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1. Geschichte des preußischen Staates - S. 135

1900 - Münster i. W. : Schöningh
— 135 - thätigkeit immer mehr hervortraten. Die demokratische Volksmasse erhob sich zum offenen Kampfe, in dem die beiden preußischen Abgeordneten Auers Wald und Lichnowsky durch Mörderhand einen gräßlichen Tod fanden. Unter fortdauernden Fehden, Reibungen und äußeren Einflüssen kam endlich (27. März 1849) eine Rei chsv erfassun g zu stände, und die kleindeutsche Partei setzte deu Beschluß durch, einen deutschen Bundesstaat mit Ausschluß Österreichs zu bilden. Am 28. März 1849 wurde König Friedrich Wilhelm Iv. zum Deutscher: Kaiser gewählt. Doch dieser lehnte die angebotene Kaiserkrone entschieden ab, weil er wohl wußte, daß das Volk allein über die Krone nicht zu verfügen hatte. Nur im Einverständnisse mit allen deutschen Fürsten und freien Städten wollte er die Kaiserwürde annehmen. Als dann seitens der Regierungen die Ablehnung der Reichsverfassung erfolgte, forderte die Revolutionspartei das Volk auf, die Reichsverfassung mit Gewalt zur Geltung zu bringen. Infolgedessen kam es im Frühjahre 1849 zu blutigen Aufständen in Dresden, in Baden und in der Pfalz. Mit Hilfe preußischer Truppen wnrde die Ordnung in Sachsen in kurzer Zeit wiederhergestellt, und unter dem Oberbefehle des Prinzen Wilhelm von Preußen wurde die Pfalz durch ein Bnndes-heer gesäubert und ebenfalls der Großherzog von Baden in seine Hauptstadt wieder zurückgeführt. Der Krieg gegen Dänemark. 1848—1851. a. Der Krieg von 1848. Dänemark suchte Schleswig-Holstein seinem Reiche einzuverleiben, obgleich dies eine Verletzung der' ihm verbrieften Rechte war. Die Schleswig-Holsteiner griffen deshalb zu den Waffen und saudeu Bundesgenossen an Preußen und anbereu deutschen Staaten. Die Verbündeten siegten bei Schleswig unter dem General v. Wrangel. Da trat England, Rnßlanb und Schweden für Dänemark ein; Preußen zog nach dem Waffenstillstände zu Malmö seine Truppen zurück. b. Der Krieg von 1849. Nach Ablaus des Waffenstillstandes, der den Frieden nicht gebracht hatte, wurden die Feindseligkeiteil wieder angenommen. Eine Strandbatterie schoß ein dänisches Kriegsschiff in Brand, ein anderes wurde erbeutet, die Bayern und Sachsen erstürmten die Düppeler Schanzen, die Preußen und Schleswig-Holsteiner siegten bei Kolding. Unter dem Drucke der Diplomatie wurde Friede geschlossen. Preußen zog sich zurück, die Herzogtümer würden sich selbst überlassen. c. Der Krieg von 1850 und 51. Die Schleswig-Holsteiner verzagten nicht und setzten den Kamps auf eigene Faust fort/ wurden aber in der blutigen Schlacht bei Jdstedt geschlagen. Durch das Protokoll zu London beschlossen die Großmächte, daß Schleswig-Holstein bei Dänemark verbleibe, daß aber seine Rechte geachtet werden sollten. Sorge für Ackerbau, Handel und Gewerbe. Unter der Regie-ntttg Friedrich Wilhelms Iv. machte die Land wirtschaft bedeutende Fortschritte. Große Flächen wüsten Landes wurden für den Ackerbau gewonnen; von 1849—1852 wurden nicht weniger als 12 200 qkm Landes urbar 'gemacht. Der Maschinenbetrieb kam in

