Vorgeschichte. A
3. östlich von der Weichsel:
Die Pruzen*) (bis zur Niemenmündnng), gemischt aus Deutschen und Slawen: homines cerulei, facie rubea et criniti (Helmold).
Die Slawen von gedrungenem, kräftigem Körperbau, fleischig, ausdauernd. Kein erblicher Adel: Majorität entschied in den öffentlichen Versammlungen. Richter der Gemeinden: Zupan (Gespan); Heerführer: Woiwode. Sklaven (Kriegsgefangene), mit denen sie sich nicht vermischten.
Ackerbau mit Hakenpflug: Weizen, Mohn, Gemüse; Butter aus Kuhmilch, Met aus wildem Honig, Zeuge aus Flachs. Fischfang und Seeraub. Tauschhandel: Pelze und Bernstein gegen Schmuck (Glasperlen, metallene Ringe), besonders von griechischen Händlern an Wolga und Dniepr. Vineta auf Wollin (Jnlin) im 11. Jahrhundert Centrum ihres Handels.
Gastfreundschaft: es war ein Fest Gäste aufzunehmen.
Vielweiberei (in Preußen 3). Totenverbrennung (Urnen in gemeinschaftlichen Begräbnisplätzen).
Waffen: Bogen, Wurfkeulen, Schleudern, Streithämmer. In Hünenbetten und Wendenkirchhöfen viel steinerne und bronzene Waffen neben Schmucksachen gefunden. Harnische und Helme kauften sie aus Deutschland. Feste Plätze mit Holz- und Erdwällen, Gräben (nicht Mauern mit Mörtel.)
Die Priester waren, besonders in Preußen, mächtig: nur sie erkunden den Willen der Götter, sind Ratgeber, Richter.
Religion: höchster Gott Belbog (weißer Gott), Vater der Götter. Sein Gegensatz Oernybog (schwarzer), Urheber der Bösen.
Perun (Perkunos bei den Pruzzi), Donnergott.
Der vierköpfige Swantewit, Spender der Fruchtbarkeit (Haupttempel auf Arcona, 1168 von den Dänen zerstört).
Radegast, Kriegsgott, dessen Hauptheiligtum in Retra mit 9 Thoren.
Der dreiköpfige Triglas (in Stettin und Brandenburg).
Jütrabog, Göttin der Morgenröte und des Lichts.
Die Götter wurden, unförmlich in Holz oder auch Metall dargestellt, in heiligen Hainen (die heilige Eiche bei Romove in Preußen) und in hölzernen, mit Farben gezierten Tempeln verehrt; kein Ungeweihter durste diesen — bei Todesstrafe — nahen.
Mit der Christianisierung der Sachsen durch Karl d. Gr. wurde der Gegensatz zwischen Germanen und Slawen doppelt stark. 789 unterwarf Karl, mit
*) Der Name bedeutet die am Ruß Wohnenden, wie „Pommern" die am Meere — po morje.
. 1*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
TM Hauptwörter (100): [T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
TM Hauptwörter (200): [T120: [Gott Göttin Zeus Tempel Sohn Gottheit Priester Erde Mensch Opfer], T135: [Haff Stadt Stettin Weichsel Ostsee Insel Memel Königsberg Danzig See], T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide]]
Extrahierte Personennamen: Mohn Karl_d Karl Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Wollin Hünenbetten Deutschland Retra Stettin Brandenburg Sachsen
3
Zorndorf — sie haben nie Tage gehabt wie die von Groß-Gör-
schen und von der Katzback — von Dennewitz und von Leipzig;
denn sie haben nie vorher, weder mit einem so großen Geiste,
nock für eine so große Sacke, das Schwert gezogen. Daß wir
jetzt frei athmen, daß wir fröhlich zu den Sternen blicken und
Gott anbeten, daß wir unsere Kinder wieder mit Freudm ansihen
können, als die da künftig freie Männer fein werden — das dan-
ken wir näckst Gott diesen Beginnen» der deutschen Herrlichkeit;
sie sind uns übrigen Deutschen, »vie verschiedene Namen wir auch
führen mögen, die glorreichen Vortrete»' und daö erste Beispiel der
Freiheit und Ehre geworden. (Ernst Moritz Arndt.)
