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und rief: „Bleibt! bleibt! der Hund ist toll! Ich bin schon gebissen
und will ihn allein anlegen." — Sie schleppte ihn mit sich fort
und empfing noch einige Wunden, ohne ihn loszulassen. Sie band
ihn an und so wurde' er getödtet. Der Müller eilte sogleich nach
einem Arzte; die Wunden aber der armen Magd waren zu zahl-
reich, als daß man hätte hoffen können, das Eindringen des Wuth-
giftes ganz zu hindern. Sie selbst gab sogleich alle'hoffnung auf,
ging ruhig in ihre Kammer, warnte noch Jedermann, ihr, wenn
die schrecklichen Wirkungen des Giftes sich äußern sollten, zu nahe
zu kommen, und erwartete nun mit Ergebung ihr Schicksal. Nach
einigen Tagen zeigten sich die ersten Anfälle, aber ohne daß diese
zu einem allzuheftigen Ausbruch kamen, gab sie, von allen edeln
Menschen bewundert'und beweint, ihren Geist auf.
21. Grauenvolle Geschichte.
Zwei Landleute von Bieberstein, im Canton Aargau, machten
im Jahr 1844 Grummet. Als sie fertig waren, ging der eine voll
ihnen ins nahe Dorf, um einen Wagen herbeizuholen, der andere
legt sich auf den Boden und schläft ein. Plötzlich springt er wie
rasend aus dem Schlafe auf und stößt ein fürchterliches, herzzer-
reißendes Geschrei aus. Eine Grille war ihm ins Ohr gekrochen.
Als sein Freund zurückkam, fand er nur noch einen Menschen, der
sich unter den heftigsten Zuckungen auf dem Boden wälzte und
schäumend um sich schlug. Kein Mensch war im Stande, ihn zu
beruhigen, er war in wenigen Augenblicken wahnsinnig geworden.
Man brachte ihn mit Mühe ins Dorf, und der herbeigerufene Arzt
ließ ihm auf der Stelle zur Ader; aber der Kranke riß sich mit
unwiderstehlicher Gewalt los, stürzte aus dem Hause und sprang
in die vorbeifließende Aar. Man zog ihn zwar heraus; aber alle
Versuche, ihn zur Vernunft zu bringen, waren vergeblich, in wenigen
Augenblicken war er ein todter Manu. Der Arme hinterläßt eme
zahlreiche Familie. Bei der Section fand man das Insekt ttef im
Ohre, nahe am Gehirn, und dieß scheint die Ursache gewesen zu
sein, daß der Unglückliche aus der Stelle seinen Verstand verlor. —
22. Die Weiber von Weinsberg.
Es war mitten im Winter des Jahres 1140, als Kaiser Kon-
rad Iii. im Kriege mit Herzog Welf von Baiern die Stadt und
Burg Weinsberg belagerte, weil sie es mit Welf gehalten hatte.
Sie ward endlich gezwungen, sich zu ergeben. Der Kaiser verhieß
aber bei der Uebergabe, daß jede Frau aus der Stadt mitnehmen
dürfte, was sie tragen könnte. Als nun die Thore geöffnet wurden,
da kamen die Fraueil heraus, jede ihren Ehegemahl auf dem Rücken
tragend. Darüber war man denn in des Kaisers Gefolge unge-
halten und ries, das sei Betrug und nicht die Meinung -des Ver-
trags. Konrad aber freute sich dieser kleinen List und sprach: „Ich
hab^s ihnen versprochen; des Königs Wort darf nicht gebrochen
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Extrahierte Personennamen: Bieberstein Welf_von_Baiern Welf Konrad
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ihr vollends sehen, was ihr nicht sehet, und hören, was ihr nicht
hört: wie würdet ihr das Klopfen, das Treiben, das Schaffen, das
geheime Regen und Bewegen wahrnehmen in allen Theilen der Natur!
Tretet hinaus in die Nachtlust. Der Wind hauchet auch über schlum-
mernde Fluren, und der Strom predigt im Mondschein, wie im Mit-
tagsglanz.