2. Auszug aus Annegarns Weltgeschichte für Schulen - S. 238

1901 - Münster i. W. : Theissing
238 Die Neuzeit. Daher verachteten ihn die Freigeister und gingen mutig ans Werk, im Lande alles umzukehren; daher fanden auch immer mehr Gehör und Glauben die Lehren der sog. Philosophen, Voltaires, Rouffeaus, Diderots und anderer, welche in ihren Schriften Freiheit und Gleichheit predigten und die Könige für Despoten und Tyrannen erklärten, die das Volk je eher desto besser stürzen muffe. — Das konnte um so eher gelingen, als das Ansehen des Königtums durch die Sittenlosigkeit und Verschwendung des französischen Hofes unter den beiden letzten Herrschern beim Volke die größte Einbuße erlitten hatte. — Dazu kam die ungleiche Verteilung der öffentlichen Lasten. Die schweren Staatslasten ruhten fast ausschließlich auf den Burgern und Bauern, dem sog. dritten Stande, während der erste und zweite Stand, der Adel und die Geistlichkeit, beinahe gar keine Steuern zu zahlen hatten. — Trotz des großen Steuerdruckes waren die Staatsschulden durch Kriege, Verschwendung und Schwelgerei aufs höchste gestiegen. Sie betrugen damals über 4000 Millionen Frank und wurden, so viel sich der König persönlich auch einschränkte, immer noch größer. — Von Tag zu Tag wuchs beim Volke das Verlangen, seine vermeintlichen Rechte geltend zu machen, und das Beispiel des Freiheitskampfes der englischen Kolonieen in Nordamerika gegen den Mutterstaat trug noch mehr dazu bei, jenen Drang auch in Frankreich in die That umzusetzen. Die ersten Wevotirtionsstürrne. Um die gewaltig angewachsene Staatsschuld zu tilgen und Las Finanzwesen neu zu ordnen, berief Ludwig Xvi. im Mai des -des Jahres 1789 die Vertreter des Landes, 300 Deputierte des Adels, 300 der Geistlichkeit und 600 des Bürger- und Bauernstandes, zu einer Versammlung nach Versailles. Hier entzweite rnan sich aber sehr bald über die Frage, ob nach Köpfen ober nach Stauben abgestimmt werden sollte. Da sich der Abel und die Geistlichkeit einer Abstimmung nach der Kopfzahl widersetzten, erklärten sich die Abgeordneten des dritten Standes am 17. Juni als Nationalversammlung, und damit hatte die Revolution ihren Anfang genommen. Der König ließ den Sitzungssaal des dritten Standes schließen und zog, da er nicht mehr ohne Besorgnis war,

3. Auszug aus Annegarns Weltgeschichte für Schulen - S. 264

1901 - Münster i. W. : Theissing
264 Die Neuzeit. tragen. Der König mußte auf dem Balkon erscheinen und sich vor den Gefallenen verneigen. Da es nun auch der Frankfurter Nationalversammlung nicht gelang, die Volkswünsche zu befriedigen und die Sehnsucht der deutschen Nation nach Kaiser und Reich zu stillen, berief Friedrich Wilhelm Iv. eine preußische Nationalversammlung nach Berlin (Mai 1849). Aber auch hier wurde die kostbare Zeit mit nutzlosen Reden vergeudet, und in den Straßen Berlins entwickelte sich bald wieder ein stürmisches, gesetzloses Treiben. Infolgedessen ließ Friedrich Wilhelm Iv. selbst am 31. Januar 1850 die noch jetzt in Preußen geltende Verfassung bekannt machen, der zufolge der König die gesetzgebende Gewalt gemeinschaftlich ausübt mit dem Landtage, welcher in das Haus der Abgeordneten und in das Herrenhaus zerfällt. Ebensogroß wie in Berlin war in den verhängnisvollen Märztagen des Jahres 1848 die Aufregung in Wien, wo zunächst der Staatsminister Fürst Metternich, der als die vorzüglichste Stütze des längst für morsch gehaltenen Polizeistaates galt, zur Flucht nach England genötigt wurde. Alsbald bewilligte der Kaiser Ferdinand den aufgeregten Massen Volksbewaffnung, Preßfreiheit und eine reichsständische Verfassung, doch gärte es allmählich so sehr im ganzen Reiche der Habsburger, daß auch die besten Bürger an der Erhaltung der österreichischen Macht verzweifelten. Die ganze Monarchie außer Tirol, wo die Ordnung nicht gestört wurde, verfiel der Empörung. In Oberitalien führte jedoch, wie wir schon gehört haben, Radetzky die Fahne des Doppeladlers zum Siege. Die Wiener, die voll Wut gegen die Maßregeln der Regierung Barrikaden bauten und den Kaiser zur Flucht nötigten, wurden von dem Feldmarschall Fürsten Windischgrätz mit Waffengewalt zur Ruhe gebracht. Am 2. Dezember 1848 legte der Kaiser Ferdinand die Krone nieder, und sein jugendlicher Neffe, der jetzt noch regierende Kaiser Franz Joseph, bestieg den österreichischen Kaiserthron. Der ungarische Reichstag unter Führung Kossuths erklärte aber den neuen Kaiser sür einen Usurpator und verbot bei Strafe des Hochverrats, ihm Gehorsam zu leisten. Erst nach vielen Niederlagen gelang es Österreich mit russischer

