Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
17
der Armee, von emer überlegenen, handfesten Menge umgeben, was
blieb ihm übrig, als sich in Geduld zu fassen und, auf welche Be-
dingung es auch sei, die beleidigte Dame zu versöhnen. Heinrich
von Braunschweig faßte sich zuerst und brach in ein lautes Gelächter
aus. Er ergriff den vernünftigen Ausweg, den ganzen Vorgang ins
Lustige zu kehren, und hielt der Gräfin eine große Lobrede über ihre
landesmütterliche Sorgfalt und den entschlossenen Mut, den sie be-
wiesen. Er bat sie, sich ruhig zu verhalten, und nahm es auf sich,
den Herzog von Alba zu allem, was billig sei, zu vermögen. Auch
brachte er es bei dem letzteren wirklich dahin, daß er auf der Stelle
einen Befehl an die Armee ausfertigte, das geraubte Vieh den
Eigentümern ohne Verzug wieder auszuliefern. Sobald die Gräfin
von Schwarzburg der Zurückgabe gewiß war, bedankte sie sich aufs
schönste bei ihren Gästen, die sehr höflich von ihr Abschied nahmen.
Schiller.
9. Der Pilgrim vor St. Just.
1. Nacht ist's, und Stürme sausen für und für,
hispan'sche Mönche, schließt mir auf die Thür!
2. Laßt hier mich ruh'n, bis Glockenton mich weckt,
der zum Gebet euch in die Kirche schreckt!
3. Bereitet mir, was euer Haus vermag,
ein Ordenskleid und einen Sarkophag!
4. Gönnt mir die kleine Zelle, weiht mich ein!
Mehr als die Hälfte dieser Welt war mein.
5. Das Haupt, das nun der Schere sich bequemt,
mit mancher Krone ward's bediademt.
6. Die Schulter, die der Kutte nun sich bückt,
hat kaiserlicher Hermelin geschmückt.
7. Nun bin ich vor dem Tod den Toten gleich
und fall' in Trümmer wie das alte Reich. v. Platcn.
19. Wallenstein vor Stralsund.
1. Im Schatten einer Eiche
ist Friedlands Zelt erbaut;
es schüttelt ihre Zweige
die alte Riesin laut.
2. Umhüllt vom Purpurkleide
im Zelt der Herzog sitzt,
viel goldenes Geschmeide
an Hals und Brust ihm sitzt.
Vaterland 11.
(1628.)
3. Doch finster hat zur Erde
sein Auge sich gewandt,
die Rechte mit dem Schwerte
durchgräht des Bodens Sand.
4. Es sitzet ihm zur Seite
Arnim, der Feldmarsch all,
des Blick schweift in die Weite
hin nach der Festung Wall,
2
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Extrahierte Personennamen: Heinrich
von_Braunschweig Heinrich Schiller
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
30
Als die französische Armee unter Soubise Ende Oktober über die
Saale gegangen war und sich Leipzig näherte, brach Friedrich mit einem
kleinen Häuflein von nur 22 000 Manu von Erfurt auf, um in einer
entscheidenden Schlacht Sachsen zu retten oder zu sterben. Am 4. November
stieß er in der Gegend von Merseburg und Weißenfels, unfern der großen
alten Schlachtfelder, auf die sranzösiscbe Armee, die beinahe die dreifache
Stärke hatte; denn zu den 36 000 Franzosen unter Soubise waren 27 000
Mann Reichstruppen unter dem Prinzen Josef von Sachsen-Hildburghansen
gestoßen. Die Franzosen hatten sich der Saale bemächtigt und rechneten
darauf, ihr Winterquartier in Sachsen zu nehmen. Mit dem „Marquis de
Brandenburg“, wie sie Friedrich übermütig nannten, dachten sie leicht fertig
zu werden; geschah ihm doch schon, meinten sie, eine große Ehre, daß man
sich überhaupt mit ihm einließ. Ein so kleines Heer zu umzingeln schien
leicht, und schon hatte Soubise den Parisern versprochen, ihnen den König
als Gefangenen aufzuführen — ein Schauspiel, dem sie mit Begierde ent-
gegensahen.
