1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
Auflagennummer (WdK): 28
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
Geschlecht (WdK): koedukativ
133
9. Heinrich I., der Vogelsteller genannt. (919 — 936.)
1. Heinrichs Wahl. Heinrich soll gerade bei seinen Vogelheerden auf
seinen Gütern im Harz gewesen sein, als ihm Boten die Nachricht von seiner
Wahl zum Könige der Deutschen brachten; daher sein Beiname. Billiger aber
hätte man ihn den Großen nennen sollen, denn in weniger als 20 Jahren
erhob er daö seit Karl dem Großen sehr gesunkene deutsche Reich zur
erstell Macht der Christenheit.
2. Ungarn und Wenden. Deutschland war damals ein sehr unglück-
liches Land. Von Südosten jagten häufig auf ihren schnellen Pferden die
Hunnen oder Ungarn, ein aus Asien hergekommenes Volk, heran, trieben
den Bauern ihr Vieh weg und sengten und plünderten, wohin sie kamen.
Sammelte sich langsam ein Haufe deutscher Krieger wider sie und fing an, sich
in Marsch zu setzen, so waren sie sammt ihrer B-ute bereits wieder fort. Von
Nordosten her kamen zu Zeiten die Wenden und machten es eben so. Das
war eine traurige Zeit.
3. Heinrich als Städtegründer. Was that nun der kluge Heinrich ? —
Zuerst schloß er mit den Ungarn einen 9jährigen Waffenstillstand, indem er
ihnen einen jährlichen Tribut versprach. Nun begann im deutschen Reiche eine
bessere Zeit. Zur bessern Vertheidigung des Landes bauete der König mehrere
Städte, besonders in Sachsen und Thüringen, und einige derselben umzog er
mit Mauern und Wassergräben. Solch' eine ummauerte -stadt nannte man auch
Burg und ihre Bewohner Bürger. Aber die Deutschen haßten das Leben
hinter den Mauern und sagten: „Sollen wir uns lebendig begraben lassen? Die
Städte sind nichts anders, als Gräber." Da befahl Heinrich, die Leute sollten
loosen, und je einer aus neunen, den das Loos treffe, sollte vom Lande in die
Stadt ziehen. Damit sie das aber um so lieber thun möchten, gab er den
Städten viele Vorrechte, so daß die Bürger hinter ihren Mauern nach und
nach viel freier wurden, als die Bauern, welche ihren Edelleuten oder Klöstern
als Leibeigene dienen mußten. Nun fing bald der eine an, für die übrigen
Kleider zu machen; ein anderer verfertigte Schuhe für alle; ein dritter bauete
Häuser u. s. f. — mit einem Worte, es entstanden die verschiedenen Hand-
werke. Bis dahin hatte jeder sein eigener Schneider, Schuster, Maurer u. s. w.
sein müssen. — >
4. Verbesserung der Kriegsmacht. Aber nicht blos Festungen,
sondern auch eine wohlgeübte Kriegsmacht wollte Heinrich den Ungarn entgegen-
stellen. Er verbesserte die Waffen der Seinigen, lehrte sie in geschlossenen Reihen
fechten und führte zur bessern Uebung eine Art von Kampfspielen ein, die den
Turnieren der spätern Zeit ähnlich waren. Darauf überzog er zunächst die
benachbarten Völker, die so oft Deutschland geplündert und mit den Ungarn
gemeinsame Sache gemacht hatten. Ueberall war er siegreich.
5. Sieg über diewenden. Unter andern brachte er auch die W end en
in Brandenburg zur Ruhe. Mitten im Winter nahte er sich ihrer Hauptstadt
Brenuabor (Brandenburg). Sie zagten aber nicht, sondern meinten, durch
die weiten Sümpfe um die Stadt könne das Kriegsheer nicht dringen. Heinrich
kam aber doch, zwar nicht durch die Sümpfe, aber über dieselben, als sie
festgesroren waren. Die feindliche Stadt wurde genommen; die Wenden waren
besiegt. Und damit dieses unruhige Volk seine räuberischen Ein-
fälle nicht wiederhole, sonderte Heinrich an der Grenze oder
Marke ihres Landes einen Landstrich ab und übergab denselben
einem tapfern Manne, der den Titel Mark- oder Grenzgraf
führte und die Wenden überwachen mußte. Das ist der Ursprung
der Markgrafschaft Brandenburg, aus welcher vor und nach der
preußische Staat entstanden ist.