Blicket empor in die Höhe! Die Sterne finden ihre Bahn, gleich
der Sonne, und halten unverrückt ihre ewige Ordnung, wie die Feld-
blume ihre Zeit. — Lauschet hinunter in die Tiefe. Während ihre
Kinder schlafen, legt die Muttererde sie dichter au die nährende Brust;
und frischeres Gedeihen steigt in die Pflanzen, „daß die Bäume des
Herrn voll Saft stehen und das Land voll Früchte werde, die er-
schafft; daß da Gras wachse für das Vieh und Saat zu Nutze der
Menschen, und der Wein erfreue des Menschen Herz und das Brot
des Menschen Herz stärke." — Oder bleibet ganz in der Nähe und
weilet am Lager eines Schlummernden. Es ist Alles still. — Aber
die verborgene Lebenswerkstatt: O, behorcht sie! Wie die Lungen ar-
beiten, wie die Brust sich hebt! Wie der Odem flüstert! Wie das
Herz klopfet! Wie die Pulse zittern! Wie die Wangen glühen! Wie
das Blut umläuft und der Milchsaft seine Kanäle durchströmt zu des
Leibes Erhaltung. Was bedarf es weiter Zeugniß? Ihr sehet: Das
Leben ruhet in der Nacht, aber nicht überall ruhet es. Und selbst wo
es ruhet, ist die Ruhe nur scheinbar. Mitten durch die Ruhe gleitet
allenthalben Bewegung.
Wer bewegt an seinem Herzen die Müden? Wer lebt, wo das
Leben erloschen scheint? — Fallet nieder, Christen, und betet an und
empfindet, wenn ihr Sprache nicht habet -. Er trägt alle Dinge mit
seinem kräftigen Wort, und sein Aufsehen bewahret unsern Odem.
Es sind mancherlei Kräfte, aber es ist ein Gott, der da wirket Alles
in Allem. Wie viel verschlossene Augen auch die Nacht zeige, das
Vaterauge ist offen. Der Vater ist mitten unter den hunderttausend
Schläfern der Eine, der nie schläft,. noch schlummert, der nimmer-
müde Schutzgeist der Natur. Dräseke.
155. Wann die Noth am größten, ist Gott am
nächsten.
Das Handelshaus Gruit van Steen war im Anfang des siebzehu-
ten Jahrhunderts eines der angesehensten und reichsten in Hamburg.
Aber der yerheerende, dreißigjährige Krieg machte seine traurigen Fol-
aen zuletzt auch ihm fühlbar und zwar um so mehr, je ausgebreiteter
die Geschäfte des Hauses früher gewesen waren. Städte und Dörfer
waren zu Hunderten verheert und verlassen, und bei der Unsicherheit
der Straßen war es kein Wunder, daß der Handel stockte und vor-
zuglch der Absatz in das Innere von Deutschland gering war. Ein
Kaufmann nach dem andern ward unfähig zu zahlen und zog auch
lenes Handelshaus in seine Verluste mit hinein. Dagegen wagte das
große Seeschiff, welches als sein Eigenthum an der Mündung der Elbe
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182
Freunde hinterm Rücken,
Das sind drei feste Brücken.
28. Einen guten Freund straf' du allein,
Willst loben ihn, thu's vor der Gemein.
29. Zart ist die Blume der Freundschaft; benagt vom Wurme des
Mißtrauens, senkt sie traurig das Haupt, trocknet von innen und
stirbt.
30. Theuer ist mir der Freund, doch auch den Feind kann ich nützen,
Zeigt mir der Freund, was ich kann, lehrt mich der Feind, was
ich soll.
31. Wie der Schatten früh am Morgen,
Ist die Freundschaft mit dem Bosen,
Stund' auf Stunde nimmt sie ab;
Aber Freundschaft mit dem Guten
Wächset wie der Abendschatten,
Bis des Lebens Sonne sinkt.
32. Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes wer-
den, als dienendes Glied schließ an ein Ganzes dich an.
33. Aus der Kräfte schön vereintem Streben
Erhebt sich wirkend erst das wahre Leben.
34. Leichter träget, was er träget,
Wer Geduld zur Bürde leget.
