Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. IV

1900 - Minden i. W. : Volkening
— Iv — im Herzen: „In der Heimat ist es schön" und empfiehlt sich immer mehr das Wort des großen Menschenkenners: „Wer seine Heimat nicht liebt, die er sieht, wie kann er die Welt lieben, die er nicht sieht". Warum auch in die Ferne schweifen, da das Gute so nahe liegt? Es giebt nichts Unglückseligeres, Lästigeres, als ein Wissen, das vermeint, sich traumartig über das Leben erheben zu dürfen, das vom Boden der wirklichen Verhältnisse sich loslöst und den Menschen rat- und hilflos zurückläßt. Die Heimatskunde, wie sie der natürlichen Liebe und Anhänglichkeit entspricht, läßt die besondern Verhältnisse, in die man hineinversetzt ist, und unter denen man nicht als Zuschauer, sondern auch mitthätig leben soll, erfassen und würdigen. Sie trägt nicht wenig dazu bei, daß ein jeder sich wohl und heimisch auf seinem Fleck Erde und unter seinem Volke fühlt. Der Lehrerschaft Westfalens entbiete ich besondern Gruß. Es bleibt unvergessen, was gerade sie zur Förderung der Heimatskuude, durch Forschung, Verkehr mit Land und Leuten, durch Schrift- stellerei und Unterricht bisher Erfreuliches für Jugend und Volk geleistet hat. Demnach hege ich den Wunsch, daß die vorliegende Schrift unseren Lehrern nicht unbekannt und unbeachtet bleibe, sondern fleißig ausgenutzt werde zum Zusammenschluß, zur Er- Weiterung und Vertiefung ihres eigenen Wissens, zur noch gründ- licheren Unterrichtserteilung für die Jugend und zur fesselnden Belehrung im Umgange mit den Erwachsenen, sowie damit sie sich in ihrer Heimat um so befriedigter fühlen und von ihren Lands- leuten um so freudiger als die Ihrigen anerkannt, geehrt und geliebt werden. Minden, 13. Juli 1900. Der Verfasser.

2. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 31

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 31 — männlichen Linie ausgestorben waren. Daneben erkaufte Friedrich I. fünf Jahre später (1707) die Grafschaft Tecklenburg, um derer willen die Grafen von Bentheim und von Solms lange Zeit mit einander im Streite gelegen hatten. Als zu Anfang nnfers Jahr- Hunderts durch den Frieden zu Luneville (1801) alles Land auf der linken Rheinseite an Frankreich fiel, wurde auch der König Friedrich Wilhelm Iii. von Preußen für die erlittenen Verluste durch die Gebiete mancher geistlichen Fürsten entschädigt, deren weltliche Herrschaft gänzlich aufhören sollte. Damals (1803) kam von westfälischen Ländern das Bistum Paderborn als ein weltliches Fürstentum an Preußen, ebenso die östliche Hälfte des Bistums Münster mit der Hauptstadt und die Abteien Cappenberg und Herford. Die westliche Hälfte des Bistums (mit den Städten Bo- cholt, Ahaus, Koesfeld :c.) wurde unter verschiedene Fürsten ver- teilt, welche jenseit des Rheines ansässig gewesen waren, nämlich unter die Herzöge von Arenberg (die außerdem die ehemalige köl- nische Grafschaft Recklinghausen empfingen), Croy, Looz-Corswaren, die Wild- und Rheingrafen und die Fürsten von Salm. In dem unglücklichen Kriege von 1806 und 7, welcher durch den Frieden zu Tilsit beendet wurde, verlor der König alle seine Besitzungen in Westfalen, und Napoleon benutzte dieselben zur Bildung des Königreichs Westfalen und des Großherzogtnms Berg für seinen Bruder Hieronymus und seinen Schwager Joachim Mnrat, welch letzterer indessen schon bald daraus zum König von Neapel erhoben wurde. In dem Frieden zu Tilsit, den 9. Juli 1807, nach den blutigen Schlachten bei Preußisch-Eylau, den 8. Februar, und Friedland, den 14. Juni, mußte Friedrich Wilhelm Iii. die Hälfte seiner Länder an den siegreichen Kaiser der Franzosen, Napoleon, abtreten. Der König sah den Glanz seiner Krone erbleichen, aber der Glaube, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen, gab ihm Mut und Zuversicht auf den höchsten Hort, der Trübsal sendet denen, die er lieb hat. Dieser Glaube bewährte an ihm seine Kraft. Er schied, wenn auch mit blutendem Herzen, wie ein Vater von seinen Kindern. Das Abschiedsschreiben, das er an die Bewohner

3. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 41

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 41 — Seutius Saturninus, war es gelungen, die Deutschen mit der römischen Oberhoheit zu befreunden. Der Germane lernte die Reize des feinen römischen Lebens schätzen, die Fürsten bewunderten die glatten Manieren der gebildeten Gesellschaft, den Geist der Ordnung im Staate, die Überlegenheit römischer Art und Kunst. Und die Römer verstanden es, andere Nationen zu blenden und zu locken. Germanische Jünglinge von hohem Stande drängten sich zum Kriegs- dienst in den Legionen und trugen stolz den fremden Waffenschmuck; selbst Fürsten fühlten sich geschmeichelt, wenn ihnen der Senat das Bürgerrecht oder der Kaiser eine militärische Auszeichnung verlieh. Aber wenn es auch schien, als sollte die deutsche Volksart der Herr- schaft und Sprache, dem Rechte und der Sitte der Römer den Platz räumen, so war doch in Germanien Freiheits- und Vaterlandsliebe noch nicht erstorben. Es kam ein neuer Statthalter, Quinctilius Varus, der zwar weder böse noch hartherzig war, aber, weil er es auf seinem vorigen neunjährigen Statthalterposten in Syrien nur mit sklavisch Gesinnten zu thun gehabt hatte, auch in Deutschland sein Ansehen in herrischer Weise geltend zu machen strebte und bei der Befriedigung seiner Habsucht keine Grenzen kannte. Als derselbe daher schwere Abgaben forderte, an die Stelle der altheimischen Schiedsgerichte und der freien Gauverfassung die verwickelte römische Rechtspflege einführte, die prozeßführenden Parteien vor römischen Richtern durch römische Sachverwalter in römischer Sprache ver- treten ließ und über freie deutsche Männer die Strafe der Nuten und des Beils verhängte: da fühlte das Volk seine Schmach, und am tiefsten Segimer's Sohn, Armin, ein Fürst der Cherusker, der sich srüher im römischen Kriegsdienste das römische Bürgerrecht und die römische Ritterwürde erworben, dabei aber auch die Unter- drücknngskünste der Römer hassen gelernt hatte. Erbittert über die Herrschaft fremden Rechts und fremder Sitte, schloß Armin mit andern cheruskifcheu Fürsten, sowie mit den Fürsten der Marser, Brukterer und Katten einen geheimen Bund gegen die Unterdrücker, und ebenso rasch zur That als erfinderisch« im Rat, entwarf er einen auf das thörichte Selbstvertrauen und die Sorglosigkeit des Varus berechneten Aufstands- und Überfallsplan,

4. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 88

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 88 — das heimliche Gericht in stiller Nacht in Felsenhöhlen und unter- irdischen Gewölben abgehalten werde. Wenn jemand bei dem Freigerichte verklagt war, so wurde er durch den Ladebries mit sieben Siegeln vorgeladen; war er ein Ritter, der aus seiner Burg wohnte, so hefteten die Fronboren die Ladung des Nachts au das Burgthor und schlugen dreimal gegen das Thor, so daß der Klang durch die stille Nacht iu das Ohr des Ver- brechers drang. Erschien der Angeklagte aus die Ladung, so wurde er in den Kreis der Richter geführt und die Klage ihm vorgehalten; wenn er unschuldig war, konnte er sich mit dem Reiniguugseide frei schwören. Mußte er seine Schuld bekennen, oder wurde er durch den Eid des Klägers und seiner Zeugen übersührt, so wurde das Urteil gesprochen und auf der Stelle vollzogen. Lautete es auf Todesstrafe, so wurde der Verurteilte sofort au den nächsten Banm gehenkt. Gelindere Strafen waren Landesverweisung und Geld- strafe. Kam der Angeklagte auf dreimalige Ladung nicht, so hatte er seine Schuld auerkauut; es wurde die Feme, die Acht, gegen ihn ausgesprochen, und er war jetzt ein Rechtloser, den die Strafe früh oder spät erreichte. Jeder Freischöffe, dem der Spruch des Gerichtes kund gethau wurde, war verpflichtet, die Strafe an dem Verurteilten vollstrecken zu helfen. Lange Zeit hielt die Furcht vor diesen Gerichten manchen von bösen Thaten zurück. Nachher aber artete das Gericht aus; schlechte Menschen drängten sich hinein und verübten unter seinem Deck- mantel grausame Handlungen gegen Unschuldige. Es verbreitete sich eiu allgemeiner Haß gegen die Femgerichte; Fürsten, Ritter und Städte schlössen Bündnisse gegen sie, und endlich wurden sie durch den ewigen Landfrieden Kaiser Maximilians I. im Jahre 1495 aufgehoben. Das westfälische Brot. Tie Lebensweise des Landvolkes im nördlichen Westfalen ist durchaus nicht so ärmlich, wie man anderswo glauben machen will. Viele Bauern in Mittel- und Süddentschland würden sicherlich die

5. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 60

1900 - Minden i. W. : Volkening
offenen Felde. In dieser ersten offenen Feldschlacht wurde mit großer Erbitterung gekämpft; nur mit Mühe hielt Karl stand; er wurde so geschwächt, daß er sich nach dem nahen Paderborn zurückziehen mußte, um Verstärkungen zu erhalten. Nochmals stellten sich ihm die Sachsen zur offenen Schlacht unter Wittekinds Führung an der Hase unweit Osnabrücks. Die Franken hatten den Vorteil größerer Kriegserfahrung und besserer Bewaffnung; denn viele von ihnen waren mit eisernen Helmen und Panzern bewaffnet. Bei den Sachsen war dies nur den Vornehmen gestattet; denn ihr Land war nicht reich an Eisen. Aber mehr als aus Eisen vertrauten sie auf ihre Sache und auf ihre Liebe zum Vaterlande. Sechstausend Sachsen lagen erschlagen, da flohen die übrigen. Karl marschierte über die Weser zur Elbe und kehrte dann nach völliger Unterwerfung der Sachsen nach Worms zurück. Aber trotz der harten Schläge herrschte noch nicht Ruhe bei den Sachsen. 784 wagten sie nochmals, unterstützt von den Friesen, den Widerstand, durch Westfalen in der Richtung zur Weser. Karl zog Huckulbi zu (entweder Huckele oder Hockele, dem jetzigen Petershagen a. d. Weser, Regbz, Minden, oder das alte Okuln, später Oyel in der Grafschaft Hoya, Negbz. Hannover), ging jedoch nicht über die Weser, souderu, gehindert durch die Überschwemmungen, wandte er sich südwärts und ging von Thüringen aus gegen Ostsachsen (Ostsalen) vor. Von Worms ans mußte er dann in demselben Jahre nochmals ein Heer nach Westfalen führen, weil sein Sohn Karl sie nicht völlig hatte unter- werfen können, und kam bis Rehme am Zusammenfluß der Weser und Waharra (Werre). Wieder hinderten die Überschwemmungen und die Jahreszeit. Er zog nach Eresburg zum Uberwintern und machte von da aus verheerende Einfälle in die Umgegend im folgenden Frühjahre. Im Juni wurden dann auf dem zweiten Reichstage zu Paderboru strengste Gesetze, dem drakonischen gleich- artig, festgesetzt. Auf jedes Vergehen gegen Karls Anordnung stand die Todesstrafe. Dann durchzog er, ohne Widerstand zu finden, ganz Sachsen, gelangte nach Dersia und zerstörte die Befestigungen jenseits der Weser. Wittekind und Albion, am Widerstande der- zweifelnd, und, wie es scheint, von Karl freundlich gelockt und geladen.

6. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 339

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 339 — beendet hatte. Seine letzten Worte waren: „Jesu, dir leb' ich- Jesu, dir sterb' ich!" Auf dem Hofe des Priester-Seminars zu Münster ist ihm ein Denkmal errichtet, von dem Schullehrer-Se- miuar zu Warendorf ein zweites; kostbarer aber als beide ist das, welches mit unvergänglichen Zügen in den Herzen aller derer steht, die ihn kannten, denen er ein Vater und Wohlthäter ge- Wesen ist. Auch muß es hier wenigstens noch angedeutet werden, ein wie hohes geistiges und geistliches Regen und Streben damals herrschte, als die Fürstin Gallitzin mit Franz von Fürstenberg und Overberg, mit Hamann und Leopold von Stolberg in Münster zusam- menlebte. Die Fürstin Amalie, Tochter des Feldmarschalls von Schmettau zu Berlin, geboren 1748 daselbst, Gemahlin des russischen Fürsten Gallitzin, Gesandten im Haag, eine hochgebildete Frau, die Freundin des großen Gelehrten und Plato-Kenners Hemsterhuis, hielt sich von ihrem Manne getrennt, aber nicht geschieden, der Er- ziehung ihrer Kinder und ihrer geistigen und christlichen Vervoll- kommnung hingegeben, bis 1806 in Münster und ihrem Landgute Angelmodde auf. Dort erhielt sie ein bezeichnendes Grabmal (s. Landkreis Münster). Mit dem christlichen Philosophen, dem Magus des Nordens, dem bibelgläubigen, lutherischen Georg Ha- mann aus Königsberg, den sie nach Münster eingeladen hatte, wo er seinen Freund Buchholz auf dem nahen Gute Walberge be- suchte, verband sie, die Katholikin, die Sehnsucht, von ihm geistliche und sittliche Förderung zu gewinnen. Sie ließ ihn, als er am 21. Juni 1788 starb, in ihrem Garten begraben und setzte ihm ein Denkmal mit einer von Hemsterhuis gezeichneten Urne, dem Bibel- spruche 1. Kor. 1, 27 und den Worten: Johann Georg Hamann, dem christlichen Manne, in lateinischer Sprache. Graf Leopold Stolberg, der lutherische Konsistorialdirektor und Regierungspräsident zu Eutin und romantische Dichter, eine tief- religiöse, aber schwärmerische Natur, lebte zu jener Zeit in Münster und trat dort am 1. Pfingsttage 1. Juni 1800 in der Hofkapelle der Fürstin mit seiner Frau und seinen Kindern, ausschließlich der ältesten Tochter Marie Agnes, die mit ihrem Vetter Ferdinand 22*

7. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 326

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 326 — Zur Zeit der Reformation nämlich standen tolle Schwärm- geister ans, eiferten gegen die Kindertaufe, gegen alle Ordnung und Sittenzncht, wollten keine Festtage, keine Sakramente, kein Predigt- amt mehr, verbrannten selbst die heilige Schrift, weil sie meinten, sie hätten selber den heiligen Geist, lebten aber in schändlichen Lüsten und wollten das alles durch das falsch verstandene Evangelium verteidigen. Solche Schwärmer durchwanderten als Apostel die Länder, weissagten die Umwandlung aller Dinge, das Erschlagen aller Erstgeburt Aegyptens und den Beginn eines seligen Lebens der Auserwählten in dem Königreiche Christi ohne Gesetze, ohne Obrigkeit, ohne Ehe, in Genuß und Überfluß. Nun war in Münster die Reformation seit 1524 unter mancherlei Wirren und Kämpfen durchgeführt worden, wobei sich besonders der beredte Bernhard Rottmann als Prediger an der Lambertnskirche hervorgethan, dann aber seinen guten Ruf verloren hatte und mit dem Rate der Stadt in bitterem Streite lag. Münster ward von Wiedertäufern nament- lich aus Holland fleißig heinigesucht, und Rottmann suchte sein Ansehen zu heben und zu stützen, indem er sich den schwärmerischen falschen Propheten anschloß. Bald kamen nun auch in den ersten Tagen des Jahres 1534 der wiedertäuferische Prophet Johann Matthiefen, ein Bäcker aus Haarlem, und Johann Bockhold oder Bockelsohn, ein Schneider aus Leyden, einer seiner zwölf Apostel. Bei einem wohlhabenden, aber unruhigen Bürger, Knipperdolling, fanden sie Herberge. Ihre Anhänger vermehrten sich mit jedem Tage. Des Abends erschienen sie auf den Straßen, zuweilen nackt, und riefen: „Thnt Buße, das Himmelreich ist nahe; lasset euch umtaufen, sonst kommt der Zorn Gottes über euch!" Sie gaben vor, sie sähen am Himmel Reiter mit blankem Schwert auf weißem Roß, Männer mit goldenen Kronen auf den Häuptern; Schneider- und Schlofsergesellcu standen auf und predigten, Jungfrauen riefen Wehe über die Gottlosen. Bald wäre es zu einem Kampfe zwischen den Wiedertäufern auf der einen Seite und dem Rate samt den trengebliebenen Bürgern auf der anderen Seite gekommen, aber leider ging der damals noch mächtige Rat aus eiuen Vergleich ein. Die menschlichen und göttlichen Gesetzen zuwiderlaufende Schonung

8. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 327

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 327 — der Aufrührer trug bittere Früchte. Von Stund an mehrte sich ihre Zahl; von allen Gegenden lief, wer gleichen Sinnes war, herzu, Männer ohne ihre Weiber, Weiber ohne ihre Männer, auch ganze Familien. Bei der neuen Ratswahl gewannen sie die Oberhand, besetzten alle Ämter in der Stadt mit ihren Leuten und wählten Knipperdolling zum Bürgermeister. Bewaffnet kamen sie auf dem Rathause zusammen. Eine Weile lagen sie betend in tiefster Stille auf den Knieen; auf einen ihrer Propheten schien ein tiefer Schlaf gefallen zu sein; plötzlich fuhr er auf und rief: „Hinweg mit den Kindern Efaus! Die Erbschaft gehört den Kindern Jakobs!" Die andern verstanden ihn, rannten durch die Straßen und schrieen: „Heraus, ihr Gottlosen!" Es war ein stürmischer Wintertag, tief lag der Schnee, naß fielen die Flocken vom Himmel. Hochbetagte Leute, die schon lange nicht mehr weiter als aus dem Bette auf den Lehnstuhl gekommen waren, Mütter, ein Kind auf dem Arme, wie sie es aus dem Schlafe gerissen, ein Knäblein ohne Schuhe an der Hand, stießen sie hinaus in das Unwetter. So ging es allen, die bei ihrer ersten Taufe verharrten. Nun teilten sie die eingenommene Stadt und machten sich in den Häusern breit, wie der Sperling in dem fremden Neste. Das bewegliche Gut der Ver- triebeueu schafften sie auf das Rathaus, und der Prophet Matthiefen bestimmte sieben Diener, welche den Gläubigen nach eines jeden Notdurft davon verabreichen sollten. Da nahte der Rächer. Der Bischof von Münster schloß die Stadt mit Heeresmacht ein. Drin aber wnrd's immer toller. Viele Kunstwerke wurden zur Ehre Gottes verbrannt, desgleichen alle Schriften, außer der Bibel, die man freilich durch wahnwitzige Aus- legung noch mehr entheiligte als durchs Feuer. Auch die Gläu- bigeu mußten ihre Kostbarkeiten bei Todesstrafe zusammentragen aufs Rathaus. Bei einem Ausfalle, den Matthiefen an der Spitze einer kleinen Schar machte, um wie Gideon die Feinde zu schlagen, fiel er und fand seinen verdienten Lohn. An seine Stelle trat nun Bockelsohn. Er trat bald mit der Behauptung auf, es müsse einem Manne jetzt ebenso erlaubt sein, wie zur Zeit des alten Bundes, daß er mehrere Weiber habe. Gegen diese schandbare Neuerung

9. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 416

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 416 — und Ausdehnung des uralten Bauwerkes. Nur das Ein- gangsthor im Norden ist noch unversehrt erhalten. Der Bogen desselben trägt die Wappenschilder der mit dem gräflich Tecklen- burger Dynastenhause verwandten Geschlechter: Sachsen, Hessen, Brandenburg, Schwerin, Barby, Anhalt, Psalz-Bayern, Bentheim, Neuenahr. Besteigen wir nunmehr den 810 Fuß hoch gelegenen Aussichtsturm, der auf den alten Trümmern inmitten des inneren Platzes sich erhebt. Eine Tafel oberhalb der Eingangsthür belehrt uns, daß derselbe dem Andenken des unerschrockenen Streiters wider die Hexenverbrennungen, Dr. Johann Wier, geb. 1516 zu Grave in Nordbrabant, gewidmet ist. Er war es, der in seiner berühmten Schrift: „Über die Spuren der bösen Geister," gegen die grau- samen, auf dem Boden der Unwissenheit und des finsteren Aberglaubens hervorgesprossenen Hexenprozesse zu Felde zog. Aber sein mahnendes Wort fand keinen freudigen Wieder- hall in den Herzen des wahnbefangenen deutschen Volkes. Schou winkte ihm der Scheiterhaufen, der dem Fluge seines Geistes durch schnelle Umwandlung seines Körpers in Staub und Asche ein Ziel setzen sollte, da fand er eben zur rechten Zeit noch Unter- schlupf und Sicherheit hinter den befestigten Mauern des Schlosses zu Tecklenburg. Hier starb er, verkannt und nur von wenigen, die ihn kannten, geachtet, im Jahre 1588. Seine Gebeine fanden eine Ruhestatt in der Hauptkirche des Städtchens; sein Werk aber lebt fort und weckte in späteren Tagen die Geister zum siegreichen Kampfe gegen den entsetzlichen Aberglauben. Von der Plattform des 42 Fuß hohen Turmes breitet sich ein großes Stück der sagenumwobenen roten Erde vor unseren Blicken aus. Nach Süden gewendet überschauen wir das flache Münsterland mit seinen sorgsam gepflegten Ackerfeldern und Wiesen- fluren, seinen regsamen Städten und Dörfern und stillen, ein- tönigen Heideflächen. In vornehmer, majestätischer Ruhe liegt das Land, einem bunt gemusterten Teppich gleich, vor uns, und diese Eigenschaft scheint es auch auf die Bewohner übertragen zu haben, oder wenn wir eine umgekehrte Deutung wollen: die Bewohner haben sich in ihrem Charakter der Eigen-

10. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 98

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 98 — hervorragend, Ausgezeichnetes durch ihre Persönlichkeit und Tüchtig- keit gewirkt haben. Einige von ihnen, deren Leistungen auf einen, enger umschlossenen Gebiete liegen, werden bei den einzelnen Teilen der Provinz Erwähnung finden. Zwei aber, die durch ganz West- falen schalteten und walteten und in ihm wohl nirgends ungenannt und unbekannt geblieben sind, dürfen wir schon hier nicht übergehen. Vor allem gilt's dem alten Vincke, wie ihn das Volk nannte, der, in Westfalen geboren und als Oberpräsident gestorben, während eines fünfzigjährigen Staatsdienstes vierzig Jahre in der Heimat- Provinz ihr zum Segen und zur Wohlfahrt thätig gewesen ist. Freiherr Friedrich Ludwig von Vincke ward am 23. Dezember 1774 in Minden geboren. Seine Familie gehörte zu den ältesten adeligen Familien Westfalens und war im Mindenschen, Ravens- bergschen und Osnabrückschen wohl begütert. Der Name „Vincke" hatte in Westfalen von jeher einen guten Klang. Mancher Träger desselben hatte im Lande hohe Ehrenstellen inne gehabt; alle hatten durch ihr Wirken gezeigt, daß sie „für uufer Volk ein Herz" be- saßen. Der Vater hatte unter den Fahnen Friedrichs des Großen gekämpft und sich auch später, als er der Kriegslaufbahn entsagte, die Huld des großen Preußenkönigs bewahrt; denn so oft der alte Fritz Minden besuchte, stets wohnte er im Vinckefchen Hause. Die Mutter war eine vortreffliche Frau, die dem Hauswesen wohl vor- stand und ihren Kiudern eine treue, fromme Mutter war. Von ihr heißt es: „Vor allem aber erfüllte sie die höchste Aufgabe der Frauen, indem sie durch ihr eigenes Beispiel und Wirken den Keim tieser, ungehenchefter Frömmigkeit und warmen Mitgefühls für fremde Not in die Herzen ihrer Kinder legte, welcher zur schönen Frucht festen und unerschütterlichen Gottvertrauens und echt christ- licher Nächstenliebe erwachsen, diese alle unter deu Wechselfällen mannigfach bewegten Lebens bis ans Ende desselben begleitete." Sie ist deshalb auch von großem Einflüsse auf ihren Ludwig gewesen. Tie von Vinckefche Familie war mit zehn Kindern gesegnet, von denen aber drei früh starben. Unter den sieben überlebenden war Ludwig der dritte Sohn. Seine Brüder traten früh in den Heeresdienst, für deu er jedoch keine Neigung hegte und auch nicht
   bis 10 von 53 weiter»  »»
53 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 53 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 0
1 2
2 4
3 1
4 0
5 5
6 0
7 4
8 7
9 1
10 29
11 0
12 2
13 0
14 0
15 0
16 0
17 0
18 0
19 0
20 0
21 0
22 0
23 0
24 0
25 1
26 6
27 3
28 4
29 2
30 0
31 1
32 0
33 2
34 2
35 1
36 8
37 32
38 4
39 7
40 0
41 0
42 0
43 0
44 0
45 9
46 3
47 4
48 3
49 0

