Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— Iv —
im Herzen: „In der Heimat ist es schön" und empfiehlt sich
immer mehr das Wort des großen Menschenkenners: „Wer seine
Heimat nicht liebt, die er sieht, wie kann er die Welt lieben, die
er nicht sieht". Warum auch in die Ferne schweifen, da das Gute
so nahe liegt? Es giebt nichts Unglückseligeres, Lästigeres, als
ein Wissen, das vermeint, sich traumartig über das Leben erheben
zu dürfen, das vom Boden der wirklichen Verhältnisse sich loslöst
und den Menschen rat- und hilflos zurückläßt. Die Heimatskunde,
wie sie der natürlichen Liebe und Anhänglichkeit entspricht, läßt
die besondern Verhältnisse, in die man hineinversetzt ist, und unter
denen man nicht als Zuschauer, sondern auch mitthätig leben soll,
erfassen und würdigen. Sie trägt nicht wenig dazu bei, daß ein
jeder sich wohl und heimisch auf seinem Fleck Erde und unter seinem
Volke fühlt.
Der Lehrerschaft Westfalens entbiete ich besondern Gruß. Es
bleibt unvergessen, was gerade sie zur Förderung der Heimatskuude,
durch Forschung, Verkehr mit Land und Leuten, durch Schrift-
stellerei und Unterricht bisher Erfreuliches für Jugend und Volk
geleistet hat. Demnach hege ich den Wunsch, daß die vorliegende
Schrift unseren Lehrern nicht unbekannt und unbeachtet bleibe,
sondern fleißig ausgenutzt werde zum Zusammenschluß, zur Er-
Weiterung und Vertiefung ihres eigenen Wissens, zur noch gründ-
licheren Unterrichtserteilung für die Jugend und zur fesselnden
Belehrung im Umgange mit den Erwachsenen, sowie damit sie
sich in ihrer Heimat um so befriedigter fühlen und von ihren Lands-
leuten um so freudiger als die Ihrigen anerkannt, geehrt und
geliebt werden.
Minden, 13. Juli 1900.
Der Verfasser.
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— 31 —
männlichen Linie ausgestorben waren. Daneben erkaufte Friedrich I.
fünf Jahre später (1707) die Grafschaft Tecklenburg, um derer
willen die Grafen von Bentheim und von Solms lange Zeit mit
einander im Streite gelegen hatten. Als zu Anfang nnfers Jahr-
Hunderts durch den Frieden zu Luneville (1801) alles Land auf
der linken Rheinseite an Frankreich fiel, wurde auch der König
Friedrich Wilhelm Iii. von Preußen für die erlittenen Verluste
durch die Gebiete mancher geistlichen Fürsten entschädigt, deren
weltliche Herrschaft gänzlich aufhören sollte. Damals (1803) kam
von westfälischen Ländern das Bistum Paderborn als ein weltliches
Fürstentum an Preußen, ebenso die östliche Hälfte des Bistums
Münster mit der Hauptstadt und die Abteien Cappenberg und
Herford. Die westliche Hälfte des Bistums (mit den Städten Bo-
cholt, Ahaus, Koesfeld :c.) wurde unter verschiedene Fürsten ver-
teilt, welche jenseit des Rheines ansässig gewesen waren, nämlich
unter die Herzöge von Arenberg (die außerdem die ehemalige köl-
nische Grafschaft Recklinghausen empfingen), Croy, Looz-Corswaren,
die Wild- und Rheingrafen und die Fürsten von Salm. In dem
unglücklichen Kriege von 1806 und 7, welcher durch den Frieden
zu Tilsit beendet wurde, verlor der König alle seine Besitzungen
in Westfalen, und Napoleon benutzte dieselben zur Bildung
des Königreichs Westfalen und des Großherzogtnms Berg
für seinen Bruder Hieronymus und seinen Schwager Joachim Mnrat,
welch letzterer indessen schon bald daraus zum König von Neapel
erhoben wurde.
