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Kaiser verlangte, der lateinische solle vorgelesen werden. Der Kurfürst aber
sprach: „Da wir in deutschen Landen und unter Deutschen sind, so hoffen
wir, Kaiserliche Majestät werde uns auch deutsch reden lassen." Also las
Or. Beyer das Bekenntnis deutsch vor und so laut und vernehmlich, daß
man auch unten im Hofe, allwo alles voller Leute war, jedes Wort deutlich
verstehen konnte. Die Vorlesung dauerte zwei Stunden.
Die Evangelischen fühlten sich gestärkt, daß sie ihren Glauben frei
öffentlich hatten bekennen und ihr Gewissen wahren können. Auch vielen
ihrer Gegner gingen die Angen auf; wie denn z. B. der Herzog von Baiern
sprach, es sei ihm die Sache ganz anders vorgebracht, als er es selber ge-
hört habe. Der Kaiser aber befahl seinen Gottesgelehrten, das Bekenntnis
zu widerlegen. Sie erklärten, daß sie es wohl aus den Schriften der
Väter und dem päpstlichen Rechte zu widerlegen vermöchten, nicht aber aus
der heiligen Schrift, worauf Herzog Georg von Sachsen, ein Hauptfeind
Luthers, entrüstet entgegnete: „Nun so sitzen ja die Lutherischen in der
Schrift und wir daneben." Dennoch wurde eine sogenannte Widerlegung
ausgesetzt, gegen welche aber Melanchthon in einer Schutzschrift (Apologie)
unser Glaubensbekenntnis siegreich vertheidigte. Der Kaiser weigerte sich
indes, diese Vertheidignngsschrist anzunehmen, und sagte den Evangelischen
gar unfreundlich, sie seien genugsam widerlegt, und wenn sie beharrten,
würde er sie aufs schärfste strafen. Die Evangelischen aber beschlossen, sich
mit einer deutlichen und geraden Antwort vernehmen zu lassen. „Denn
geradezu," sagte der Kurfürst, „macht gute Renner." Es ward also geant-
wortet: „Man sei aus dem Worte Gottes nicht widerlegt worden; darum
wüßte man von dem klaren Gottesworte nicht abzustehen. Darüber möge
geschehen und ergehen, was der gnädige Gotteswille sei.
34. Luthers Tod.
18. Februar 1546.
Im Januar 1546 reiste Luther mit drei Söhnen nach Eisleben. Da-
hin hatten ihn die Grafen von Mansfeld gerufen, um Streitigkeiten zu
schlichten, die zwischen ihnen entstanden waren. Unterwegs war er schon
sehr schwach; doch predigte er noch einmal in Eisleben, erschien auch über
Tische recht gesprächig und schrieb an seine Frau nach Wittenberg tröstliche
Briefe voll Glaubens. Am 17. Februar ward er aber recht krank, so daß
er auf seiner Stube bleiben mußte. Er betete viel und sagte zu seinen
Freunden: „Ich bin hier zu Eisleben geboren; wie, wenn ich hier sterben
sollte?" Nach dem Abendessen ward es schlimmer mit ihm. Um 10 Uhr
legte er sich zu Bett. Darauf reichte er seinen Söhnen und Freunden die
Hand und sprach: „Betet zu unserm Herrn Gott für sein Evangelium,
daß es ihm wohlgehe; denn der leidige Papst zürnet hart mit ihm." Schwer
atmend schlief er ein; aber um 1 Uhr erwachte er wieder, von Brustbe-
klemmungen gequält. Nun kamen Ärzte. Auch der Graf Albrecht von
Mansfeld und dessen Gemahlin erschienen und brachten stärkende Tropfen.
Doch die Brustbeklemmungen wurden immer heftiger. Seine Freunde
meinten, weil er schwitze, werde Gott Gnade zu seiner Besserung geben;
er aber antwortete: „Es ist kalter Todesschweiß. Ich werde meinen Geist
aufgeben; denn die Krankheit mehret sich." Dann betete er: „O mein
himmlischer Vater, Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, du Gott
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T161: [Luther Wittenberg Jahr Martin Freund Wartburg Universität Melanchthon Kurfürst Worms], T26: [Kaiser Luther Papst König Wort Gott Tag Sache Fürst Schrift], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Extrahierte Personennamen: Georg_von_Sachsen Luthers Melanchthon Albrecht_von
Mansfeld Albrecht Jesu_Christi
382
der erste Kriegsheld seiner Zeit, ein Feldherr, wie seit Jahrhunderten keiner
aufgestanden. In seinem Heere herrschte die trefflichste Manneszucht.