H. Tobias Witt.
^err Tobias Witt war aus einer nur rnäßigen Stadt gebürtig,
und nie weit über die nächfim Dörfer gekonnnen. Dennoch hatte
er mehr von der Welt gesehen, als mancher, der fein Erbtheil
in Paris oder Neapel verzehrt hat. Er erzählte gern allerhand
kleine Gefchichtchen, die er sich hier und da aus eigener Erfahrung
gesammelt hatte. Poetifckes Verdienst hatten sie wenig, aber desto
mehr praktisches; und daö Besonderste an ihnen »var, daß ihrer
je zwei und zwei zusammen gehörten.
Einmal lobte ihn ein junger Bekannter, Herie Till, seiner
Klugheit »vegen. — »Ci! -- fing der alte Witt an und schmun-
zelte, »wäre ich denn wirklich so klug?«
Till. Die ganze Welt sagt's, Herr Witt. Nnd weil ich
es auch gern würde — —
Witt. Je nun, wenn er das werden will, das ist leicht. —
Er »uuß nur steißig Acht geben, Herr Till, wie es die Narren
machen.
Till. Was? wie es die Narren machen?
Witt. Ja, Herr Till, und muß es dann anders machen,
als die.
Till. Als zum Exempel?
Witt. Als zum Exempel, Herr Till, so lebte da hier in
meiner Jugend ein alter Arithmetikus, ein dürres, grämliches
I *
i
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Ernst_Moritz_Arndt Ernst Tobias_Witt Tobias_Witt Poetifckes Till Witt Till Till Till
69
Wagen und Karren in der Mitte der Männer, und stritten, wie
von Thürmen herab, mit Lanzen und Speer gegen die Feinde.
Und als sie den unendlichen Jammer ihres Herzens in solcher
Weise umsonst zu mildern versucht hatten, da wandten sie die Ver-
zweiflung gegen sich selbst und gegen die Ihrigen, und suchten dem
Unglücke der Sklaverei zu entgehen durch jeglichen Tod. Sie er-
mordeten ihre Kinder, sie ermordeten sich selbst mit ihren Kindern.
Sie erstachen sich, erdrosselten sich und mit dem eigenen Haare; sie
erhenkten sich, ließen sich von Ochsen zertreten, von Wagen zermal-
men und schleifen von Pferden. Keine Todesart war zu gräßlich,
wenn nur die Knechtschaft vermieden wgrd. Und diejenigen allein,
Männer oder Weiber, geriethen in römische Gefangenschaft, denen
Zufall und Unglück unmöglich machten, dm Tod zu finden.
Die Menge der Gefallenen oder Gefangenen zu zählen, ist hier
so unnöthig, als es auch eine vergebliche Arbeit sein würde. Rö-
mische Schriftsteller haben sich bis zur Schamlosigkeit vergessen.
Florus giebt den Verlust der Cimbrer auf 60,000 an, und den
Verlust der Römer auf weniger als 300. Das Wesentliche ist
und bleibt: Die Cimbrer gingen zu Grunde vor den römischen
Waffen in der raudischen Ebene; der Krieg war geendigt; die Ti-
guriner, die zum Schutze der norischen Alpen zurückgeblieben wa-
ren, verschwanden, und setzten sich vielleicht in den Gebirgen der
Schweiz fest, wo niemand sie suchte. Marius hatte Rom von
der langen Angst befreiet; er feierte mit Catulus einen gemein-
schaftlichen Triumph, bei welchem der König Teutobach durch
Größe, Gestalt und Art mehr die Blicke auf sich zog, als alle
Siegeszeichen; Marius jedoch wurde als der eigentliche Retter,
als ein dritter Romulus, gepriesen und verherrlicht. Und gewiß,
hätte er nicht das Unglück gehabt, diese unendliche Feier zu über-
leben, er würde schön und groß für ewige Zeit in der Geschichte
glänzen. Die Cimbrer und Teutonen aber, obgleich sie von der
Erde vertilgt waren, hatten durch ihre Thaten ihren Namen so
tief in die Geschichte eingegrabcn, daß sie nimmermehr aus dem
Andenken der Menschen verschwunden sind, und daß dem deutschen
Volke bei dem Eintritte in seine geschichtliche Laufbahn kaum irgend
etwas hätte förderlicher sein können, als das Andenken an einen
solchen Untergang.