6. Sieg über die Ungarn. Unterdessen war der Waffenstillstand mit
den Ungarn abgelaufen. Da kamen ihre Gesandten und forderten den fälligen
Tribut. Heinrich ließ ihnen statt dessen einen an Schwanz und Ohren ver-
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_I. Heinrich_I. Heinrichs Heinrichs Heinrich Heinrich Karl_dem_Großen Karl Heinrich Heinrich Heinrich_?_— Heinrich Heinrich Heinrich Schneider Schuster Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich_ließ Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Ungarn Asien Ungarn Sachsen Ungarn Deutschland Brandenburg Brandenburg Ungarn
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Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
Auflagennummer (WdK): 28
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142
17. Der erste Hohenzoller i« Brandenburg. (1415.)
1. Das Geschlecht der Hohenzollern. In dem Lande Hohenzollern-
Hechingen, von Würtemberg umschlossen, stand auf einem 800 Fuß hohen Berge
ein altes verfallenes Schloß, welches jedoch in neuerer Zeit wieder hergestellt
worden ist. — Das ist die Burg Hohenzollern, und seine früheren Bewohner
waren die Grafen gleichen Namens. Das Geschlecht der Hohenzollern soll schon
zu Karls des Großen Zeiten geblüht haben. Aus diesem Geschlechte der Hohen-
zollern nun stammt die preußische Königsfamilie.
2. Friedrich Vi., Statthalter in Brandenburg. Graf Frie-
drich Vi., der zugleich Burggraf von Nürnberg war und die Fürsten-
thümer Anspach und Baireuth besaß, stand nämlich beim Kaiser Sigismund
in solchem Ansehen, daß er ihn 1412 zum Statthalter von Branden-
burg bestimmte. Dieses Land war aber damals sehr heruntergekommen. Der
immer geldarme Sigismund hatte es nämlich früher seinem Vetter Jobst von
Mähren gegen eine Summe Geldes verpfändet. Der habsüchtige Jobst hatte
darüber Statthalter gesetzt, die sich wenig um das Wohl des Landes beküm-
merten und nur für ihren Herrn Geld zu erpressen suchten. Dazu fehlte es
an Ordnung und Recht. Wild schwärmten die mächtigen Raubritter umher,
führten den Bauern ihre Heerden weg, nahmen den Kaufleuten ihre mit
Waaren beladenen Wagen auf offener Straße, führten ste in ihre Raubnester,
und Reisende wurden ihrer Habe beraubt. Nirgends wütheten Fehde und Raub
so, als hier.
3. Seinekämpfe mit demadel. Als Friedrich in der Mark erschien,
begrüßten ihn alle als Retter des Landes, und freudig leisteten ihm Städte und
Stände den Eid der Treue. Aber Dietrich und Johann von Quitzow,
Caspar Hans von Puttlitz, Wichard von Rochow und Achim von
Bredow verbanden sich gegen den neuen Landesherrn. Sie trotzten auf ihre
14 Fuß dicken Mauern. Sie nannten den Nürnberger Burggrafen nur spott-
weise das Nürnberger Spielzeug. „Und wenn es ein ganzes Jahr lang Burg-
grafen regnete, so soll in der Mark doch keiner aufkommen," sagten sie, rückten
in Verbindung mit den Pommern dem neuen Landesherrn entgegen und be-
siegten ihn. Der Sieg blieb indeß ohne Folgen. Friedrich bemühte sich, sie
durch Freundlichkeit und Herzensgüte zu gewinnen; er bot ihnen Verzeihung
au und sicherte ihnen den Besitz ihrer rechtmäßig erworbenen Güter zu; aber
sie verharrten bei ihrem Trotz. Da wandte sich Friedrich an den Kaiser.
Der erklärte die Widerspenstigen für Rebellen und sprach die Reichsacht über
sie aus. Noch zögerte der Statthalter. Als aber die Ritter fortfuhren, die
Mark durch ihre Fehden zu verwüsten, da mußte Friedrich Ernst gebrauchen.
Mit 4 Heeren rückte er zu gleicher Zeit vor die Schlösser Friesack, Plaue,
Golzow und Bütow.
Das Haupt der Rebellen, Dietrich von Quitzow, befand sich in Friesack.
