4 Germanien und die Germanen.
Waffen: Speer, Schild und Schwert, die schönste Zierbe des Weibes Wohnweife. war ihr langes, golbgelbes Haar. Aus Lehmerde und Holz bauten sie ihre mit Stroh gebeckten und bunt bemalten Häuser, die sie gern inmitten des Grundbesitzes errichteten.1) Städte kannten sie nicht, und selbst ihre Dörfer ^) legten sie so weitschichtig an, daß Geistige niemand sich vom Nachbarn belästigt fühlte. Sie waren gastfreund-Ergenschasten. lich^ treu, von kriegerischem Mute, ausgeprägtem Rechtsgefühl und menschlich milder Sinnesart gegen Schwache und Untergebene. Sie neigten aber auch zu Würfelspiel und gaben sich gern, „auf der Bärenhaut liegend", dem Trunke hin. Im trunkenen Zustande fingen sie dann oft Streit an. Im ganzen jedoch zeigten sie sich als ein einfaches, unverdorbenes Naturvolk, bei welchem „gute Sitten mehr vermochten als anderswo gute Gesetze."
Stellung Ihre Sittenreinheit muß ganz besonders in ihrem Verhältnis
der Frauen zum weiblichen Geschlechte hervorgehoben werden. Kein Volk kam
Er-iehunq derben alten Deutschen in der Verehrung der Frauen gleich. Daher Kinder. 9°^ es auch keine Vielweiberei. „Sie sind fast die einzigen Barbaren," -jagt ein römischer Schriftsteller, „welche sich mit je einer Häusliches Frau begnügen." Die Frau führte im Hause die unumschränkte ^ und Oberherrschaft; sie gebot den Knechten und Mägden, sie pflegte und leben!'11 = er3°S die Kinder, sie besorgte die Arbeiten in Haus und Feld. In ihrer Gegenwart setzte sich niemand; alles schwieg, wenn sie das Wort ergriff. Man sah in der Frau etwas Höheres, Heiliges, und fast göttlich verehrte man biejentgen Frauen und Jungfrauen, beuen die Sehergabe verliehen war. „Weise Frauen" ober Alruuen3) hießen die berühmten Wahrsagerinnen, beren Rat namentlich in Kriegszeiten gesucht würde. Eine der bekanntesten war Veleba, die durch ihre Siegesweissagungen die niederrheinischen Stämme zur Tapferkeit und Einigkeit in ihrem Freiheitskampfe gegen die Römer (um das Jahr 70 n. Chr.) anfeuerte.
Die Ehe würde ganz befonbers heilig gehalten; äußerst selten würde sie gebrochen. Der Ehebruch würde aufs härteste bestraft.
L-cheibung kam nicht vor; bis in bert Tod hielt das Weib die Treue, die es gelobt. Bei manchen Stämmen bürste eine Witwe nicht wieber heiraten. „Wie es nur ein Leben gebe, so müsse es auch nur eine Ehe geben." Ehen bürsten nur zwischen Angehörigen des gleichen Staubes eingegangen werben. So bestaub bei den
Sachsen noch bis zum 9. Jahrhundert das Verbot der Eheschließung
*) Sieh: Lehmanns kulturgeschichtliche Bilder, Germanisches Gehöft.
2) Wiener Bilderbogen für Schule und Haus. Nr. 10. „Germanisches Dorf."
3) Rnna — Geheimnis; daher Alrune oder Alraune — Allwissende. Nach Einführung des Christentums wurden derartige Seherinnen später oft als „Hexen" verfolgt und verbrannt.
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TM Hauptwörter (100): [T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken]]
TM Hauptwörter (200): [T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T56: [Römer Rhein Varus deutsche Armin Jahr Hermann Land Deutschland Tiberius], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
70
Bayern unter Welf Ii.