(Luden.)
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T55: [Rom Krieg Römer Jahr Heer Cäsar Hannibal Pompejus Marius Schlacht], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
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Extrahierte Personennamen: Marius Marius Marius Marius
57
Nun bat, ermahnte, befahl die Mutter, daß ich auf jede Weise
fliehen sollte; der Jüngling könne dies; sie, die an Jahren und
an ihrem Körper schwer zu tragen habe, werde leichter sterben,
wenn sie nicht die Ursache meines Todes sei. Ich entgegnete: nur
mit ihr zugleich wolle ich mich gerettet wissen. Hierauf fasse ich
sie bei der Hand, zwinge sie, weiterzugehen, sic gehorcht ungern
und klagt sich an, daß sie mich aufhalte. Schon fällt Asche nie-
der, jedoch noch sparsam, ich blicke zurück; dichte Finsterniß droht
uns im Rücken, welche uns gleich einem Bergstrome folgt. Wir
wollen seitwärts ausbiegcn, sage ich, so lange wir noch sehen kön-
nen, damit wir nicht auf der offnen Straße umgestoßen und in
der Dunkelheit von der fliehenden Menge zertreten werden. Kaum
setzen wir uns nieder, so wird es Nacht, nicht etwa nur so, als
ob kein Mondenschein wäre oder Nebel fiel, sondern so, wie in
verschlossenen Zimmern, wenn das Licht ausgelöscht ist. Man
hörte das Geheul der Weiber, das Gewimmer der kleinen Kinder,
das Geschrei der Männer; die Einen riefen nach den Eltern, die
Anderen nach den Kindern, die Dritten nach den Gatten, und
suchten sich an den Stimmen zu erkennen. Dieser bejammerte sein
eigenes, jener das Unglück der Seinen; cs gab welche, die aus
Furcht vor dem Tode sich den Tod herbeiwünschten. Viele erhoben
die Hände zu den Göttern, andere verkündigten, daß es keine Göt-
ter gebe, und daß dies die letzte und zugleich ewige Nacht der Welt
sein werde. Auch fehlte es nicht an solchen, die durch ersonnene und
erlogene Schrcckniste die wahre Gefahr noch vermehrten. Einige
erzählten fälschlich, zu Misenum sei das Eine in Trümmer ge-
stürzt, das Andere brenne, und sie fanden Glauben. Auf kurze Zeit
wurde es wieder hell, was uns nicht das Tageslicht, sondern der
Vorbote eines nahenden Feuers zu sein schien. Das Feuer blieb
in der Entfernung still stehen; dann ward es wiederum plötzlich
Nacht, dir Asche siel in dichter Masse. Wenn wir aufstiegen und
sie abschüttelten, wurden wir anderwärts wieder bedeckt imb von
der Last fast erdrückt. Ich könnte mich rühmen, nicht einen Seuf-
zer, nicht einen nur mäßig starken Ausruf in so großen Gefahren
ausgestoßen zu haben, wenn ich cs nicht für einen traurigen, aber
dennoch großes Trost im Tode gehalten hätte, daß ich mit allem
und alles mit mir zu Grunde gehen werde. Endlich ging die dünn-
gcwordene Finsterniß gleichsam in Rauch und Nebel über; es wurde
wirklich Tag, auch die Sonne brach durch, jedoch gelblich, wie bei
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
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1
101
ihm, sie ihnen ganz zu erlassen, und doch weiß er sie zu mäßigen,
sie dem durch Geld, jenem durch Getreide oder durch den Erlaß
eines Zinses von Zeit zu Zeit zu vergüten, und sein Recht in
Billigkeit zu verwandeln. Er ist der Herr und das Beispiel und
die Seele seines Hauses, und es immer gut zu sein, dieses ist seine
Sorge und Arbeit. Er hat keine Kinder; aber er läßt Anver-
wandte bei sich erziehen. Er sorgt für die Sitten seiner Bedienten
mit Klugheit, Ernst und Güte, hält sie vom Müßiggänge und
vom Laster zurück, und erweckt sie durch sein Beispiel zu den Übun-
gen in der Religion. Diese Lebensart hat Euphemon zwanzig
Jahre getrieben, keine neuen Güter erworben, und manches Jahr
sogar sein Vermögen verringert, und hat er gleichwohl nicht un-
endlich mehr gethan, als Kriton? Er hat nicht bloß seine Haus-
haltung nützlich geführt, er hat auch sein Vermögen und sein An-
sehen nach seinem Gewissen, zu seinem und andrer Glück verwandt.