Hier leitete Friedrich selbst die Belagerung. Lachend erwartete Dietrich die
Feinde. Friesack war eine der festesten Burgen in der Mark. Das Mauerwerk, >
mit vielen starken Thürmen versehen, hatte eine außerordentliche Stärke. Die
Besatzung war mit dem besten Muthe beseelt und schaute mit Vertrauen auf
ihren Herru, der sie so oft zu Sieg und Beute geführt hatte. Mit Lebensmitteln
war man reichlich versehen, und so fiel es niemandem in der Burg ein, daran
zu denken, daß eine Eroberung derselben möglich sein könnte. Am allerwenigsten
hatte Dietrich selbst einen solchen Gedanken. Ein Held, wie er, häcke nach dem
bisherigen Laufe der Dinge in einer solchen Veste einer halben Welt getrotzt.
Die Belagerung hatte begonnen, und die Besatzung befand sich auf ihrem Posten.
Da geschah ein furchtbares Krachen. Die ganze Burg erzitterte; klirrend zer-
sprangen die Scheiben in den Zimmern; prasselnd fiel der Kalk von den Wan-
den, und donnernd stürzten Steine und Steintrümmer in den Burghof. In größter
Bestürzung, und betäubt von dem unerhörten Getöse, lief alles in der Burg
zusammen. Niemand in der ganzen Mark hatte je etwas Aehnliches vernommen.
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Extrahierte Personennamen: Würtemberg Karls Friedrich_Vi Friedrich Burggraf_von_Nürnberg Sigismund Sigismund Jobst_von
Mähren Jobst Friedrich Friedrich Johann_von_Quitzow Johann Caspar_Hans_von_Puttlitz Wichard_von_Rochow Achim_von
Bredow Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich_Ernst Friedrich Ernst Plaue Dietrich_von_Quitzow Friedrich Friedrich
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143
Was mochte es sein? — Es war die faule Grete, eine Kanone, welche
Kugeln von 24 Pfund schoß, und welche noch vorhanden ist. Friedrich hatte
sie aus Franken mitgebracht und besaß nur diese eine. In der Mark war sie
etwas ganz Neues. Zwar hatte der Mönch Berthold Schwarz das Schieß-
pulver schon gegen das Jahr 1350 erfunden, und Dietrich selbst besaß einige
kleine Donnerbüchsen; aber von solcher Größe hatte man hier noch keine gesehen.
Da Friedrichs Kanone wegen ihrer Schwere nur sehr langsam fortgeschafft wer-
den konnte, so ward sie von dem Volke „die faule Grete* genannt. — Es währte
nicht lange, so war die Mauer von Friesack an einer Stelle zertrümmert, und
man gab auf der Burg ein Zeichen, daß man sich ergeben wolle. So wurde
die Veste genommen. Dietrich von Quitzow befand sich aber nicht mehr darin.
Er hatte sich auf geheimen Pfaden geflüchtet, diente späterhin bald diesem, bald
jenem fremden Fürsten, machte auch bisweilen noch feindliche Einfälle in die
Mark, wobei er unter andern die Stadt Nauen einäscherte, ist aber endlich, von
allen verlassen, beim Kloster Marienborn im Magdebnrgischen gestorben. Nun
zog Friedrich mit der faulen Grete vor Plaue, wo sich Johann von Quitzow
vertheidigte. Auch er unterlag bald. Die faule Grete zertrümmerte die dicken
Mauern, und Plaue siel. Johann suchte ebenfalls zu entwischen, ward aber
ergriffen und zu Calbe an der Saale in's Gefängniß gesetzt, wo er auch gestor-
den sein soll. Nunmehr hatte Friedrich leichteres Spiel. Die anoern Verbün-
deten, von denen Hans von Puttlitz schon früher gefangen worden war, ergaben
sich und wurden später begnadigt.