Während bei den Wallensteinischen Scharen alle Laster im Schwange gin-
gen, wachte Gustav mit eben der Sorgfalt über die Sitten der Soldaten,
wie über die kriegerische Tapferkeit. Jedes Regiment mußte zum Morgen-
und Abendgebet einen Kreis um den Feldprediger schließen und unter freiem
Himmel seine Andacht halten. Fluchen, Spielen, Rauben war strenge ver-
boten. In allen Tugenden ging Gustav selbst deu Seinigen als Muster
voran. Seine lebendige Gottesfurcht^ gab ihm in den schwierigsten Lagen
Mut und Besonnenheit, und seine Soldaten waren von dem festen Ver-
trauen erfüllt, daß sie unter einem so frommen und tapferen König siegen
müßten.
Als Gustav den deutschen Boden betrat, fiel er im Angesicht seines
ganzen Heeres ans die Knie, dankte Gott mit lauter Stimme für die
glückliche Überfahrt und flehte um seinen ferneren Segen. Den umstehen-
den Offizieren kamen vor Rührung die Thränen in die Augen. „Weinet
nicht, meine Freunde," sprach der König, „sondern betet! Je mehr Betens,
desto mehr Sieges. Fleißig gebetet ist halb gesiegt." Und siehe, bald
wichen die Kaiserlichen vor den tapfern Schweden zurück. Aber die prote-
stantischen Fürsten waren so furchtsam vor der Macht des Kaisers, so miß-
trauisch gegen den ausländischen König, daß sie lange zögerten, sich an
Gustav anzuschließen. Die ängstlichen Kurfürsten von Brandenburg und
Sachsen verweigerten ihm geradezu den Durchzug durch ihr Land. Daher
konnte Gustav das hartbedrängte Magdeburg nicht mehr retten. Die
blühende evangelische Stadt wurde von Tilly erobert. Ihr Schicksal war
furchtbar. Als die wilden Kriegsscharen raub- und mordgierig in die
Stadt eindrangen, erfolgte ein Blutbad, wie es noch keine Stadt in ihren
Mauern gesehen hatte. Die ganze Stadt ging in Flammen auf; in kaum
zehn Stunden war das reiche, mächtige Magdeburg ein Aschenhausen. Nur
zwei Kirchen und einige elende Fischerhüttcn standen noch. Von 30 000
Einwohnern retteten nur 1500 das Leben.
Gustav Adolfs Herz blutete, als er Magdeburgs Unglück erfuhr;
den Kurfürsten von Sachsen aber, dessen unentschlossenes Zaudern ihn an
der Rettung der Stadt verhindert hatte, erfaßte Verzweiflung, als jetzt der
schreckliche Tilly in sein Land einbrach. Flehentlich bat er Gustav um
Hilfe, lind in kurzem stand der Schwedenkönig mit seinem Heere denr
nie besiegten kaiserlichen Feldherrn gegenüber. Bei Leipzig kam es zur
Schlacht. Da wurde Magdeburgs Zerstörung blutig gerächt; da erfochten
die Schweden den glorreichsten Sieg. Das ganze kaiserliche Heer wurde
getödtet, gefangen, zersprengt. Gustav Adolf aber kniete auf dem leichen-
bcdcckten Schlachtfelde nieder und sprach: „Dank dir, Gott! Dank für dei-
nen Sieg!"
Die Folgen dieses Sieges waren gewaltig. Ganz Deutschland stand
dem Schwedenkönige offen. Wie im Triumph durchzog er die Lande bis
zum Rhein; überall begrüßte das protestantische Volk den Retter seines
Glaubens, den milden, leutseligen Helden mit begeistertem Jubel. Als er
sich dann gegen Baiern wandte, stellte sich ihm Tilly am Lech noch ein-
mal mit einem Heere entgegen. Er wurde besiegt, verwundet und starb
an seinen Wunden. Da wandte sich der Kaiser in seiner Not an seinen
früheren Feldherrn Wallenstein, aber erst nach langem Zögern gab der
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Extrahierte Personennamen: Gustav Gustav Gustav Gustav Gustav Gustav Gott Gustav Gustav Gustav Gustav Tilly Gustav_Adolfs Gustav Adolfs Gustav Gustav Gustav_Adolf Gustav Adolf Tilly
383
stolze Mann den flehentlichen Bitten nach. Er warb ein Heer, das ihm
allein gehören solle, bei dem der Kaiser nichts zu sagen hatte, ja nicht
einmal erscheinen durfte.
Nun hatte Gustav Adolf wieder einen tüchtigen Feind zu bekämpfen.
