126
Vi. Das Zeitalter Kaiser Wilhelms Ii.
eingeschritten, und die Glaubensboten können ihre segensreiche Tätigkeit zur Ausbreitung des Christentums frei entfalten. Dem religiösen Bedürfnisse wird durch den Bau vieler Kirchen, besonders in der Reichshauptstadt, Rechnung getragen.
Große Verdienste um den Bau der Kirchen, um die Pflege des religiösen Lebens, um die Anstalten zur Linderung menschlichen Elends erwirbt sich des Kaisers edle Gemahlin Auguste Viktoria. Glückliche Mutter von sechs hoffnungsvollen Söhnen und einer Prinzessin, steht sie dem Kaiser als treue Lebensgefährtin zur Seite. Geboren am 22. Oktober 1858 als Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, trat sie am 27. Februar 1881 mit dem damaligen Prinzen Wilhelm von Preußen an den Altar, um den Bund für das Leben zu schließen. Am 27. Februar 1906 feierte das Kaiserpaar die Silberne Hochzeit. An dem nämlichen Tage vermählte sich Prinz Eitel Friedrich mit der Prinzessin Charlotte von Oldenburg; im Jahre 1905 hatte sich Kronprinz Wilhelm mit der Prinzessin Cecilie von Mecklenburg-Schwerin vermählt. Im Juli 1906 wurde das Kaiserpaar durch die Geburt des ersten Enkels erfreut.
Wenn heute allenthalben in deutschen Landen Männerarbeitsstätten für Arbeits- und Obdachlose sowie für entlassene Gefangene, Fürsorge-anstalten und Walderholungsheime für Kranke und Sieche sich befinden, Frauenstationen zur Verwundeten- und Krankenpflege entstanden sind, so ist dies nicht am wenigsten der unermüdlichen Tätigkeit unsrer Kaiserin zu verdanken. Sie hat im vollsten Sinne des Wortes das Gelöbnis gehalten, das sie einst abgelegt: „Nach Kräften werde ich bemüht sein, der Arbeit des Glaubens und der Liebe, die in unserm Volke zur Linderung des äußern und innern Elends bereits geschieht, mich dienend und anregend anzuschließen, um meine Pflicht gegen Gott und die Menschen zu erfüllen."
Die Gesetzgebung zum Wohle der arbeitenden Klassen schreitet fort. Auf Veranlassung des Kaisers trat in Berlin die Internationale Arbeiterschutzkonferenz zusammen, an der Vertreter von Österreich, Italien, England und Frankreich teilnahmen. Auch in das Schulwesen hat der Kaiser neuordnend eingegriffen. Neben die Universitäten sind die Technischen Hochschulen mit gleichen Rechten getreten, die Städte Cöln und Frankfurt a. M. haben Handelshochschulen errichtet, die Akademie zu Münster wurde zur Universität erweitert, Danzig erhielt eine Technische Hochschule, Posen eine Akademie. Die Gymnasien wurden zeitgemäß umgestaltet; die drei Arten Höherer Lehranstalten: Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschulen, wurden als gleichwertig anerkannt und ihre Abiturienten ohne Unterschied zum Universität^ und technischen Hochschulstudium zugelassen. Das Höhere Mädchenschulwesen wurde 1908 neu geordnet. Der erfolgreiche Besuch der zehnklassigen Höhern Mädchenschule berechtigt zum Eintritt in das Höhere Lehrerinnenseminar
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Extrahierte Personennamen: Wilhelms Wilhelms Auguste_Viktoria Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg Wilhelm Friedrich Friedrich Charlotte_von_Oldenburg Wilhelm Cecilie
Extrahierte Ortsnamen: Mecklenburg-Schwerin Berlin Italien England Frankreich Frankfurt_a._M. Danzig Posen