Habe der römischen Kirche geschenkt und sich standhaft weigere,
ihr Vermächtniß zurückzunehmen, da lösten die enttäuschten Welfen
ihre Bündnisse: der jüngere Welf trennte sich von seiner Ge-
mahlin Mathilde, der ältere Welf sagte sich vom Papste
los und gingen beide zum Könige Heinrich Iv über, der sich zu
dieser Zeit eben in Padua aufhielt. Bereitwilligst gab dieser
dem Vater Welf das Herzogthum Bayern zurück (1096—1101),
vermuthlich als erbliches Herzogthum.
Der zu Anfang des Jahres 1097 erfolgte Tod des Mark-
grafen Azzo Ii von Este lenkte bcn Blick Welfs I nach Ita-
lien , wo seine Stiefbrüder Hugo und Fulko dem väterlichen
Testamente zufolge von der ganzen Verlasscnschast des Vaters
Besitz ergriffen. Welf stieß das Testament un: und verlangte
den gesetzmäßige:: Erbtheil. Da die beiden Stiefbrüder diesen
verweigerten, zog Welf mit einer in Bayern und Kärnthen
aufgebrachten Streitmacht nach Italien, brachte dem Heere seiner
Stiefbrüder empfindliche Nachtheile bei und gewann den größer::
Theil der väterlichen Güter (1098) für sich.
Im Jahre 1100 schloß sich Welf I dem unglücklichen
Krenzzuge Wilhelms von Aquitanien nach dem hl. Lande
an, starb aber im nächsten Jahre auf der Rückkehr von diesem
Zuge zu Paphos auf der Insel Cypern (13. Nov. 1101). Er
hinterließ zwei Söhne, Welf und Heinrich, von denen ihm
jener in Bayern, dieser in den schwäbischen Grafschaften
nach folgte.
§ 45. Welf Ii (1101 — 1120), ein wegen seiner Leut-
seligkeit und Liebe zu den Künsten des Friedens allgemein ver-
ehrter Fürst, entschied sich bei dem Zwiste, der (1104) zwischen
dem Kaiser Heinrich Iv und seinem zweitgebornen Sohne,
Heinrich, ausbrach, zu Gunsten des letzter:: und stellte diesem,
als es zwischen Vater und Sohn zum Krieg kam, seine ganze
Streitmacht zur Verfügung. Der Kaiser fiel in die Hände seines
Sohnes, der ihn auf einer Versammlung zu Ingelheim unter
Androhung des Todes zur Abtretung der Regierung zwang, an-
geblich, um den Zwiespalt zwischen Staat und Kirche zu beendi-
gen. Der Kaiser entfloh nach Lüttich und fand Unterstützung
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Welf_Ii Welf Mathilde Welf Heinrich_Iv Heinrich Welf Hugo Fulko Welf Welf Welf_I Wilhelms_von_Aquitanien Wilhelms Welf Heinrich Heinrich Welf_Ii Heinrich_Iv Heinrich Heinrich Heinrich
Ober- u. Niederbayern unter Ludwig dem Bayern. 151
mit aller: Stimmen zum deutschen Könige *). Statt nun nach
altem Herkommen seinen Gegner auf den: Wahlplatze mit be-
waffneter Macht zu erwarten, führte Karl seine Truppen dem
Könige Philipp Vi von Frankreich zu und erlitt an dessen
Seite durch die Streitmacht des Königs Eduard Iii von Eng-
land bei Crecy in der Picardie (27. August 1346) eine grauen-
volle Niederlage. Sein Vater Johann, der sich an der Seite
zweier Ritter in die Schlacht gewagt, fand den Tod, er selbst
erhielt drei Wunden und rettete sich nur durch eilige Flucht.