Es war am Morgen des 5. Novembers 1757. Der König war auf
den Boden des Herrenhauses zu Roßbach gestiegen und erforschte durch
das Fernrohr die Bewegung des Feindes. Dieser ließ sich aus einer vor-
teilhaften Stellung in die Ebene locken und wollte die Preußen umgehen.
Schon dehnte er sich links und rechts über ihre Flanken aus; seine kriege-
rische Musik scholl herausfordernd herüber, und noch rührten sich die Preußen
nicht, außer daß sie ihr Mittagsmahl kochten und zur gewohnten Stunde
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien]]
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TM Hauptwörter (200): [T170: [Schlacht Leipzig Franzose Preußen Napoleon Heer Herzog Ferdinand Jena Braunschweig], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Josef_von_Sachsen-Hildburghansen Friedrich Friedrich
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
32
in ein großes Putzzimmer gekommen zu sein. Man fand eine reiche Beute
an Köchen, Haarkünstlern, Schauspielern, Schlafröcken, Pudermänteln, Haar-
beutein, wohlriechenden Wassern und Papageien, denn alles dies hatten die
Franzosen in großer Menge mit sich geführt.
In die Flüchtlinge war ein panischer H Schrecken gefahren, und viele
schienen gar nicht mehr haltmachen zu wollen. Die Straßen nach dem
Rheine, dem sie zueilten, waren mit Kürassen, langen Reiterstiefeln, Waffen
und allem, was sie abwerfen mochten, um es sich leicht zu machen, bedeckt.
Die thüringischen Bauern, denen die Franzmänner arg mitgespielt hatten,
machten förmlich Jagd auf sie und lieferten sie in großer Anzahl den
Preußen aus. Durch ganz Deutschland, nicht allein durch Preußen, ging
ein lauter Jubel über die meisterhaft entworfene, meisterhaft ausgeführte,
von dem vollständigsten Erfolge begleitete Schlacht, welche den übermütigen
Erbfeind, der dem Vaterlande ungestraft so viel Leid zugefügt hatte, zu
Boden warf und uns endlich wieder das Vollgefühl unserer Manneskraft
gab. G. Wirth.
19. Der Choral von Leuthen.
1. Gesiegt hat Friedrichs kleine Schar. Rasch über Berg und Thal
von dannen zog das Kaiserheer im Abendsonnenstrahl;
die Preußen steh'n auf Leuthens Feld, das heiß noch von der Schlachten-
des Tages Schreckenswerke rings umschleiert mild die Nacht.
2. Doch dunkel ist's hier unten nur, am Himmel Licht an Licht,
die goldnen Sterne zieh'n herauf, wie Sand am Meer so dicht;
sie strahlen so besonders heut', so festlich hehr ihr Lauf,
es ist, als wollten sagen sie: „Ihr Sieger, blicket auf!"
3. Und nicht umsonst. Der Preuße fühlt's: es war ein großer Tag.
Drum still im ganzen Lager ist's, nicht Jubel noch Gelag;
so still, so ernst die Krieger all', kein Lachen und kein Spott. —
Auf einmal tönt es durch die Nacht: „Nun danket alle Gott!"
4. Der Alte, dem's mit Macht entquoll, siugt's fort, doch nicht allein,
Kam'raden um ihn her im Kreis, gleich stimmen sie mit ein;
die Nachbarn treten zu, es wächst lawinengleich der Chor,
und voller, immer voller steigt der Lobgesang empor.
5. Aus allen Zelten strömt's, es reiht sich singend Schar an Schar,
ein fallen jetzt die Jäger, jetzt fällt ein auch der Husar,
auch Musika will feiern nicht, zu reiner Harmonie
lenkt Horn, Hobo' und Klarinett' die heil'ge Melodie.