5. Die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart.
127
mit vierjährigem Lehrgang: die daraus hervorgegangenen Lehrerinnen haben nach zweijähriger Unterrichtstätigkeit die Berechtigung zum Besuche der Universität und zur Ablegung der wissenschaftlichen Oberlehrerprüfung. Der Weiterführung der allgemeinen Frauenbildung dient das Lyzeum. Das Lyzeum soll neben wissenschaftlichen Fächern hanswirtfchaftliche sowie praktisch-pädagogische Belehrungen und Übungen bieten, um dem Bildungsbedürfnisse der Heranwachsenden Mädchen nach ihrer Wahl und Neigung entgegenzukommen und ihrem innern Leben einen würdigen Inhalt zu geben, der sie vor Verflachung und Veräußerlichung bewahrt, und um ihnen zugleich Mittel und Wege zu zeigen, wie sie als Frauen den Anforderungen unsrer Zeit entsprechen können. Das Lyzeum kann zugleich die Aufgaben eines Höhern Lehrerinnenseminars übernehmen. Als weitere Höhere Lehranstalt für Mädchen dient die Studien anst alt. Sie hat die Aufgabe, die Weiterbildung der Mädchen fo zu fördern, daß die Schülerinnen in einer Reifeprüfung eine Bildung nachweisen, die der durch die neunklassigen höhern Schulen für die männliche Jugend vermittelten gleichwertig ist, wenn auch mechanische Übereinstimmung nicht besteht. Die Studienanstalt kann als Gymnasium, als Realgymnasium und als Oberrealschule eingerichtet werden. Als Oberrealschule schließt sie an Klasse Iii, als Gymnasium und als Realgymnasium an Klasse Iv der Höhern Mädchenschule an. Die oberreale Abteilung hat fünfjährigen, die beiden andern sechsjährigen Lehrgang. x) Die Abitnrientinnen der Studienanstalt sind zum Universitätsstudium berechtigt. Die Volksschulseminare erhielten 1901 durch den Vorbau von Präparandenanstalten einen sechsjährigen Lehrgang und deren Abiturienten die Berechtigung zum Einjährig - Freiwilligen Militärdienst.
Landwirtschaft, Industrie und Handwerk, überhaupt jedes Gebiet menschlicher Tätigkeit erfreut sich der kaiserlichen Fürsorge. Die Landwirtschaft ist durch Schutzzölle gegen die Konkurrenz des Auslandes geschützt. Erzeugnisse der Landwirtschaft, die das Ausland billiger als das Inland in den Handel bringen kann, sind mit einer Eingangssteuer belegt. Wäre das nicht der Fall, so müßte der deutsche Landwirt ohne Gewinn verkaufen. Die Folge würde sein, daß er sich eine andre Tätigkeit suchte, was gleichbedeutend wäre mit dem Ruin der deutschen Landwirtschaft. Dann würde das Ausland seine Preise erhöhen und könnte im Kriegsfälle uns die notwendigsten Lebensmittel ganz abschneiden. Die gesunde ackerbautreibende Bevölkerung liefert die kräftigsten Soldaten. In keinem frühern Zeitabschnitte hat die Wissenschaft, namentlich die Naturwissenschaft, einen solchen Aufschwung genommen wie in unsrer Zeit. Die vollkommenere Kenntnis der Naturkräfte und Naturgesetze führte zu einer ausgedehnten Verwertung der Elektrizität, der Dampf- und Waffer-
*) Nach dem Ministerialerlaß vom 18. August 1908.
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108
V. Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I.
15. Kaiserin Augusta.
Am 7. Januar 1890 folgte die erste Kaiserin des neuen Deutschen Reiches im Alter von 79 Jahren ihrem Gemahl ins Grab. Eine der edelsten und hochsinnigsten Fürstinnen hat Deutschland durch diesen Tod verloren.
Die Heimgegangene Fürstin war eine Freundin der Blumen, der Tiere und der Menschen. In dieser Liebe offenbarte sie ihr edles, gutes Herz. Schon als Kind zeigte sie für Blumenzucht sowie für alle Schönheiten der Natur eine lebhafte Vorliebe. Am liebsten verweilte sie an den Orten ihrer thüringischen Heimat, wo sich dem Auge eine schöne Aussicht auf herrliche Landschaften bietet. Der Rosengarten zu Dornburg war einer ihrer liebsten Aufenthaltsorte. In dem Kaiserlichen Palais zu Berlin hat sie den Wintergarten angelegt „voller Palmen und Blumen". Das lebensgroße Bild ihres Gemahls, das in ihrem Arbeitszimmer an der Rückwand des Schreibtisches angebracht war, faßte kein schwerer Goldrahmen ein, sondern eine Efeustaude schlang darum ihre lebendigen Zweige. Die herrlichen Gartenanlagen, die das Schloß Babelsberg bei Potsdam umgeben, sind unter ihrer kundigen Anleitung geschaffen worden. Die schönen Rheinanlagen bei Koblenz verdanken der für Naturschönheiten begeisterten Kaiserin ihre Entstehung.