4. Auszug aus Annegarns Weltgeschichte für Schulen - S. 267

1901 - Münster i. W. : Theissing
Napoleons Iii. Machtstellung. 267 behielt von dem Kirchenstaate nur noch den vierten Teil, das sog. Erbgut Petri. Der Abenteurer Garibaldi versuchte schon int Jahre 1862, dann wieder im Jahre 1867, sich auch des Restes des Kirchenstaates zu bemächtigen, wurde aber durch die französischen Truppen, die Napoleon zum Schutze des Papstes in Rom einrücken ließ, daran gehindert. Erst im Jahre 1870, als die französischen Truppen infolge der deutschen Siege in Frankreich, zurückgezogen wurden, rückten die Italiener in Rom, ihre neue Hauptstadt, ein. Mit tiefem Schmerze vernahm die ganze katholische Welt dieses Ereignis. Ist der Papst doch jetzt nicht allein seines Landes, sondern in gewissem Sinne auch seiner Freiheit beraubt, sodaß er sich selbst seitdem als einen Gefangenen in seinem eigenen Hause betrachten muß. Unterdessen fuhr Napoleon fort, die Geschicke der Völker zu lenken, und fand bald wieder eine Gelegenheit, seine herrschende Stellung zu bethätigen. In der Republik Mexiko war im Jahre 1860 ein Bürgerkrieg ausgebrochen und der Präsident Miramou von seinem Gegner Juarez verdrängt worden. Da die Gärungen und Kriegswirren fortdauerten und das Leben und Eigentum der europäischen Kaufleute gefährdeten, sandte Napoleon ein französisches Heer gegen die Aufständischen und veranlaßte den Erzherzog Maximilian von Österreich, die Kaiserwürde von Mexiko anzunehmen (1864). Allein der Bürgerkrieg hörte trotzdem nicht auf, Juarez errang neue Erfolge und nahm schließlich den von Napoleon schmählich verlassenen Maximilian gefangen. Der unglückliche Kaiser wurde zum Tode verurteilt und im Jahre 1867 erschossen. Fast gleichzeitig wütete in den Vereinigten Staaten von Nordamerika ein Bürgerkrieg, da die Südstaaten, wo die großen Plantagenbesitzer zahlreiche Sklaven hielten, sich der von den Nordstaaten geplanten Abschaffung des Sklavenwesens widersetzten. Die Erregung führte dazu, daß sich elf Staaten des Südens von der Union lossagten und einen neuen Staatenbund mit einem besonderen Präsidenten bildeten. Da beschloß der Norden unter dem Präsidenten Abraham Lincoln den Krieg gegen die Sklavenbarone, der vier Jahre lang (1861—1865) das Land verwüstete und schließlich zum Vorteile der Nordstaaten entschieden wurde. Als eine wohlthätige Folge des traurigen Bruderkrieges muß immerhin die vom Kongreß beschlossene völlige Abschaffung der entwürdigenden und unchristlichen Sklaverei im Gebiete der Vereinigten Staaten begrüßt werden.