Wie ehrwürdig, aber wie selten ist ein Euphemon!
________ (Gellert.)
Xx. Italien.
Italiens Bewohner sind von mittler Größe (eher klein als
groß zu nennen) und stämmigem Wuchs; ihre Hautfarbe geht
ins Gelbliche, im Süden ins Bräunliche über. Die Augen und
Haare sind schwarz, jene feurig, lebensprühend und Geist verra-
thend. Da die Italiener viel mehr Nahrung aus dem Pflanzen-
reiche, als aus dem Thierreiche genießen, so sind sie weniger kräf-
tig, aber gewandter und lebendiger, als die Völker des mittleren
und nördlichen Europa's. Ihre Sprache, das Lateinische der Ge-
genwart, beträchtlich verschieden vom alten Latein, ist klangreich,
hat viele Vocale, besonders häusig die klingenden a, i und o, und
selten das nicht tönende e. Sie sprechen und singen dieselbe sehr
schnell. Die Mundarten der einzelnen Landstriche weichen beträcht-
lich von einander ab, und die von Toscana und Rom werden für
die schönsten gehalten. Die Italiener beschäftigen sich auf mannich-
faltige Weise, arbeiten aber (wie cs meist bei Bewohnern südlicher
Länder der Fall ist) nicht gerne, und lieben das süße Nichtsthun
(il dolce far niente). Sie rauben häufig, aber stehlen selten,
und die meisten ihrer Thüren haben keine Schlösser. Geiz und
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aber schweben ihnen immer auf den Lippen, und sicher betet jeder
Italiener 900-mal zu seinem Heiligen, che er Gottes mit einer
Sylbe gedenkt. Man kann daher wohl im Allgemeinen behaupten,
daß die Religion keineswegs im Innern ihres Gemüths, wie oft
unter unserem Volke, besonders im Herzen so vieler edlen Frauen,
stille Altäre, dem Glauben und der Liebe geweiht, errichtet.
Die sichere, klare Form jedoch, in welche die Italiener ihre
Pocsiereligion kleiden, behütet sie vor jeder dunkeln Schwärmerei,
vor Zerfließen in schleimigen Ideen und Anschauungen, und die
seltsamen Erscheinungen, an denen gerade unser protestantisches
Deutschland so reich ist, sind in Italien wohl unerhört. Jugend-
lich heiter und unumwunden zeigt sich ihnen das Leben in allen
seinen Beziehungen; sie kennen keine Mystik, und von unserem
ncucrthümlichen Katholicismus haben sie gleichfalls keine Vorstel-
lung, welches wir am deutlichsten aus dem Benehmen der Römer
gegen deutsche Prosclyten ersehen könnten. Man sindet nämlich in
Rom eine große Anzahl junger Deutscher, meistentheils Künstler,
die cs, um zur wahren Anschauung und inneren Seele der Kunst
zu gelangen, für zweckmäßig erachtet haben, sich der katholischen
Lehre zu ergeben; ja einige derselben haben sich schon in mehreren
Bekenntnissen versucht, und an sich selbst die Kirchengcschichte com-
pendiarisch durchgemacht.