35. Ich leb' und weiß nicht, wie lang,
Ich sterb' und weiß nicht, wann,
Ich fahr und weiß nicht, wohin,
Mich wundert, daß ich sröhllch bin.
36. Zur Traurigkeit sei stets bereit;
Denn Kampf und Streit ist's Leben allezeit.
37. Es ist fürwahr eine schwere Pein,
Wer mit Unmuth soll fröhlich sein.
38. Lieber ein klein Unrecht gelitten,
Als vor Gericht darüber gestritten.
39. Vergilt nicht, was dein Feind dir etwa Böses thu',
So 'überwind'st du dich und deinen Feind dazu.
40. Wenn du Gott wolltest Dank für jede Lust erst sagen,
Du fändest gar nicht Zeit, noch über Weh zu klagen.
41. Die Welt ist ein gemeiner Tisch, d'rauf alle Menschen essen,
Wohl dem, der dessen, der ihn deckt, pflegt nimmer zu vergessen.
42. Wer Edelthaten thut,
Der ist ein Edelblut.
43. Sei gut, und laß von dir die Menschen Böses sagen;
Mer eigne Schuld nicht trägt, kann leichter fremde tragen.
44. Wann dich die Lästerzunge sticht,
So lass' dir dieß zum Troste sagen:
Die schlechtsten Früchte sind es nicht,
Woran die Wespen nagen.
45. Wenn ein Edler gegen dich fehlt,
So thu', als hättest du's nicht gezählt;
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197
den Blick auf grüne Gegenstände. Des Morgens wasche man jedes-
mal die Augen mit frischem Wasser aus.
Wär' nicht das Auge sonnenbaft,
Die Sonne könnt' es nie erblicken;
Lag' nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie konnt' uns Göttliches entzücken.
Der Blinde.
Wer wankt so langsam dort heran vom grünen Erlengrund? Ach Gott! der
arme blinde Mann mit seinem treuen Hand. , ,
Beraubt des frohen Augenlichts, kam er vom Mnttcrschooß und sah sert siebzig
Jahren Nichts. — Ach, schrecklich ist sein Loos! ,
Sah nie der Sonne hehren Glanz, des Mondes sanften Strahl; und nie den
grünen Birkenkranz und unser Blumenthal.
Der Morgenröthe Purpurlicht drang nie durch seine Nacht; das Abendroth malt
sein Gesicht, doch er kennt nicht die Pracht.
Er fühlt die Gabe, welche Pflicht des Mitleids gern ihm zollt; ach, aber sieht
die Thräne nicht, die ans die Gabe rollt.
O, säh' die Mitleidsthräne er, die ans die Gabe rollt; sie machte ihn wohl
glücklicher, als aller Berge Gold! —
2. Durch das Ohr, dessen wundervoller Dan uns in Erstaunen
setzt, gibt die Seele, als Königin des Körpers, Audienz. Die durch
Töne hervorgebrachten Luftschwingungen gelangen zu unserm Ohr,
theilen sich dem Gehörnerv mit, welcher sich in dem s. g. Labyrinthe
ausbreitet und dazu bestimmt ist, die empfangenen Eindrücke zum Be-
wußtsein zu bringen. Auf diese Weise vernehmen wir den Schall,
Klang und Ton, d. h. wir hören.
Der Taubstumme.
Es gibt Menschen, denen die Gabe der Rede versagt ist. Das
sind die Taubstummen, dergleichen man in jedem größeren Orte
wohl Etliche findet. Das eigentliche Uebel des Taubstummen ist der
Mangel des Gehörs. Wer nicht hört und daher nie die menschliche
Sprache vernimmt, der lernt auch niemals sprechen, und wer in früher
Jugend das Gehör verliert, der verlernt allmälig die Sprache und
wird taubstumm, d. h. stumm oder sprachlos in Folge seiner
Taubheit.
