Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 104 —
dem Herrn von Syberg, zu dessen Tochter er eine innige Zuneigung
gefaßt hatte, gehörte. Von hier begab er sich über Altona nach
England, um hier zur Verwirklichung der Pläne, die man damals
hegte, — man wollte nämlich unser Vaterland mit Hilfe einer
englischen Landuugsarmee und eines Volksaufstandes in Westfalen
und Hessen von der Franzosenherrschaft erlösen, — beizutragen.
Als aber durch den für Preußen so traurigen Frieden von Tilsit
(1807) alle diese Bemühungen vereitelt wurden, kehrte er aus
England zurück, blieb aber mit der preußischen Regierung in ge-
heimer Verbindung und stand seinem Freunde Stein beim Werke
der Neugestaltung Preußens treu zur Seite.
Am 20. Mai 1810 schloß Viucke mit feiner geliebten Eleonore
von Syberg den Bund sürs Leben und zog mit ihr auf das ihm
von seinem Schwiegervater übergebene Gut Jekeru. Aus dem Staats-
dieuste geschieden, lebte er hier ganz wie ein Landmann. Vom
Morgen bis zum Abend war er im blauen Kittel, wie ihn der
westfälische Bauer trägt, draußen thätig, überall selbst Hand an
die Arbeit legend. Seine Gesundheit, die durch die ausreibende
Thätigkeit im Staatsdienste sehr gelitten hatte, ward durch das
Leben und Bewegen in freier, frischer Luft gestärkt und gehoben.
In seinem häuslichen Leben war er fehr glücklich; seine Eleonore
war ihm eine treue Gehilsiu bei seinen Arbeiten. Ihre Ehe ward
mit zwei Söhnen, Georg und Gisbert, gesegnet. In diesem stillen,
glücklichen Landleben vergaß Vincke aber nicht, daß sein Vaterland
unter den Leiden und Drangsalen der französischen Fremdherrschaft
seufzte. Nur im Geheimen konnte er für dasselbe wirken, und doch
war feilt Wirken nach dieser Richtung den Feinden nicht verborgen
geblieben. Mitten aus seinem glücklichen Leben heraus ward er
verhastet und nach Düsseldorf gebracht, bald aber wieder entlassen,
da man keine Beweise gegen ihn hatte.
Als aber durch die Schlacht bei Leipzig 1813 Napoleons Macht
gebrochen und seine Truppeu über den Rhein zurückgedrängt wurden,
litt es auch unsern Vincke nicht länger in der stillen Häuslichkeit;
gehörte doch sein Herz, sein Kopf und sein Leben dem Könige und
dem Vaterlande. Er ging nach Hamm, um in sein früheres Amt
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Extrahierte Personennamen: Syberg Eleonore
von_Syberg Georg Gisbert Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: Altona England Westfalen Hessen Tilsit England Düsseldorf Leipzig Rhein Hamm
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Geschlecht (WdK): koedukativ
— 110 —
die Irrenanstalt von Marsburg wurde von ihm neu organisiert.
Alles in allem, er hat den edlen Wunsch seiner Jugend: seinen
Mitmenschen so viel als möglich Gutes zu thnn, bis an sein Ende
wahr gemacht.
Ter andere große Staatsmann, Freiherr vom und zum Stein,
stammt freilich nicht aus unserer Prvviuz, aber er hat gleichfalls
die größten Verdienste um sie, hat sie später, von ihr getrennt, lieb
behalten und nach Vollendung großer Werke für Preußens Monar-
chie und das ganze deutsche Vaterland wieder aufgesucht, um
hier seine letzten Lebensjahre znzubriugeu und iu die ewige Heimat
einzugehen.
Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein wurde den
25. Oktober 1757 zu Nassau an der Lahn geboren. Sein Vater
Karl Philipp, ein Mann von festem, unbeugsamem Charakter, war
kurmainzischer Geheimrat und Kämmerer, seine Mutter eine geborne
Freiin Langwerth von Simmern. Sein Sohn, der ihm in vielem
nachartete, ließ ihm den Spruch auf den Herzog Adolf I. vou
Cleve, der auch Gras von Mark und Ravensberg war (gest. 1488),
auf das Grab setzen:
Sein Nein war Nein gewichtig;
Sein Ja war Ja vollmächtig.
Sein's Ja war er gedächtig;
Sein Grund, sein Mund einträchtig;
Sein Wort, das war sein Siegel.
Als der junge, talentvolle Freiherr wacker studiert hatte, begab
er sich im Jahre 1780 iu deu preußischen Staatsdienst.
Ta er sich für die wichtigsten Staatsgeschäfte ausbilden wollte,
so gestattete ihm der große König von Preußen, unter dem aus-
gezeichneten Minister von Heinitz thätig zu sein. In dieser treff-
lichen Schule lernte Stein gründlich und eifrig arbeiten; bald
zeichnete er sich so sehr aus, daß er zu hohen Ämtern befördert
werden konnte. Er wurde 1784 zur Leitung der westfälischen Berg-
ämter und der Mindeuscheu Bergkommission berufen und nahm
seinen Wohnsitz in Wetter an der Ruhr. Daneben wurde ihm auch
die Aufsicht über das Fabrikwefeu in der Grafschaft Mark über-
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Friedrich_Karl Heinrich Friedrich Karl Karl_Philipp Karl Philipp Adolf_I. Cleve Heinitz
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Regionen (OPAC): Westfalen
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Geschlecht (WdK): koedukativ
— 114 —
stimmung über die Geschäfte, die ich übernehmen, und über die Per-
sonen, mit denen ich verhandeln soll. Sobald ich von der Krankheil
genesen bin, reise ich zu Ew. Majestät!"
Als diese Antwort am königlichen Hofe bekannt wurde, war
Freude überall. — Die Königin Louise schrieb an ihren Vater!
„Stein kommt, und mit ihm kehrt meine Hoffnung wieder!"
Schon im September des Jahres 1807, zwei Monate nach
dem unglücklichen Frieden von Tilsit, war Stein beim Könige.
Und beide gewannen mit jedem Tage mehr Vertrauen zu einander.
Sie arbeiteten mit einander und setzten ihre ganze Kraft daran,
das Preußenland wieder stark und mächtig zu machen, damit es
dereinst das Joch der Knechtschaft abschütteln könne.
Der König erließ nun die von Stein verfaßte Verordnung,
daß die Leibeigenschaft oder Erbnnterthänigkeit der Bauern, die
bis dahin noch in vielen Teilen des Landes bestanden hatte, völlig
aufhören solle. Auch der geringste Unterthan solle frei sein und
nicht mehr mit Leib und Leben, mit Weib und Kind einem anderen
zu eigen gehören. Schon im Jahre 1808 erschien die preußische
Städteordnung. Darin war vorgeschrieben, wie es in Zukunft
mit der Verwaltung der städtischen Angelegenheiten gehalten werden
solle. Auch dieses wichtige Gesetz zeigte bald seine heilsamen Fol-
gen. Mit der Zeit ist manches an demselben geändert worden: die
Hauptbestimmungen aber sind bis auf den heutigen Tag beibe-
halten.
Noch viel Segen hätte der große Mann in der schweren Prü-
fungszeit stiften können; aber — er mußte vor den Franzosen fliehen,,
zuerst nach Wien, dann nach Petersburg. Denn er hatte an einen
Freund einen Brief geschrieben, in dem er sein Herz ausschüttete
und seiner Feindschaft gegen den fremden Unterdrücker freien Lauf
ließ. Aber der Brief fiel auf seiner weiten Reise an die mecklen-
burgische Ostseeküste ein ein französischen Marschall in die Hände.