Auf den Ruf Ludwigs Iv traten jetzt (11. September 13-16)
die Stände des deutschen Reiches, darunter die Deputirten aller
Reichsstädte, zu Speyer zusammen und-erklärten die Wahl
Karls als eine erschlichene für ungiltig, worauf dieser sich an-
fänglich zu seinem Großoheim Balduin nach Trier, und dann,
als er sich dort nicht mehr für sicher hielt, nach Böhmen
zurückzog. Ludwig ward über den Rüstungen, die er zur voll-
ständigen Demüthigung des Gegeilkönigs unternahm, von: Tode
ereilt. Am 11. Oktober 1347 überfielen ihn Schmerzen der
Eingeweide. Um sie zu lindern, ritt er auf die Bärenjagd. Da
traf ihn unweit Fürstenfeld ein Schlagfluß, der seinem Leben
nach wenigen Minuten ein Ziel setzte. Der Anger, wo er in
den Armen eines Bauern starb, heißt seit dieser Zeit die Kaiser-
wiese. Seine Leiche wurde anfänglich in der Klosterkirche zu
Fürstenfeld beigesetzt, dann aber durch die Bürger von
München nach ihrer Stadt geführt. Als sich die Augustiner-
Mönche weigerten, den Leichnam in ihre Gruft aufzunehmen,
ward er in der (damaligen) Frauenkirche**) an der Seite
*) Bei diesem Feste des Meineids siel die große Reichsfahne in den
Rhein und wurde nicht mehr aufgefunden.
**) Diese wurde im fünfzehnten Jahrhunderte niedergerissen und der
hiedurch gewonnene Platz beim Aufbau der jetzt stehenden Frauenkirche (er-
baut von 1468—1488) benutzt. Vermuthlich ließ mau beim Abbruche der
alten Frauenkirche die vorhandene Gruft unverändert stehen und behielt sie
als solche für die neue Kirche bei, woraus sich erklärt, daß sie nach Stil und
Umfang (sie hat beiläufig nur sechs Schritte in der Breite, acht bis zehn in
der Länge und zehn Schuh in der Höhe) mit dem sonstigen Bau nicht har-
monirt. Vgl. Lipowsky's Urgeschichten von München Ii. Theil S. 147—172.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_dem_Bayern Ludwig Karl Karl Philipp_Vi_von_Frankreich Philipp Eduard_Iii_von_Eng- Eduard Crecy August Johann Johann Ludwigs Karls Balduin Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Niederbayern Speyer Karls Trier Rhein
236
Bayern unter Maximilian I.
Fürstenthümern versorgt waren, für deren Erhaltung großes
Interesse tragen mußte. Die ersten Eröffnungen ließ er den
Gesandten der geistlichen Kurfürsten und anderer katholischer Stände
auf dem Ncichstage zu Regens bürg vom Jahre 1608 machen.
Bald darauf schickte er einen eigenen Abgeordneten an die Höfe
von Mainz, Köln und Trier, um die Sache zu betreiben.
Den Wünschen des Kurfürsten von Mainz nachgebend, welcher
nicht gerne den Anfang machen wollte, bestrebte sich Maximilian
vor Allem, die oberländischen Stände zu einer näheren Vereinigung
zu bewegen, und nach vielfachen Bemühungen wurde am Io. Juli
1609 in München der erste Bundcsvertrag von den Bevollmäch-
tigten des Herzogs von Bayern, des Erzherzogs Leopold
als Bischofs von Straßburg und Passau, dann der Bischöfe
von Würzburg, Konstanz, Augsburg und Regensburg,
des Propstes von El lw an gen und des Abtes von Kempten
unterzeichnet. Als Zweck des Bündnisses erklärte man die Erhal-
tung des katholischen Glaubens, die Abwendung besorgter Gefahren,
die Handhabung des Religionsfriedenö und anderer Reichsgesetze.
Die Verbündeten sollten einander gegen jeden Angriff vertheidigen;
zugleich wurde ein Geldvorrath gebildet und Herzog Maximilian
zum Bund es-Obersten ernannt.