Viele Leute meinen, der Taubstumme sei nur so ein halber Mensch,
oder es fehle ihm Verstand und menschliche Empfindung. Es gibt
Taubstumme, die eben so scharf denken, eben so tief fühlen und eben
so scharf begehren, wie irgend ein Vollsinniger, und wir sehen ja,
wie sie durch Geberden und unverständliche Laute Alles auszudrücken
suchen, was in ihrer Seele vorgeht. Es ist noch gar nicht lauge,
daß man angefangen hat, Taubstumme zu unterrichten, und es wachsen
lewer noch viele Taubstumme ohne allen Unterricht auf; denn wenn
es schon schwer ist, ein hörendes Kind zu unterrichten, so ist es bei
emem Taubstummen noch viel schwerer und erfordert eine Geduld, wie
sie nur wenigen Menschen eigen ist.
Wie fängt man es aber an, einen Taubstummen zu unterrichten,
da er doch nicht hört, was sein Lehrmeister mit ihm redet? Ich will
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198
es mit einem Worte sagen: Dertaubstnmme sieht, was wir sprechen.
Wenn du das Wörtchen Brot recht deutlich aussprichst, so sieht der
Taubstumme, wie zuerst bei dem B deine Lippen sich schließen, wie bei
dem r deine Zungenspitze in eine zitternde Bewegung geräth, wie bei
dem o dein Mund sich runder, bei dem t die Zunge sich erst an die
Oberzähne legt und dann den Hauch plötzlich zum Munde hinaus-
stößt. Das Alles sieht der Taubstumme, und sein Lehrer spricht
mit Absicht recht langsam und deutlich, damit er es recht sehe, und
wenn er ihm dabei dle genannte Sache, hier z. B.: das Brot vor-
zeigt, so begreift er, was die Bewegung seiner Sprachwerkzeuge zu
bedeuten hat. Nun hat jeglicher Mensch einen Trieb nachzuahmen,
was er von andern sieht, und so lernt auch der Taubstumme das
Wort nachsprechen und hat eine herzliche Freude, wenn er merkt,
daß er verstanden wird. Man kann sich's denken, wie schwer es
hält, bis der Taubstumme auch nur die gewöhnlichsten Dinge be-
nennen lernt; aber wenn er recht aufmerksam ist und dabei einen
treuen und geschickten Lehrer findet, so bringt er cs doch bald dahin,
daß er ein Buch lesen und versteh'», seine Gedanken ordentlich nie-
derschreiben und mit Hörenden reden kann, so viel als die Nothdurft
erfordert.
Der Taubstumme, der gar keinen Unterricht genießt, bleibt
mehrentheils roh und ungeschickt, besonders, wenn man ihm keine Be-
schäftigung gibt, sondern ihn wie ein unvernünftiges Thier umher-
laufen läßt, oder ihn gar durch Spott und Neckereien zum Zorn reizt.
Das ist aber eine schwere Versündigung, die der Herr nicht unge-
straft läßt.
3. Die Nase (Geruchssinn), welche sich in der Mitte des Ge-
sichts erhebt, ist geschaffen, die Woblgerüche aufzunehmen, !die aus
den Blumen der Erde in die Höhe steigen und die so sein sind, daß
sie kein Auge zu sehen, kein Vergrößerungsglas zu entdecken vermag.
Auch soll sie die Speisen prüfen,' die wir zum Munde bringen; weß-
halb sie weislich in der Nachbarschaft des Mundes ihre Stelle bekom-
men hat. Die in der Nasenhöhle befindlichen Nerven werden durch
die mit dem Athem eingezogenen Düfte gereizt und bewirken so die
Empfindung, welche wir Riechen nennen.
4. Was sollen'wir von dem Munde sagen? Von der Verschie-
denheit der Zähne nach ihrer Bestimmung? Was von dem wichtigen
Werkzeuge des Geschmacksinnes, der Zunge, von ihrer Beweglichkeit
und Reizbarkeit? Außer der Annehmlichkeit des Schmeckens hat dieser
Sinn noch einen besonderen Nutzen, nämlich den, die Speisen zu prü-
fen, ob sie dem Magen tauglich sind, oder nicht.