Die nämliche Vorliebe, die sie für die Schönheiten der Pflanzenwelt zeigte, bekundete sie auch für die Tierwelt. Wenn sie in ihren Kinderjahren in den Geflügelhof kam, der in der Nähe des väterlichen Schlosses lag, war sie stets von einem dichten Schwarm von Hühnern und Tauben umgeben, die so zutraulich waren, daß sie das Futter aus ihrer Hand nahmen.
Mit ungleich größerer Liebe umfaßte sie die Menschen. Keinen Stand schloß sie von dieser Liebe aus. Künstler und Gelehrte scharte sie an ihrem Hose um sich und hörte gern von ihnen, was ihr unbekannt war. Nicht geringere Sorgfalt wandte sie dem Handwerkerstande zu. Der Gesellenvater Kolping war häufig ihr Gast in Koblenz und empfing zur Förderung seines edeln Werkes reichliche Spenden. Ebendaselbst errichtete sie die Handwerkerstiftung zur Unterstützung braver Handwerkerfamilien.
Allen, die der Hilfe bedürftig waren, widmete sie ihre landesmütterliche Liebe und Sorgfalt. Auf ihren Reisen besuchte sie vorzugsweise die Kranken- und Waisenhäuser, sprach den Hilfsbedürftigen liebreich Trost zu und ließ reiche Geschenke zurück. Eine Menge wohltätiger Anstalten und Einrichtungen hat sie entweder selbst ins Leben gerufen oder mit königlicher Freigebigkeit und mit sachverständigem Rate gefördert. Am meisten erfreuten sich ihrer hohen Fürsorge die Anstalten christlicher
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Extrahierte Personennamen: Wilhelms_I. Augusta Kolping
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Dornburg Berlin Babelsberg Potsdam Koblenz Geflügelhof Koblenz
116.
Staatliches Leben in Deutschland 18151840.
35
von Waren und Personen herzustellen.^) Die erste deutsche Eisen-bahn wurde 1885 von Nrnberg nach Frth gebaut (Bild 26), die 1835. erste preuische 1838 von Berlin nach Potsdam. ^) 1838.
c) Viele Techniker machten Versuche, die Dampfkraft zum Antrieb von Schiffen zu verwenden, und 1807 gelang dem Amerikaner Fulton 1807. die erste grere Dampfschiffahrt. Seit 1818 fuhren Dampfschiffe auf dem Rhein und der Elbe.
5. Der Telegraph. Zur schnellen Befrderung von Nachrichten auf groe Entfernungen kam in Frankreich zur Zeit der Revolution der optische Telegraph auf. Trotz seiner erheblichen Mngel fand er auch in Deutschland Eingang. Sein Nachfolger war der heute der die ganze Erde verbreitete elektromagnetische Telegraph, der zuerst 1833 von Gau 1833. und Weber in Gttingen ausgefhrt wurde. Der Amerikaner Morse erfand den Schreibapparat dazu.
Wo werden heute hnliche Vorrichtungen wie der optische Telegraph zur Zeichen-gebung gebraucht? Welche Bedeutung hat der Telegraph fr den Handel, fr die Eisenbahnen, fr die Schiffahrt, fr die Witterungskunde, fr die Zeitungen, im Gerichtswesen, im Kriege, bei Unglcksfllen?