In dem Frieden zu Tilsit, den 9. Juli 1807, nach den blutigen
Schlachten bei Preußisch-Eylau, den 8. Februar, und Friedland,
den 14. Juni, mußte Friedrich Wilhelm Iii. die Hälfte seiner
Länder an den siegreichen Kaiser der Franzosen, Napoleon, abtreten.
Der König sah den Glanz seiner Krone erbleichen, aber der Glaube,
daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen, gab
ihm Mut und Zuversicht auf den höchsten Hort, der Trübsal sendet
denen, die er lieb hat. Dieser Glaube bewährte an ihm seine Kraft.
Er schied, wenn auch mit blutendem Herzen, wie ein Vater von
seinen Kindern. Das Abschiedsschreiben, das er an die Bewohner
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Seutius Saturninus, war es gelungen, die Deutschen mit der
römischen Oberhoheit zu befreunden. Der Germane lernte die Reize
des feinen römischen Lebens schätzen, die Fürsten bewunderten die
glatten Manieren der gebildeten Gesellschaft, den Geist der Ordnung
im Staate, die Überlegenheit römischer Art und Kunst. Und die
Römer verstanden es, andere Nationen zu blenden und zu locken.
Germanische Jünglinge von hohem Stande drängten sich zum Kriegs-
dienst in den Legionen und trugen stolz den fremden Waffenschmuck;
selbst Fürsten fühlten sich geschmeichelt, wenn ihnen der Senat das
Bürgerrecht oder der Kaiser eine militärische Auszeichnung verlieh.
Aber wenn es auch schien, als sollte die deutsche Volksart der Herr-
schaft und Sprache, dem Rechte und der Sitte der Römer den Platz
räumen, so war doch in Germanien Freiheits- und Vaterlandsliebe
noch nicht erstorben. Es kam ein neuer Statthalter, Quinctilius
Varus, der zwar weder böse noch hartherzig war, aber, weil er es
auf seinem vorigen neunjährigen Statthalterposten in Syrien nur
mit sklavisch Gesinnten zu thun gehabt hatte, auch in Deutschland
sein Ansehen in herrischer Weise geltend zu machen strebte und bei
der Befriedigung seiner Habsucht keine Grenzen kannte. Als derselbe
daher schwere Abgaben forderte, an die Stelle der altheimischen
Schiedsgerichte und der freien Gauverfassung die verwickelte römische
Rechtspflege einführte, die prozeßführenden Parteien vor römischen
Richtern durch römische Sachverwalter in römischer Sprache ver-
treten ließ und über freie deutsche Männer die Strafe der Nuten
und des Beils verhängte: da fühlte das Volk seine Schmach, und am
tiefsten Segimer's Sohn, Armin, ein Fürst der Cherusker, der sich
srüher im römischen Kriegsdienste das römische Bürgerrecht und
die römische Ritterwürde erworben, dabei aber auch die Unter-
drücknngskünste der Römer hassen gelernt hatte.
Erbittert über die Herrschaft fremden Rechts und fremder Sitte,
schloß Armin mit andern cheruskifcheu Fürsten, sowie mit den
Fürsten der Marser, Brukterer und Katten einen geheimen Bund
gegen die Unterdrücker, und ebenso rasch zur That als erfinderisch«
im Rat, entwarf er einen auf das thörichte Selbstvertrauen und die
Sorglosigkeit des Varus berechneten Aufstands- und Überfallsplan,
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das heimliche Gericht in stiller Nacht in Felsenhöhlen und unter-
irdischen Gewölben abgehalten werde.