4. Friedrich I., Kurfürst von Brandenburg. Friedrich hatte dem
Kaiser Sigismund viele Dienste geleistet und zum Besten der Mark Branden-
burg große Kosten aufgewendet. Deshalb übertrug ihm der Kaiser im Jahre
1415 die Mark und das Knrfürstenthum erb- und eigenthümlich. Auf dem
Reichstage zu Costnitz am Bodensee fand 1417 am 18. April die feierliche
Belehnung statt. Das war ein wahrer Festtag. Jeder der Adeligen trug eine
rothe Fahne an der Lanze und war im reichen Feierkleide ohne Rüstung. Der
ganze Zug ritt zu Friedrichs Herberge. Dieser bestieg im kurfürstlichen Schmucke
sein Roß. Ihm zur Rechten ritt Wichard von Rochow mit der Fahne der Kur-
mark, zur Linken ein fränkischer Ritter mit der Fahne der Hohenzollern (schwarz-
weiß). Durch alle Straßen der Stadt ging der Ritt bis zu des Kaisers Woh-
nung. Der saß auf einer Erhöhung auf seinem kaiserlichen Throne, ihm zur
Seite Cardinäle, Bischöfe und Fürsten. Dahinter standen Ritter mit kostbaren
Wappen und Fahnen. Friedrich stieg nun mit seinen beiden Fahnenträgern die
mit herrlichen Decken belegten stufen zum kaiserlichen Throne hinan, kniete drei-
mal nieder und bat um die Belehnung. Da ward die U'rkunde verlesen, daß
diemarkbrandenburg von nun an den Hohenzollern für immer
verbleiben solle. Der Kurfürst schwur dem Kaiser Treue und empfing von
ihm das brandenburgische Banner, den Reichsapfel und das Reichsschwert. So
ward Friedrich Kurfürst von Brandenburgs und einer der ersten Reichsfürsten
in den deutschen Landen. — Die ganze Stadt aber und alle Fürsten und Geist-
lichen feierten und ehrten den, den der Kaiser geehrt hatte.
18. Johann Hlch. (t 1415.)
Es kommt aber die Zeit, daß, wer euch tödtet, wird meinen, er
thue Gott einen Dienst daran. Joh. 16, 2.
1. Huß in Prag. Zu Ende des 14. und zu Anfang des
15. Jahrhunderts lebte zu Prag Johann Huß. 1374 war er
geboren; seine Eltern waren Landleute auf einem Dorfe in Böhmen.
Gar fleißig und gottesfürchtig war er durch hohe Schulen gegangen;
nun war er an der Hochschule Lehrer. Gelehrsamkeit zierte ihn, und
die Frömmigkeit war sein Schmuck. Als dieser Mann Prediger wurde
an der Bethlehemskirche (Bethlehem aber heißt das Haus des Brotes),
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Berthold_Schwarz Friedrichs Quitzow Friedrich Friedrich Johann_von_Quitzow Johann Plaue Johann Friedrich Friedrich Hans_von_Puttlitz Friedrich_I. Friedrich_I. Friedrich Friedrich Sigismund Friedrichs Wichard_von_Rochow Friedrich Friedrich Friedrich_Kurfürst Friedrich Johann_Hlch Johann Johann_Huß Johann
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nicht die Stadt für dieselbe gewinnen. Später wurde Wesel der Hauptsitz der
Reformation am Niederrhein, so daß da« Sprüchwort entstehen konnte:
Genf, Wesel und Rochelle
Sind des Teufels zweite Höll'.
Im bergischen Lande aber ist Clarenbach's Arbeit vollends nicht ohne
bleibende Frucht geblieben und auch nicht vergessen, sondern in herzlicher Dauk-
barkeit hat man ihm in einem Eichenhaine, der ehedem zum Buscherhöfe gehörte,
ein Denkmal errichtet, zu dem am 28. September 1829, also gerade 300 Jahre
nach seiner Hinrichtung, unter den größten Feierlichkeiten der Grundstein ge-
legt wurde. (Nach Wieömann, Ev. Kalender 1851.)
26. Die Reformation in der Mark Brandenburg. (1539.)
1. Joachim I. Zur Zeit, da die Reformation begann, regierte in der
Mark Brandenburg Kurfürst Joachim I. Der war ein strenger Herr und
Gebieter. Die Adeligen, welche es noch liebten, hinter den Büschen in den
Haiden zu liegen und auf die reichen Kaufleute zu lauern, die mit ihren Gütern
zur Meffe reiseten, wußten davon zu erzählen. Der strenge Fürst hatte ihrer
viele schonungslos hinrichten lassen; er wollte solch' Unwesen nicht dulden in
feinem Lande. Seitdem fürchtete man ihn.