Der sah nun zwar, daß er nicht an ihn gerichtet sei; weil er aber
wußte, daß er von Stein kam, so war er doch begierig, seinen
Inhalt zu erfahren. Und kaum hatte er ihn gelesen, so schickte
er ihn dem Kaiser Napoleon. Ter entbrannte vor Zorn. „Stein
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Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 128 —
der Braunschweiger und zog den Waffenrock eines gefallenen
Soldaten an, griff dann einige der auf dem Felde herumirrmdeni
Pferde auf und verfolgte so die Spur der Wächter seines Herrn und
befreite denselben unter dem Vorwande, ihn nach Celle bringen
zu müssen.
Trefflich war ihm seine List gelungen. In dem Dorfe Dankersen
unweit Minden lebte Jürges Vater als ein schlichter Bauer mit
seinem zweiten Sohne Hans. Seine Frau war ihm vor wenigen
Jahren gestorben, und so hatte er eine Waise, namens Margaretha,
zu sich genommen, die ihm durch ihren Fleiß und ihr fröhliches
Wesen bald fo lieb wurde, als wäre sie seine eigene Tochter. Munter
verrichtete sie des Tags über die schwersten Arbeiten und des Abends
saß sie fleißig vor dem Spinnrad und sang dazu die traulichsten
Weisen. Wohl war Hans von ihrem lieblichen Wesen entzückt und
hätte sie gern zu seiner Haussrau erwählt, aber er wagte es nicht,
diesem trefflichen Mädchen seine Liebe zu gestehen. Ter Vater hatte
die erwachende Liebe seines Sohnes längst erkannt und sich vor-
genommen, die Sache der Liebenden ins Reine zu bringen. Doch
eine heimtückische Krankheit warf ihn aufs Lager und nach wenigen
Monaten betteten ihn Sohn und Pflegetochter zur ewigen Ruhe. —
Unl diese Zeit war es, als Jürge, von dem Bischof reich mit Land
beschenkt, in sein Heimatsdorf Dankersen zurückkehrte. Durch Krieg
und Schlachten war er ein rauher Mann geworden und trieb sich am
liebsten in den Wäldern umher.
Wohl hatte er Kunde von dem Tode des Vaters erhalten, aber
den Bruder noch nicht besucht, den er haßte, da dieser stets der
Lieblingssohn der Eltern gewesen. Einst, müde von den Anstren-
gungen der Jagd heimkehrend, vernahm er aus dem elterlichen Haus
eine volle, süße Stimme. Neugierig, wer die schöne Sängerin sei,
schlich er näher und erblickte Margaretha; sie stand am Herde und
bereitete Speise für seinen Bruder. Überwältigt von ihrer Anmut
und Schönheit trat er näher, stürzte ihr zu Füßen und flehte um
ihre Liebe. Aber zürnend wies sie ihn ob dieser Zudringlichkeit von
sich. Stumm gehorchte er, indem er hoffte, später sich ihre Liebe
zu erringen. Von nun an mied er die wüsten Zechgelage seiner
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Extrahierte Personennamen: Hans Margaretha Hans Margaretha
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Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 129 —
Genossen und schlich oft träumend am Hause des Bruders vorüber,
um die Holde erspähen zu können. Sein Groll gegen Hans wuchs
jedoch täglich, er beneidete ihn, daß er die Geliebte sprechen konnte,
und Rachepläne gegen den Bruder füllten sein Inneres. Endlich
wollte er Gewißheit haben, und eines Tages in Abwesenheit seines
Bruders harrte er auf sie, bis sie in den Garten trat; hier beschwur
er Margaretha aufs neue und beteuerte ihr seine aufrichtige Liebe,
aber vergebens; ängstlich stieß sie ihn von sich, floh in das Haus
und vor dem Kruzifixe des Herrn betete sie um Erlösung von der
Zudringlichkeit des wilden Jürgens.