Wenn jemand bei dem Freigerichte verklagt war, so wurde er
durch den Ladebries mit sieben Siegeln vorgeladen; war er ein
Ritter, der aus seiner Burg wohnte, so hefteten die Fronboren die
Ladung des Nachts au das Burgthor und schlugen dreimal gegen das
Thor, so daß der Klang durch die stille Nacht iu das Ohr des Ver-
brechers drang. Erschien der Angeklagte aus die Ladung, so wurde
er in den Kreis der Richter geführt und die Klage ihm vorgehalten;
wenn er unschuldig war, konnte er sich mit dem Reiniguugseide
frei schwören. Mußte er seine Schuld bekennen, oder wurde er durch
den Eid des Klägers und seiner Zeugen übersührt, so wurde das
Urteil gesprochen und auf der Stelle vollzogen. Lautete es auf
Todesstrafe, so wurde der Verurteilte sofort au den nächsten Banm
gehenkt. Gelindere Strafen waren Landesverweisung und Geld-
strafe.
Kam der Angeklagte auf dreimalige Ladung nicht, so hatte er
seine Schuld auerkauut; es wurde die Feme, die Acht, gegen ihn
ausgesprochen, und er war jetzt ein Rechtloser, den die Strafe früh
oder spät erreichte. Jeder Freischöffe, dem der Spruch des Gerichtes
kund gethau wurde, war verpflichtet, die Strafe an dem Verurteilten
vollstrecken zu helfen.
Lange Zeit hielt die Furcht vor diesen Gerichten manchen von
bösen Thaten zurück. Nachher aber artete das Gericht aus; schlechte
Menschen drängten sich hinein und verübten unter seinem Deck-
mantel grausame Handlungen gegen Unschuldige. Es verbreitete
sich eiu allgemeiner Haß gegen die Femgerichte; Fürsten, Ritter
und Städte schlössen Bündnisse gegen sie, und endlich wurden sie
durch den ewigen Landfrieden Kaiser Maximilians I. im Jahre
1495 aufgehoben.
Das westfälische Brot.
Tie Lebensweise des Landvolkes im nördlichen Westfalen ist
durchaus nicht so ärmlich, wie man anderswo glauben machen will.
Viele Bauern in Mittel- und Süddentschland würden sicherlich die
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Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
offenen Felde. In dieser ersten offenen Feldschlacht wurde mit großer
Erbitterung gekämpft; nur mit Mühe hielt Karl stand; er wurde
so geschwächt, daß er sich nach dem nahen Paderborn zurückziehen
mußte, um Verstärkungen zu erhalten. Nochmals stellten sich ihm
die Sachsen zur offenen Schlacht unter Wittekinds Führung an der
Hase unweit Osnabrücks. Die Franken hatten den Vorteil größerer
Kriegserfahrung und besserer Bewaffnung; denn viele von ihnen
waren mit eisernen Helmen und Panzern bewaffnet. Bei den Sachsen
war dies nur den Vornehmen gestattet; denn ihr Land war nicht
reich an Eisen. Aber mehr als aus Eisen vertrauten sie auf ihre
Sache und auf ihre Liebe zum Vaterlande. Sechstausend Sachsen
lagen erschlagen, da flohen die übrigen. Karl marschierte über die
Weser zur Elbe und kehrte dann nach völliger Unterwerfung der
Sachsen nach Worms zurück. Aber trotz der harten Schläge herrschte
noch nicht Ruhe bei den Sachsen. 784 wagten sie nochmals,
unterstützt von den Friesen, den Widerstand, durch Westfalen in
der Richtung zur Weser. Karl zog Huckulbi zu (entweder Huckele
oder Hockele, dem jetzigen Petershagen a. d. Weser, Regbz, Minden,
oder das alte Okuln, später Oyel in der Grafschaft Hoya, Negbz.