Aus diesen wenigen Bemerkungen scheint hervorzugehen, daß
der Italiener fast in jeder Hinsicht dem Deutschen als Gegenfüß-
ler gegenüber steht, und daß diese beiden so gründlichen Völker sich
gleichsam an die Pole der westeuropäischen Menschheit gestellt ha-
den. Man sollte daher glauben, daß die wechselseitige Berührung
beiden nützlich und interessant sein müsse. Die Italiener scheinen
dies auch zu fühlen; denn obgleich sich Fremde aller Nationen auf
ihrem schönen Boden umhcrtummeln, so spricht sie dennoch die
deutsche Eigenthümlichkeit am lebendigsten an, und sie hören nicht
auf, das deutsche Gemüth, das kein Italiener hat, zu preisen,
davon wir vielfache Beweise erhalten haben.
Wahrlich, die Italiener sind unter allen Europäern dasjenige
Volk, in dem die widersprechendsten E.rtreme und Gegensätze zu-
sammenfließen. Oft geberden sie sich bei den einfachsten Erzählun-
gen so seltsam, daß sie unsereins für toll halten sollte, begleiten
den gleichgültigsten Ausdruck mit einer Menge Bewegungen und
Zeichen, die dieser Nation ganz eigenthümlich sind. Wenn sie z. B.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
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Extrahierte Ortsnamen: Gottes Deutschland Italien Rom
Xxv. Die dkeujahrsnacht eines Unglücklichen.
Cpiti alter Mensch stand in der Ncujahrsmitternacht am Fenster,
und schaute mit dem Blicke einer bangen Verzweiflung auf zum
unbeweglichen, ewig blühenden Himmel, und hinab auf die stille,
reine, weiße Erde, worauf jetzt niemand so freuden- und schlaflos
war, wie er. Denn fein Grab stand nahe bei ihm; es war bloß
vom Schnee des Alters, nicht vom Grün der Jugend bedeckt, und
er brachte aus dem ganzen, reichen Leben nichts mit, als Irrthü-
mer, Sünden und Krankheiten, einen verheerten Körper, eine ver-
ödete Seele, die Brust voll Gift und ein Alter voll Reue. Seine
schönen Illgendtage wandten sich heute als Gespenster um, und
zogen ihn wieder vor den holden Morgen hin, wo ihn sein Vater
zuerst auf den Scheideweg des Lebens gestellt hatte, der rechts auf
dsr Sonnenbahn der Tugend in ein weites, ruhiges Land voll
Licht und Ärnten und voll Engel bringt, und welcher links in
die Maulwurfsgänge des Lasters hinabzieht, in eine Höhle voll
heruntertropfenden Giftes, voll zischelnder Schlangen und finsterer,
schwüler Dämpfe. Ach, die Schlangen hingen um seine Brust und
die Gifttropfen auf seiner Zunge, und er wußte nun, wo er war.
Sinnlos und mit unaussprechlichem Grame rief er zum Him-
mel hinauf: Gieb mir die Jugend wieder, o Vater; stelle mich
auf den Scheideweg wieder, damit ich anders wähle! Aber fein
Vater und feine Jugend waren längst dahin. Er sah Irrlichter
auf Sümpfen tanzen und auf dem Gottesacker erlöschen, und er
sagte: Es sind meine thörichten Tage! — Er sah einen Stern
aus dem Himmel fliehen und im Fallen schimmern und auf der
Erde zerrinnen. »Das bin ich!« sagte sein blutendes Herz, und
die Schlangenzähne der Reue gruben darin in den Wunden wei-
ter. Die lodernde Phantasie zeigte ihm fliehende Nachtwandler auf
dm Dächern, und die Windmühle hob drohend ihre Arme zum
Zerschlagen auf, und eine im leeren Todtenhause zurückgebliebene
Larve nahm allmählig seine Züge an.
Mitten in dem Kampfe floß plötzlich die Musik für das Neu-
jahr vom Thurme hernieder, wie ferner Kirchengesang. Er wurde
sanfter bewegt. Cr schaute um den Horizont herum und über die
weite Erde, und er dachte an seine Jugendfreunde, die nun, glück-
licher und besser, a^s er, Lehrer der Erde, Väter glücklicher Kinder
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
173
so drohenden und gefährlichen Anschein nahm, bestürzt. Ingicr
stellte sich ruhig neben den Alten, und Thorstein war in der
peinlichsten Verlegenheit. »Ich bin Schuld,« rief er, »ich wollte
den Freund überraschen.« Aber Else lief gleich, als sic die don-
nernde Stimme des Vaters hörte, voller Angst und wie durch eine
geheime Ahnung getrieben, nach der Thür, und in demselben Au-
genblick ward diese eröffnet, und ein stattlicher junger Mann mit
einem blühenden Gesicht und großen, feurigen, Hellen Augen trat
herein.