Als am Abend Hans heimkehrte, fand er die Geliebte in
Thränen. Sie erzählte ihm alles und bat um seinen Schutz. Nun
beichtete Hans, wie er sie seit ihrem Eintritt in das elterliche Haus
geliebt habe, aber nicht gewagt, ihr seine Liebe zu gestehen, jetzt
wolle er sie zu seiner Gattin nehmen und vor allem behüten. Ein
Blick reiner Freude strahlte bei diesen Worten aus ihren Augen und
fest umschlungen hielten sich die so Gefundenen. Doch inmitten
dieses Glücks klirrte das Fenster, Wut in dem Antlitz schrie Jürge:
„Ha, Schändliche, um des Milchbarts willen hast du mich ab-
gewiesen?! Verderben über euch, und sollte es meine Seligkeit
kosten!" —
Hans verrichtete seine Arbeit jetzt mit einem Fleiß und einer
Fröhlichkeit, die Gretchen lange nicht an ihm bemerkt hatte. Jürge
suchte wieder die wilde Gesellschaft seiner Zechgenossen auf und
ergab sich ganz der wilden Gier. Beide Brüder vermieden sich
sorgfältig, denn anch Hans fürchtete den Jähzorn seines Bruders.
So rückte der Hochzeitsmorgeu für Hans und Grete heran,
Stattlich geschmückt standen die Leiterwagen vor der Thür, um das
Brautpaar zur Kirche zu geleiten, die Burschen und Mädchen des
Dorfes folgten als Brautjungfern und Brautknechte unter fröhlichem
Lachen, und jeder freute sich über das hübsche Paar, dem das ganze
Dorf viel Liebe schenkte. Kurz vor dem Eingang des Klosters er-
schallte eine Stimme aus dem Gebüsch: „Die Rache ist reif, zwei
Fliegen auf einen Schlag!" Die Burschen wollten den Frechen
packen; doch sahen sie niemand, nur das Brautpaar ahnte den
Schulze, Heimatskunde. 9
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Extrahierte Personennamen: Hans Margaretha Hans Hans Hans Jürge Hans Hans
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Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 130 —
Störer. In der Kirche ging die Traufeierlichkeit ohne Störung
vor sich. Nach der Rückkehr war Tanz und Schmaus in Hansens
Hause und bis zum frühen Morgen ertönten die frohen Stimmen
der Hochzeitsgäste, deren Scherze bald die Wolken von der Stirn
der Neuvermählten scheuchten.
In ungetrübtem Glück verflogen die ersten Wochen dem jungen
Paare, in fröhlicher Arbeit und aufrichtiger Liebe genossen sie ihr
Leben. Tie bösen Worte des Bruders waren fast vergessen. Dieser
jedoch, wenn er nicht mit seinen Zechgenossen beisammen war, brütete
dumpfe Rachepläne. So beaufsichtigte er eiues Tages die Feldarbeit
seiner Untergebenen, und wie er so die Straße lang sah, erblickte er
plötzlich den Gegenstand seiner Rache, den ihm tötlich verhaßten
Bruder. Schnell schickte er seine Arbeiter heim, und auf die Pflug-
schaar gestützt, erwartete er die Aukunft des Bruders, der ein sröh-
liches Liedchen trällernd, mit dem Pfluge über der Schulter heim
zu seinem Weib eilte. Da ergriff der wilde Bruder seine Pflugschaar
und holte mit den Worten: „Stirb, Räuber meines Glückes!" zu
einem tötlichen Schlage aus. Erschreckt sprang Hans zur Seite und
benutzte sein Pflugschaar ebenfalls als Wehr. Nnn folgte Schlag
auf Schlag, bis beide tötlich getroffen zur Erde sanken. Ein leises
„Ich vergebe dir! — — Leb wohl, Gretchen!" aus dem Munde
des einen, ein dumpfes „Zwei Fliegen auf einen Schlag!" aus dem
Munde des andern.