5. Das Mittelalter - S. 250

1891 - Münster i. W. : Schöningh
250 Mittelalter. Es unterliegt keinem Zweifel, daß, je länger die Fahrt dauerte, die Mannschaft immer lauter ihre Besorgnis aussprach, vielleicht auch sogar allerlei Drohungen gegen den fremden Führer laut werden ließ, wenn auch die dramatische Ausschmückung dieser Stimmung, welche in der Erzählung von einem Vertrage gipfelt, den Kolumbus sollte eingegangen sein, einer späteren Zeit angehört. Der Admiral soll sich dazu verstanden haben, nach drei Tagen umzukehren, wenn bis dahin das gesuchte Land noch nicht aufgefunden fei. Die Zeugnisse Peter Martyrs und des Kolumbus selbst sprechen gleichfalls recht deutlich von der schwierigen Haltung der Matrosen. „Die spanischen Begleiter", erzählt Martyr, „singen erst heimlich an zu murren und traten dann offen zusammen. Sie drohten, ihren Führer ins Meer zu werfen; sie seien von dem ligu-rischen Menschen betrogen und ins Verderben gebracht." Diese Angaben über die bedenkliche Stimmung unter dem Schiffsvolke bestätigt Kolumbus in seinem Tagebuche, wenn er am 14. Februar 1493, also auf dem Heimwege, berichtet, daß er schon auf der Hinfahrt viel von den Leuten zu leiden gehabt, weil alle einstimmig erklärt hätten, umkehren zu wollen, und daß sie sich zu Drohungen gegen ihn hätten hinreißen lassen. Vom 7. Oktober an beschloß Kolumbus, einen südwestlichen Kurs beizubehalten. Er wurde dazu durch den Flug zahlreicher Vögel veranlaßt, welche nach dieser Richtung zogen; denn er wußte, daß die Portugiesen der Beobachtung des Fluges der Vögel die Entdeckung mancher Inseln verdankten. Auch am 10. Oktober beklagten sich seine Leute wieder über die lange Dauer der Reise, aber der Admiral belebte ihre Hoffnung auf reichen Gewinn, der in sicherer Aussicht stehe. Übrigens fügte er hinzu, ihre Klagen nützten nichts, da er unter allen Umständen mit Gottes Hilfe feinen Weg fortsetzen werde, bis er Indien erreicht habe. So hätte er nicht sprechen können, wenn es wirklich zu einem Vertrage gekommen wäre, der ihn verpflichtet hätte, nach drei Tagen umzukehren. Kolumbus war zu fest überzeugt, dem Ziel feiner Wünsche nahe zu fein und fand in den Pinzonen eine kräftige Stütze. Ohne Schwankung war er in den ersten Wochen westwärts gesteuert und wich nur in den letzten Tagen mit bewußter Absicht von dieser Richtung ab. Sie waren bereits mehr als 750 Meilen von den Kanarien entfernt. Das Schiffsvolk spähte immer eifriger nach Land aus, denn dem Glücklichen, welcher zuerst dasselbe erblicken sollte, waren reiche Geschenke und eine jährliche Pension von 10 000 Maravedis (etwa 250 Mark) verheißen. Da infolgedessen zu wiederholten Malen der Ruf: Land! erscholl, ohne daß die daran geknüpfte Erwartung sich erfüllte, so wurde bestimmt, daß derjenige, welcher die Gemüter aus solche Weise vergeblich