5. Die Haut, das Sinnorgan des Gefühls, hat unter allen
Sinnorganen die größte Ausdehnung. Das genaueste Gefühl ist in
den Fingerspitzen; auch die Spitze und Ränder der Zunge sind mit
einem sehr feinen Gefühl begabt. —
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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199
Ohne die fünf Sinne wäre uns die ganze Außenwelt ver-
schlossen. —
Der Mensch ist schon dem Leibe nach das vollkommenste Geschöpf
der Erde. Sein Gang ist aufrecht, die Sinnorgane machen ihn zu
den feinsten Wahrnehmungen und die Glieder zu jeglicher Verrichtung
geschickt. Der runde Kopf, die gewölbte Stirne, das ausdrucksvolle
Angesicht, die Wortsprache stellen'ihn weit über jedes andere Geschöpf
der Erde. Wir sprechen daher mit der Schrift: „Ich danke Dir,
Gott, daß ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind Deine Werke,
und das erkennt meine Seele wohl!"
6.
. 228. Gcsundheilslchrc.
Der Geisimmieser göttliche Theil des Menschen, bedarf zu seinen
Thätigkeiten e^M. Werkzeuges — des Körpers. Beide stehen in der
genauesten Vewwung und Wechselwirkung mit einander.
Ist der Körper nicht so beschaffen, daß er dem Geiste ein williger
und immer zu Gebote stehender Diener ist, so tritt eine Störung des
Wohlbefindens bei uns ein. Daher müssen wir den Körper als ein
schönes, edles, aber leicht zerstörbares Gefäß behandeln. Er ist gleich-
sam die silberne Schaale für den goldenen Apfel — die Seele.
Unsere Vernunft kann vernehmen und prüfen, daß und warum
Etwas gethan, oder unterlassen werden soll. Sie ruft uns darum zu:
Beherrsche deine Leidenschaften! Sei mäßig! Meide alles Böse!
Hören wir auf diese Gottesftimme in der Brust, so werden wir uns
einer dauerhaften Gesundheit und eines reinen Gemüthes zu erfreuen
haben. Ein reines Gemüth hängt keinen bösen Gedanken nach und
wird von keinen heftigen Leidenschaften beunruhigt.
Nur der gesunde und tugendhafte Mensch kann die Freuden des
Lebens wahrhaft genießen. Ihm lacht die Natur mit allen ihren
Reizen; sein Herz schlägt ruhig, sein Schlaf ist erquickend und jeden
Morgen erwacht er neu gestärkt, fähig zur Verrichtung seiner Arbeit.
Gesunde Glieder, muntre Kräfte, o Gott, wie viel sind die nicht
werth! Wer taugt zu des Berufs Geschäfte, wenn Krankheit seinen
Leib beschwert? Ist nrcht der Erde größtes Gut Gesundheit und ein
heitrer Muth?
I. Nahrung,
g. Speise.
§ 1. Gott gibt uns mannigfaltige Nahrungsmittel und macht
uns ihren Genuß zur Freude, damit wir durch sie unsere Gesundheit
stärken und unser Leben erhalten sollen.
§ 2. Die meisten Völker bedienen sich der Fleisch- und Pflanzen-
nahrung. Dieß zeigt uns deutlich, daß der Mensch vermöge ferner
Leibesbeschaffenheit für beiderlei Nahrung bestimmt ist.
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200
Dle Erfahrung hat gelehrt, daß die gemischte Kost dem Menschen
am meisten zusagt; daß aber die Kost aus dem Pflanzenreich im All-
gemeinen vorwalten müsse.
Personen, die eine sitzende Lebensart führen, dürfen nicht zu viele
Fleischspeisen genießen.
§ 3. Im Kindesalter müssen dergleichen Speisen möglichst ver-
mieden werden. Milch und Mehlspeisen — nicht klößige — sind ganz
besonders geeignet für junge Leute. Denn Milch ist nahrhaft, leicht
verdaulich, mild, kühlend, blutreinigend. Wer zu Bluthusten und
Lungenleiden Anlagen hat, sollte von Nichts, als Milch, Milchspeisen,
Weißbrot mit) Wasser leben.
Bei der Wahl der Speisen befolge man die goldene Regel:
„Prüfe, was deinem Leibe gesund ist, und was ihm ungesund ist, das
gib ihm nicht." —
§ 4. Einige Tassen Milch und ein Stück gut ausgebackenes
Brot, oder eine Suppe ist das beßte Frühstück für junge Leute.