Hannover), ging jedoch nicht über die Weser, souderu, gehindert
durch die Überschwemmungen, wandte er sich südwärts und ging
von Thüringen aus gegen Ostsachsen (Ostsalen) vor. Von Worms
ans mußte er dann in demselben Jahre nochmals ein Heer nach
Westfalen führen, weil sein Sohn Karl sie nicht völlig hatte unter-
werfen können, und kam bis Rehme am Zusammenfluß der Weser
und Waharra (Werre). Wieder hinderten die Überschwemmungen
und die Jahreszeit. Er zog nach Eresburg zum Uberwintern und
machte von da aus verheerende Einfälle in die Umgegend im
folgenden Frühjahre. Im Juni wurden dann auf dem zweiten
Reichstage zu Paderboru strengste Gesetze, dem drakonischen gleich-
artig, festgesetzt. Auf jedes Vergehen gegen Karls Anordnung stand
die Todesstrafe. Dann durchzog er, ohne Widerstand zu finden,
ganz Sachsen, gelangte nach Dersia und zerstörte die Befestigungen
jenseits der Weser. Wittekind und Albion, am Widerstande der-
zweifelnd, und, wie es scheint, von Karl freundlich gelockt und geladen.
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl_zog_Huckulbi Karl Karl Karl Karls Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Sachsen Sachsen Sachsen Worms Sachsen Westfalen Petershagen Minden Negbz Ostsachsen Worms Westfalen Eresburg Karls Sachsen Dersia
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— 339 —
beendet hatte. Seine letzten Worte waren: „Jesu, dir leb' ich-
Jesu, dir sterb' ich!" Auf dem Hofe des Priester-Seminars zu
Münster ist ihm ein Denkmal errichtet, von dem Schullehrer-Se-
miuar zu Warendorf ein zweites; kostbarer aber als beide ist das,
welches mit unvergänglichen Zügen in den Herzen aller derer
steht, die ihn kannten, denen er ein Vater und Wohlthäter ge-
Wesen ist.
Auch muß es hier wenigstens noch angedeutet werden, ein wie
hohes geistiges und geistliches Regen und Streben damals herrschte,
als die Fürstin Gallitzin mit Franz von Fürstenberg und Overberg,
mit Hamann und Leopold von Stolberg in Münster zusam-
menlebte. Die Fürstin Amalie, Tochter des Feldmarschalls von
Schmettau zu Berlin, geboren 1748 daselbst, Gemahlin des russischen
Fürsten Gallitzin, Gesandten im Haag, eine hochgebildete Frau, die
Freundin des großen Gelehrten und Plato-Kenners Hemsterhuis,
hielt sich von ihrem Manne getrennt, aber nicht geschieden, der Er-
ziehung ihrer Kinder und ihrer geistigen und christlichen Vervoll-
kommnung hingegeben, bis 1806 in Münster und ihrem Landgute
Angelmodde auf. Dort erhielt sie ein bezeichnendes Grabmal (s.
Landkreis Münster). Mit dem christlichen Philosophen, dem Magus
des Nordens, dem bibelgläubigen, lutherischen Georg Ha-
mann aus Königsberg, den sie nach Münster eingeladen hatte, wo
er seinen Freund Buchholz auf dem nahen Gute Walberge be-
suchte, verband sie, die Katholikin, die Sehnsucht, von ihm geistliche
und sittliche Förderung zu gewinnen. Sie ließ ihn, als er am
21. Juni 1788 starb, in ihrem Garten begraben und setzte ihm ein
Denkmal mit einer von Hemsterhuis gezeichneten Urne, dem Bibel-
spruche 1. Kor. 1, 27 und den Worten: Johann Georg Hamann,
dem christlichen Manne, in lateinischer Sprache.