Vergebens erwartete am Abend Margaretha ihren Gatten,
Stunde auf Stunde verrann, noch kehrte er nicht heim. Nichts
Gutes ahnend läuft sie hinaus in die finstere Nacht, bis sie ihren
Mann und daneben den wilden Jürge — beide in ihrem Blute
liegend — findet. Verzweifelt wirft sie sich aus den Geliebten und
suchte vergeblich, ihn mit Küssen zu erwecken. Ihr Glück war für
immer dahin, Wahnsinn nahm ihre Sinne gefangen. Täglich saß
sie auf dem Grabe ihres Mannes, den Hügel mit Waldblumen
bestreuend. Nach Verlauf eines Jahres ward sie eines Morgens
von den Nachbarn tot dort ausgefunden.
Zum Andenken an dieses gransig-romantische Ereignis erhebt
sich an der Chaussee, die von Minden nach Bückeburg führt, links
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Extrahierte Personennamen: Schmaus Hans Margaretha
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Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 133
Da kämpft das Bruderpaar in wilder Stärke,
Zwei Herzen sterben einem Streiche,
Der Blonde stürzt auf seines Bruders Leiche,
Um selbst zu sterben trüben Blicks.
Da kam das junge Weib zum Wald gegangen,
Den Gatten suchend wohl mit bangem Herzen.
Ein Schrei, — sie lacht und weint in wilden Schmerzen,
Sie kann das Grause nicht verstehn.
Der wirre Wahn hält ihren Geist befangen,
Bis man sie tot auf seinem Grab gefunden.
— Jedoch auf rotem Grund in finstren Stunden
Bewegts die Luft wie Geisterwehn.
Ilse Stach von Goltzheim.
Bischof Franz I. von Braunschweig glich mehr einem fehde-
lustigen Ritter des 12. oder 13. Jahrhunderts, als einem Kirchen-
fürsten. Kaum siebzehn Jahre alt, der Politik seines Hauses zufolge
zum Bischöfe berufen, kehrte er, nachdem er 1508 auf dem Großen
Tomhofe einen feierlichen Lehnstag gehalten, nach Braunschweig
zurück, und erst im Jahre 1511 finden wir ihn wieder in Minden,
wo er in Gegenwart seines Vaters sowie sämtlicher Prinzen und
Herzöge des Hauses Braunschweig-Lüneburg auf dem mit Stroh
bedeckten Marktplatze vierzehntägige Turnierspiele abhalten ließ. Nun
beginnt eine sortlaufende Kette der abenteuerlichsten Züge, so gegen
Hoya, Utrecht, Friesland und endlich die berüchtigte Hildesheimer
Fehde, welche das ganze Stift mit Ausnahme der Stadt in einen
Schutthaufen verwandelte und damit endete, daß der Bischof sein
Land verlassen und bis zum Jahre 1520 heimatlos in der Welt
umherirren mußte, bis er endlich durch das Eintreten seiner Brüder
in das Stift zurückkehren durfte. Die Stadt hatte seine Abwesenheit
dazu benutzt, sich gehörig zu befestigen und sich auch in der Person
des gegnerischen Herzogs von Holstein-Schauenbnrg eines Schutz-
Herrn versichert, der, als Petershagen von den heranrückenden Hildes-
heimern eingenommen und dem Erdboden gleich gemacht, einen
billigen Frieden vermittelte und Minden vor der Zerstörung be-
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Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 143 —
Schlacht. Armin fragte weiter, welche Belohnung er empfangen
habe. Ter Bruder nannte sie mit dem Stolz des echten Römlings:
Solderhöhung, die Ehrenkette, den Ehrenkranz und andere Dienst-
auszeichuungen. Da lachte Armin und rief in bitterem Hohn:
„Ei sieh doch, wie billig ist die Knechtschaft zu kaufen!" Flavus
suchte sich zu rechtfertigen; er redete von Roms Größe, von der