Dieser Joachim hielt an der katholischen Lehre fest und wollte von der
Reformation nichts wissen. Diese erschien ihm als eine gefährliche Neuerung,
als eine Empörung gegen die Obrigkeit, und er hat auf allen Reichstagen
immer zu strengen Maßregeln gegen die Evangelischen gerathen. Die Märker
waren aber längst Luther zugethan, und wenn's auf sie angekommen wäre, so
wäre der evangelische Gottesdienst und die evangelische Predigt, wie es in
Sachsen, Braunschweig, Hessen und anderswo der Fall war, sogleich eingeführt
worden. Den Kurfürsten verdroß dies; nichts aber schmerzte ihn tiefer, als der
Uebertritt seiner eigenen Gemahlin, der Kurfürstin Elisabeth, zur evangelischen
Kirche. Im März 1528 hatte sie in Abwesenheit ihres Gemahls von einem
aus Wittenberg berufenen Geistlichen das Abendmahl unter beiderlei Gestalt
empfangen. Der Zorn des Kurfürsten über diesen Schritt kannte keine Gren-
zen. Er überhäufte seine Gemahlin mit den bittersten Vorwürfen; er drohte
ihr sogar mit Kerker und Bauden und Einmauerung. Die arme Kurfürstin
war voll Sorgen; denn sie kannte das aufbrausende Wesen ihres Gemahls und
mußte befürchten, daß er sein Drohwort wahr machen möchte. Da entschloß
sie sich, aus ihrem Lande zu fliehen. In Begleitung eines Kammerfräuleins
und zweier Ritter verließ sie, in schlechte Bauerntracht gehüllt, bei nächtlicher
Weile Berlin und floh zu ihrem Oheim, dem Kurfürsten Johann dem Be-
ständigen von Sachsen, der sie gastfreundlich aufnahm. Ihr Gemahl ließ sie
ungekränkt, und später, als sein Zorn sich legte, ließ er es sogar zu, daß ihre
Kinder sie besuchten. Sie hat auch die Freude gehabt, den vr. Luther zu sehen
und zu sprechen.
2. Einführung der Reformation durch Joachim Ii. Siebenjahre
lang lebte Elisabeth in Sachsen. Dann starb ihr Gemahl 1535, und seine
Söhne Joachim Ii. und Johann folgten ihm in der Regierung: ersterer er-
hielt die Kurwürde. Die hielten es für eine Pflicht, die geliebte Mutter wieder
zu holen. In feierlichem Zuge, gefolgt von mehreren Hundert Reitern, reisten
sie ihr entgegen und geleiteten sie nach Spandau. Hier lebte Elisabeth dem
Herrn und den Armen. Das größte Glück ward ihr dadurch bereitet, daß ihr ;
Sohn Joachim öffentlich zum evaugelischeu Glauben übertrat. Die evangelischen
Fürsten Deutschlands hatten ihn dringend zu diesem Schritte gemahnt; seine
treuen Märker waren im Stillen längst Anhänger der evangelischen Lehre und
sehnten sich, dieselbe auch offen zu bekennen. Der Kurfürst war auch in seinem
Herzen seit lange der evangelischen Lehre zugethan, und so trat er denn am
1. November 1539 an einem Sonnabend, da sie in der katholischen Kirche das
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Extrahierte Personennamen: Wieömann Joachim Elisabeth Johann Johann Joachim_Ii Elisabeth Joachim_Ii Johann Joachim
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Fest der Allerheiligen feiern, zu Spandau mit seinem ganzen Hofe und einer
zahlreichen Ritterschaft zur evangelischen Kirche über; am 2. November wurde
auch in Berlin der erste evangelische Gottesdienst gehalteu.
27. Friedrich Iii., Kurfürst von der Pfalz, und der
Heidelbergische Katechismus.
Am 14. Februar 1515 wurde Friedrich in dem Städtchen Simmern
geboren. Sein Vater, welcher mehrere zwischen der Nahe und Mosel auf dem
Hunsrück gelegene Grafschaften besaß, war streng katholisch. Seine zwölf
Kinder ließ er auch sorgfältig in der katholischen Lehre erziehen. Der Erbprinz
Friedrich erkannte jedoch schon früh das Verderben des Papstthums und wandte
sich entschieden der evangelischen Lehre zu. 1557 starb sein Vater, und Friedrich
folgte ihm als Herzog von Pfalz-Simmern. Noch in demselben Jahre
führte er iu seinen Ländern die Reformation ein. Zwei Jahre später starb
auch der Kurfürst Otto Heinrich von der Pfalz. Sein Kurfürstenthum fiel
gleichsam an Friedrich, als seinen nächsten Verwandten, und Heidelberg wurde
dessen Residenz. In dem Gebiete des Kurfürsten Otto Heinrich halte die re-
formirte Lehre und Ordnung des Gottesdienstes viele Anhänger gefunden.