Graf Leopold Stolberg, der lutherische Konsistorialdirektor und
Regierungspräsident zu Eutin und romantische Dichter, eine tief-
religiöse, aber schwärmerische Natur, lebte zu jener Zeit in Münster
und trat dort am 1. Pfingsttage 1. Juni 1800 in der Hofkapelle
der Fürstin mit seiner Frau und seinen Kindern, ausschließlich
der ältesten Tochter Marie Agnes, die mit ihrem Vetter Ferdinand
22*
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Extrahierte Personennamen: Franz_von_Fürstenberg Franz Hamann Leopold_von_Stolberg Leopold Amalie Hemsterhuis Georg_Ha- Johann_Georg_Hamann Johann Leopold_Stolberg Leopold Marie_Agnes Ferdinand
Extrahierte Ortsnamen: Jesu Warendorf Overberg Münster Berlin Königsberg Eutin
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— 326 —
Zur Zeit der Reformation nämlich standen tolle Schwärm-
geister ans, eiferten gegen die Kindertaufe, gegen alle Ordnung und
Sittenzncht, wollten keine Festtage, keine Sakramente, kein Predigt-
amt mehr, verbrannten selbst die heilige Schrift, weil sie meinten,
sie hätten selber den heiligen Geist, lebten aber in schändlichen
Lüsten und wollten das alles durch das falsch verstandene Evangelium
verteidigen. Solche Schwärmer durchwanderten als Apostel die
Länder, weissagten die Umwandlung aller Dinge, das Erschlagen
aller Erstgeburt Aegyptens und den Beginn eines seligen Lebens
der Auserwählten in dem Königreiche Christi ohne Gesetze, ohne
Obrigkeit, ohne Ehe, in Genuß und Überfluß. Nun war in Münster
die Reformation seit 1524 unter mancherlei Wirren und Kämpfen
durchgeführt worden, wobei sich besonders der beredte Bernhard
Rottmann als Prediger an der Lambertnskirche hervorgethan, dann
aber seinen guten Ruf verloren hatte und mit dem Rate der Stadt
in bitterem Streite lag. Münster ward von Wiedertäufern nament-
lich aus Holland fleißig heinigesucht, und Rottmann suchte sein
Ansehen zu heben und zu stützen, indem er sich den schwärmerischen
falschen Propheten anschloß. Bald kamen nun auch in den ersten
Tagen des Jahres 1534 der wiedertäuferische Prophet Johann
Matthiefen, ein Bäcker aus Haarlem, und Johann Bockhold oder
Bockelsohn, ein Schneider aus Leyden, einer seiner zwölf Apostel.
Bei einem wohlhabenden, aber unruhigen Bürger, Knipperdolling,
fanden sie Herberge. Ihre Anhänger vermehrten sich mit jedem
Tage. Des Abends erschienen sie auf den Straßen, zuweilen nackt,
und riefen: „Thnt Buße, das Himmelreich ist nahe; lasset euch
umtaufen, sonst kommt der Zorn Gottes über euch!" Sie gaben
vor, sie sähen am Himmel Reiter mit blankem Schwert auf weißem
Roß, Männer mit goldenen Kronen auf den Häuptern; Schneider-
und Schlofsergesellcu standen auf und predigten, Jungfrauen riefen
Wehe über die Gottlosen. Bald wäre es zu einem Kampfe zwischen
den Wiedertäufern auf der einen Seite und dem Rate samt den
trengebliebenen Bürgern auf der anderen Seite gekommen, aber
leider ging der damals noch mächtige Rat aus eiuen Vergleich ein.
Die menschlichen und göttlichen Gesetzen zuwiderlaufende Schonung
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Apostel Bernhard
Rottmann Rottmann Johann
Matthiefen Johann Johann_Bockhold Johann Apostel
Extrahierte Ortsnamen: Christi Holland Haarlem Gottes
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— 327 —
der Aufrührer trug bittere Früchte. Von Stund an mehrte sich ihre
Zahl; von allen Gegenden lief, wer gleichen Sinnes war, herzu,
Männer ohne ihre Weiber, Weiber ohne ihre Männer, auch ganze
Familien. Bei der neuen Ratswahl gewannen sie die Oberhand,
besetzten alle Ämter in der Stadt mit ihren Leuten und wählten
Knipperdolling zum Bürgermeister. Bewaffnet kamen sie auf dem
Rathause zusammen. Eine Weile lagen sie betend in tiefster Stille
auf den Knieen; auf einen ihrer Propheten schien ein tiefer Schlaf
gefallen zu sein; plötzlich fuhr er auf und rief: „Hinweg mit
den Kindern Efaus! Die Erbschaft gehört den Kindern Jakobs!"