Im Sommer ist Brot und Obst ein gesundm Frühstück; auch
eignet es sich als ein gutes Zwischenessen für Kinder.
Die Mittagsmahlzeit bestehe aus einer schlichleii/deutschen Haus-
mannskost. Mäßig und einfach sei das Abendessen und finde immer
zwei Stunden vor dem Schlafengehen statt. Dann vergesse man auch
die alte Regel nicht: „Nach Tische sollst du stehen, oder tausend
Schritte gehen."
§ 5. Man muß nie ohne Hunger, ohne wahre Eßlust essen.
Der Magen will seine Ruhe haben. Nur das gut Verdaute stärkt,
nährt und belebt. Bei der Mahlzeit esse man nur so viel, daß man
immer noch am Schlüsse derselben Etwas zu sich nehmen könnte. Um
gut zu verdauen, esse man nicht hastig, verkaue die Speisen und
verschlucke sie nicht heiß. Bei Tische sei man so viel, wie möglich,
heiter und wohlgemuth; nie esse man im Sturme der Leidenschaft-
lichkeit.
§ 6. Aeußerst ungesund zum Essen sind: Warmes, oder nicht
ausgebackenes Brot, heiße Klöße, allzusette, saure, süße, gewürchafte
Speisen, fettes Backjverk, unreifes Obst, unreife Kartoffeln, Schwämme
und Pilze^
1). Trank.
§ 7. Frisches, reines Wasser ist das gesündeste Getränk für
die Menschen. Es löscht den Durst, kühlt, verdünnt und reinigt das
Blut und befördert die Verdauung. Nur der Wassertrinker erfreut
sich einer guten Verdauung. Sehr schädlich ist das Wassertrinken
während des Essens, auf fette Speisen, warm genossenen Kuchen und
auf Obst. Der Gesundheit ist es dagegen sehr dienlich, wenn man
kurz vor dem Schlafengehen und gleich nach dem Aufstehen einige
Glaser Wasser trinkt.
Der Branntwein.
§ 8. Manches kurz, kräftig und sinnreich gesagte Wort ist vom
Branntweintrinken vernommen worden, doch möchte dieß Wort, wo
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Kaffeepunsch, da derselbige seine Heimath hat, auch dreiviertel, und
vom Weine gilt es halb.
Und Alles, was man sagt, daß einige Menschen durchaus etwas
Spirituöses haben müßten, um gesund und bei Kräften zu bleiben,
das ist falsch, und was man sagt von dem Nutzen, den ein mäßiges
Trinken hätte, damit geht man über das Maß der Wahrheit.
So bleibet es nun dabei: Wer einen Menschen zum Brannt-
weintrinken auffordert, der thut etwas Bedenkliches, und wer einen
Menschen verreizt, sich zu betrinken, der thut etwas Böses. Merken
sich alle Leute das, insonderheit alle Schenkwirthe.
§ 16. Der Branntwein ist eine aus gewissen Gewächsen durch
Gähren und Kochen herausgebrachte Flüssigkeit, die in Wasser und
Alkohol besteht. Erst während des 30jährrgen Kriegs wird er von
rohen Kriegern ans der Apotheke geholt. Friedrich Wilhelm I., König
von Preußen, erläßt 1718 ein' Branntweinsedict. Im 7jährigen
Krieg ist er schon in Dorfschenken zu haben. — Unter 15000 Ver-
brechern hat man 10000 Trinker gefunden, unter 1800 Selbstmördern
1000 Säufer, unter 1900 Verunglückten über die Hälfte ganz oder
halb Berauschte. In Europa hat zuerst ein Prediger Edgar m Ir-
land die Branntweinssache zur Sprache gebracht, 1829. Die Indianer
in Amerika nennen ihn Tollwaffer.