Nachdem dieß geschehen, ward den drei geistlichen Kurfürsten
Nachricht ertheilt mit der Einladung, dem neuen Vereine beizu-
treten. Maximilians Vater, der alte Herzog Wilhelm, machte eine
Reise an den Rhein, angeblich um eine Brunnenkur zu gebrauchen,
in Wirklichkeit aber, um den Eifer der drei geistlichen Kurfürsten
zu beleben. Zu Mainz, wo sie sich am 23. August 1609 ver-
sammelten, erschien auch ein bayerischer Gesandter, der Jäger-
meister Lorenz von Wensin, um jede Bedenklichkeit zu besiegen,
welche die geistlichen Herren von dem Eintritte in den katholischen
Bund abhalten konnte. Die Vorstellungen, welche dieser machte,
fanden um so eher Eingang, als die gewaltthätige Behandlung,
welche sich kurz vorher der Kurfürst von der Pfalz gegen das
Hochstift Speyer erlaubt hatte, den geistlichen Fürsten die Ge-
fahr zeigte, welcher sie sich aussetzten, wenn sie ferner abgesondert
und wehrlos blieben. Am 30. August Unterzeichneten sodann die
Kurfürsten von Mainz, Köln und Trier die Urkunde ihres
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Extrahierte Personennamen: Maximilian_I. Maximilian Maximilian Leopold Leopold Maximilian Maximilian Maximilians Wilhelm August Lorenz_von_Wensin August
320 Bayern unter Karl Theodor.
Eifersucht eine Nebenlinie des Wittelsbachischen Hauses zu Ein-
sprüchen gegen Oesterreich an. Da der nächste Erbe des Gesammt-
hauses Wittelsbach, wenn Karl Theodor ohne legitime Kinder
starb, der Herzog Karl August von Zweibrücken, sein sehr
nahe liegendes Interesse, Bayern seiner Familie zu erhalten, aus
Schwäche oder Furcht nicht wahren wollte, so bildete sich in
München selbst (auf Betrieb des Hofraths von Lori, des Frei-
herrn von Obermayer und des Sekretärs Andre, die später
durch Karl Theodor aus München verwiesen wurden) eine starke
Partei, an deren Spitze die Herzogin Maria Anna Char-
lotte, Wittwe des kürzlich verstorbenen Herzogs Clemens Franz
de Paula von einer Nebenlinie des bayerischen Hauses, stand
und von Friedrichs Ii Agenten, dem Grafen Johann Eustach
von Görtz, eifrig unterstützt und geleitet wurde. Friedrich Ii,
der in seinem eigenen Interesse zuerst dem Kurfürsten Karl
Theodor seine Unterstützung gegen Oesterreich angeboten, und
dann, als dieser davon nicht Gebrauch machen wollte, den Herzog
Karl August und die Herzogin Maria Anna Charlotte
aufgefordert hatte, bei Preußen Hilfe gegen Oesterreich zu suchen,
trat nun in der Eigenschaft eines Sachwalters auf. Außer der
Eifersucht auf Oesterreichs gewaltige Machtentwickelung hatte den
durch Krankheit morosen Preußenkönig eine intriguante Zuträgerei
gegen den Kaiser sehr bitter gestimmt. „In Wien," wurde ihm
hinterbracht, „habe man die Gicht, an welcher er im Jahre 1775
litt, für Wassersucht gehalten und der Leibarzt van Swieten
sogar von der Nähe seines Todes als von einer gewissen Sache
gesprochen." In seiner Verstimmung hierüber schenkte der miß-
trauische Monarch dem weiteren Lügengewebe Glauben, „daß der
kriegslustige Kaiser Joseph Ii Truppen nach Böhmen in Be-
wegung gesetzt habe, um beim Eintritte des erwarteten Todes-
falles durch Sachsen in Brandenburg einzufallen und dem Thron-
folger Schlesien abzudringen." Jetzt war Friedrichs Ii Miß-
trauen gegen den Kaiser zu der Höhe gestiegen, daß er sich in
den Wahn verlor, Joseph Ii wolle sich aus seiner beschränkten
Stellung als deutsches Reichsoberhaupt zu einer freieren empor-
schwingen und gehe damit um, dem Kaiserthum seine vormalige
Macht wieder zu verschaffen, sich in Deutschland so souverain
TM Hauptwörter (50): [T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Karl_Theodor Karl Karl_Theodor Karl Karl_August_von_Zweibrücken Karl August Lori Obermayer Karl_Theodor Karl Maria_Anna_Char- Maria Clemens_Franz
de_Paula Franz Friedrichs Johann_Eustach
von_Görtz Johann Friedrich_Ii Friedrich Karl
Theodor Karl Karl_August Karl August Maria_Anna_Charlotte Maria Joseph_Ii Friedrichs Joseph_Ii
Extrahierte Ortsnamen: Oesterreich Wittelsbach Friedrichs Oesterreich Oesterreich Oesterreichs Wien Sachsen Brandenburg Deutschland
319
Bayern unter Karl Theodor.