Die andern verstanden ihn, rannten durch die Straßen und schrieen:
„Heraus, ihr Gottlosen!" Es war ein stürmischer Wintertag, tief
lag der Schnee, naß fielen die Flocken vom Himmel. Hochbetagte
Leute, die schon lange nicht mehr weiter als aus dem Bette auf
den Lehnstuhl gekommen waren, Mütter, ein Kind auf dem Arme,
wie sie es aus dem Schlafe gerissen, ein Knäblein ohne Schuhe
an der Hand, stießen sie hinaus in das Unwetter. So ging es
allen, die bei ihrer ersten Taufe verharrten. Nun teilten sie die
eingenommene Stadt und machten sich in den Häusern breit, wie
der Sperling in dem fremden Neste. Das bewegliche Gut der Ver-
triebeueu schafften sie auf das Rathaus, und der Prophet Matthiefen
bestimmte sieben Diener, welche den Gläubigen nach eines jeden
Notdurft davon verabreichen sollten.
Da nahte der Rächer. Der Bischof von Münster schloß die
Stadt mit Heeresmacht ein. Drin aber wnrd's immer toller. Viele
Kunstwerke wurden zur Ehre Gottes verbrannt, desgleichen alle
Schriften, außer der Bibel, die man freilich durch wahnwitzige Aus-
legung noch mehr entheiligte als durchs Feuer. Auch die Gläu-
bigeu mußten ihre Kostbarkeiten bei Todesstrafe zusammentragen
aufs Rathaus. Bei einem Ausfalle, den Matthiefen an der Spitze
einer kleinen Schar machte, um wie Gideon die Feinde zu schlagen,
fiel er und fand seinen verdienten Lohn. An seine Stelle trat nun
Bockelsohn. Er trat bald mit der Behauptung auf, es müsse einem
Manne jetzt ebenso erlaubt sein, wie zur Zeit des alten Bundes,
daß er mehrere Weiber habe. Gegen diese schandbare Neuerung
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— 416 —
und Ausdehnung des uralten Bauwerkes. Nur das Ein-
gangsthor im Norden ist noch unversehrt erhalten. Der Bogen
desselben trägt die Wappenschilder der mit dem gräflich Tecklen-
burger Dynastenhause verwandten Geschlechter: Sachsen, Hessen,
Brandenburg, Schwerin, Barby, Anhalt, Psalz-Bayern, Bentheim,
Neuenahr. Besteigen wir nunmehr den 810 Fuß hoch gelegenen
Aussichtsturm, der auf den alten Trümmern inmitten des inneren
Platzes sich erhebt. Eine Tafel oberhalb der Eingangsthür belehrt
uns, daß derselbe dem Andenken des unerschrockenen Streiters wider
die Hexenverbrennungen, Dr. Johann Wier, geb. 1516 zu Grave
in Nordbrabant, gewidmet ist. Er war es, der in seiner berühmten
Schrift: „Über die Spuren der bösen Geister," gegen die grau-
samen, auf dem Boden der Unwissenheit und des finsteren
Aberglaubens hervorgesprossenen Hexenprozesse zu Felde zog.
Aber sein mahnendes Wort fand keinen freudigen Wieder-
hall in den Herzen des wahnbefangenen deutschen Volkes.
Schou winkte ihm der Scheiterhaufen, der dem Fluge seines Geistes
durch schnelle Umwandlung seines Körpers in Staub und Asche ein
Ziel setzen sollte, da fand er eben zur rechten Zeit noch Unter-
schlupf und Sicherheit hinter den befestigten Mauern des Schlosses
zu Tecklenburg. Hier starb er, verkannt und nur von wenigen, die
ihn kannten, geachtet, im Jahre 1588. Seine Gebeine fanden eine
Ruhestatt in der Hauptkirche des Städtchens; sein Werk aber lebt
fort und weckte in späteren Tagen die Geister zum siegreichen
Kampfe gegen den entsetzlichen Aberglauben.