6. Das Mittelalter - S. 257

1891 - Münster i. W. : Schöningh
Janssen: Kaiser Maximilian I. 257 und Recht nach Kräften aufrichten, und nach Empfang der Kaiserkrone die geeignete und in kriegerischen Thaten bewährte Volkskraft gegen die Türken aufbieten. Denn das Kaisertum faßte er noch ganz im alten Sinne des Wortes auf als die höchste Schirmvogtei der Kirche, als den Grund- und Eckstein alles Rechtes auf Erden; die Führung der Waffen des Abendlandes gegen den Glaubensfeind erschien ihm als die edelste Aufgabe seines Lebens. Die hohen Ziele des Königs waren auch die Ziele der Einsichtigsten und Besten der Nation. Alle Vaterlandsfreunde hatten die Überzeugung, daß die Macht des Volkes abhiug von der Macht des Königtums, daß nur die moralische Gewalt in ihrem früheren Bestände Recht und Frieden sichern, selbst aber nur durch ruhmvolle Bethätigung ihrer Stellung nach außen sich über das vielköpfige Fürstentum wieder erheben könne. Mit Wärme und stolzem Selbstgefühl äußerten sich die litterarischen Stimmführer Deutschlands, daß die Nation, welche so reich und wehrhaft sei, wie nicht ein Volk der Christenheit, welche so viele Erfindungen gemacht, so viele Geistesschlachten geschlagen habe und auf allen Gebieten der Wissenschaft und Kunst eine so freudige Entwickelung bekunde, keiner anderen sich unterordnen dürfe, fondern an der Spitze aller zu stehen berufen sein. In männlicher patriotischer Sprache ermahnten Männer, wie Wimpheling, Sebastian Brant, Nauclerus und Pirkheimer an die Herrlichkeit des alten Reiches und begrüßten den Kaiser als Wahrer der deutschen Einigkeit und als Wiederbegründer des christlich-germanischen Reiches, der Weltherrschaft des Christentums im Abend- und Morgen- lande. „Siehe", mahnte den König Sebastian Brant: „Siehe die Zügel der Welt ruhn dir in den Händen, 0 König, Schuldet Gehorsam doch dir, was die Erde bewohnt! Wachsen nun unter dir, Herr, wird die Gemeinde der Christen, Jetzt, o Mehrer des Reichs, kannst du es mehren das Reich. Ja du thust's .... Augeboruer und tapferer Mut wehrt, daß dir erschlaffe, Daß dir erstarre der Geist oder zum Wollen die Kraft. Was dein Antlitz belebt, der Entschlossenheit kräftige Züge Zeugen von hohem Gemüt, edlem und christlichem Sinn. Ja, ich weiß! nicht täuschet die Hoffnung, welche wir ehemals Schöpften, daß ich des Reichs Gründer besänge in dir. Siehe, vom Himmel herab, vom hohen, winket der Sieg dir, Der einst Karl beistand, würdige Frucht ihm verlieh. Herr, die Zeit ist erfüllt; es kehren faturuische Reiche, Laß das geheiligte Land kehren in deine Gewalt! Waffen des Kaisers erfassest du jetzt, faß Kaisergemüt auch! Waffen des Kaisers erschaun mögen die Völker umher. Möge der Feind nun seh'n, wie unserm Gebieter von oben Selbst in die Hände gedrückt schreckliche Waffen der Herr." Aus allen Jahrhunderten. Ii. yj