würde, wenn solche rechtlich begründet gewesen, das alles ward
von Seite Bayerns dem österreichischen Hause mit keinem Worte
entgegen gehalten, und Kurfürst Karl Theodor, theils von
der Verheißung geblendet, daß er die Niederlande und den Titel
eines „Königs von Burgund" erhalten werde, theils von der
Sorge erfüllt, daß Oesterreich mit Uebermacht das bayerische
Gebiet besetzen werde, unterschrieb am 14. Januar 1778 den von
seinem Gesandten in Wien eingegangenen Vertrag. Indessen
war Oesterreich mit dem im Vertrage zugcsicherten Gebiete nicht
zufrieden, sondern belegte alle seit dem Tode Ludwigs des Bayern
von dessen Nachkommen erworbenen Güter (die Grafschaften Hals,
Haag, Hohenschwangau, Hohenwaldeck, Sulzbürg und Pyrbaum,
Lcuchtenbcrg u. a.) unter dem Vorwände mit Beschlag, daß die
Belehnung mit diesen Gütern nur den Wittelsbachern der lud-
wigischen Linie gegolten habe, daß sohin alle diese Herrschaften
cröffnete Neichslehcn seien, über welche das Kaiserhaus zu ver-
fügen habe. Dazu kamen itodfj von anderer Seite her Forderungen,
aus die Kurfürst Karl Theodor nicht im Geringsten gefaßt
war: der Kurfürst Friedrich August Hi von Sachsen sprach
die ganze Allodialverlassenschaft d. i. alles erbbare Privatgut des
Kurfürsten Max Iii an, weil seine Mutter, Maria Antonia,
die einzige Schwester Maximilians Iii war, von welcher Erben
vorhanden waren. Die gleiche Forderung stellte Maria The-
resia, weil sie ebenfalls von einer bayerischen Prinzessin ab-
stammte, von Maria Anna, einer Tochter Wilhelms V, die den
Kaiser Ferdinand Ii zum Gemahle gehabt hatte, der Herzog
von Mecklenburg endlich forderte die Landgrafschast Leuch-
tenberg, weil seinem Hause Kaiser Maximilian I Anwart-
schaft darauf gegeben hatte. Das Haus Oesterreich hielt von
dem Augenblicke an, wo Karl Theodor den Vertrag seines
Gesandten, des Freiherrn von Ritter, ratifizirt hatte, seine
Forderung an Bayern für gesichert. Allein einerseits wollte sich
das Bayernvolk, stolz auf die Einheit seines Volksstammes,
weder von seinem jetzigen Kurfürsten, noch von dem österreichischen
Nachbar, dessen Feind es gewesen und zum Theil noch war, in
^heile zerreißen oder einem andern, wenn auch stammverwandten
Volke einverleiben lafsen, anderseits regte Friedrichs Ii politische
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Extrahierte Personennamen: Karl_Theodor Karl Karl_Theodor Karl Ludwigs Karl_Theodor Karl Friedrich Friedrich August Max_Iii Max Maria_Antonia Maria Maximilians Maria_The- Maria Maria_Anna Maria Wilhelms Wilhelms Ferdinand_Ii Ferdinand Maximilian_I_Anwart- Maximilian Karl_Theodor Karl Ritter Friedrichs
325
Bayern unter Karl Theodor.
trat ein Jahr nach seiner Stiftung durch den Tod vom politischen
Schauplatz ab, aber seine Eifersucht gegen Oesterreich und
seine dualistische Politik in Deutschland blieben und wirkten
als sein Vermächtniß an Preußen.