6. Und stärker noch und lauter noch, es schwillt der Strom zum Meer,
am Ende wie aus einem Mund singt rings das ganze Heer;
im Echo donnernd wiederhallt's das aufgeweckte Thal,
wie hundert Orgeln braust hinan zum Himmel der Choral. H. Besser.
*) Die Griechen glaubten, ein plötzlicher Schrecken rühre von dem grauenhaften
bocksfüßigen Wald- und Hirtengotte Pan her. 2) 5. Dezember 1757.
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Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
40
eine Glocke aus gutem Erz gegossen, klingend und singend unterm
Volke von der Gnade Gottes nun schon seit beinahe zweihundert
Jahren.
August Hermann Francke ist in der zweiten Hälfte des Jahr-
hunderts zur Welt gekommen, da der dreißigjährige Krieg unser
Deutschland mit seinen Flammen und Greueln jämmerlich zurichtete.
Er ward in der freien Stadt Lübeck im Jahre 1663 geboren.
Da seine Eltern fromme Christen waren, wußten sie auch ihrem
Sohne kein besseres Erbteil mitzugeben, als daß sie ihn in der Zucht
und Vermahnung zum Herrn erzogen. Und Gott gab seinen Segen
dazu. Als der Knabe erst ins zehnte Jahr ging, bat er seine
Mutter, sie möchte ihm doch ein stilles Kämmerlein im Hanse ein-
räumen, daß er daselbst ungestört beten und lernen könne. Hier hat
die kindliche Seele mit ihrem himmlischen Vater fleißigen Verkehr
gehabt und besonders dies Gebet oftmals inbrünstig gethan: „Lieber
Gott, es müssen ja allerlei Stände und Hantierungen sein, die doch
alle endlich zu deiner Ehre gereichen; aber ich bitte dich, du wollest
mein ganzes Leben bloß und allein zu deiner Ehre lassen ge-
richtet sein."
Und der liebe Gott that also. — August Hermann machte in
raschem Laufe die niederen und die hohen Schulen durch, zu Erfurt
und zu Kiel, lernte in Hamburg bei einem berühmten Lehrer das
Hebräische, um Gesetz, Propheten und Psalmen in ihrer Ursprache
lesen zu können, und zu Leipzig ward er Magister der Gottes-
gelahrtheit und nahm daselbst mir den jungen Studenten das Bibel-
buch vor, daß sie darinnen heimisch werden möchten. Danach war
er ein Jahr lang Lehrer einer Hamburger Schule. Hier ward er
zu seiner Herzensbetrübnis gewahr, wie elendiglich es um die Kinder-
zncht stand, und der Gedanke stieg in seiner Seele ans, ob er wohl
dazu helfen möchte, daß das verkommene Erziehungswesen wieder
ans bessere Wege gebracht werde.
Einen frommen Gedanken läßt der Himmel nimmer verloren
gehen. Er behält seine Keimkraft, wenn er schon bisweilen für
unsere Ungeduld viel zu lange stille liegen muß. Endlich aber weht
von oben her die Frühlingsluft über ihn, und er bricht hervor wie
eine Blume aus ihrer Knospe. Francke ward aus der Hamburger
Schule als Prediger nach Erfurt gerufen. Hierselbst predigte er
zwei Jahre lang in der Augustinerkirche gewaltig das Wort Gottes,
daß die ganze Stadt davon bewegt ward, und verbreitete die heilige
Schrift und andere fromme Bücher unter das Volk. Darüber er-
bosten sich die Neider und Feinde des Evangeliums dermaßen, daß
sie ihn mit Gewalt zwangen, die Stadt zu verlassen.
Aber das mußte also kommen, damit er nun vom Finger Gottes
an den Ort hingewiesen würde, wo er anheben sollte, die schönste
Arbeit seines Lebens auszurichten.