»Adolph!« rief die Geängstigtc, und der Hereintretende er-
blickte mit Erstaunen den zornigen Alten, und wie der Fremde,
dessen Anwesmheit ihm bekannt zu sein schien, seinen Degen ent-
blößte. Schnell hatte indessen Else den jungen Mann von der
Veranlassung zu diesem heftigen Auftritt unterrichtet, und er eilte
zu dem Obersten hin. Sich freundlich ihm gegmüberstellend, hob
tx an:
»Herr Oberst! erlauben sie mir ein ruhiges Wort; ich habe
das Recht, mich in einen Streit zu mischen, dessen Ausgang für
uns alle, auch für sie nur unangenehm sein kann; dieses Mäd-
chen, die Tochter des Hauses, ist meine Braut, und ich bin stolz
darauf, sie zu besitzen. Dieser chrwürdige Mann will mein Va-
ter sein, und ich nenne es einen Ruhm für mich, sein Sohn zu
heißen.«
Der Oberst senkte, noch zornig, seinen entblößten Degen.
»Was haben sie mir zu sagen?« rief er, nur mit Mühe sei-
nen Ingrimm verhehlend. Auch der Alte schien ungeduldig.
»Lieber Vater!« bat Adolph, »lassen sie mich mit dem Herrn
reden.«
»Sie kennen«, fuhr er fort, da ihn keiner verhinderte, »den
vermögenden norwegischen Bauer, den freien Mann, den, nur dem
Gesetze und dem Könige unterworfenen, unabhängigen Herrn seines
Besitzes nicht, ja ich entschuldige sie, da sie mit der Bmennung
Bauer den Begriff der Knechtschaft zu verbinden gewohnt sind,
daß selbst der Empfang, den sie hier gewiß gefunden haben, nicht
im Stande war, ihre Vorurtheile zu überwinden. Aber sie ken-
nen nicht das tägliche Leben ihres Wirths und seiner Familie; sic
wissen nicht, wie sie alle, zwar eine kräftige, aber höchst einfache
Nahrung genießen, wie sie zwar reinlich und sauber, aber auf die
prunkloseste Weise leben. Sie finden nur zwei Prachtstuben, eine
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
175
tes Vornehmthun, und endlich zerstöre ich das ganze fteundliche
Fest durch eine ungehörige Zumuthung. Bist du, alter, braver
Mann, mit dieser Erklärung zufrieden?«
»Ob ich es bin? Du bist der trefflichste Däne, den ich je-
mals traf, du bist mir jetzt doppelt, dreifach willkommon,« rief
der Alte, und schüttelte ihm die Hand.
Freudig kam die Wirthin heran. « Aber jetzt mußt du nun bei
uns bleiben, in unserm Hause wohnen, unser lieber Gast sein, diese
Nacht, länger, so lange du in dieser Gegend bleibst,« sagte sie,
und die triumphirende Freude glänzte aus ihrem freundlichen Auge.
»Za, ich bleibe bei euch, damit eure Güte mich ganz be-
schäme,« antwortete der Oberst.
»Eine Bouteille Wein!« rief der Alte-. »Nun, ihr Männer,
alle an den Tisch! Adolph, du hast deine Sache brav gemacht.«
(H. Steffen».)
Xxxiv. Italien und Deutschland.