Macht des Kaisers; wie des trotzigen Besiegten schwere Strafe harre,
wie aber den Unterwürfigen Gnade und Freundschaft erwarte; auch
seine Gattin Thusnelda und sein Söhnchen würden übrigens nicht
feindselig behandelt. Nun aber brach bei Armin der ganze Schmerz
und Ingrimm, die ganze liebevolle Bitterkeit seiner gramschweren
Seele durch und machte sich in erschütterten Worten Luft. Er sprach
von des Vaterlandes gutem Recht, von der alten Freiheit der
Väter, von den trauten heimischen Göttern. Er sprach auch von der
lieben Mutter, die als Witwe in seinem Hofe faß und deren Thränen
noch immer um den ungetreuen Sohn flössen. Er beschwor den Ab-
trünnigen, um der Mutter willen möge er doch nicht sein Haus,
die Blutsfreunde, die treuen Mannen, ja den ganzen Stamm ver-
lassen und schnöde verraten, deren Fürst und Herr er von Rechts
wegen sein sollte. Der Römling blieb gewiß nicht nngetroffen von
so ungestüm-herzlicher Rede. Aber er hatte nicht die Kraft, die
unwürdigen Ketten, die ihn fesselten, abzuwerfen; er barg die Be-
schämung hinter heftigen Worten. Da schleuderte ihm Armin die
peinlichste Kränkung zu, beide gerieten in leidenschaftliche Wut.
Hätte nicht der Strom sie getrennt, sie wären handgemein geworden.
Schon rief Flavus in heftigem Zorn nach seinem Roß und seinen
Waffen. Einer seiner römischen Freunde eilte herbei und hielt ihn
zurück. Armin aber streckte drohend den Arm empor und kündigte
in lateinischen Worten eine Schlacht an, so daß die Römer die An-
sage verstanden.
Am folgenden Tage setzte Germanicus, vom Feinde ungehindert,
auf das rechte Weserufer hinüber und schlug hier ein Lager auf.
Es kam für heute nur zu kleinen Reitergefechten, in denen die
batavischen Hülfstruppen der Römer schwere Verluste erlitten. Durch
einen Überläufer erfuhr der Feldherr, an welchem Orte Armin die
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Extrahierte Personennamen: Armin Armin Armin Armin Germanicus Armin
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— 157 —
Arm segnend und schützend erhoben ist. Tas unbedeckte Haupt des
Herrschers ist mit einem Lorbeerreise geschmückt; die Spitze des
ganzen Denkmals aber ziert die Kaiserkrone.
Wandern wir den Kamm des Wiehengebirges weiter westlich,
so stoßen wir auf einen Turm, der 1828 erbaut, auf seiner Höhe
von vielen Treppenstufen uns einen gar schönen Ausblick nach
Süden in das schöne Weserthal, nach Norden in die Ebene mit ihren
gesegneten Fluren bis Minden und darüber hinaus, nach beiden
Seiten auf den bewaldeten vielfach durchschnittenen Gebirgszug im
Osten und Westen mit seinen Abhängen bietet. Von dort aus
erreichen wir bald die Margarethenklns, so genannt von einem
durch eine sromme Frau vom Wedigensteins, einem Gehöfte
am südlichen Fuße des Berges, gegründeten und der im Weser-
gebirge und in dem Teutoburger Walde besonders verehrten heiligen
Margaretha geweihten Einsiedelei, wo die Stifterin mit Gleich-
gesinnten nach der Regel des Benediktns lebte. Bischof Milo von
Minden baute daraus ein Frauenkloster, das die Nonnen aber
verließen, um das Fräuleinstift zu St. Marien in Minden zu
gründen. Auf der Hochfläche des Berges erinnert nur noch eine
kleine Kapelle an das Kloster. Diese trägt den Namen Wittekinds,
wie auch der nahe Quell, den der Huf seines Rosses geschlagen
haben soll und wohin man auch, ebenso fälschlich, seine Taufe verlegt.