§ 104. Karl Theodor hatte sich vom Beginne seiner
Negierung an nicht recht in das Wesen und den Charakter der
Altbayern hineingefunden und daher auch nicht jenes Vertrauen
gefunden, welches Max Iii, seinem Vorgänger in der Regierung,
zu Theil geworden war. Die Mißstimmung, in die er hierüber
gerieth, wurde von seiner nächsten Umgebung (seinem Beichtvater-
Ignaz Frank, einem Jesuiten, seinem Schwiegersöhne Graf
von Leiningen, dem Freiherrn von Vieregg und dem ge-
heimen Rath Kaspar Lippert) wach erhalten und fand in
der Folge durch einige beklagenswerthe Vorfälle neue Nahrung.
Utzschneider, der geheime Sekretär der Herzogin Maria Anna
Charlotte, entdeckte ihm den Bestand einer geheimen Gesellschaft,
der sogenannten „Jlluminaten", welche von Adam Weis-
haupt, Professor des Kirchenrechtö in Ingolstadt (er führte den
fingirten Namen „ S p a r t a c u s"), im Jahre 1783 unter
dem Aushängschilde „wissenschaftlicher Bildung" gestiftet
war und sehr gefährliche Absichten für Staat und Kirche ver-
folgte. Karl Theodor unterdrückte sie (erstes Dekret vom
22. Juli 1784) mit gebührender Strenge und ließ, durch diese
Entdeckung gegen Aufklärung und Wissenschaft mißtrauisch ge-
macht, von nun an die Censur der Bücher und die Einfuhr selbst
nützlicher Werke, die im Auslande verlegt waren, mit großer
Strenge überwachen. Gleich schmerzlich berührte ihn die Unruhe,
die von den gewerbtreibenden Einwohnern Münchens erregt wurde,
als er zur Hebung der Gewerbe freie Concurrenz eröffnete und
den Bewohnern der Vorstädte (Au, Haidhausen, Lehel) gestattete,
ihre Arbeiten in die Hauptstadt zu liefern. Im Unmuthe über
die arge Verkennung seines guten Willens ging Karl Theodor
nach Mannheim und kehrte von dort erst nach neun Monaten
auf vieles Bitten wieder nach München zurück. Bei aller Miß-
stimmung gegen das altbayerische Volk, die auch bei der Rück-
kehr von Mannheim nicht gehoben war, hegte Karl Theodor
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Extrahierte Personennamen: Karl_Theodor Karl Karl_Theodor Karl Max_Iii Max Ignaz_Frank Graf
von_Leiningen Kaspar_Lippert Maria_Anna
Charlotte Maria Adam_Weis- Karl_Theodor Karl Karl_Theodor Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Oesterreich Deutschland Altbayern Ingolstadt Haidhausen Mannheim Mannheim
336 Bayern unter Maximilian Iv Joseph.
war der Feldzug von den Oesterreichern unter Erzherzog
Karl in Deutschland, und von den Nüssen unter Suwarow
in Italien siegreich eröffnet. Um Bayern eine Achtung gebietende
Stellung zu geben, war eine Mehrung seiner Strcitkräfte um
so dringender nothwendig, weil Kaiser Paul I von Rußland
nach dem unglücklichen Treffen, welches seine Truppen unter
Korsakow gegen die Franzosen unter Massen« bei Zürich
(24. September 1799) lieferten, seine Gesinnung gegen Frank-
reich änderte und seine Truppen zurückzog. Zur Mehrung des
bayerischen Heeres mangelten aber die Mittel, und dieselben im
Lande aufzubringen, bestand keine Hoffnung. Deshalb nahm
Bayern von England Hilssgelder und rüstete mit denselben
zu dem bisherigen Heere von 14,000 Mann ein zweites von
12,000 Mann. Die Verpflegung dieser Truppen übernahm
England durch einen in Amberg (15. August 1800) abge-
schlossenen Vertrag, in welchem es auch dem Kurfürsten den
ungeschmälerten Besitz seines Gesammtgebiets gewährleistete. Die
verstärkte bayerische Armee rückte nun in Verbindung mit öster-
reichischen Truppen an den Mail: und Rhein, aber ein großes
französisches Heer unter Moreau drängte die Verbündeten bis
in's Innere von Bayern zurück. Zn gleicher Zeit war Napo-
leon Bonaparte nach seiner Rückkehr vom ägyptischen Feld-
zuge und seiner Ernennung zum ersten Cónsul der französischen
Republik mit einer ungeschwächten Armee über den großen
St.bernhard gedrungen und hatte in der Schlacht bei Marengo
(14. Juni 1800) gesiegt. Auf die Nachricht von diesem Erfolge
der französischen Waffen drang Moreau in Bayern vor, nahm
(27. Juni 1800) München und bald darauf (7. Juli 1800)
Landshut. Kurfürst Maximilian Iv hatte sich nach dem
Falle Münchens nach Amberg zurückgezogen (27. Juni 1800)
und erließ von dort aus (10. November 1800) ein Toleranz-
Edikt, welches auch den Nichtkatholiken die Niederlassung in
Bayern gestattete.