Auch der neue Kurfürst war diesem Bekenntnisse zugethan und führte die ein-
fache reformirte Ordnung des Gottesdienstes ein. Aus allen Kirchen wurden
die Altäre, Krucifixe, Bilder, Hostien, Kelche, geweihte Taufsteine, selbst die
Orgeln entfernt. Die letzteren sind fast 100 Jahre in der Pfalz stumm geblieben.
Die Universität Heidelberg besetzte er mit reformirten Lehrern. Unter denselben
verdienen besonders zwei genannt zu werden: Kaspar Olevianus, ein
Schüler Calvill's, und Zacharias Ursinus, ein Schüler Melanchthon's.
Diesen beiden Männern übertrug Friedrich die Aufgabe, einen Katechismus
oder christlichen Unterricht, wie er in den Kirchen und Schulen der kurfürstlichen
Pfalz getrieben werden sollte, zu verfassen. Beide schrieben zuerst jeder für sich
einen eigenen Katechismus. Dann arbeiteten sie gemeinsam. So entstand der
bekannte „Heidelbergische Katechismus". Die erste Frage und Antwort,
die wir dem Ursinus verdanken: „Was ist dein einziger Trost im Leben und
im Sterben?" und die 60ste: „Wie bist du gerecht vor Gott?" gehören zu dem
besten, was über diese Gegenstände gesagt worden ist. Als der Katechismus
fertig war, berief der Kurfürst, dem das Büchlein sehr wohl gefiel, die bedeu-
tendsten Prediger der Pfalz zur Prüfung desselben nach Heidelberg, und es er-
hielt auch deren Beifall. Auf Befehl des Kurfürsten wurde nun das Büchlein
gedruckt und in den Gemeinden der Pfalz eingeführt. Bald war daffelbe auch
in andern reformirten Gegenden und Gemeinden in Gebrauch. Holland und
Belgien, Hessenkassel, Ungarn, Polen nahmen den Katechismus an,
und später erhielt er auch für die Brandenburg-Preußischen Länder
verbindliche Geltung. Er wurde auch in die meisten europäischen Sprachen
und sogar in's Hebräische und Arabische übersetzt. (Nach einer Volksschrift.)
28. Das Kurfürstenthnm Braudeuburg erhält bedeutenden
Läuderzuwachs. (i609 und I6i8.)
1. Durch die clevische Erbschaft. Als im Jahre 1608 Kurfürst
Johann Sigismund die Regierung in Brandenburg antrat, war das Kur-
sürstenthum nur 666 Quadratmeilen groß, aber während seiner 11jährigen
Regierung vergrößerte sich dasselbe bis auf 1444 Quadratmeilen. Wie ging
das zu? — Hört's! —
Im Jahre 1609 war Johann Wilhelm, Herzog von Jülich, Cleve
und Berg und Graf von Mark und Ravensberg, gestorben, ohne Kinder
zu hinterlassen. Die nächsten Erben waren aber Johaun Sigismund und der
Pfalzgraf von Neuburg. Beide konnten sich aber nicht darüber einigen,
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Iii Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Otto_Heinrich Otto Heinrich Friedrich Friedrich Otto_Heinrich Otto Heinrich Kaspar_Olevianus Zacharias_Ursinus Friedrich Friedrich Johann_Sigismund Johann Johann_Wilhelm Johann Wilhelm Cleve Sigismund
Extrahierte Ortsnamen: Spandau Berlin Heidelbergische_Katechismus Pfalz Heidelberg Heidelberg Holland Belgien Hessenkassel Ungarn Braudeuburg Brandenburg Ravensberg Neuburg
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was jeder haben sollte. Da griff der Kurfürst schnell zu und nahm in Besitz,
so viel er immer konnte. Aber der Pfalzgraf sah auch nicht müßig zu und
that ein Gleiches. Ein blutiger Krieg drohte auszubrechen. Da kam glücklicher
Weise zwischen den Streitenden zudortmund ein Vertrag zu Stande, wonach
beide die Länder vorläufig gemeinschaftlich regieren sollten. Aber der Kaiser
wollte den Vertrag nicht gelten lassen und behauptete, ihm stehe es allein zu,
den Streit zu entscheiden und bis dahin das Land zu verwalten.