Nämlich er ward jetzt Professor an der Hochschule zu Halle,
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Extrahierte Personennamen: August Hermann_Francke August Hermann Francke
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Deutschland Erfurt Hamburg Erfurt Gottes
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
42
Als nun das Gerücht davon sich weiter durch die Stadt ver-
breitete, wurde die Armenschule oftmals auch von anderen Gemeinde-
gliedern und Bürgern besucht; denn die Leute hatten solches noch
nicht erlebt und waren neugierig, was das werden solle. Einige
aber, welche sahen, daß die Kinder hier so fein unterrichtet würden,
nahmen es sich zu Herzen und wollten ihren eigenen Kindern auch
so gute Lehre gönnen und erboten sich ans freien Stücken Schulgeld
dazu herzugeben. Und Francke nahm sie mit Freuden ans. In dem-
selben Sommer wuchs die Zahl aller Schüler schon auf 50 bis 60.
Dies alles geschah im Jahre 1695. Als der Herbst kam, reichten
die Stuben im Pfarrhanse nicht mehr ans für die Menge der Schü-
ler. Darum mietete Francke jetzt ein besonderes Hans und verordnete,
daß daselbst die Kinder der Armen und der Bürger in zwei Ab-
teilungen unterrichtet würden. Solches konnte er schon ausführen;
denn Gott hatte vieler Menschen Herzen so mitleidig gemacht, daß
die Unterstützungen in kurzer Zeit gar reich flössen.
Aber die Liebe ist wie ein Strom. Je weiter er fließt, desto
tiefer gehen seine Gewässer, desto höher schlagen seine Wellen, desto
schwerer trägt er ans seinem Rücken.
Francke's Herz wallte über vor Dank gegen Gott, wenn er
unter seinen Kindern stand und sah, wie die jungen Seelen znm
Himmel aufblühten. Aber eines machte ihm Schmerz. Er merkte
nämlich bald, daß manches mühsam eingesäete und hoffnungsvoll
anfgegrünte Wort draußen ans der Straße im Verkehr mit der Welt
wieder zertreten und vergessen ward. So kam ihm der Gedanke,
etliche Kinder ganz in Aufsicht und Pflege zu nehmen. Davon sagt
er nachher selbst: „Das war in meinem Gemüte die erste Ver-
anlassung und der erste Anschlag zur Aufrichtung eines Waisenhauses,
ohne daß ich das geringste Kapital dazu wußte." Aber Gott hatte
insgeheim schon eins bereit gelegt. Denn gleich darauf setzte ein
frommes Menschenkind 500 Thaler ans, von denen Francke jährlich
die Zinsen zur Erziehung armer Kinder erheben sollte. Dazu wollte
er sich, wie er sagt, „ein armes Waiselein" aufsuchen. Aber es
wurden ihm gleich vier genannt, die in denselben Nöten steckten.
Da nahm er sie in Gottes Namen alle ans. In den folgenden
Tagen wurden ihm noch fünf verlassene Kinder zugeführt, und auch
diese nahm er zu den anderen. Da er diese neun Waisen nicht in
dem eigenen Hanse beherbergen konnte, brachte er sie zu gottes-
fürchtigen Familienvätern der Nachbarschaft, und ein frommer Student
mußte alle Tage bei denselben ans- und eingehen, daß sie beaufsich-
tigt und behütet wurden.
Und Gott segnete das Werk, welches August Hermann Francke
begonnen hatte.
Nach wenigen Monaten waren durch Geschenke über 1400 Thaler
zusammen gekommen. Da nahm sich Francke das Herz, ein eigenes
Hans zu kaufen, daß er seine Waisenkinder, deren jetzt schon 18 ge-
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Extrahierte Personennamen: Francke Francke Hans Francke August Hermann_Francke Francke
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
70
40. Des Volkes Not 1813.
Die furchtbare Schlacht bei Bautzen kam, der Waffenstillstand
folgte. Sorgenvoller wurde der Blick des Volkes. Ströme von Blut
waren geflossen, ihr Heer war zurückgedrängt, der Kaiser schien für
irdische Waffen unbesiegbar. Und doch, obgleich gerade die Klügsten
einige Wochen finster in die Zukunft schauten, dem Volke erhielt eine
richtige Empfindung das Selbstgefühl und den gehobenen Entschluß.