116. Staatliches Leben in Deutschland von 1815 bis zum Tode Friedrich Wilhelms Iii.
1. Die Berfasstmgsfrage in den Einzelstaaten. Durch die Ereignisse der letzten Zeit war das Bedrfnis des Volkes lebendig geworden, durch Teilnahme an der Gesetzgebung an den Schicksalen des Vaterlandes mitzuwirken. Doch besa nur ein geringer Teil des Volkes die dazu ntige politische Bildung. Die Forderung der Bundesverfassung, da in den Einzelstaaten landesstndische Vertretungen eingefhrt werden sollten,
wurde zuerst von dem Groherzog Karl August von Weimar, t>em Freunde Goethes, erfllt. Andere Mittel- und Kleinstaaten folgten dem Beispiel, Wrttemberg nach erbitterten Kmpfen, an denen sich Uhland als Vorkmpfer fr Freiheit und Volksrecht lebhaft beteiligte. In sterreich war der allgewaltige Metternich magebend, der nur Herr-schen wollte, und Kaiser Franz folgte seinem Rate, es halt beim alten zu lassen". In Preußen erschien es wegen der neuen Provinzen, die fr den Staat noch kein rechtes Interesse haben konnten, nicht geraten,
eine Gesamtvertretung einzufhren, und so blieb es auch hier vorlustg beim alten. Doch fhrte der König, um das Volk allmhlich fr seine staatliche Aufgabe zu erziehen, 1823 Provinzialstnde ein. 1823.
2. Die Unterdrckung der Einheits- und Freiheitsbestrebnngen. Durch die Grotaten der Nation auf den Schlachtfeldern sowohl wie auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst war das National-gefhl mchtig gestrkt worden, und so verband sich mit dem Verlangen nach greren Rechten der Wunsch einer besseren Einigung der deutschen
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Extrahierte Personennamen: Frth Weber Morse Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms Karl_August_von_Weimar Karl August Goethes Franz Franz
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Nrnberg Berlin Potsdam Rhein Frankreich Deutschland Gttingen Deutschland Wrttemberg
130. Geistiges und wirtschaftliches Leben in den letzten Jahrzehnten._71
Ebenso offenbarte sich der neubelebte nationale Geist in den groen Werken der Bildhauerei und der Baukunst. Zum Andenken an die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches erhob sich zur Zeit Wilhelms I. das Nationaldenkmal auf dem Niederwald und zum Andenken an die lteste Befreiung Deutschlands das Hermannsdenkmal auf der Groten-brg bei Detmold. Seiner Mutter, der Knigin Luise, setzte der Kaiser 1880 im Tiergarten bei Berlin ein Marmordenkmal, und in dem-selben Jahre fgte er dem Clner Dome den Schlustein ein. Zur Aufnahme von Meisterwerken der neueren deutschen Kunst wurde die Berliner Nationalgalerie errichtet.
Ganz besonderes Interesse zeigt Kaiser Wilhelm Ii. fr die Werke der bildenden Kunst. Manche verdanken ihm Anregung und Frderung, einige sogar verstndnisvolle Mitwirkung. Es entstanden n. a. die Kaiser-Wilhelm-Gedchtniskirche, das Reichstagsgebude mit dem Bismarck-Denkmal, das Nationaldenkmal Wilhelms I. und die Standbilder der Siegesallee (die brandenburgisch-preuischen Fürsten und ihre hervorragendsten Zeitgenossen) in Berlin.
Zu den bedeutendsten Werken der Malerei gehren die Bildnisse Lenbachs, die geschichtlichen Bilder A. v. Werners, die religisen Fr. v. Uhdes und die phantastischen A. Bcklins.
Die Baukunst sah sich vor neue, groe Aufgaben gestellt (Bahn-Hfe, Ausstellungsgebude, Museen, Theater, Rathuser, Parlaments-gebude u. a.), die fehr verschiedene Formen erheischten. Auch ein neues Material kam zur Verwendung, das die Form beeinflute: das Eisen. Deshalb hat sich noch kein neuer Stil herausbilden knnen. Im Kirchen-bau berwiegt die Gotik, im Profanbau die Renaissance. (Vgl. Bild 6 und 7.)
Die Werke der bildenden Knstler, deren Zahl fast unbersehbar ist, werden Gemeingut des Volkes durch Museen und Ausstellungen, durch Holzschnitte und Photographien, wie die Werke der Tonkunst durch Konzerte und Hausmusik.