7. Das Mittelalter - S. 22

1891 - Münster i. W. : Schöningh
22 Mittelalter. wurden. Die Sittenstrenge, welche die Deutschen selbst in diesen wilden Zeiten nicht eingebüßt hatten, die Treue und Redlichkeit, welche von jeher als Grundzüge ihres Charakters galten, wirkten vorteilhaft auf alle öffentlichen Verhältnisse zurück. Bald wurde man inne, daß diese Eroberer nicht, wie einst die Römer, vernichtend für die selbständige Entwickelung der Völker waren, daß sie sremdes Recht schonten, andere Sitte und Sprache ehrten und ihr Freiheitssinn einen erdrückenden Zwang selbst gegen Überwundene nicht aufkommen ließ. So führte das Eindringen der Fremdlinge in das römische Reich des Abendlandes nicht zu einer völligen Auflösung und Zerstörung aller gesellschaftlichen Ordnung, sondern bahnte vielmehr eine Umgestaltung derselben an, aus welcher dereinst, so tiefgreifend und stark sie war, doch noch eine Erneuerung des römischen Reiches hervorgehen konnte. Ein neues Reis wurde aus den alten Baum gepfropft. Vieles ging freilich unwiederbringlich verloren; Länder, die seit Jahrhunderten zusammengehört und in allen Interessen verwachsen waren, wurden auseinander gerissen, dem Handel und Wandel die alten Bahnen und Richtungen genommen, Kunst und Wissenschaft verloren ihre Geltung und gingen mit reißenden Schritten dem Verfall entgegen, nützliche Staatseinrichtungen gerieten in unaufhaltsamen Ruin, das ganze Leben gestaltete sich rauher und kriegerischer. Und doch sahen viele Römer damals die Germanen nicht so sehr als Unterdrücker, wie als Befreier von dem unerträglichen Druck der Kaiferherrschast an; sie fanden, diese rauhen Sieger seien ihnen eher Bundesgenossen als Herren, und besser sei es, mit ihnen frei und arm zu leben, als äußerlich glänzend unter dem Joch der Kaiser des Ostens und ihrer Beamten. Die Führer der Germanen haben geglaubt, daß sich auf ruhigem Wege die weitere Entwickelung der Dinge gestalten, daß das römische Reichsgebiet, nachdem sie es mit ihren Heeren besetzt hatten, friedlich fortan Germanen und Römer zugleich umfangen würde, ja sie hofften wohl gar, durch weise Sorgfalt sich dauernd den Dank der Römer zu gewinnen. „Mögen andere Könige", schreibt der Ostgote Theoderich (493—526), „ihren Ruhm in dem Untergang eroberter Städte suchen; unser Vorsatz ist es, unsern Sieg so zu benutzen, daß die Unterthanen nur beklagen sollen, zu spät unsere Herrschaft erlangt zu haben." Die Könige der Germanen ließen sich, um den römischen Stolz nicht zu verletzen, so weit herab, daß sie sich selbst und ihre Völker nur als Fremdlinge bezeichneten, die gastliche Aufnahme im Reiche gesucht und gefunden hätten; sie erkannten zum Teil ausdrücklich ihre Länder nur als untergeordnete Teile des römischen Staates an, den sie nicht als einen neben anderen, fonbent als den Staat schlechthin zu betrachten gewohnt waren. Manche von ihnen sahen in dem Kaiser zu Konstantinopel, so wenig sie sich auch von ihm Eingriffe

8. Das Mittelalter - S. 64

1891 - Münster i. W. : Schöningh
64 Mittelalter. den zerstörten Bau herzustellen. Wie aber sollte dies gelingen, so lange sich die deutschen Stämme selbst, ohne inneren wie äußeren Zusammenhalt, in einer fast ununterbrochenen Reihe von Kriegen schwächten und aufrieben! so lange die Fürsten über Völker geboten, die dem Zwang der Gesetze und jeder durchgreifenden Herrfchergewalt mit trotzigem Freiheitssinn widerstrebten? So hatte der Westgote Athaulf, so der Oftgote Theode-rich, so endlich hatten die ersten Merowinger ihre sühnen Pläne, das abendländische Reich herzustellen, sogleich beim ersten Angriff aufgeben müssen; genug, daß es gelang, einzelne Teile des großen Ganzen ihrem Königsgebot zu unterwerfen und zu besonderen Reichen zu gestalten. Aber der erste germanische Fürst, dem es glückte, die Selbständigkeit der Gemeinden für immer zu brechen und der Königsherrfchaft zum letzten entfcheibenben Siege über die Volksherrfchaft zu verhelfen, der zugleich dahin gebieh, alle beutfchen Stämme, die in ihren alten Sitzen geblieben waren, in feinem Reiche zu vereinen und sie wieber mit den ausgewanderten bereits romanifierten Germanen zu üerbinben, nahm auch sofort das römische Kaisertum auf und stellte sich als Nachfolger der alten Imperatoren hin. So erst schien der lange Kampf zwischen Rom und den Germanen friedlich geschlichtet zu werben, bei dem es sich ja von Anfang an weniger um die Vernichtung des alten Weltreiches gehanbelt hatte, als um die Aufnahme der deutschen Stämme in den großen Staatsverband der gebildeten Völker, nicht um die Zerstörung der bisherigen Kultur, sondern um die weitere Verbreitung aller Geiftesgüter, die Roms Herrschaft in sich faßte und hegte. Nicht freilich als Sklaven, nicht von Roms Legionen bezwungen, waren die Germanen dem Reiche einverleibt worden; mit den Waffen in der Hand hatten sie sich Bürgerrecht und Herrenrecht in demselben erkämpft, und als sie hier alles mit den Elementen ihres Wesens erfüllt und nmgewanbelt hatten, gab die freie Entwickelung der Dinge einem beutfchen Fürsten das kaiserliche Scepter des Abenblanbes in die starke Rechte. So trat Karl die Regierung jenes großen germanisch-romanischen Reiches an, in das sich die alte Römerherrfchaft umgestaltet hatte. Doch das Kaisertum war noch etwas anberes als jenes höchste politische Ideal, dem die beutfchen Machthaber seit Jahrhunderten zugestrebt hatten; auch der religiöse Glaube der christlichen Kirche hatte die Jbee desselben erfaßt, in sich aufgenommen, auf eigentümliche Weise aus- und umgebilbet. Die Überzeugung der alten Römer, daß ihre Republik bestimmt sei, alle Völker bis an das Ende der Welt einem Gesetze zu unterwerfen, war in der christlichen Zeit nicht erstorben, fonbern hatte vielmehr neues Leben gewonnen durch den Glauben, daß alle Bekenner des Heilanbes zu einer Herbe gesammelt, zu einer großen Gemeinschaft verbunbeit werben sollten; das christliche Rom nährte mit dem Glauben an die eine christliche Kirche auch den Glauben an die Einheit des christ-