Vertrauen zu Gott, zur guten Sache, zur eigenen Kraft war die
Grnndstimmung. Jeder sah, daß die preußische Kraft in diesem
Feldzuge unvergleichbar stärker war als im unseligen letzten Kriege.
Nur noch wenig schien an Stärke zu fehlen, und man warf den
Tyrannen; wenn man die Anstrengung noch um etwas erhöhte, so
mochte er hinweggeschleudert werden. Die freiwilligen Beiträge gingen
fort, noch im Spätherbste wurde über den Empfang quittiert. Die
Ausrüstung der Landwehren wurde beendet, überall schnitt, nähte,
pochte der Handwerker für seinen König und das Vaterland.
Und wieder begann der Drang des Krieges, Stoß und Gegen
stoß, Flut und Rückschlag; hart drängten die Heere, bald sah man
vom Turme die Heerhaufen der Feinde, bald der Freunde heran-
ziehen. Die Städte und Landschaften im Westen von Berlin und
Breslau erfuhren jetzt selbst das Schicksal des Krieges. Ach, seine
schrecklichen Bilder sind dem Deutschen nicht fremd; bis zur Zeit
unserer Väter haben sie fast jeder Generation deutscher Bürger die
Seele erschüttert.
Dumpfe, kurze Schläge in der Luft; es ist ferner Kanonen-
donner. Auf dem Markte, vor den Thoren stehen lauschende Hansen,
wenig wird gesprochen, halbe Worte mit gedämpfter Stimme, als
fürchte der Sprecher, den Klang in der Luft zu übertönen. Vom
Kranz der Türme, vom Giebel der Häuser, welche dem Kampfplatze
zu liegen, spähen die Angen der Bürger ängstlich in die Ferne. Am
Rande des Horizonts liegt es wie eine weiße Wolke im Sonnenlichte,
nur zuweilen regt es sich darin, ein helles Ausleuchten, ein dunkler
Schatten. Aber auf den. Seitenwegen, welche ans den nächsten
Dörfern von der Landstraße seitab führen, bewegen sich dunkle Hau-
fen. Es sind flüchtige Landleute, welche quer durch das Land in den
Wald oder in die Berge ziehen. Jeder trügt auf den Schultern, was
er zusammenraffte; nur wenige vermögen ihre Habe zu fahren, denn
Wagen und Pferde sind ihnen schon seit Wochen vom Kriegsvolke
genommen, Buben und Männer treiben mit ängstlichem Schlage ihre
Herden, laut jammernd tragen die Weiber ihre kleinsten Kinder.
Und wieder ein Rollen in der Lust, deutlicher, heller. In wildem
Rennen stürmt ein Reiter durch das Stadtthor und wieder einer.
Die Unseren ziehen sich zurück. Die Haufen der Unseren fahren aus-
einander, angstvoll rennt das Volk in Häuser und wieder auf die
Straßen; auch in der Stadt beginnt die Flucht. Lmit ertönt Schrei,
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TM Hauptwörter (200): [T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
44
er in seinem Garten ans nnb ab. Es war gerade Frühling und
blauer Himmel und heller Sonnenschein, und die Lilien und die Rosen
blühten im ganzen Garten. Da sprach er in seinem Herzen: „Schauet
die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen, sie arbeiten nicht, auch
spinnen sie nicht. Ich sage ench aber, daß anch Salomo in aller
seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist, als derselben eins."
Daranf fing er an, ans Grund der Seele zu beten. Und als er ans
dem Garten ins Haus gegangen war, fand er eine nene Gabe, und
eine Stunde daranf kam noch eine andere hinzu. Da hatte die Be-
drängnis ein Ende. So antwortete Gott mit seiner Hilfe ans den
betenden Glauben und ließ nicht ab, bis der Ban unter Dach stand
und der letzte Nagel in die Wand geschlagen war.
Gegen das Lebensende Frauckes waren in seiner Anstalt 134
Waisenkinder und 2207 andere Kinder, die von 175 Lehrern unter-
richtet und an Leib und Seele gepflegt wurden; und 255 arme
Studenten setzten sich daselbst alle Mittage umsonst an den Tisch.