Das Kunstgewerbe war in der ersten Hlfte des Jahrhunderts in Verfall geraten, und die Maschinenarbeit, die nur Dutzendware liefert, war nicht dazu angetan, es zu heben. Nur die Franzosen bewahrten die Eleganz der Form. Dann machten die Englnder erfolgreiche An-strengungen auf diesem Gebiet, und in den siebziger Jahren folgten die Deutschen ihnen nach. In Berlin, Wien und vielen anderen Stdten wurden Gewerbeschulen und Gewerbemuseen gegrndet, und das Studium alter Muster weckte den Formen- und Farbensinn (vgl. 126,6).
2. Wissenschaft und Volksbildung. Mit berechtigtem Stolze sieht die Wissenschaft auf die Fortschritte der letzten Jahrzehnte. Sie gibt Aufschlu der die sagenumhllte Urzeit des Menschengeschlechts und der die langen Perioden der Erdgeschichte. Afrika ist nicht mehr der dunkle" Erdteil, Tibet nicht mehr unerforschtes Gebiet, und auch die
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Extrahierte Personennamen: Wilhelms_I. Wilhelms_I. Luise Wilhelm Wilhelms_I. Lenbachs Werners
Extrahierte Ortsnamen: Niederwald Deutschlands Detmold Berlin Schlustein Berlin Berlin Wien Afrika Tibet
74
Iii. Die Zeit des Deutschen Reiches.
181.
unternahm, ging das stolze Fahrzeug, das bei Echterdingen in der Nhe von Stuttgart gelandet war, bei einem pltzlich ausbrechenden orkan-artigen Gewittersturm in Flammen auf. Das deutsche Volk aber brachte eine reiche Zeppelin-Spende" zusammen, die dem Grafen groartige Anlagen zum Bau von Luftschiffen ermglichte. Mit ihm wetteifern in der Konstruktion lenkbarer Luftschiffe am erfolgreichsten die deutschen Majore Gro und Parseval.
131. Das Leben der Frauen im neunzehnten Jahrhundert.
Als die Eigenproduktion blhte ( 115, 1) und noch keine Maschine der Nherin die Arbeit erleichterte, gab es fr die Hausfrau und die Tchter viel mehr in der Haushaltung zu tun als jetzt, und nur selteu konnten sie aus dem engen Kreise, an den ihre Ttigkeit gebunden war, einen tieferen Blick in das Getriebe der Welt tun. Die Umgestaltung des wirtschaftlichen Volkslebens aber rief auch im Leben der Frauen einen Umschwung hervor. Die Maschinen haben die Arbeit nicht ver-ringert, sie haben ihr nur eine andere Richtung gegeben, auch der Arbeit der Frauen. Die im Hause unntig gewordenen Arbeitskrfte muten sich ein anderes Feld suchen, teils aus eigenem Ttigkeitsdrang, teils weil die gesteigerten Lebensbedrfnisse viele Unverheiratete veranlaten, einen Erwerbsberuf zu ergreifen. So entstand um 1850 die Frauenfrage". Die Frauenbewegung" ging in ihren gesunden Richtungen darauf aus, dem weiblichen Geschlecht eine sorgfltigere Ausbildung und einen greren Wirkungskreis im Erwerbsleben zu verschaffen. Viele auf Erwerb angewiesene junge Mdchen finden seit dieser Zeit als Fabrik-arbeiterinnen ihr Auskommen; einem Mibrauch ihrer Kraft wehrte die soziale Gesetzgebung. Andere sehen wir in der Landwirtschaft, im Handels-gewerbe und in anderen Berufsarten ihr Brot verdienen.
Rasch wuchs die Zahl und Bedeutung der hheren Schulen fr das weibliche Geschlecht, der Fachschulen (Seminare, Handelsschulen, Gewerbeschulen u. a.) und derer, die eine erweiterte allgemeine Bildung erstrebten. Aus diesen ist die heutige Hhere Mdchenschule hervor-gegangen. Seitdem den Frauen das Universittsstudium offensteht, sind sie auch in gelehrten Berufen ttig. Gro ist die Zahl der Dichte-rinnen und Schriftstellerinnen, und manche von ihnen sind weltbekannt.
