 498

1859 - Lübeck : Rohden
498 Xxiii. §. 7. Bekenntniß und Bündniß der Evangelischen. davon waren die Evangelischen in Deutschland überzeugt, hatten auch sie zu erwarten. So wie der Kaiser sich den deutschen Grenzen näherte, machte Jedermann sich auf schweren Krieg und Verfolgung gefaßt. §. 7. Bekenntniß und Bündniß der Evangelischen. Was thaten nun Luther und seine Freunde, was thaten die Für- sten und Städte, die ihm anhingen, als der mächtige Kaiser mit der entschiedenen Absicht, sie zu verderben, über die Alpen daherzog? For- derten sie mit feurigen Worten zum Widerstand auf, riefen sie ihre Freunde und Genossen zum Kampf für die heiligsten Güter, für die Freiheit der Predigt, für die Reinheit der Lehre? Nichts weniger. Sie erklärten: um des Glaubens willen dürfe man nicht zu den Waf- fen greisen, man müsse die Noth und den Schaden tragen. Der Kurfürst von Sachsen war entschlossen, dem Kaiser sein Land zu öffnen, und ihn darin nach Willkür verfahren zu lassen. Das war auch die Meinung des Markgrafen von Brandenburg, der Stadt Nürnberg und der anderen evangelischen Fürsten und Städte. Man hatte zwar schon längst daran gearbeitet, sich näher zu verbinden, sich zu gemein- samem Widerstand zu rüsten, besonders der feurige Landgraf Philipp von Hessen hatte sehr dazu gedrängt. Aber jetzt, da der Kaiser er- scheint, der rechtmäßige Oberherr, läßt man alle kriegerischen Gedan- ken fahren. Man tritt zusammen, ja, man beräth sich, aber nicht über Vertheidigungsanstalten, über Stellung von Mannschaft, Befe- stigung von Schlössern, sondern über die Ausarbeitung einer kleinen Schrift, über die Feststellung einer Reihe von Artikeln, über die Un- terzeichnung eines Bekenntnisses, welches Melanchthon unter Luther's Zustimmung ausgeschrieben, und welches nun die Fürsten von Sachsen Hessen, Lüneburg, Anhalt und Brandenburg nebst etlichen Städten sich aneigneten und Unterschrieben. Das ist die berühmte augs- burgische Confession, das noch heute zu Recht bestehende Be- kenntniß der evangelischen Christenheit, nebst Luther's Katechismus der wertheste Eckstein der lutherischen Kirche. Sie ward am 25. Juni 1530 auf dem Reichstage zu Augsburg vor Kaiser und Reich feier- lich verlesen, und von Allen, welche der Wahrheit die Ehre gaben, mit größter Theilnahme und Beifall ausgenommen. Die Katholischen konnten sie nicht widerlegen, obwohl sie es versuchten. Sie gaben es bald auf, wider das Schwert des Geistes, wider das Wort Gottes mit gleichen Waffen zu kämpfen; sie griffen schnell zu einer andern Widerlegung — durch Gewalt. Zwar nicht die Mehrzahl der

9. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 500

1859 - Lübeck : Rohden
500 Xxiii. §. 7. Bekenritniß und Bündniß der Evangelischen. zertreten; ihnen ist nur wohl unter den Ruinen zerstörter Herrlichkeit, sie gedeihen nur in verwüsteten, zu Grunde gerichteten Ländern. Und diese Unholde hatten angefangen, auch unser deutsches Vaterland zu bedrohen. Schon war Ungarn ihre Beute geworden. Auf dem Schlachtfelde von Mohacz hatte der letzte König aus Dem Stamm der Jagellonen (1526) fein Leben verloren. In Ofen hatte der stolze Sultan Soliman eine Zeitlang seinen Sitz genommen; den ehrgeizi- gen und gewissenlosen Johann Zapolpa, den Fürsten von Sieben- bürgen, hatte er zu seinem Vertreter und Statthalter in Ungarn ein- gesetzt. Da nun aber König Ferdinand sich die ungarische Krone auf's Haupt zu setzen wagte, brach der zürnende Großherr mit seinen Hunderttausenden wieder hervor aus seiner Hauptstadt, über- schwemmte und verwüstete Ungarn unv lagerte sich im Herbst 1529 vor Wien. Da gerieth das ganze deutsche Volk in Schrecken. Die Protestanten, obgleich sie eben erst auf dem Reichstag zu Speier vom König Ferdinand und seinen Rathen so ungnädig behandelt und aus dem Friedeil des Reichs ausgeschlossen waren, vereinigten ihre Fähnlein und ihr Geschütz mit den Katholischen, um die „fremden Teufel" die Donau hinunterzujagen. Und schon hatten die Janitscharen vor Wien's Mauern den Muth verloren. Wie oft hatten sie gestürmt und waren immer mit schwerem Verlust zurückgeworfen. Soliman sah, daß ihm hier seine Grenze gesetzt sei, und wich zurück. Aber schon 1532 be- wegte er sich mit größeren Heeresmassen abermals gegen die deutschen Grenzen. Kurz vorher war, wie wir wissen, der Reichstag zu Augs- burg gehalten, der sch m alkald i sch e Bund geschlossen; das deutsche Reich war in einer schweren Spaltung begriffen. Soliman hatte darauf gerechnet, die Deutschen wider einander zu Felde liegend zu finden; er meinte, dies Mal würde kaum ein Grenzhüter da sein, ihm Widerstand zu leisten. Wie hatte er sich verrechnet! Daö größte und schönste Heer, welches Deutschland seit geraumen Jahren aufgebracht, stand ihm gegenüber. Er wagte nicht es anzugreifen. Nach wenigen Versuchen, in Steiermark einzudringen, um dort zu plündern, hatte er sich entschlossen, zurückzugehen, ohne auch nur das Mindeste von seinen großen Entwürfen in's Werk gesetzt zu haben. Woher nun diese Kraft und Einigkeit der Deutschen? Nicht durch die Nachgiebigkeit der katho- lischen Fürsten; die wollten wenigstens das gerichtliche Verfahren gegen die Protestanten durchaus beibehalten wissen, mochte auch das Reich dar- über zu Trümmern gehen. Es war vielmehr die Besonnenheit des Kai- sers, welcher auch den Unwillen der katholischen Fürsten nicht scheute, als die Noth de§ Augenblicks eine größere Nachgiebigkeit gegen die Prote- stanten forderte, und es war die Vaterlandsliebe der Protestanten, die nach Luther's ernster und begeisterter Aufforderung sich wie Ein Mann gegen die Türken aufmachten, ohne mit berechnender Klugheit die schwie- rige Lage des Kaisers und seines Bruders zu benutzen, um mehr als Sicherheit, Ruhe und Frieden von ihnen zu begehren. Sie waren zu- frieden, wenn sie geduldet wurden.

10. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 501

1859 - Lübeck : Rohden
Xxiii. §. 8. Die Wiedertäufer. 501 §. 8. Die Wiedertäufer. Nach dem Nürnberger Religionsfrieden hatten die Protestanten länger als ein Jahrzehend hindurch vollkommene Ruhe, und die Re- formation konnte stch ungestört über alle Gebiete des niedern Deutsch- lands ausbreiten. Nur der Kurfürst von Brandenburg, Herzog Heinrich von Braunschweig und Herzog Georg von Sachsen hiel- ten sich noch streng zur katholischen Partei. Auch in Oberdeutschland gewann die Reformation immer großem Raum. Das Herzogthum Württemberg, welches König Ferdinand an sich gebracht hatte, wurde ihm in einem günstigen Augenblicke durch den Landgraf Phi- lipp von Hessen wieder abgenommen und dem angestammten Her- zog Ulrich zurückgegeben. Der vollzog sofort die Reformation in dem wiedergewonnenen Erbland, und König Ferdinand mußte sie nicht bloß geschehen lassen, sondern den protestantischen Fürsten noch etliche wichtige Zugeständnisse machen. Die Macht wie die Gunst, deren sich der protestantische Bund erfreute, wuchs von Tage zu Tage. Doch hatte der Herr auch jetzt dafür gesorgt, daß es an schweren Aergernissen, an einem Pfahl im Fleische nicht fehle. Wie schon bald nach dem Anbruch der Reformation, so erhüben sich auch jetzt wieder, da sie sich in äußerer Ruhe vor allen ihren Feinden gedeihlich weiter entwickeln konnte, aus ihrem eignen Schooße böse Mißgeburten, un- gerathene Söhne, welche Schmach auf das Haupt ihrer Mutter luden und Vieler Herzen und Augen von ihr hinwegwandten. Das waren die Wiedertäufer. In der Schweiz begegnen wir ihnen zuerst. Schon Zwingli hatte mit ihnen zu kämpfen. Ihr Name besagt, daß sie die Kindertaufe verwarfen; und das war das Allen gemeinsame Er- kennungszeichen. Aber sonst bildeten sie nicht im mindesten eine ge- schlossene Gemeinschaft, waren durchaus nicht einig in ihren religiösen Anschauungen, in ihren gottesdienstlichen Gebräuchen, ihren politischen Forderungen. Es war eben die ganze Masse Derer, welche weder in der lutherischen noch in der zwinglischen Form der Reformation sich befriedigt fanden, welche etwas Anderes, Neues, Ungewöhnliches suchten und erwarteten, und eine völlige Umgestaltung aller menschlichen Ver- hältnisse, eine sichtliche Wiederkehr Christi, ein tausendjähriges Reich jetzt gleich, sofort, erwarteten und herbeiführen wollten. Uebrigens hatten sie die widersprechendsten Meinungen. Die Einen leugneten, daß Christus Gottes Sohn, daß er der Erlöser der Welt sei, die Anderen sahen in ihm den ewigen Gottesgeist, der nur scheinbar von einem menschlichen Leibe umhüllt war. Hier waren Etliche, welche die strengste
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