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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 349

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
159. Die Gemsen. 349 Wo längst die gut kletternde Alpen- ziege nicht mehr hinsteigt, in die unzu- gänglichsten Grasbetten der steilsten Hörner, auf den fußbreiten Graszügen, die bandartig sich von Felsküppen zu Felsknppen schlingen, da weiden die Gemsen, wie von der Natur bestimmt, auch diesen verlornen Theil ihrer Pflan- zengaben noch auszunutzen, behaglich das dürftige, aber kräftige und nahr- hafte Kraut der Alp und werden gegen den Herbst hin sehr fett davon, — 60, 80 bis 100 Pfund; doch ist uns auch ein Beispiel bekannt, wo ein glarner Jäger an Tschingeln ein Thier schoß, das 125 Pfund wog. Es war der große, bei den Bergleuten berühmt gewordene „Rufelibock", der während vieler Jahre tief gegen das Thal herabgekommen war und alle Jägerkünste verspottet hatte, bis endlich der kluge Bläst noch gescheidter war als der kluge Rufelibock. Die Som- merkitzen dagegen werden bis zum Spät- herbst bloß 15 bis 20 Pfund schwer. Im Winter magern dann die Gemsen wie alle Alpenthiere beträchtlich ab. Müh- sam suchen sie unter den Tannen das spärliche dürre Gras zusammen, wagen sich oft an schneefreie Stellen in's Thal an Quellen und fressen die langen, meer- grünen Bartflechten, die von den Wetter- tannen niederhangen, ab, wobei sich aber hin und wieder eine mit den Hörnern in den Aesten verwickelt, hängen bleibt und verhungert. Wie alle Wiederkäuer, lieben auch die Gemsen das Salz in hohem Grade und besuchen deßwegen besonders gern Kalk- felsen, an denen sich Bittersalz findet, wo sie sich oft so durstig lecken, daß sie wie toll zum ersten besten Wasser laufen müssen, um zu trinken. 3. Wie die meisten Thiere ihrer Art, leben die Gemsen gesellschaftlich zu fünf, zehn bis zwanzig Stück bei einander. Früher waren Rudel von 60 Stück keine große Seltenheit. Sie sind muntere, zierliche, höchst kluge Thiere. Jede ihrer Bewegungen verräth außerordentliche Muskelkraft, Behendigkeit, Frische und Grazie. Man muß sie selber gesehen haben, um sich einen Begriff von ihrer staunenswerthen Schnellkraft, von der unbegreiflichen Sicherheit ihrer Bewe- gungen und Sprünge machen Zu können. Von einem Felsen zum andern setzen sie über weite und tiefe Klüfte und halten sich im Gleichgewicht auf kaum zu ent- deckenden Unebenheiten, schnellen sich mit den Hinterfüßen auf und erreichen sicher den faustgroßen Absatz, dem sie festen Auges zuspringen. Mit heraushängen- den Eingeweiden oder auf bloß drei Beinen fliegt die Gemse noch wie unver- wundet über Fels und Eis. Ist sie stark angeschossen, so sondert sie sich von der Heerde ab, zieht sich zwischen verborgenes Gestein zurück, leckt sich unaufhörlich und wird leicht heil oder verendet in unersteig- licher Kluft ohne Gewinn für den Jäger. Ihr außerordentlich scharfer Geruch, ihr Gesicht und feines Gehör schützt die Gemsen vor vielen Gefahren. Wenn sie truppenweise lagern, so stellen sie nach tausendfach bestätigter Erfahrung eine Wachtgemse (Vorthier, Vorgeiß) aus, eine weibliche Gemse, die, während die Uebri- gen weiden oder spielen und sich nach Art der Ziegen und Hirsche mit den Hörnern stoßen, in einiger Entfernung allein wei- det, jeden Augenblick sich umsieht und witternd die Nase in die Luft streckt. Ahnt sie Gefahr, so pfeift sie wie die Murmelthiere hell auf, und die Uebrigen fliehen ihr nach. Nie verstellt sich eine Gemse, d. h. bleibt unbehilflich und ret- tungslos auf fast unzugänglichen! Fels- vorsprunge stehen, wie oft die Ziegen, die dann meckernd abwarten, bis der Hirt mit eigener Lebensgefahr sie abholt. Die Gemse wird eher sich zu Tode springen. Es ist schwer, etwas Genaues und Zuverlässiges über die wunderbare Sprungkraft dieser herrlichen Thiere zu sagen. Doch ist es sicher, daß sie über 16—18 Fuß breite Klüfte ohne Anstand setzen und Sprünge in eine Tiefe von 24 Fuß und darüber wagen. Auf weichem Schnee, wo sie tief einfallen, oder auf klaren Gletschern gehen sie langsamer und vorsichtiger, sind daher auch hier am besten zu jagen. Selbst beim Ruhen strecken sie sich nur sehr selten ganz platt auf dem Boden aus; ihre gewöhnliche Haltung ist zu augenblicklicher Flucht bereit. Sie liegen auch gern in lichtem Gebüsch, um sich sicherer zu verbergen; doch am liebsten an einer Terrasse, wo der Rücken gedeckt

2. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 369

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
172. Deutsche Waldbäume. 369 Die In den Nacken des Gebirges schlägt sie ihre Wurzeln und steigt, eine erhabene Pyramide, in schwindelnder Steil-Linie empor, indeß sich ihre Zweige schwer hinabsenken. Majestät und Schwermuth mischen sich mit einem Zuge kühnen Trotzes in diesem Baume. Seine düst're Macht faßt uns ernstgebietend. Aber der wolkenanklimmende Wuchs selbst, das Sonnenlicht, das durch die Wipfel glimmt, der Sammetteppich zu seinen Füßen, ewig frisch erhalten von den überall rieselnden Quellen, die Waldblumen um- her gemischt mit dem Purpur reifende^ Beeren, all' dieses warme, farbige Leben lös't das in sich zurückgescheuchte Ge- müth, so daß es befreit sich neu erhebt. • Wie gerne denke ich hier deiner, ein- sames Erzgebirg, mit den finster schat- tenden Schluchten und den sanftum- blumten Höhen! Ringsum schreiten die stolzen Bäume hinan, und von Zweigen tropft duftig goldenes Harz. Kein Laut unterbricht das Schweigen, nur daß drüben vom Felsen der Wildbach sich brausend niederstürzt. Schon ist die Nacht hinabgesunken in die Thäler: aber auf den Bergen ragt die Tanne, das Die Dem Froste und dem Sturme, dem Blitze und selbst der Fäulniß trotzend, im Sumpfmoor wie im dürren Sande gedeihend, bedarf die zierliche, schlanke, zartgegliederte Birke nur einer Spanne Erde, ihre Wurzeln hineinzusenken. Auf den norddeutschen Grasebenen steht sie in zerstreuten Gruppen, weite, schim- mernde Waldstrecken füllt sie in den Tiefthälern von Norwegen, und da selbst, wo einiger Schnee den Fjölengrat um- hüllt, klammert sie sich an die stiefmüt- terliche Scholle. Es ist die Zwergbirke, deren Samen allein im Winter den Lemming und das weiße Rebhuhn nährt. — Vielleicht erstreckte sich ehedem das Reich der Birke weiter hinauf, als heute. Auf Island wenigstens stand sie vor Alters im dichten Walde von dem Meeres- ufer bis zum Fuße der Gebirge und Marschall. Lesebuch. Haupt in Sonnenglorie leuchtend, wie ein Priester Gottes, die müde Erde zu segnen. Es ist, als ob die Weltruhe, die auf dem schwarzen, schlafenden Gebirge lagert, Rede gewönne. Wunderbare Stimmen klingen h erüber, alle die Wünsche, die Leidenschaften verstummen, aber aus der Tiefe der Seele, wie aus einer ge- heiligten Fluth, hebt sich der Engel des Gebets. In den Hochebenen, welche den Polarkreis einschließen, breiten unge- heure Fichtenwälder ihr Dunkel unun- terbrochen über das Land. Die mäch- tigsten Stämme werden zu Tausenden niedergeworfen, und dennoch scheint der Wald noch so dicht, wie vordem. Der schäumende Strom trägt sie zum Fjord, zum Meer hinab, wo sie abermals be- stimmt sind, ihre schlanken Gestalten emporzurichten, entkleidet von den lan- gen Aesten und den dunkelgrünen Nadeln, aber mit einer neuen, schneeweißen Hülle von Segeln angethan. Die biegsame Faser des Krautes ist des Baumes Herr geworden, und der König des Waldes, vor Kurz.em noch so fest in der Erde wurzelnd, muß der weitgespannten Leinwand gehorchen. warf so um die damals fruchtbare Insel ein wärmendes Gewand, von dem jetzt kaum die Fetzen in Busch und Strauch zu sehen sind. In leicht ge- schwungener, oft unmuthig geschlängelter Linie steigt der schlanke, gerundete Stamm hinauf, nach oben schwach gebogen, doch mit geschmeidiger Härte der Gewalt der Elemente widerstrebend. Grau bemooste Furchen zerreißen wohl unten die glatte, atlasartige Rinde, die aus dem Blätter- grün hervorleuchtet, * „als wäre d'ran aus heller Nacht, das Mondlicht blieben hangen." Kein mächtiger Ast tritt aus dem zähen Holz, vielmehr fällt ringsum ein zierliches Reisernetz in langen Flechten herab, das sich immer lockerer aufbaut, bis die Krone wie in einem Federbüschel endet. Da ist auch nicht Raum für des 24

3. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 375

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
175. Die Steinkohlen. 375 mehr oder minder Auflösung des orga- nischen Zusammenhanges, wodurch die ganze Masse in einen breiigen, aufge- lösten Zustand versetzt wurde. Wenn indeß fast mit Gewißheit ge- schlossen werden kann, daß die Stein- kohlenmasse sich meist in einem erweich- ten Zustande befunden hat, so scheint derselbe von einer wirklichen Auflösung doch sehr verschieden gewesen zu sein, denn sonst würde die Masse völlig gleich- artig erscheinen. Die Ungleichheit derselben ergibt sich besonders aus dem verschie- denen Aschengehalt der Kohlen von den einzelnen Lagen und denselben Flötzen. Einen wesentlichen Einfluß hat hier auch der Druck ausgeübt, wenn die vegeta- bilischen Massen tiefer eingesenkt von allmählich erhärtendem Schieferthon und Sandstein überschüttet wurden. Ferner beschleunigte eine erhöhte Temperatur den Umbildungsprozeß. In einzelnen Fällen mag die Temperatur höher als die des siedenden Wassers gewesen sein, dann erstreckte sich die Einwirkung nicht bloß auf die Kohle selbst, sondern auf die darauf, darunter und dazwischen liegenden Sandstein- und Schieferthon- schichten. 2. Die Entstehung der Stein- kohlen denkt sich Professor vr. Göppert auf folgende Weise: Die Inseln in dem ungeheuren Meere, welches in der Vor- zeit unseren Erdtheil bedeckte, hatten wie die Inseln in unserer Zeit Berge, Thä- ler, Flüsse, Binnenseen, feuchte und trockene, frische und wärmere, schattige und sonnigere Stellen. Ueberall war ein tropisches Klima verbreitet, wie dies aus der überaus ähnlichen, nur mit der tropischen Natur vergleichbaren Ädd- tation hervorgeht. Denn die fossilen Pflanzen in beiden Hälften der Erdkugel, im Süden und Norden Asiens, in Altai und in Sibirien, im nördlichen Europa durch den ganzen Continent hindurch bis jenseits des Kanals in England, Schottland und Irland, gleichwie jenseits der Meere im nördlichen und südlichen Amerika und in Neuholland erscheinen durchaus dieselben. Ungeheure Wälder mit Stämmen von 70—75 Fuß Höhe, 2 — 3 Fuß Dicke, andere mit 30 Fuß langen Aesten waren ganz geeignet, in und unter sich Reste von Vegetabilien aufzunehmen. Diese gesammte Vege- tation wurde in den Schichten, welche die große Steinkohlensormation bilden, begraben, sodann durch die in Folge von Niveau - Veränderungen hereinbrechenden Gewässern überschwemmt und in zusam- menhängende Kohlenlager verwandelt, oder vermischt mit Thon und Sand in allmählich sich verhärtendem Schieferthon und Sandstein eingeschlossen und er- halten. Wenn nun aber entschieden nach- gewiesen ist, daß, um so bedeutende Kohlenflötze zu bilden, die Pflanzen, die auf dieser Fläche zu wachsen vermochten, nicht ausreichten, und ebenso, daß man an eine ruhige Ablagerung und nicht an ein Zusammenschwemmen aus weiter Ferne denken kann, so sieht man sich, um dieses Phänomen zu erklären, zu der Annahme genöthigt, daß sehr viele Koh- lenlager als die Torflager der Vorwelt anzusehen sind, die sich ebenso im Laufe einer langen Vegetationszeit bildeten, wie die Torflager in unserer Zeit, welche mitunter auch eine Mächtigkeit von 40 bis 50 Fuß erreichen und große Flächen einnehmen. Die Torfmoore waren also die Herde der Bildung der Kohlen- maflen aller Zeiten. Doch weicht die Steinkohlenflora ganz und gar von der jetztweltlichen ab; aber der Gesammt- charakter derselben läßt auf ein feuchtes, heißes Klima zurückschließen. Eigentliche Torfbildung finden wir freilich gegen- wärtig in der Tropenwelt nicht und man hat sie den Ländern außerhalb der kalten und gemäßigten Zone überhaupt abgesprochen; allein mit Unrecht. Moräste mit Torfbildung von ungeheurer Aus- dehnung finden sich doch in Süd-Vir- ginien und Nord-Carolina, in der Breite von Tunis und Algier. In den eigentlichen Tropenländern fehlen Torfmoore wahrscheinlich nur deßhalb, weil die zeitweise eintretende Dürre, welche das völlige Austrocknen der Moräste zur Folge hat, die Torf- bildung verhindert; in einem fortwäh- rend nassen und heißen Klima aber, wie es die Kohlenflora verlangt, waren auch die Bedingungen zur Torfbildung ge- geben. — Ferner läßt die große Aus-

4. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 376

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
376 Iv. Naturbilder. dehnung der Steinkohlenfelder und ihr Vorkommen in den verschiedensten Ge- genden unserer Erde nicht bezweifeln, daß zur Zeit der Steinkohlenbildung bereits sehr viel Festland auf Erden gewesen ist, da nur dieses, nie aber das Meer, Steinkohlen erzeugen kann. Doch liegt auch auf der Hand, daß die Bildung der Steinkohlenlager große Zeiträume einnahm, und daß diese Bildung nicht eine gewaltsame war, sondern eine Pe- 176. Der Der Bernstein, dieses in vielfacher Beziehung so höchst interessante Produkt untergegangener Wälder, die nm: in der Erde oder unter dem Meeresgrunde schlum- mern, wird entweder bei günstigen Win- den von den Wellen der Ostsee zuweilen an die Küsten von Pommern, Mecklen- burg, Dänemark, Schweden u. s. w. ge- trieben, oder auch an vielen, selbst von dem Meere sehr entfernten Orten jener Provinzen mehr oder weniger tief aus der Erde gegraben. Aus der See wird der größte Theil Bernstein in kleinen zerschlagenen Brocken gewonnen; in der Erde findet man ihn dagegen meistens in größeren knollen- förmigen Stücken. Bei heftigen Aequi- noetialstürmen, die das Meer mehrere Tage hinter einander bis zum Grunde aufwühlen, wird die größte Menge Bern- stein auf den Strand getrieben. Das Graben nach Bernstein geschieht keines- wegs kunstmäßig oder bergmännisch, son- dern wird von Bauersleuten ohne alle wissenschaftlichen Kenntnisse unternommen, wobei sie auf gut Glück 5—6 Meter tief eingraben; mißlingt der Versuch, so wird das Graben tiefer versucht, oder an einer andern Stelle wiederholt. In manchen Fällen ist dieses Graben eine der undankbarsten Arbeiten, doch lohnt in andern der Zufall seine Günstlinge auch auf reichliche Weise. Man gräbt den Bernstein in allen Schichten des jüngeren aufgeschwemmten Bodens sowohl auf Bergesrücken, als in Niederungen und Wiesen und findet ihn oft nur ein paar Fuß tief unter der riode ruhiger Entwickelung umfassen muß. Die Menge der Steinkohlen ist außer- ordentlich, und es sind nicht nur in Eu- ropa, sondern sogar in Deutschland solche große Massen, theils von wirklichen Steinkohlen, theils von anderen ähn- lichen Schwarzkohlen in den Kohlenbecken aufgespeichert, daß eine gänzliche Er- schöpfung selbst bei einer bedeutend ge- steigerten Produktion von Kohlen, in eine sehr weite Ferne gerückt ist. Bernstein. Bodenfläche, oft erst in Tiefen von 70 und 140 Fuß. Einzelne, häufig auch mehrere Stücke zog man zufällig in Fischernetzen nicht bloß aus dem Meere, sondern auch aus Binnenseen, Flüssen, Teichen und tiefen Brunnen hervor. Der Boden, wo reichliche Ausbeute zu hoffen ist, erstreckt sich über Pommern, Ost- und Westpreußen nach Litthauen und Polen. Man fand auch Bernstein in einer Steinkohlengrube bei Ischl und auf Sicilien; auf dieser Insel aber wie in England auffallender Weise nur an der östlichen Küste. Auch an den Ufern des kaspischen Meeres, in Sibirien, Kamt- schatka und China, in Nordamerika und selbst in Madagaskar hat man einzelne Stücke und auch Lagen entdeckt. Nun liegt die Frage nahe: Was ist der Bernstein und wie ist er entstanden? Es herrscht jetzt kein Zweifel mehr, daß er wie andere vegetabilische Harze von einem Baume ausgeschwitzt wurde, der schon längst von der Erde verschwunden ist, einst aber mit dichten Waldungen die Inseln jenes großen Oceans bedeckte, der damals noch die weite nordeuropäische Ebene bis zum Fuße des Ural über- fluthete. Wo heutigen Tages Seegrnnd ist, da waren noch vor vielen tausend Jahren undurchdringliche, mit Fichten und Tannen besetzte Forste, und wo da- mals Schiffe vor Anker lagen, sieht man jetzt aufgethürmte Sandberge stehen. Bei dem ungeheuren Harzreichthum des Bern- steinbaumes und den vielen Jahrtausen- den, während deren er bestanden haben mag, ist es nicht zu verwundern, daß

5. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 442

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
442 Ii. Epische Dichtungen. 11. Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis, Da faßt er seine Harfe, sie aller Harfen Preis; An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt, Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt: 12. „Weh euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang! Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sclavenschritt, Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt. 13. Weh' euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht! Euch zeig' ich dieses Todten entstelltes Angesicht, Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt, Daß ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt. 14. Weh dir, verruchter Mörder, du Fluch des Sängerthums! Umsonst sei all' dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms! Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht, Sei, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!" 15. Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört, Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört; Noch eine hohe Säule zeugt von verschwund'ner Pracht; Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht. 16. Und rings, statt duft'ger Gärten, ein ödes Haideland, Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand; Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch; Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch. 93. Der Reiter und der Bodensee. Von Gustav Schwab. Der Reiter reitet durch's helle Thal; Auf Schneefeld schimmert der Sonne Strahl. Er trabet im Schweiß durch den kalten Schnee, Er will noch heut' an den Bodensee; Noch heut' mit dem Pferd in den sichern Kahn, Will drüben landen vor Nacht noch an. Auf schlimmem Weg, über Dorn und Stein, Er braus't auf rüstigem Roß feldein. Aus den Bergen heraus in's ebene Land, Da sieht er den Schnee sich dehnen wie Sand. Weit hinter ihm schwinden Dorf und Stadt, Der Weg wird eben, die Bahn wird glatt; In weiter Fläche kein Bühl, kein Haus; Die Bäume gingen, die Felsen aus. So flieget er hin eine Meil' und zwei; Er hört in den Lüften der Schneegans Schrei; Es flattert das Wasserhuhn empor, Nicht anderen Laut vernimmt sein Ohr; Keinen Wandersmann sein Auge schaut, Der ihm den rechten Weg vertraut. Fort geht's, wie aus Sammt, auf dem weichen Schnee; Wann rauscht das Wasser? Wann glänzt der See? Da bricht der Abend, der frühe, herein; Von Lichtern blinket ein ferner Schein. Es hebt aus dem Nebel sich Baum an Baum, Und Hügel schließen den weiten Raum. Er spürt auf dem Boden Stein und Dorn; Dem Rosse gibt er den scharfen Sporn. Die Hunde bellen empor am Pferd, Und es winkt im Dorf ihm der warme Herd.

6. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 63

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
36. Die bayerische Hochebene. 63 dieser Ebenen. Die Aehnlichkeit nament- lich dieser Gegenden mit dem nord- deutschen Tieflande ist überraschend; er- innerten nicht die im Hintergründe him- melanstrebenden Alpen, sowie die Flüsse mit ihrer grünlichen Farbe und ihrer Raschheit und Mächtigkeit an die Nähe des süddeutschen Hochgebirges, man könnte versucht sein zu glauben, daß man sich im Gebiete der Nord - oder Ostsee befinde. Ein Holsteiner oder Mecklenburger könnte vom Heimweh überwältigt werden, wenn er, an den kleinen Seen zwischen dem Ammer- und dem Starnberger-See wandernd, diese Buchenhaine erblickt, von so tief gesättigtem, saftigem Grün, wie man es in der Regel nur in der Nähe des Meeres oder in den Alpen trifft; oder wenn er die smaragdnen Triften über- schaut, wie sie in dieser Ueppigkeit auch nur den äußersten Norden und Süden Deutschlands schmücken. Näher gegen das Gebirge zu belebt sich die Ebene mehr und mehr. Sie erscheint zuerst wellenförmig bewegt, dann tauchen ein- zelne Höhen aus, die in andern Gegen- den sich schon Bergen an die Seite stellen dürften, hier aber gegenüber den Alpen- riesen zu Hügeln zusammenschrumpfen, bis endlich der Plateaucharakter ganz erlischt, weil an die Stelle der vorigen ebenen und wellenförmigen Fläche ein durch Quereinschnitte stark zertheiltes Bergland getreten ist, das Vorland der Alpen unp das Durchbruchsgebiet der Alpen- flüsse vom Gebirgsland in die Ebene. Eine Reihe von See'n, wechselnd mit halb trocken gelegten Wasserbecken, den | Moosen und Bergfilzen, verleihen dieser Region einen unmuthigen Wechsel der landschaftlichen Scenerie. Auf diesen Vor- alpen beginnt auch schon die Alpen- wirthschaft, da sie, 2500—3500 Fuß über dem Meere gelegen, für das Win- tergetreide zu lange mit Schnee bedeckt, für das Sommergetreide zu stark mit Gras durchwuchert sind, jedoch einen ungemein üppigen Futterwuchs erzeugen. Die buntprangenden, malerisch eingeheg- ten Wiesengründe mit den freundlichen fensterhellen Gehöften, die reine erquickende Luft und der Anblick der unmittelbar aufsteigenden Alpenreihen verleihen die- - ser Vorterasse des Hochgebirgs einen Liebreiz, wie man ihn in den zwar er- habenen, wildromantischen, aber oft dü- ster eingeengten Hochalpenthälern ver- gebens sucht. Unter den gleich mächtigen Wart- thürmen einer Riesenfestung in die bayerische Hochebene vorgeschobenen iso- lirten Bergkegeln nimmt der hohe Peißenberg zwischen Schongau und Weilheim, weithin sichtbar in einer Höhe von 3145 Fuß aufragend, die erste Stelle ein. Schon seit 300 Jahren krönt seinen Gipfel eine Wallfahrtskirche; ein stattliches Pfarrhaus mit einem „Luginsland" auf dem Dache, ein Wirthshaus, ein paar andere Häuser und ein Kirchhof nehmen den Raum der Bergplatte ein, von wel- cher aus den Vesteiger eine bewun- dernswerthe Fernsicht lohnt. In einem j Kranze liegen die Alpen vom Hochsäntis ; bis zum Watzmann ausgebreitet, mitten ! drin der Großglockner, der König der deutschen Berge, welcher aus dem fernen ! Kärnthen verschwimmend herüberschim- mert. Ueber das weite Flachland weg reicht der Blick bis zu dem blauen Rücken des Jura und der waldigen Höhe des Böhmerwaldes. In duftiger Ferne ra- gen die Frauenthürme Münchens, die Domthürme von Freising und die Ul- richskirche von Augsburg als graue Marksteine auf. Nicht mit Unrecht wird dieser Berg der „bayerische Rigi" ge- nannt, und dessen Besuch wird nun, da die Eisenbahn bis an seinen Fuß führt, bald ein sehr häufiger werden. Eine Merkwürdigkeit der bayerischen Hochebene sind die erratischen oder Wanderblöcke, auch Findlinge genannt. Sie kommen ihrer Gesteins- art nach ohne Zweifel von den Central- alpen und sind in deutlich erkennbaren Zügen von Süden nach Norden über die Ebene zerstreut. Ihre Größe wechselt von 2 bis 3 zu 100 Fuß Kubikinhalt. Einer der größten, ein riesiger Felsblock, liegt an der Straße gegen Miesbach. Früher fand man sie viel häufiger, allein die Verwendung zu Bauten und Straßen in dieser an Bau- und Straßenmaterial so armen Ebene hat ihre Zahl sehr ge- mindert. Die Frage: Wie sind diese Blöcke aus den Hochalpen in die Ebene

7. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 65

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
36. Die bayerische Hochebene. zweiten: das 'Erdinger Moos am östlichen Ufer der Isar, nahe bei München begin- nend und bis Moosburg hinziehend, das Dachauer Moos, im Süden Haspelmoor genannt; zur dritten endlich: die Filze südlich des Chiemsee's, das Weitmoos und Filz bei Rosenheim, das Murnauer Moos südlich vom Staffelsee und das Haselmoos nordwestlich vom Kochelsee. Kaum ein Fluß, dessen Säume nicht irgendwo solche Moosgründe aufzuweisen haben; und manche Eintiefungen, wie das Loisach-, Amper- und Innthal sind daran nur zu reich. Diese Moose sind entweder mit sauern Halbgräsern bewachsen, oder sie weisen röthlich-braune Flächen auf, be- standen mit Zwergwäldern von krüppel- hasten Kiefern, Filzkoppen genannt. Die rothe Farbe rührt von einer eigenen Moosgattung her, dem Torfmoos, wel- cher das Wasser aus der Tiefe empor- ! zieht und festhält. Die erste Art der Moore nennt man Wiesen-, die letztere Hochmoore, das Volk aber bezeichnet erstere als Möser, letztere als Filze. In ihrem ursprünglichen Zustande sind die Moore hauptsächlich nutzbar durch Torf, Streu und etwas Brennholz. Den Torf findet man in beiden Arten von Mooren, und seit er als Brennmaterial verwendet wird, beschäftigt der Torfstich viele Hände, und der Preis eines Tag- werks Moorgrund ist von 5—10 auf 200 fl. gestiegen. Vielfach hat man auch die Moose trocken gelegt und für die Kultur gewonnen, doch geht diese Umgestaltung nur langsam voran und noch immer „kann Bayern durch Entwässerung und Anbau seiner Moose ein ganzes Fürsten- thum im Innern erobern;" denn von der Gesammtfläche der Moorgründe zu 20 Meilen ist noch wenig für den Anbau gewonnen. Das Wiesenmoor und die Heide, der überfeuchte und über- trockene Boden, finden sich merkwürdiger Weise oft in unmittelbarster Nähe; so im Lechfelde, so im Dachauer und Er- dinger Moos, in der Garchinger Heide. Beide aber finden ihren Uebergang zu Wiese oder Wald in der Trift, die, halb Wiese, halb Wald, von ihrer Be- nutzung zum Viehtrieb den Namen er- halten hat. Auf magerem Grasboden Marschall, Lesebuch. 65 ' stehen gruppenweise und in schlechtem, fast verkümmertem Zustande einzelne Bäume, Maßholder, Elzbeerbäume, Ei- chen, Hagebuchen, Espen, Birken, Kiefern, umgeben von wenig nutzbarem Unter- holz: Haselsträuchern, Salweiden, Weiß- ! schlehe und Kreuzdornen, Pfaffenkäppchen und Faulbaum. An den Flüssen, beson- ders an Isar, Donau und Lech, finden sich die Auen, in welchen Wiesen und Triften, Sumpf und Wald abwechseln. Schon im Einzelnen zeigen diese Auen ! eine große Manchfaltigkeit der Vegetation; auffallend aber ist der Unterschied der Auen am Oberlaufe der Alpenflüsse ge- gen die am Unterlaufe. An der obern Isar z. B. wechseln blumige Rasenstrecken und saftige Wiesen bald mit lichten Nadelholzbeständen, bald mit Gebüschen von Weiden und Erlen, um welche sich die Alpenliane mit ihren großen präch- tigen Purpurblüthen rankt, bald mit Büschen von Alpenrosen, bald mit Knie- holzwäldchen. Nahe der Einmündung der Isar in die Donau aber herrscht der Wald in solcher Ueberfülle vor, daß er einem tropischen Urwalde gleicht. Manche Bäume erreichen eine ebenso riesige Höhe als Dicke, und man hat Schwarzpappeln von 30 Fuß Umfang gefunden. Stau- nenerregend ist die Manchfaltigkeit und Ueppigkeit der Baumarten, unter welchen man nicht selten auch Nadelhölzer, eine pinienartige Kiefer oder eine säulenartige Fichte trifft, dazwischen dichtes und blü- thenreiches Unterholz, umschlungen von unserer deutschen Liane, der schlanken Waldrebe; der Boden bedeckt mit üppig wuchernden, krautartigen Gewächsen. Das Dickicht ist oft undurchdringlich und es kostet dem Jäger und Botaniker Mühe, sich durchzuarbeiten. Aber er wird auch entschädigt durch reiche Ausbeute und seltenen Naturgenuß. Da liegt, im tief- sten Waldesschatten versteckt, ein schilf- bewachsener Teich, ein sogenanntes „Alt- wasser", geschmückt mit Seerosen und gelbblühender Iris; dort läd't ein Rasen- teppich, umsäumt von Weidengebüsch und überschattet von malerischen Baumgrup- pen, zur Ruhe ein, und da blinkt durch's wildverwachsene Gezweig der Strom im Sonnenschein, und sein Rauschen klingt

8. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 66

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
66 Ii. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde. geisterhaft durch die unentweihte Stille der Waldesau. Aber selbst wirklicher Urw ald fehlt dieser Gegend nicht. Im Forstamte Tegernsee ist ein von der Axt noch nicht berührter Wald. Da ihm von den Mo» derresten abgestorbener Baumgeschlechter nichts entzogen worden, so hat sich in der ungeheuern Anhäufung solcher Massen eine Ueppigkeit des Wachsthums gebil- det, welche da, wo Licht und Luft den Zutritt finden, an's Unglaubliche grenzt. Bäume jeden Alters und jeder Art wuchern aus dieser Moderschicht, und wo einer kolossalen abgestorbenen Tanne Raum gewährt ist zum Fall, da strecken hundert andere ihre Häupter her- vor, wetteifernd, an die Stelle der ge- fallenen Größe zu treten, deren Leiche, nachdem sie sich noch lange als dürre „Rane" aufrecht erhalten, ein Jahrhun- dert braucht, um in Verwesung zu zer- fallen. Große Gräser, duftende Farren- kräuter und Massen von Moos füllen die Lücken aus zwischen den Baumstäm- men und Felsblöcken. Undurchdringlich für die Menschen, sind sie ein ungestör- tes Asyl des Wildes. Der Urwald ist eine der großartigsten Erscheinungen in der Natur. Er hat etwas Heiliges, Ehrfurchtgebietendes. Er verkündet das ungestörte Schaffen der Naturkräfte in stiller, erhabener Majestät. Wie verschieden von diesen abgele- genen Wäldern, wie verschieden auch von den armen unfruchtbaren Moosen und Heiden sind die reichen Getreideflu- ren der bayerischen Hochebene! Ein un- absehbares Meer von Aehren wogt zur Sommerszeit in der breiten Thalebene der Donau von Regensburg bis über Osterhofen hinab! Hier liegt Bayerns reichstes Weizenland vor uns, mit Recht als dessen K o r n k a m m e r gepriesen. Der Bauer in diesem Gau (vom Volk „Kay" gesprochen) ist stolz auf seinen unerschöpf- lichen „Dunkelboden", in welchen eine verdorbene Sprachweise den „ D un g a- boden", d. h. den Donaugauboden, umgetauft hat. Hier hatten die großen Wasserstuthen längere Zeit ruhig gestanden und über dem steinigen Geröll fruchtbare Erdschich- ten abgesetzt. Als die Gewässer sich un- terhalb Paffau durch die Bergdämme eine Ausgangspforte gebrochen hatten und allgemach zum Meere abgelaufen waren, da ward der Boden des Riesen- sees trocken gelegt und nach und nach von Pflanzen und Thieren belebt. Die Donauniederung aber hatte als köst- liches Geschenk der Fluthen ihren „Dunga- boden" erhalten, der sie zur reichen Korn- kammer Bayerns gemacht. 37. Aus dem bayerischen Alpengebirg. 1) Derchtcsgadrn und der Königsfer. I. Von dem berühmten Schloß Hell- brunn, unweit Salzburg, mit seinen Wasserkünsten und von da über den Schel- le nb erg herkommend, langte ich eines Sonntags Abends in der rings von hohen Alpen umschlossenen, am Fuße des riesigen Watzmann gelegenen, ehemaligen gefür- steten Abtei Berchtesgaden an. Am andern Tage erhielt ich durch einen Forstmann in Berchtesgaden, an welchen ich empfohlen war, Einlaß in das einen guten Büchsenschuß östlich von der Stadt entfernte Salzbergwerk an de^i west- lichen Abdachungen des „hohen Göll" am Salzberg. Das Bergwerk besteht aus vier übereinander liegenden Werken, deren jedes, wie es eben bei den Bergleuten Gebrauch ist, seinen besonderen Namen trägt. Fragt der Fremde in dieser Gegend nach den Salzbergwerken von Berchtesgaden und Hallein, die nicht so gar weit von einander liegen, welches das schönste von beiden sei, so richtet sich die Antwort dar- auf selbstverständlich immer nach dem Lande, welchem der Gefragte angehört. Denn Hal- lein liegt im Oesterreichischen und der Salz- burger gibt daher dem Bergwerk in Hallein immer den Vorzug, während der Bayer, der doch auch etwas Schönes haben will, stets dem in Berchtesgaden den ersten Platz einräumt, wenn es gleichwohl nicht

9. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 88

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
88 Ii. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde. stehen, wobei die Hand des Menschen allerdings viel nachhelfen mußte, damit diese in ihrer Art einzigen Gebilde zu- gänglich wurden. Ein schöner breiter Baumgang zieht sich vom Berge nach dem an dessen Fuße gelegenen freund- lichen Alexandersbad, von wo aus eine gute Straße nach dem etwa eine Stunde entfernten Wunsiedel führt, das mit seinen breiten, regelmäßigen Straßen und seinen neuen reinlichen Gebäuden einen recht angenehmen Eindruck macht. Auf dem freien Platze vor der Kirche prangt das Standbild Jean Paul's (Friedrich Richters), den Wunsiedel mit Stolz den Seinen nennt. Die bedeutendste Stadt des Fichtel- gebirges und dessen — wie des Kreises Oberfranken — Hauptstadt ist das nette Bayreuth am rothen Main, die ehe- malige Residenz eigener Markgrafen. Noch erinnern das fürstliche Schloß, in dem, wie in den Residenzen zu Ansbach und Berlin die „weiße Frau" der Hohen- zollern ihren unheimlichen Spuck zu treiben pflegt, noch das nun verödete Opernhaus und der Hofgarten an die alten Zeiten, ebenso die dichten Linden- und Buchen-Alleen, die auf der einen Seite zur E r e m i t a g e, auf der andern zu der noch schönern Fantasie führen. Auf dem Wege zur Eremitage kommt man an „Rollwenzels Haus" vorbei, in dem man noch das Zimmerchen zeigt, allwo Jean Paul tagelang in stiller Zurückgezogenheit, das Auge auf sein hei- matliches Fichtelgebirge gerichtet, an der Arbeit über seinen unsterblichen Meister- werken saß. Auch in Bayreuth ist ihm, der zum glänzenden Siebengestirne am deutschen Dichterhimmel zählt, von König Ludwig I. ein Standbild errichtet worden. Am Ausgange des Fichtelgebirges gegen Norden liegt das gewerbreiche, rührige Hof, am Ausgange nach Westen Culmbach, weit berühmt durch sein Bier. Auch Culmbach war ehedessen Residenz derbayreuther Markgrafen; noch thront das weitläufige und feste Schloß auf steiler Bergeshöhe, jetzt ein Aufent- haltsort für solche, die das Recht ver- wirkt, eine freie Stellung in der Mensch- heit einzunehmen: die Plassenburg ist ein Zuchthaus. Das Fichtelgebirge ist stark bevölkert und steht in dieser Hinsicht allen ande- ren bayerischen Gebirgen voran; auf die Geviertmeile treffen im Durchschnitte über 3300 Seelen, also nahezu die Zif- fer der Volksdichtigkeit für das ganze Königreich. Schon daraus ergibt sich, daß dieses Gebirge keineswegs öde und unwirthlich sein kann, und daß seine Bevölkerung eine arbeitsame und rührige sein muß. In der That hat der Fich- telgebirger sich jeden verwendbaren Flecken Erde nutzbar gemacht: im gelichteten Walde, auf gesprengteil Felsen, in aus- getrockneten Mooren hat er sich Acker- felder angelegt, und wo der steile Ab- hang den Pflug nicht duldet, da muß die Hacke das steinige Feld für die Aus- saat bereiten; — wo das Getreide nur magere Aehren treibt, weiß man eine ergiebige Ernte von Kartoffeln und Flachs zu gewinnen. Größer noch sind die Er- trägnisse der Viehzucht, der Forsten, des Bergbaues und der Steinbrüche. Im Sommer sind die Wälder auf große Strecken mit den beliebten Preißelbeeren bedeckt, welche nun mittelst der Eisen- bahnen weit verführt werden und den fleißigen Gebirgsbewohnern eine hübsche Summe Geldes ertragen. Der Mineralreichthum dieses Gebir- ges war schon in alter Zeit bekannt, ist aber bei weitem nicht mehr so be- deutend, als früher. Außer etwas Gold, Silber und Zinn birgt es namentlich Kupfer und Eisen; — das Brechen und Bearbeiten seiner trefflichen Bausteine — Granit, Syenit, Marmor — beschäf- tigt viele Hände, und nennenswerthe Heilquellen treten aus seinen Felsge- wölben zu Tage. Von den verschiedenen Industriezweigen, welche auf dem Fichtel- gebirge in Flor stehen, sei nur der Ver- fertigung von Glasperlen und Glas- kugeln in allen Größen und Farben Er- wähnung gethan. Sie sind ein Artikel des Welthandels geworden; sie wandern in die Wälder der überseeischen Länder zum Schmucke für die Wilden und in die Klöster und Wallfahrtsorte zu Pater- nostern für die andächtigen Katholiken. Das Volk dieser Berge, wie rauh auch seine Außenseite in Folge harter Arbeit und mühsamen Lebenserwerbes

10. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 57

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
43. Bayerns Land und Volk. 57 seinen saftigen Almen, seinen klaren See'n und seinen schäumenden Rinnen und Bergflüssen; — hier breitet sich eine große, von mächtigen Wasseradern durch- furchte Hochfläche aus, auf welcher an- muthige, waldbewachsene Höhenzüge mit ausgedehnten Ebenen abwechseln, letztere, wenn auch hie und da Sumpflandschaften, Haideflächen, magere Triften und ärm- Uche Kiefernbestände zeigend, meist frucht- bares Getreideland mit unabsehbaren Weizenfluren, oder fetter Wiesengrund, dann und wann unterbrochen durch dunkel- gefärbte Waldstrecken. Dort wieder steigen aus der Ebene allgemach die vielfach verzweigten Höhen des Mittelgebirges auf, bekleidet hier mit dem dunklern Ge- wände der Nadelholz-, dort mit den Hellern der Laubholzwaldungen. — Hier rankt sich in sorgsam gepflegten Anpflan- zungen an einem Walde schlanker Stangen die würzige Hopfenstaude empor, und dort, wo die Sonne ihre Strahlen glühen- der zur Erde sendet, schmücken blühende Obsthaine die Thalgründe und üppige Rebgelände die Höhen. Wenn die alten Deutschen meinten, das Land sei glücklich zu preisen, in dem folgende fünf W gefunden würden: Wald, Wiese, Wasser, Wein und Weizen, dann darf man Bayern ge- wiß ein gesegnetes Land nennen, denn an alledem fehlt es bei uns nicht, und wir können daher gewiß mit Zufrieden- heit auf unser Heimatland blicken. Sind auch nicht alle Gegenden Bayerns gleich freigebig von der Natur bevorzugt, so stiefmütterlich ist doch auch keine bedacht, daß sie ihren Bewohnern nicht wenigstens den nöthigsten Lebensbedarf darböte. Weit- aus die Mehrzahl der Einwohner Bayerns erfreut sich eines — anderwärts nicht eben häufigen — Wohlstandes und Lebensge- nusses. Die Behäbigkeit des altbayerischen Bauern ist sprichwörtlich geworden; und doch ist es eine Frage, ob der Hopfen- bauer Mittelfrankens oder der Weinberg- besitzer auf der Hardt sich in einen Tausch mit ihm einließen. Bei den Berg- und Waldbewohnern finden wir allerdings selten ein so ergiebiges Besitzthum; allein dafür ist ihnen eine andere Gabe zu Theil geworden, köstlicher wahrlich als Reichthum an Gut und Geld: ein hei- terer freier Sinn, Genügsamkeit und Zu- friedenheit; und das Volk der Berge fühlt sich daher, trotz äußerer Armuth, meist glücklicher und wohler, als das Volk der Ebene. An Quellen ausreichenden Erwerbs mangelt es aber auch den Ge- birgsbewohnern nicht. Wo der Wald deren eigen Gut ist, wirft er kaum ge- ringeres Erträgniß ab, als Wiese und Ackerland. Meist freilich sind die Wal- dungen im Besitze des Staates, der Stiftungen oder Gemeinden. Dann sucht der Wäldler seinen und der Seinen Un- terhalt durch Holzhauen, Kohlenbrennen, Theer- und Pechgewinnung, Einsammeln von Beeren, Arzneikräutern u. dgl. Arm an Vegetation sind nur wenige Strecken in Bayern; allenthalben lohnen reiche und manchfache Erzeugnisse die Pflege und den Anbau des Bodens. Des großen Getreidereichthums, des Hopfen-, Wein- und Obstbaues, sowie der Er- trägnisse der Waldungen ist schon ge- dacht worden. Außerdem erzielt Bayern in einzelnen Gegenden, je nach Klima und Bodenbeschaffenheit: Tabak, beson- ders in der Pfalz, Oelpflanzen, Flachs und Hanf, Gemüse, Meerrettig, Süß- holz, Färbepflanzen. Wohl hat auch der Maulbeerbaum nennenswerthe Verbrei- tung gewonnen, aber ohne daß dadurch die Seidenzucht wesentlich gefördert wor- den wäre. In den sonnigen Lagen der Hardt reifen selbst süße Kastanien und Mandeln. Dieser Manchfaltigkeit des Pflan- zenwuchses stellt sich der Reichthum der Thierwelt würdig zur Seite. Die reißen- den Thiere, Wolf, Bär und Luchs, im vorigen Jahrhundert noch sehr häufig im bayerischen Wald und in den Alpen, sind nun als Standthiere ausgerottet: doch wechseln sie noch dann und wann aus Tirol und Böhmen über die baye- rischen Grenzen. In den Alpen hatte sich am längsten gehalten der Luchs, nämlich bis in die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts; im bayerischen Walde der Bär, von dessen Geschlecht noch in unserm Jahrhundert in diesem Walde an sechzig erlegt oder lebend gefangen wurden. Der letzte Bär in den Alpen wurde 1835, im bayerischen Walde 1853 erlegt; der letzte Wolf dort 1837, hier 1850. Noch
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