Die Vereinsttigkeit der Frauen hat bestndig zugenommen. Fort-bdungs- und Erwerbsvereine wurden gebildet; der erste war der aus den sechziger Jahren stammende Berliner Lette-Verein ( 126, 6,b). Noch viele andere Frauenvereine mit verschiedenen Zielen sind in fast allen Kultur-ftaaten entstanden. Stark vertreten sind die Arbeiterinnenvereine. Schon vor der staatlichen Einigung Deutschlands bildete sich der Allgemeine deutsche Frauenverein und in den neunziger Jahren der Bund deutscher Frauen-vereine, der dem Internationalen Bund der Frauenvereine angehrt.
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6. Moderne Renaissance. Auf die Herrschaft des Empire folgt eine Zeit des Schwankens. Die verschiedensten lteren Baustile wurden nach-geahmt. Am meisten ging man in stdtischen Bauten auf die Renaissance des l. Jahrhunderts zurck, ohne da sich aus dieser zweiten Renaissance ein einheitlicher, allgemein gltiger Stil gebildet htte.
I
j
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7. Eisenbau. Einzelne grere Bauteile aus Eisen, wie Sulen und Trger, kommen schon um 1700 vor. Als Hauptmaterial aber wurde das Eisen erst in der zweiten Hlfte des 19. Jahrhunderts zu Gebuden benutzt, besonders zu solchen, in denen weite Rume erforderlich sind. Es bertrifft Holz und Stein an Festigkeit und kann leichter in beliebige Formen gebracht werden.
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Ot
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32
n. Die Zeit der nationalen Staatenbildung.
8 N4.
Rettungsanstalt fr verwahrloste Kinder; es wurde der Mittelpunkt der ebenfalls von ihm begrndeten Inneren Mission. In Kaiserswerth am Rhein entstand das erste Diakonissenhaus. (Den Diakonissinnen entsprechen auf katholischer Seite die Barmherzigen Schwestern.)
3. Die bildende Kunst. Die Strmungen, die im ffentlichen Leben und in der Literatur wirksam waren, sinden wir auch in der bildenden Kunst. Die Baukunst wurde beherrscht durch die Vorliebe fr das klassische Altertum (Klassizismus), die ins 18. Jahrhundert zurckgeht. (Brandenburger Tor in Berlin um 1790, Schauspielhaus und Altes Museum um 1820.)
In der Baukunst und der Zimmerausstattung wurde die Abwendung vom Rokoko, die Rckkehr zu einfachen, geraden Linien, die in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts vor sich ging, als Zopfstil bezeichnet (Bild 4 und 8).^ Der darauffolgende , von der Antike beeinflute, von Napoleon I. begnstigte Stil wird be-sonders in der Zimmerausstattung Empirestil genannt (Bild 5 und 9).
Auch die Malerei lie sich durch das griechisch-rmische Altertum stark beeinflussen, bis deutsche Maler in Rom, deren bedeutendster Cor-nelius war, die deutsch-christlich-romanische Richtung begrndeten.
Die in Verfall geratene Freskomalerei wurde durch Cornelius und seine Genossen zu neuem Leben erweckt, als sie den Auftrag erhal-ten hatten, einen Saal in der Villa des preuischen Gesandten in Rom mit Fresken zu schmcken.
In der Bildhauerei war neben dem Dnen Thorwaldsen der Deutsche Rauch der hervorragendste Meister. Von ihm sind das Grabdenkmal der Knigin Luise im Charlottenburger Mausoleum, das seinen Ruhm begrndete, die Standbilder von Blow, Scharnhorst, Blcher, Aorck und Gneisenau und das Reiterdenkmal Friedrichs des Groen in Berlin.