^ieh, welch ein unendliches Bild voll Schönheit und Reiz brei-
tet sich hier, an der Schwelle Italiens, noch vor meinem Blicke
aus! Der Frühling mit seinen tausend Freuden, mit allen seinen
Blüthen und Blumen und Zubelchörm hält seinen Einzug. Der
Gesang der Lerchen und das Geschrei der Schwalben geleitet mich
bis zu jenen kahlen Bergen, wo ein anderes Land liegt; aber kein
italienisches. Die Natur webt ja so emsig an ihrem Feierkleide,
mit dem sie bald geputzt und heiter wie eine junge Braut dastehen
wird. Der Kirschbaum streckt seine weißen Blüthenarme aus,
und der Psirsichbaum seine rothen; hinter dem duftenden Schleh-
dorn flöten Nachtigall und Amsel ein Doppel-Concert, und gelbe
Schmetterlinge flattern über die Butterblumen der Wiese. Auf den
Feldern bindet der Landmann die Rebe an den grünen Maulbeer-
baum, und singt ein frohes Lied. Alle Hügel umher grünen und
blühen und sind in Weinlaub gekleidet. Die weißen Landhäuser
stehen hinter einem grünen Gitterwerk von blühenden Obstbäumen,
und die schlanke Cypresse und die nordische Tanne und der üppige
Feigenbaum und die deutsche Eiche stehen bunt unter einander.
Aber lebe wohl, du Land des Südens mit deinem heiterm,
tiefblaum Himmel, mit deinen reichen, fruchtbarm Ebenen, mit
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne]]
Extrahierte Personennamen: Adolph
Extrahierte Ortsnamen: Italien Deutschland Italiens
261
Eier zu vergraben; die Onze treibt dieselbe Jagd, und deshalb
entfernt sich nie der Indier allein und ohne Waffen von dem
Wachtfeuer. Fast jedes Landen auf solchen Inseln trägt Vor-
rath zur Weiterreise ein; denn die gefangenen Amphibien werden
auf dem Flosse angebunden, wo sic im Genuß des Schattens und
Wassers geraume Zeit fortleben. Kaum ist das am Orte selbst
mit geringer Mühe erlangte Abendessen verzehrt, so plätschern auck
schon die Indier nach unveränderlicher Gewohnheit im Wasser,
und wenn noch ein Baumstamm zum Wachtfeuer hingewälzt ist,
strecken sich alle in einer Reihe unter den schwarzgefärbten niedri-
gen Toldos aus, die auf dem weißen Sande wie eben so viele
Särge erscheinen. Der ruhige Athemzug deutet an, daß die Be-
gleiter in den schweren Schlaf gefallen sind, der ihrer Ra^e eigen-
thümlich ist, aber den leichter erregten Europäer unter Umgebun-
gen solcher Größe und Herrlichkeit fliehet. In diesen liegt ein
unbeschreibliches Etwas, das zum Nachsinnen auffordert. Leise
brachen sich die Wellen am Sandufcr, und kein Laut störte die
Feier der Nacht. In der todtengleichen Stille vernimmt man das
Rascheln des Insects am Boden, und,das Hervorspringen einzel-
ner Fische in der fernen Mitte des Stromes. Auch am Himmel
herrscht dieselbe Ruhe; denn keine vorüberglcitende Wolke verdeckt
die ewigen Bahnen der still herabglänzenden Sterne. Auf einmal
rauschen die Gewässer in der Ferne, als ob sich Welle über Welle
dahin wälzte, und wie der wunderbare Ton in größerer Nähe sich
zu entwickeln scheint, gewahrt man in der That eine ungewöhn-
liche Bewegung in der Mitte der monderleuchtcten Wasserfläche.
Bald darauf nimmt diese wiederum ab, bis weiter hinab das Rau-
schen völlig verklingt. Scheu flüstern die erwachenden Indier; denn
sie halten für die Hervorbringerin dieser unheimlichen Erscheinung
eine riesige Amphibie, die zwar noch niemand sah, deren Eristenz
aber jeder Forscher, der die Natur in solchen Ländern kennt, für
möglich halten wird. Um Mitternacht wird in dem Walde die
Ruhe zum ersten Male unterbrochen; denn verschiedene Thierstim-
men werden dann laut. Sie verkünden die Stunde, wie die In-
dier sagen, und lassen von da an sich in ziemlich regelmäßigen
Zwischenräumen hören. Der Ruf wird immer häufiger, je näher
der Morgen rückt; allein er weicht kurz vor Aufgang der Sonne
wieder der allgemeinen Stille, mit welcher die Nacht begann. Bis-
weilen ergreift irgend eine unbekannte Ursache die Thierwelt in sol-
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