Er starb unter Gebet und Gesang der Seinen, die um sein Bett her
standen, am 8. Juni 1727.
Wenn du nach Halle kommst und fragst nach der Franckeschen
Waisenanstalt, so zeigt man dir eine lange Häuserreihe, die beinahe
eine Straße einnimmt. In derselbigen wird seit beinahe zweihundert
Jahren gelehrt und gelernt, erzogen und gerettet bis aus diesen Tag.
Und über dem Hauptthore predigt der Prophet Jesaia diesen
Spruch: „Die ans den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie
auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt
werden, daß sie wandeln und nicht müde werden."
Huusrückcr Chronist.
26. Ernst Moritz Arndts Kinderjahre.
Zn Anfange des 18. Jahrhunderts kam ein schwedischer Unter-
offizier, Namens Arndt oder zu deutsch Adler, nach der Insel Rügen,
wo er in ein Banernwesen der Herrschaft Putbns einheiratete.
Sein Sohn war unterthäniger Schäfer zu Putbus und Darnsband,
brachte es aber zu einem leidlichen Wohlstände und hatte viele Kin-
der. Das vorletzte derselben war der Vater unsers Ernst Moritz
und hieß Ludwig Nikolaus Arndt. Der ward ein rüstiger, brauch-
barer Bursche und der Liebling seines Herrn, des Grafen Putbns.
Er begleitete denselben mehrere Jahre hindurch auf Reisen, und zur
Zeit des siebenjährigen Krieges, als die Schweden, unter deren
Herrschaft damals noch Rügen stand, ein Heer gegen den alten Fritz
schickten, diente er ihm als treuer Bote bei allerlei mißlichen Sen-
dungen. Dadurch kam Ludwig Nikolaus Arndt mit vornehmen
Leuten zusammen und eignete sich allmählich selber die Art eines
gebildeten Mannes an. Nach dem Kriege ließ ihn der Gras zur
Belohnung seiner treuen Dienste frei und machte ihn zuletzt sogar
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Extrahierte Personennamen: Gott Ernst Moritz_Arndts Arndt Ernst_Moritz Ernst Ludwig_Nikolaus_Arndt Ludwig Nikolaus Ludwig_Nikolaus_Arndt Ludwig Nikolaus
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
73
Land mußte man senden, den Hunger zu stillen. Aber der Mensch
wird bei einer schnellen Folge großer Ereignisse kälter, zäher, härter
gegen sich selbst, der starke Anteil, welchen jeder einzelne an dem
Schicksale des Staates nahm, machte gleichgültiger gegen die eigene
Not. Nach jeder Gefahr empfand man mit Behagen, daß man das
letzte, das Leben, doch gerettet. Und man hoffte. Gustav Freytag.
41. Der Trompeter an der Kaizbach.
1. Von Wunden ganz bedecket
der Trompeter sterbend ruht,
an der Katzbach hingestrecket,
der Brust entströmt das Blut.
2. Brennt auch die Todeswunde,
doch sterben kann er nicht,
bis neue Siegeskunde
zu seinen Ohren bricht.
3. Und wie er schmerzlich ringet
in Todesängsten bang,
zu ihm herüber dringet
ein wohlbekannter Klang.
4. Das hebt ihn von der Erde!
Er streckt sich starr und wild —
dort sitzt er auf dem Pferde,
als wie ein steinern Bild.
5. Und die Trompete schmettert —
fest hält sie seine Hand —
und wie ein Donner wettert
Victoria in das Land.
6. Victoria! — so klang es,
Victoria! — überall,
Victoria! — so drang es
hervor mit Donnerschall.
7. Doch als es ansgeklungen,
die Trompete setzt' er ab;
das Herz ist ihm zersprungen,
vom Roß stürzt' er herab.
8. Um ihn herum im Kreise
hielt's ganze Regiment.
Der Feldmarschall sprach leise:
„Das heißt ein selig End'!"