Er hätte selbst gern die schönen Rcbhügel am Rheine für sich gehabt und
ließ auch wirklich einen Theil des Landes mit seinem Kriegsvolk besetzen und
die Festung Jülich wegnehmen. Da vereinigten sich der Kurfürst und der
Pfalzgraf, griffen zu den Waffen und trieben mit Hülfe der Holländer die
Kaiserlichen balv wieder zum Lande hinaus. Doch die gemeinschaftliche Regie-
rung gab zu vielen Streitigkeiten zwischen den beiden Fürsten Anlaß. Um dem
Streite ein Ende zu machen, wurde der Vorschlag gemacht, der Pfalzgraf solle
die Tochter des Kurfürsten heirathen. In Düsseldorf kam im Jahre 1613
der Kurfürst mtt dem Pfalzgrafen zusammen, um das Nähere zu verabreden.
Hier saßen sie beim Mahle und hatten recht fleißig dem Weine zugesprochen.
Der Neuburger verlangte die ganze clevische Erbschaft als Mitgift. Er be-
hauptete, wenn er die Tochter des Kurfürsten zur Gemahlin nähme, so müßte
dieser schon aus Dankbarkeit ihm das Ganze als Heirathsgut lassen. Der Kur-
fürst aber sagte, er werde auch nicht ein Dorf darum abtreten, und ein Pfalz-
graf könne es wohl zur Ehre sich anrechnen, die Tochter eines Kurfürsten auch
ohne Mitgift zu bekommen. Hierauf erwiederte der junge Pfalzgraf in harten,
unziemlichen Worten. Wüthend sprang der Kurfürst auf und gab dem Pfalz-
grafen in Gegenwart aller Gäste eine derbe Ohrfeige. Augenblicklich reiste der
Pfalzgraf in sein Land zurück, trat zur katholischen Kirche über und gewann
dadurch den Beistand der Spanier; der Kurfürst aber verband sich mit den
Holländern. Spanier und Holländer verheerten nun das schöne Land.
Endlich kam durch Vermittelung anderer Fürsten zu Tanten ein Vergleich
zu Stande, wonach Brandenburg Cleve, Mark und Ravensberg(102 Q.-M.),
Neuenburg aber Jülich und Berg erhielt.
2. Durch die Erbschaft des Herzogthums Preußen. Wichtiger
war jedoch die Erwerbung des Herzogthums Preußen. Der Herzog »dieses
Landes, Albert, starb nämlich im Jahre 1618 und hinterließ nur zwei Töchter,
Anna und Eleonore. Anna war nun die Gemahlin Johann Sigismunds,* wäh-
rend Eleonore mit dessen verstorbenem Vater vermählt gewesen war. So war
Brandenburg der nächste Verwandte und erbte auch dieses große Land, freilich
vorläufig nur als polnisches Lehen.
Einiges aus dem 30d)rigen Kriege. (1618 —1648.)
29. Der Ansbruch des Krieges.
1. Der Aufstand in Böhmen. Die Reformation hatte frühzeitig in
Böhmen Eingang gefunden (Huß), und den Evangelischen daselbst war freie
Religionsübung zugestanden worden. In dem sogenannten Majestätsbriefe, den
der Kaiser Rudolf Ii. im Jahre 1609 den Böhmen ausstellte,^ heißt es aus-
drücklich, die Evangelischen sollten ihre Kirchen in Städten, Dörfern und Märk-
ten behalten, und wenn sie noch neue dazu erbauen wollten, so sollte ihnen dies
unbenommen bleiben. Diesen Brief hatte auch Kaiser Matthias und König
Ferdinand bestätigt. Aber man wußte wohl, daß besonders Ferdinand den
Evangelischen abhold war.
Nun geschah es, daß die Protestanten in Klostergrab und Braunau
Kirchen gebaut hatten. Auf Befehl des Kaisers Matthias wurde aber die eine
uiedergerisfen, die andere gewaltsam gesperrt. Die Protestanten wandten sich
deshalb mit ihrer Beschwerde an den Kaiser, wurden aber mit harten, drohenden
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Extrahierte Personennamen: Brandenburg_Cleve Albert Anna Eleonore Johann_Sigismunds Johann Eleonore Rudolf_Ii Rudolf Matthias Ferdinand Ferdinand Matthias