9. Das Mittelalter - S. 131

1891 - Münster i. W. : Schöningh
Prutz: Heinrichs Iv. Kämpfe mit den Sachsen. izi Vorhaben scheiterte aber an dem energischen Einschreiten Papst Alexanders Ii. Dieser schickte den eifrigen Petrus Damiani nach Deutschland, und dessen eindringliche Vorstellungen und strenge Mahnungen geboten dem König und dem Erzbischos Halt. Aber die Erbitterung der Thüringer, welche die Kosten des Handels zwischen beiden hatten tragen sollen, blieb und steigerte die allgemeine Mißstimmung. Heinrich Iv. jedoch glaubte damals die Zeit gekommen, um die Gegner durch einen Gewaltstreich niederzuwerfen. Schon ein Aufstand des Markgrafen Dedi wurde mit großer Härte bestraft. 1070 aber wurde gegen Otto von Nordheim, der bisher am Hofe etwas gegolten hatte, auf Grund der Denunziation durch einen Mann niederen Standes die Anklage erhoben, daß er dem König nach dem Leben getrachtet habe. Als Otto sich zu dem gerichtlichen Zweikampfe nicht stellte, wurde ihm das Herzogtum Bayern abgesprochen und seinem Neffen Welf Iii., einem Sohn des Markgrafen Azzo von Este, übertragen. Natürlich griff Otto zu den Waffen; unter Magnus, dem «Lohne des Herzogs Ordulf von Sachsen, schloß sich ihm der unzufriedene Adel der sächsisch-thüringischen Landschaften an. Doch kam es schon Pfingsten 1071 zu einem Vergleich, in dem der Nordheimer gegen Verzicht auf Bayern und Stellung in Haft sein Eigengut behielt. _ Der ganze Vorgang ist dunkel; inwieweit Otto schuldig oder das Opfer einer gegen ihn gesponnenen Intrigue war, vermögen wir ebenso wenig zu sagen, wie wir die Motive kennen, ans denen die Parteien sich so bald verglichen. Beobachtet man aber das Treiben Heinrichs und seiner „geheimen Räte", wie man die bei ihm einflußreichen Emporkömmlinge zu nennen Pflegte, in der Folgezeit, so gewinnt man doch den Eindruck, als ob es sich um ein abgekartetes Spiel gehandelt habe, um den durch Talent, Entschlossenheit und Macht gefährlichsten Gegner zu beseitigen, da man in ihm ein unüberwindliches Hindernis für die königlichen Pläne erkannt hatte. Inzwischen nämlich war auch der Erzbischof Adalbert von Bremen an den Hof zurückgekehrt; er, der bei der Bändigung Sachsens kirchlich und politisch am meisten zu gewinnen hatte, verstärkte durch seinen Einfluß Heinrichs Unwillen gegen die Billuuger und führte Heinrich ganz zu den Entwürfen zurück, die 1066 so zäh durchkreuzt worden waren. Daran änderte sich anch nichts, als Adalbert 1072 zu Goslar starb. xsirtmcr drückender empfanden die Sachsen die ihnen auserlegten Lasten, die Freiheit aller schien bedroht und Adel und Bauern gleichmäßig dauernder Dienstbarkeit verfallen. Die königlichen Burgen wurden erweitert und vermehrt: sie schienen den Sachsen wie die Glieder einer Kette, die sich enger und immer enger um sie legte, um sie undeutscher fürstlicher Willkür dienstbar zu machen. Gelang dies, so stand noch Schwereres bevor: dann mußte Thüringen an Mainz den lästigen Zehnten 9*'