Z. v. Mosen.
42. Die Leipziger Schlacht.
1. „Wo kommst du her in dem roten Kleid
und färbst das Gras auf dem grünen Plan?"
Ich komme her aus dem Männerstreit,
ich komme rot von der Ehrenbahn.
Wir haben die blutige Schlacht geschlagen,
drob müssen die Mütter uitb Bräute klagen;
da ward ich so rot.
2. „Sag' an, Gesell, und verkünde mir,
wie heißt das Land, wo ihr schlugt die Schlacht?"
Bei Leipzig trauert das Mordrevier,
das manches Auge voll Thränen macht;
da flogen die Kugeln wie Winterflocken,
und Tausenden mußte der Atem stocken
bei Leipzig, der Stadt.
3. „Wie heißen, die zogen ins Todesfeld
und ließen fliegende Banner aus?"
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Freytag Gustav Victoria
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Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
47
knixen und jedem die Hand küssen, sonst aber waltete eine gute,
kräftige Zucht und Sitte im Hause. Bei den Knaben legte der Vater
besonderes Gewicht auf die Abhärtung des Körpers; er pflegte wohl
zu sagen: Ein Junge, der einmal Stahl und Eisen anfassen müsse,
dürfe nicht in Baumwolle eingepackt werden. Manchen Ritt hat
Ernst Moritz in strömendem Regen oder dicht fallendem Schnee
gemacht, ohne Mantel und Überrock, wenn es galt, in der Nachbar-
schaft etwas zu bestellen. Ging der Vater mit dem alten Ohm zur
Jagd, so ward der Bube gewöhnlich aufs Pferd gesetzt und zu bei-
den Seiten waren Bänder an den Sattel gebunden, woran die Hasen
und die schnell abgestreiften Fuchsbälge ausgehängt wurden. So
mußte er dann vom Morgen bis Abend oft durch Sturm, Regen
und Schneegestöber den beiden noch rüstigen Männern folgen und
durfte nicht mucksen, wie er auch vor Kälte und Nässe innerlich
schaudern mochte. Und er that's gerne; gab's doch der Abenteuer
so viele dabei, daß er auch für sein jugendlich feuriges Herz immer
Ausbeute fand. Selbst noch jung und kräftig, fühlte der Vater für
die Knaben kein weichliches Mitleid. Arndt erzählt, wie er einmal
als Junge von 9 bis 10 Jahren in einem fremden Hanse auf dem
Stuhle eingeschlafen war. Es war Winter, und draußen starrte
alles von Eis und Schnee. Nachts um 12 Uhr wurde er vom Vater
aufgerüttelt, und schlaftrunken kroch er hinaus in den offenen Schlü-
ten. So oft sie durch Dörfer kamen, mußte er dann heransspriugeu,
um die Schlagbäume zu öffnen. Mehrere Male warf ihn der Vater
recht absichtlich hinaus in den liefen Schnee, daß er um und um
kegelte, als wär's auf der grünen Maiwiese. Wehe ihm, wenn er,
sich herauswühlend und hinter dem Schlitten herlaufend, eine weiner-
liche Gebärde gezeigt hätte! Das war eine seltsame Vaterliebe; aber
sie hat doch ihre guten Früchte getragen, und Arndt ist sein Leben
lang dafür dankbar gewesen.
Daß es bei der jugendlichen Schar nicht ohne die gewöhnlichen
mutwilligen Streiche und Heldenthaten lebhafter Kinder abging, läßt
sich denken. Zweimal ist Ernst Moritz in augenscheinlicher Lebens-
gefahr gewesen. Das erste Mal brach er auf einein Teiche durchs
Eis und war schon einmal versunken, als sein älterer Bruder ihn
erfaßte und herauszog; das andere Mal hatte er sich zur Erntezeit
auf ein Pferd des schwer beladenen Erntewagens geschwungen und
war bei einem Sprunge desselben herabgestürzt. Das Rad ging ihm
über den Kopf, so daß Haut und Haare abgestreift wurden. Weiter
jedoch erhielt er keine Verletzung. Wahrscheinlich hat das Rad un-
mittelbar vorher einen Sprung iiber einen Stein gemacht und war
also halb in der Luft leichthin über ihn weggegangen. Wie's aber
auch zu erklären sein mag, jedenfalls hat Gottes Hand schirmend
über dein Knaben gewaltet.