Um das Jahr 1820 machte der fr alles Schne und Hohe begeisterte König Ludwig I. von Bayern Mnchen zu einem Hauptsitz deutscher Kunst. Unter den Prachtbauten, die er in verschiedenen Stilen auf-fhren lie, seien erwhnt: die Ludwigskirche, die Ruhmeshalle mit der ehernen Bavaria, die Propylen, die Glyptothek, (Statuensammlung) und die alte Pinakothek (Gemldesammlung) in Mnchen; die Walhalla bei Regensburg, die Bsten deutscher Männer und Frauen enthlt; die Befreiungshalle bei Kelheim.
Fr die deutschen Metler hrte Rom auf, der Mittelpunkt zu fein, als Cornelius nach Mnchen berufen wurde, um einige der dortigen neuen Bauwerke mit Fresken zu schmcken. Sein bedeutendstes Werk ist das Jngste Gericht an der Altarwand der Ludwigskirche.
4. Die Wissenschaften, von anspruchslosen, ideal gesinnten Gelehrten gepflegt, hatten unter der Ungunst der ueren Verhltnisse am wenig-sten zu leiden. Unter dem Einflu der Romantik, die das Mittelalter ohne Rcksicht auf geschichtliche Wahrheit verklrte, entstand eine neue Wissenschaft, die deutsche Sprach- und Altertumsforschung. Ihr
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Extrahierte Personennamen: Napoleon_I. Cornelius Blow Friedrichs Ludwig_I._von_Bayern_Mnchen Ludwig_I. Cornelius
Extrahierte Ortsnamen: Kaiserswerth_am_Rhein Berlin Rom Rom Charlottenburger_Mausoleum Berlin Regensburg Kelheim Rom
122.
Auerdeutsche Ereignisse zur Zeit Napoleons Iii.
47
auch auf Papier festzuhalten; man lernte, metallische berzge auf galvanoplastischem Wege zu machen; man zndete seine llampe oder sein Talglicht nicht mehr mit einem umstndlichen Feuerzeug an, sondern mit einem Phosphorstreichhlzchen, und um 1850 kamen in Frankfurt a. M. die schwedischen" Zndhlzer auf (so genannt, weil sie anfangs Haupt-schlich von Schweden aus in den Handel gebracht wurden); der Schreiber nahm statt des bisherigen Gnsekiels die Stahlfeder" zur Hand und konnte die von Gabelsberger in Mnchen erfundene Stenographie er-lernen; die mhsamste Arbeit der Hausfrau wurde nach 1850 durch die von dem Amerikaner Howe erfundene Nhmaschine erleichtert.
5. Die Industrie. Dem Dampf und der Steinkohle, dem Zollverein und den Naturwissenschaften ist es zu danken, da zur Zeit Friedrich Wilhelms Iv. die Industrie einen erfreulichen Aufschwung nahm, be-sonders die Eisen- und die Textilindustrie. Die groen industriellen An-lagen in der Rheinprovinz und Westfalen, in Sachsen und Schlesien stammen zum weitaus grten Teil aus dieser Zeit.
Das Aufblhen der Groindustrie trug dazu bei, da sich die Bevlkerung der groen Städte nach und nach vernderte. Das Klein-brgertum der guten alten Zeit" (115, 1) nahm ab, und Arbeitermassen fllten zu bestimmten Tageszeiten die Straen.
6. Die Landwirtschaft. Obgleich die stdtische Bevlkerung nicht viel schneller wuchs als die lndliche, nahm doch der Prozentsatz derer, die von der Landwirtschaft lebten, bedeutend ab, weil sich das Gewerbe, namentlich das Kleingewerbe, auch auf dem Lande ausbreitete.
Durch die Vermehrung der Volkszahl und die Konkurrenz des Aus-landes sahen sich die Landwirte veranlat, den alten Schlendrian auf-zugeben, um hhere Ertrge zu erzielen. Sie schickten ihre Shne in landwirtschaftliche Schulen, sie bemhten sich, nach den Lehren Liebigs den Boden besser auszunutzen, und erkannten das Unvorteilhafte der noch vielfach blichen uralten Dreifelderwirtschaft".
122. Auerdeutsche Ereignisse zur Zeit Napoleons Iii.,
18521870.