10. Das Mittelalter - S. 132

1891 - Münster i. W. : Schöningh
132 Mittelalter. zahlen, und auch Sachsen hatte ähnliche Belastung zu fürchten. So wuchs die Mißstimmung, stieg die Verbitterung, organisierte sich der Widerstand, und angesichts dessen entbrannte der junge König immer heftiger im Zorn gegen die verhaßten Sachsen, denen er vorzugsweise die Demütigung schuld gab, die er in Tribnr erfahren, als er den Erzbischof Adalbert vom Hofe entfernen und sich eine Art Vormundschaft hatte gefallen lassen müssen. Immer leidenschaftlicher strebte er nach Niederwerfung der im Centrum des Widerstandes stehenden Billnnger und gewöhnte sich immer mehr an die Vorstellung, daß ohne Züchtigung Sachsens Recht und Würde seines Königtums überhaupt nicht bestehen könnten. Die Despotennatur in Heinrich war geweckt. So erneute der König 1073 die Schenkung des thüringischen Zehnten an Mainz, indem er gleichzeitig die gegen diese Verfügung Appellierenden mit Todesstrafe bedrohte. Man scheint sich dem harten Gebote zunächst gefügt zu haben: so stark war damals also Heinrichs Macht, so nahe der König seinem Ziele, der Weg schien offen vor ihm zu liegen zu einer radikalen Umgestaltung der bisher bestehenden Ordnung, und die Reichsverfassung, wie sie sich aus dem Widerstreit zwischen Monarchie und aristokratischer Föderation entwickelt hatte, war in seine Hand gegeben. Wie wollten geistliches und weltliches Fürstentum sich dem Zwange entziehen, den das erstarkte salische Erbkönigtum im Bunde mit dem diensteifrigen Ministe-rmlentum ausübte? In Sachsen aber handelte es sich um die Freiheit von Adel und Fürsten nicht allein; auch der gemeine Mann, der dort noch im Besitz der alten Freiheit gebliebene Bauer, sah sich schwer bedroht, er wartete nur auf einen Führer, um sich offen zu erheben. Heinrich glaubte in dieser Richtung vorgesorgt zu haben, indem er nach dem Tode des Herzogs Orduls dessen Sohn Magnus in Haft behielt, ja denselben nur unter der Bedingung freilassen zu können erklärte, daß er auf das Herzogtum verzichte. Auch hatte er die Hauptburg der Billnnger, Lüneburgs in seine Gewalt gebracht. Zudem schien Otto von Nordheim durch Entlassung aus der Hast gewonnen und von der Sache seiner Landsleute getrennt. Doch hatte der Vielgewandte damit offenbar eine Maske angenommen, um den König in Sicherheit einzuwiegen und dann um so gewisser zu verderben. Denn in dem Augenblick, wo der im geheimen planmäßig vorbereitete Aufstand ausbrach, erschien er in der Mitte der gährenden Menge, um als anerkanntes Haupt den Ansturm gegen die Machtstellung des salischen Hauses zu leiten. Dies geschah im Sommer 1073. Heinrich Iv. hatte den sächsischen Heerbann gegen Polen aufgehoben; Adel und Bauernschaft Sachsens fürchteten darin eine Falle: indem er so die waffenfähige Mannschaft aus dem Lande entfernte, wollte der Despot, so meinte man, sich
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