Im Jahre 1780 zog der Vater in die nordwestliche Ecke Rügens
zur Übernahme zweier Güter, Grabitz und Breesen. Jetzt kam auch
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Extrahierte Personennamen: Ernst_Moritz Ernst Arndt Ernst_Moritz Ernst Grabitz
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
75
Da fielen alle dreie
auf einen Schlag zugleich;
der eine rief mit Schreie:
„Hoch lebe Österreich!"
Der andre, sich entfärbend,
rief: „Preußen lebe hoch!"
Der dritte, ruhig sterbend,
was rief der dritte doch?
3. Er rief: „Deutschland soll leben!
Ta hörten es die zwei,
wie rechts und links daneben
sie sanken nah dabei.
Da richteten im Sinken
sich beide nach ihm hin,
zur Rechten und zur Linken,
und lehnten sich an ihn.
Da rief der in der Mitten
noch einmal: „Deutschland hoch!"
Und beide mit dem dritten
riefen's, und lauter noch.
4. Da ging ein Todesengel
im Kampfgewühl vorbei,
mit einem Palmenstengel,
und liegen sah die drei.
Er sah auf ihrem Munde
die Spur des Wortes noch,
wie sie im Todesbunde
gerufen: „Deutschland hoch!"
Da schlug er seine Flügel
um alle drei zugleich
und trug zum höchsten Hügel
sie auf in Gottes Reich.
Rückert.
44. Blücher am Rhein.
Die Heere blieben am Rheine steh'n.
Soll man hinein nach Frankreich geh'n?
Man dachte hin und wieder nach,
allein der alte Blücher sprach:
„Generalkarte her!
Nach Frankreich geh'n ist nicht so schwer.
Wo steht der Feind?" — „Der Feind?
Dahier!"
„Den Finger drauf, den schlagen wir!
Wo liegt Paris?" — „Paris? Dahier!"
„Den Finger drauf, das nehmen wir!
Nun schlagt die Brücken übern Rhein,
Ich denke, der Champagner-Weiil
wird, wo er wachst, am besten sein!
Vorwärts!"
Kopisch.
45. Blüchers Marsch nach Waterloo.
Napoleon entwickelte unaufhörlich neue Streitkräfte, sein Geschütz
wirkte verheerend, seine Truppen rückten entbrannt zu neuen Angriffen
vor: die Kräfte Wellingtons erschöpften sich. Es war hohe Zeit, daß
Blücher auf dem Kampsplatze erschien; doch zeigte sich von ihm noch
keine Spur, und die Lage der Dinge wurde jeden Augenblick be-
denklicher.
Blücher war seinem Versprechen gemäß am 18. Juni früh morgens
vor Wavre in zwei Heereszügen aufgebrochen; der eine, den Heeres-
teil von Zieten begreifend, zog rechts über Froman auf Ohain, dem
linken Flügel Wellingtons zu; der andere, aus den Heeresteilen von
Pirch und Bülow bestehend, ging links über Neuf-Cabarets und
St. Lambert dem rechten Flügel Napoleons in Seite und Rücken;
der dritte Heeresteil unter Thielmann sollte bei Wavre stehen bleiben
und nur, wenn dort kein Feind erschiene, den übrigen als Unter-
stützung nachrücken. Blücher hatte am 17. an den Folgen eines
Sturzes mit dem Pferde im Bette zubringen müssen, und am 18. in
der Frühe, als er unmittelbar aus dem Bette wieder aufs Pferd
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Extrahierte Personennamen: Blüchers Napoleon Blücher Flügel_Wellingtons Napoleons Thielmann Blücher
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Rhein Rheine Frankreich Frankreich Paris Rhein Waterloo Napoleons