Unterdessen hatte Oesterreich, um von dem siegreich vor-
dringenden Moreau Waffenstillstand zu erhalten, den Franzosen
durch die Verträge zu Parsdorf (unweit Ebersberg) vom 15. Juli
und zu Hohenlinden (acht Stunden von München) vom 20. Septbr.
TM Hauptwörter (50): [T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Maximilian_Iv_Joseph Maximilian Karl Karl Suwarow Paul_I_von_Rußland Bayern_von_England_Hilssgelder August Maximilian_Iv Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Italien England Amberg Rhein Marengo
( Bayern Amberg Bayern Oesterreich Ebersberg
338
Bayern unter Maximilian Iv Joseph.
war, daß Oesterreich so hochgehende Forderungen stelle, ohne die
Zustimmung Frankreichs für sich zu haben, so warb der bayerische
Kursürst um die Freundschaft und Hilfe des Kaisers Alexander
von Rußland, des Sohnes und Nachfolgers Paul I. Oester-
reichs Gelüsten fand am Petersburger Hofe allgemeine Mißbillig-
ung, und bald darauf (18. August 1802) ließ Rußland und
Frankreich im Einverständniße mit dem deutschen Kaiser dem
Reichstage zu Re g eus bürg einen durch den französischen
Minister Talleyrand und den russischen Kanzler Kurakin
bearbeiteten Plan über die Entschädigung der deutschen Fürsten
für ihre Verluste am linken Rheinufer und über die künftige
Gestaltung Deutschlands vorlegen, der einem Ausschüße von acht
Reichsstanden, Reichs députation genannt, zur Prüfung und
Berichterstattung überwiesen wurde. Rach vielen Unterhandlungen
erschien (am 23. November 1802) das Endresultat der Ausschuß-
Berathungen in einem Hauptentschädigungsplan, dessen Inhalt
der deutsche Reichstag am 25. Februar 1803 unter dem
Namen des Neichsdeputations-Hauptschlusses (aus 89
Paragraphen bestehend) annahm.
Der Kurfürst von Psalzbayern, welcher unter alleu
Reichsständen durch den Luneviller Frieden am meisten, nämlich
alle pfälzischen Besitzungen jenseits und diesseits des Rheins mit
Ausnahme des Herzogthums Berg verloren hatte, erhielt dafür
als Ersatz:
a) die Hochftister Würzburg, Bamberg, Augsburg (doch nicht
die Reichsstadt), Freysing, einen Theil von Eichstädt und
Passau nebst den mittelbaren Klöstern innerhalb dieser Gebiete;
b) die 13 Reichsabteien: Kempten, Ebrach, Elchingen, Irrste,
Kaisheim, Ottobeuren, Roggenburg, Söflingen, St. Ulrich
und Afra (im Hochstiste Augsburg), Ursberg, Wettenhausen,
Wengen (in Ulm) und Waldsassen. Kurfürstliches Bcsitz-
ergreifungspatent vorn 26. November 1802;
e) die 15 Reichsstädte: Bopsingeu, Buchhorn, Dinkelsbühl,
Kausbeuren, Kempten, Leutkirch (mit Heide), Memmingen,
biet bis an den Lech vorzurücken, und würden zur Folge gehabt
haben, Bayern ganz aus der Zahl der Mächte zu vertilgen."