Von der Plattform des 42 Fuß hohen Turmes breitet sich
ein großes Stück der sagenumwobenen roten Erde vor unseren
Blicken aus. Nach Süden gewendet überschauen wir das flache
Münsterland mit seinen sorgsam gepflegten Ackerfeldern und Wiesen-
fluren, seinen regsamen Städten und Dörfern und stillen, ein-
tönigen Heideflächen. In vornehmer, majestätischer Ruhe liegt das
Land, einem bunt gemusterten Teppich gleich, vor uns,
und diese Eigenschaft scheint es auch auf die Bewohner
übertragen zu haben, oder wenn wir eine umgekehrte Deutung
wollen: die Bewohner haben sich in ihrem Charakter der Eigen-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt]]
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 98 —
hervorragend, Ausgezeichnetes durch ihre Persönlichkeit und Tüchtig-
keit gewirkt haben. Einige von ihnen, deren Leistungen auf einen,
enger umschlossenen Gebiete liegen, werden bei den einzelnen Teilen
der Provinz Erwähnung finden. Zwei aber, die durch ganz West-
falen schalteten und walteten und in ihm wohl nirgends ungenannt
und unbekannt geblieben sind, dürfen wir schon hier nicht übergehen.
Vor allem gilt's dem alten Vincke, wie ihn das Volk nannte,
der, in Westfalen geboren und als Oberpräsident gestorben, während
eines fünfzigjährigen Staatsdienstes vierzig Jahre in der Heimat-
Provinz ihr zum Segen und zur Wohlfahrt thätig gewesen ist.
Freiherr Friedrich Ludwig von Vincke ward am 23. Dezember
1774 in Minden geboren. Seine Familie gehörte zu den ältesten
adeligen Familien Westfalens und war im Mindenschen, Ravens-
bergschen und Osnabrückschen wohl begütert. Der Name „Vincke"
hatte in Westfalen von jeher einen guten Klang. Mancher Träger
desselben hatte im Lande hohe Ehrenstellen inne gehabt; alle hatten
durch ihr Wirken gezeigt, daß sie „für uufer Volk ein Herz" be-
saßen. Der Vater hatte unter den Fahnen Friedrichs des Großen
gekämpft und sich auch später, als er der Kriegslaufbahn entsagte,
die Huld des großen Preußenkönigs bewahrt; denn so oft der alte
Fritz Minden besuchte, stets wohnte er im Vinckefchen Hause. Die
Mutter war eine vortreffliche Frau, die dem Hauswesen wohl vor-
stand und ihren Kiudern eine treue, fromme Mutter war. Von
ihr heißt es: „Vor allem aber erfüllte sie die höchste Aufgabe der
Frauen, indem sie durch ihr eigenes Beispiel und Wirken den Keim
tieser, ungehenchefter Frömmigkeit und warmen Mitgefühls für
fremde Not in die Herzen ihrer Kinder legte, welcher zur schönen
Frucht festen und unerschütterlichen Gottvertrauens und echt christ-
licher Nächstenliebe erwachsen, diese alle unter deu Wechselfällen
mannigfach bewegten Lebens bis ans Ende desselben begleitete."
Sie ist deshalb auch von großem Einflüsse auf ihren Ludwig gewesen.
Tie von Vinckefche Familie war mit zehn Kindern gesegnet,
von denen aber drei früh starben. Unter den sieben überlebenden
war Ludwig der dritte Sohn. Seine Brüder traten früh in den
Heeresdienst, für deu er jedoch keine Neigung hegte und auch nicht
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Ludwig_von_Vincke Friedrich Ludwig Friedrichs Fritz_Minden Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Westfalen Minden Westfalens Westfalen