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 0
1 5
2 0
3 3
4 3
5 0
6 0
7 1
8 1
9 2
10 0
11 0
12 0
13 3
14 0
15 0
16 5
17 37
18 0
19 3
20 0
21 4
22 0
23 8
24 0
25 0
26 4
27 0
28 1
29 3
30 0
31 0
32 0
33 0
34 1
35 1
36 9
37 8
38 4
39 3
40 1
41 6
42 1
43 0
44 3
45 2
46 1
47 0
48 0
49 1
50 0
51 1
52 4
53 0
54 4
55 0
56 0
57 9
58 2
59 3
60 0
61 0
62 0
63 0
64 0
65 2
66 0
67 0
68 8
69 7
70 2
71 6
72 5
73 4
74 2
75 1
76 2
77 9
78 0
79 1
80 0
81 0
82 4
83 2
84 0
85 2
86 0
87 4
88 1
89 0
90 0
91 0
92 15
93 0
94 12
95 0
96 2
97 0
98 18
99 0

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 72
1 27
2 8
3 9
4 0
5 6
6 54
7 1
8 0
9 14
10 47
11 12
12 37
13 35
14 92
15 0
16 1
17 7
18 24
19 4
20 0
21 18
22 0
23 0
24 12
25 92
26 12
27 0
28 5
29 6
30 23
31 2
32 19
33 106
34 9
35 11
36 4
37 0
38 90
39 31
40 37
41 9
42 9
43 21
44 45
45 1
46 4
47 7
48 1
49 1
50 56
51 72
52 13
53 0
54 2
55 14
56 31
57 1
58 7
59 84
60 3
61 11
62 14
63 2
64 13
65 31
66 359
67 0
68 5
69 0
70 0
71 8
72 95
73 0
74 0
75 17
76 0
77 2
78 3
79 3
80 14
81 239
82 7
83 2
84 1
85 0
86 0
87 0
88 1
89 41
90 0
91 14
92 1
93 1
94 37
95 12
96 0
97 67
98 1
99 24
100 100
101 0
102 75
103 4
104 0
105 11
106 42
107 22
108 0
109 1
110 2
111 10
112 25
113 2
114 18
115 1
116 27
117 0
118 1
119 27
120 4
121 59
122 4
123 18
124 12
125 17
126 0
127 12
128 0
129 2
130 0
131 39
132 4
133 70
134 0
135 1
136 19
137 1
138 0
139 7
140 26
141 0
142 155
143 28
144 49
145 9
146 0
147 0
148 0
149 0
150 5
151 18
152 21
153 0
154 15
155 19
156 37
157 28
158 1
159 1
160 0
161 3
162 0
163 0
164 2
165 10
166 12
167 4
168 11
169 18
170 20
171 17
172 7
173 7
174 7
175 58
176 0
177 35
178 0
179 26
180 5
181 0
182 14
183 64
184 0
185 1
186 0
187 10
188 47
189 2
190 0
191 14
192 2
193 10
194 3
195 2
196 42
197 1
198 12
199 19