Ob diese Anschuldigung begründet gewesen, steht dahin; Oesterreich stellte der
französischen Note die Behauptung entgegen, „daß es nur ein Vorrücken
bis an die Isar mit Ausnahme Münchens beabsichtigt habe."
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Extrahierte Personennamen: Maximilian_Iv_Joseph Maximilian Alexander
von_Rußland Alexander August Ulrich Buchhorn
Napoleons Krieg mit Preußen und Rußland. 105
gegenüberstehenden französischen zurückdrängte, daß er zum erstenmal ein Schlachtfeld nicht unbestritten sein nennen konnte. Nachdem die Lücken, welche diese Schlacht in die Streitkrüfte beider Teile gerissen, wieder ausgefüllt waren, kam es bei Friedland zur Entscheidung^ Friedland. sch lacht. die Napoleon gewann. Nun schlossen die verbündeten Monarchen von Preußen und Rußland Waffenstillstand und bald darauf den Frieden von Tilsit 1807. Preußen mußte die Friede von Hülste seines Gebietes, nämlich alles, was es zwischen Rhein Tilsit 1807. und Elbe besessen, Baireuth und was es in der zweiten und dritten Teilung Polens erworben hatte, zur freien Verfügung Napoleons abtreten, sein stehendes Heer auf 42 000 Mann herabsetzen, in seinen Städten und Festungen französische Besatzungen bis zur Abtragung aller Kriegsentschädigungen unterhalten (die von 19 Millionen aus 112 und zuletzt^ auf 140 Millionen hinaufgeschraubt wurden) und endlich dem System der Festlandsperre beitreten. Auch die Bitten der edlen Königin Luise, Königin Luise, die man zu einer Zusammenkunft mit Napoleon nach Tilsit berief, vermochten die Bedingungen des Siegers nicht zu mildern.
Die Königin Luife, eine der edelsten Frauen, die jemals einen Thron geziert, wurde am 10. März 1776 als Prinzessin von Mecklenburg - Strelitz geboren. Sie war als Jungfrau von solch wunderbarem Liebreiz, daß Goethe sie „eine himmlische Erscheinung" nannte. Ihre Aumut und Schönheit wurde noch durch die Einfachheit ihrer Kleidung gehoben, fo daß ihr anspruchsloser Anzug, der nur aus leichtem Musselin bestand, bald eine Reform der Frauentracht bewirkte. Als Kronprinzessin bewohnte sie mit ihrem Gemahl still und glücklich ein Landhaus im Dörfchen Paretz. „In dem kleinen Schlöffe sah man keine kostbaren Möbel, keine prächtig geschmückten Wände, keine reich gearbeiteten Teppiche, keine seidenen Decken und Vorhänge, feine goldenen und silbernen oder andere wertvolle Kunst-sachen." Hier verlebte sie als die leutselige, fromme und wohltätige „gnädige Frau von Paretz" eine fröhliche, eine selige Zeit. Weil hochgebildet, verachtete sie oberflächliche Vielwisserei; klar hatte sie erkannt, daß das Wissen der Frau vor allem der Veredlung ihres Charakters, ihrer Stellung als Gattin, Mutter und Bildnerin eines neuen Geschlechtes zu dienen habe und als eine ihrer edelsten Ausgabe betrachtete sie es, „ihre Kinder zu wohlwollenden Menschenfreunden zu erziehen". Bei solch hoher Auffassung ihres Berufes wurde sie als Königin die vielgeliebte, allverehrte Landesmutter, der Trost und die Stütze ihres Gemahles in tiefstem Unglück, die Hoffnung des preußischen Volkes in seiner Verzweiflung und Ohnmacht, die fromme, heldenmütige Mutter, die ihren Söhnen im Elend der Verbannung zurief: „Handelt, entwickelt eure Kräfte! Laßt euch, meine Söhne, nicht von der Entartung des Zeitalters hinreißen.
Werdet Männer und geizet nach dein Ruhm großer Feldherren und
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Napoleon Napoleons Luise Königin_Luise Napoleon Goethe