§ 17. Der Wein befördert, mäßig genossen, die Verdauung,
stärkt die Kräfte des Körpers und erheitert die Seele. Diese heilsamen
Wirkungen des Weins kommen aber nur den Erwachsenen, und vor-
züglich den alten Personen zu gut. Kinder und Jünglinge sollten gar
keinen Wein trinken, weil bei rhnen der Umlauf des Blutes schon an
sich sehr stark ist. Sirach sagt: Der Wein, zur Nothdurft getrunken,
erfreut Leib und Seele; aber so man sein zu viel trinkt, "bringt er
Herzeleid.
§ 18. Dünnes, ansgegohrnes Bier ist unter den geistigen Ge-
tränken das zuträglichste, jedoch auch nur für solche Personen, welche
sich fleißige körperliche Bewegungen machen.
§ 19. Die warmen Getränke, als Kaffee, Thee re. schaden
durch Reizung und Erhitzung nicht nur dem Magen, sondern dem
ganzen Körper. Kaffee, mit viel Milch vermischt und mäßig genossen,
tft unschädlich.
§ 20. Beim Genusse der Speisen und Getränke denke man im-
mer: „Ich esse, um zu leben," und nicht: „Ich lebe, um zu essen."
Mäßigkeit erhält Leib und Seele gesund!
Ii. Kleidung.
§ 21. Eine reinliche, leichte Kleidung, die den Körper gehörig
deckt, vor Kälte und Nässe schützt, nicht drückt, die freie Bewegung
der Glieder nicht hindert, nicht zerrissen und schmutzig ist, das ist
dte beßte. Vorzüglich müssen die Hemden immer rem sein und im
Wmter wenigstens die Woche einmal, im Sommer aber öfter gewech-
selt werden. Kleider von alten, verstorbenen oder kranken Leuten
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm_I. Friedrich Wilhelm_I. Edgar
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Iv. Reinlichkeit — Hautpflege.
§ 27. Reinlichkeit im Aeußern ist ein natürlicher Ausdruck der
inneren Reinheit und eine Pflicht des Anstandes, welche die Achtung
gegen Andere gebietet. Außerdem erhält, befestigt und vermehrt Je
unsere Gesundheit. -»
§ 28. Man wasche sich daher des Morgens, wenn die Haut
nicht mehr so stark ausdünstet und nicht schwitzt, das Gesicht, den
Hals, die Brust, die Arme und Häude mit frischem Wasser. Jüng-
linge thun außerdem noch wohl, sich alle Morgen den Kopf kalt zu
waschen und mit dem Handtuche abzureiben.
§ 29. Auf Reinigung der Füße muß man große Sorfalt wen-
den, was am beßten durch 'lauwarme Fußbäder geschieht. Unterdrück-
ter Fußschweiß kann bedeutende Krankheiten, ja sogar den Tod zur
Folge haben.
Wer an zu starkem Fußschweiß leidet, nehme alle Abende ein
lauwarmes Fußbad mit 2 Hände voll Salz und wechsele alle Tage
die Strümpfe.
§ 30. Man muß ferner jeden Morgen den Mund und die Zähne
reinigen, ebenso nach jeder Mahlzeit.
Schwarzbraun gebranntes Brot, fein gepülvert, gibt ein gutes
Reinigungsmittel für die Zähne. Die Haare muß man alle Tage
auskämmen, oder was auch gut ist, mit einer Bürste ausbürsten.
8 31. Sehr zu empfehlen ist das Waschen mit kaltem Wasser.
Hierdurch wird die Haut am vorzüglichsten gepflegt. Diese Hautpflege
ist äußerst wichtig; denn der Mensch sondert durch die Poren nicht
bloß unnütze Theile ab, sondern nimmt auch feine, ihm zuträgliche
Stoffe aus der Luft auf. So lange die Haut auf diese Weise thätig,
ist der Mensch gesund.
Waschbäder nimmt man am besten in den Morgenstunden nicht
lange nach dem Aufstehen vor, in welchen der Körper am wenigsten
gegen die Kälte des Wassers empfindlich ist.
Nachdem man den Kopf, den Nacken und die Brust mit kaltem
Wasser tüchtig benetzt hat, wäscht man den ganzen Körper an allen
Theilen, reibt ihn mit Flanell, groben Handtüchern oder einer Bürste,
in Wasser getaucht, und spült dann den ganzen Körper nochmalen mit
Wasser ab. Eine solche Reinigung reicht' auf acht Tage.