Immer nach Westen weiter wandernd, stoßen wir auf das kleine
Bergkirchen, dessen alte Kirche, weithin sichtbar, an der Stelle
liegt, wo die Einsattelung des Gebirges nach Süden und Norden
abfällt. Die Kirche ist zwar nicht, wie die Überlieferung will, vom
Papst Leo Iii. 809 eingeweiht, aber doch ein alter Bau, dessen Süd-
seite die Jahreszahl 1346 trägt, während die Nordseite aus dem
Jahre 1752 stammt.
Am Fuße der Höhe entspringt eine Quelle, welche wie die auf
der Margarethenklus mit Wittekind in Verbindung gebracht wird
und mit größerer Wahrscheinlichkeit als bei der andern.
An einem heißen Sommertage ritt der Herzog Wittekind, der
auch. König Weking genannt wird, über die Anhöhe bei Lübbecke,
auf der jetzt das Dorf Bergkirchen liegt. Es war nm die Zeit,
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
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Minden Leo_Iii Leo
Extrahierte Ortsnamen: Minden Weser- Margarethenklus Dorf_Bergkirchen
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Geschlecht (WdK): koedukativ
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Leute zu der rechten Lehre zu bringen." — „Hättest ihn totschießen
sollen!" unterbrach ihn der finstere Albion. „Nein," erwiderte
Berthulf, „so Schlimmes kam mir nicht in den Sinn; aber das
muß ich mit Schmerzen bekennen: ich gab unvernünftiger Weise
dem frommen Manne Schuld daran, daß mir den ganzen Tag noch
kein Wild vor den Schuß gekommen war. „Hegenmeister," sagte ich,
spannte die Armbrust und hielt sie auf seinen rechten Arm, „Hab'
ich heute noch nichts geschossen, so will ich doch dich schießen, und
du sollst deine Zauberzeichen ein wenig unbehülslicher machen als
bisher." Damit schwirrte die Sehne, und der Pfeil saß unter dem
Ellbogen fest. Der Priester zuckte schmerzhaft zusammen und hielt
sich die verwundete Stelle, aus der viel Blut floß; zugleich aber sah
er mich freundlich an und sagte: „Mein Sohn, da unten im Felsen-
grnnd steht ein schöner Hirsch. Wenn du heute ungünstige Jagd
gehalten hast, hilft dir der wohl wieder zu deinem Schaden." Ich,
in der Meinung, er wolle mich mit einem Zauberblendwerk zum
besten haben, eile dahin, ihm zu zeigen, daß sich ein Sachse nie--
mals fürchtet. Aber der Hirsch steht wirklich da; ich erlege ihn,
und als ich mit der Beute zurückkomme, finde ich den Priester
blutend in das Gras gesunken. Doch freundlich mich anlächelnd,
spricht er: „Siehst du, mein Sohn? Nun hast du ja doch einen
guten Fang gethan; das freut mich sehr." Diese Worte brachen
mir das Herz, ich fühlte mein Unrecht, trug den frommen Mann in
meine Hütte, heilte ihm den Arm, und er mir die Seele, und als
ich einige Jahre darauf meine Frau heiratete, half ich ihr auf den
rechten Weg. Die Kinder haben wir natürlich in der Furcht und
Liebe unseres treuen Heilandes auferzogen. Nun richtet über mich!
Ich aber bitte Gott, daß er euch auch zu seiner Gnade helfe durch
Jefum Christum." — Widnkind, der nachdenklich zugehört hatte,
stand jetzt aus, reichte der Hausfrau und den beiden Kindern die
Hand und sprach: „Lebet in Frieden!" Zu Berthulf aber wendete
er sich mit den Worten: „An deinem Glauben muß etwas Wahres
sein, aber wir haben keine Zeit, darüber nachzusinnen. Wir eilen
nach meiner Burg Babilouie, des Rastens ist genug, führe uns
durch den Wald auf Wegen, die kein Franke weiß!" Berthulf sprach:
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