1. Napoleons Vermhlung. Der Emporkmmling heiratete nicht in ein Frstengeschlecht hinein wie Napoleon I., sondern vermhlte sich mit der spanischen Donna Engenie von Montijo. Die junge, schne Kaiserin wurde die Herrscherin der Mode und des Luxus und hatte auch auf die Politik ihres Gemahls greren Einflu, als Uneingeweihte ahnten.
2. Seine Regierung. Napoleon regierte, obgleich ihm Senat und Gesetzgebender Krper zur Seite standen, fast u* umschrnkt wie sein Oheim und erstickte die unzufriedenen Stimmen durch eine wachsame Polizei. Doch sorgte er auch mit groem Erfolge fr das materielle Wohl
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62
Iii. Die Zeit des Deutschen Reiches.
127.
zu schneller Hilfe bereit ist. Als Kaiserin veranlate Augusta durch Preise, die sie aussetzte, die Vertreter der Heilkunde, sich ganz besonders den im Felde an sie herantretenden Aufgaben zuzuwenden. Unermdlich blieb sie in Werken der Barmherzigkeit, im Groen wie im Kleinen. Durch Wohlttigkeits- und Bildungsanstalten, die ihren Namen tragen, wird das Andenken der ersten Deutschen Kaiserin, einer Diakonissin im Purpur", erhalten.
b) Kronprinzessin Viktoria (gest. 1901) wetteiferte mit ihrer Schwiegermutter in der Frsorge fr die Verwundeten und Kranken. Daneben zeigte sie fr die Frderung der Bildung und Gesittung, namentlich fr die Ausbildung auf Erwerb angewiesener Mdchen und Frauen, ein warmes Interesse; Gelegenheit zu gewerblicher Ausbildung und Beschftigung bot der unter ihrem Schutze stehende Letteverein. Viel verdankt ihr das lange Zeit vernachlssigte deutsche Kunstgewerbe. Sie veranstaltete Sammlungen von Abbildungen und Ausstellungen frherer Erzeugnisse, und unter ihrer und ihres gleichgesinnten Gemahls Oberaufsicht wuchs das Berliner Kunstgewerbemuseum heran.
127. Deutschlands Stellung zum Ausland und auerdeutsche Ereignisse zur Zeit Wilhelms 1. Das Trauerjahr 1888.
1. Die Zeit des Dreikaiserbundes". Das Deutsche Reich verwandte seinen Einflu zur Erhaltung des Friedens unter deu Gromchte. Be-droht war der Friede durch die Republik Frankreich. Das reiche Land berwand schnell die Schden, die der Krieg gebracht, und arbeitete mit aller Anstrengung an der Ausbildung seiner Wehrkraft, um mglichst bald einen Rachekrieg gegen Deutschland zu führen und Elfa-Lothringen zurckzuerobern. Als Bundesgenossen hoffte man Rußland zu gewinnen. Hier herrschten noch recht unerfreuliche Zustnde. Zwar hatte Alexander Ii. die Leibeigenschaft der Bauern aufgehoben, aber ihre wirtschaftliche Lage hatte sich dadurch nicht wesentlich gebessert. Die unumschrnkte Re-gierungssorm, die Bestechlichkeit und die Betrgereien der Beamten, die Willkr der Polizei und der Gerichte und die vielen Steuern erregten groe Unzufriedenheit, und trotz aller Mhe und Sorgfalt der Polizei verbreiteten sich die Nihilisten (Anarchisten) der das ganze Land. Deutsch-feindlich waren die Panslawisten, deren Ziel die Vereinigung aller slawischen Völker unter russischer Herrschaft war. Doch blieb der Zar Alexander Ii. der berlieferung seiner Vorfahren treu; das freundschaftliche Verhlt-nis, das zur Zeit der Heiligen Allianz zwischen Preußen, sterreich und Rußland bestanden hatte, wurde erneuert und fand in mehrfachen Zu-)ammenfnften der Kaiser (Dreikaiserbund") seinen Ausdruck. Die deutsch-feindliche Partei in Rußland aber erhielt neue Nahrung durch den Russisch-Trkische Krieg.
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Extrahierte Personennamen: Viktoria Wilhelms Alexander_Ii Alexander Alexander_Ii Alexander
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Frankreich Deutschland