8 32. Das Baden in fließendem Wasser ist noch wohlthätiger
für den Körper, als dieß Waschen, nur darf es nickt im Winter-
geschehen.
Folgende Baderegeln lasse man dabei nicht außer Acht:
u. Mau sei schamhaft und bade sich daher nicht an besuchten Orten;
1). Man bade nicht an gefährlichen Stellen und nur, wenn man
gesund und wohl ist;
c. Man bade nicht kurz nach dem Essen oder Aufstehen vom
Schlafe;
6. Man bade nicht erhitzt, sondern abgekühlt;
e. Ehe man ganz im Wasser untertaucht, wasche man sich zuvor
Kopf und Brust; ' 7 5
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TM Hauptwörter (100): [T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
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zusammen. Leicht kann man auf solche Art mit der Krätze, oder an-
dern bösen Krankheiten angesteckt werden. Am beßten legt man sich
in solchen Fällen unangekleidet auf's Bette, oder läßt sich ein Lager
aus frischem Stroh auf den Boden machen.
§ 39. Gleich Morgens nach dem Aufstehen das Bett machen zu
lassen, ist nicht zu empfehlen, weil dadurch die Ausdünstungsstoffe im
Bette bleiben.
Die Betten müssen vielmehr auseinander gelegt werden, damit
sie bei geöffneten Fenstern verdunsten können. —
Vi. Bewegung.
§ 40. Alles Leben besteht in Bewegung; Ruhe macht schlaff,
ist ein Bild des Todes. Nichts kann die'nerven mehr stärken, als
körperliche Bewegung in freier Luft. Neigt sich doch jede Pflanze nach
der Luft hin.
Als man am Sterbebette des großen und berühmten Arztes
Frank den großen Verlust beklagte, den die Welt durch seinen Tod
erleiden würde, sagte er: „Ich hinterlasse drei viel größere Aerzte,
Doktor Luft, Doktor Bewegung und Doktor Wasser."
§ 41. Körperliche Bewegung und Arbeit in der freien Natur
bewirken Hunger und Durst, befördern die Verdauung, geben eine
blühende Gesundheit, erheitern das Leben und verschaffen einen sanften
Schlaf. Dieß mögen sich alle die merken, deren Berns eine sitzende
Lebensart mit sich führt. Gelehrte oder Handwerker von sitzender Le-
bensart müssen jede günstige Minute benutzen, au heitern Tagen frische
Luft zu genießen.
Nachtheilig für die Gesundheit ist jedoch jede übermäßige An-
strengung und Bewegung; am schädlichsten aber nach der Mahlzeit
und nach einer Krankheit.
§ 42. Das Tanzen ist für junge Leute, wenn es nicht in Ra-
serei ausartet, zuweilen ein passendes'vergnügen.
Wer aber beim Tanzen nicht vollkommen Athem behält, sollte
auf dieses Vergnügen ganz Verzicht leisten. Auch, wer eine schwache
Brust hat. Wer zu Lungenleiden und Bluthusten Anlagen hat, darf
nie tanzen.
Man zähle nur die Pulsschläge des Herzens bei dem, welcher
von einem wilden Tanze abtritt. Beinahe noch einmal so viel in
emer Minute, als gewöhnlich!
Solch' eine Zumuthung sollte der Körper ohne Nachtheil ertra-
gen? Und wie Viele gehen mit einem erhitzten Körper in kühlen
Nachten nach Hause und athmen mit erhitzter Lunge die kalte Luft ein!
Wie Viele tunken in die Hitze und ziehen sich hierdurch eine tödtliche
Kramhett zu! — Gewiß, viele Jünglinge und Jungfrauen sind schon
als Opfer der Tanzwuth gefallen.
8 43. Eine herrliche Bewegung ist ferner das Schlittschuh-
laufen für gesunde Leute; für Schwachbrüftige aber und gegen scharfe
Luft ist es schädlich. Daß mit diesem Vergnügen auch Gefahr ver-
bunden ist, zeigt uns folgende Geschichte. Sie ruft uns zu: Vorsicht!
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