Bei Nürnberg trafen beide Heere zusammen und standen monatelang
verschanzt einander gegenüber. Wallenstcin wagte keine Schlacht; Gustav
suchte vergebens Wallensteins festes Lager zu erstürmen. Endlich zogen so-
wohl die Schweden wie die Kaiserlichen davon. Wallenstein wandte sich
gegen Sachsen. Schreckliche Verheerungen, Raub, Brand und Mord be-
zeichneten seinen Weg. Rasch eilte der Schwedenkönig ihm nach. Auf
seinem Zug durch Sachsen empfing ihn das Volk wie seinen rettenden Engel.
Von allen Seiten drängte es sich jubelnd um ihn her, fiel vor ihm
auf die Knie und, suchte die Scheide seines Schwertes, den Saum seines
Kleides zu küssen. „Ach," sagte der König traurig, „ich fürchte, daß mich
Gott wegen der Thorheit dieser Leute strafen werde. Ist es nicht, als ob
sie mich zu ihrem Abgotte machten? Wie leicht könnte der Gott, der die
Stolzen demütigt, sie und mich empfinden lassen, daß ich nichts bin, als
ein schwacher, sterblicher Mensch!"
Bei dem Städtchen Lützen, nicht weit von Leipzig, erreichte er
Wallcnsteins Heer. An einem kalten Herbstmorgen, 6. November 1632,
während dichter Nebel die Gegend deckte, bereiteten sich die Schweden zur
Schlacht. Der König sinkt betend ans die Knie, mit ihm sein ganzes
Heer. Begleitet von Pauken- und Trompetenschall erbraust der Gesang:
„Ein' feste Burg ist unser Gott." Gegen Mittag bricht die Sonne durch
die Nebelhülle. Da schwingt sich der König auf sein Streitroß und ruft:
„Nun wollen wir dran! Das walte der liebe Gott! Jesu, Jesu! hilf mir
heute streiten zu deines Namens Ehre!" Und mit dem Feldgeschrei: „Gott
mit uns!" stürmten die Wallensteinschen an. Es entsteht ein verzweifelter
Kampf, hin und her schwankt der Sieg. Endlich dringt der schwedische
rechte Flügel, von Gustav selbst geführt, siegreich durch und jagt die Feinde
fliehend vor sich her. Da erführt der König, sein linker Flügel wanke.
Mit Blitzesschnelle eilt er dorthin; nur wenige können ihm folgen. Sein
kurzes Gesicht bringt ihn zu nahe an den Feind: er erhält einen Schuß
in den linken Arm, gleich daraus einen zweiten durch den Rücken. Mit
dem Seufzer: „Mein Gott! mein Gott! sinkt er vom Pferde. Und über
den Gefallenen stürmen die schnaubenden Kriegsrosse hinweg und zertreten
den edlen Leib. Des Königs Tod erfüllt die Schweden mit glühendem
Rachedurst. Gleich grimmigen Löwen stürzen sie sich auf die Feinde und
werfen alles vor sich nieder. Nichts hilft es den Kaiserlichen, daß der
kühne Reitergeneral Pappenheim ihnen frische Truppen zuführt. Er
selber fällt, von schwedischen Kugeln durchbohrt; und nun ist der Sieg er-
rungen. Mit dem Rufe: „Der Pappenheimer ist todt, die Schweden kom-
men über uns!" ergreifen die Kaiserlichen die Flucht. Aber der Verlust
ihres Heldenkönigs raubt auch den Schweden die Siegesfrcude. Erst am
andern Tage fanden sie seinen Leichnam, der Kleider beraubt, bedeckt mit
vielen Wunden. Er wurde nach Schweden gebracht und zu Stockholm in
der königlichen Gruft bestattet. Die Stätte, wo er auf dem Schlachtfelde
lag, bezeichnete man durch einen großen Stein, den „Schwedenstein." Jetzt
steht daneben ein neues Denkmal, umschattet von hohen Pappeln. Das
TM Hauptwörter (50): [T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Adolf Gustav Adolf Wallenstcin Gustav Gustav Gustav Gustav
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Sachsen Leipzig Jesu Jesu Schweden Pappenheim Schweden Schweden Stockholm
392
41. Friedrich der Große als Fürst und Mensch.
In den Friedensjahren widmete sich der König mit dem größten
Fleiße den Rcgierungsgeschäften. Nie hat ein Fürst thätiger für seines
Volkes Glück gesorgt, wie er. „Ich bin," sagte er, „des Staates erster
Diener. Mein Stand verlangt Arbeit und Thätigkeit; mein Geist und
mein Leib beugen sich unter ihre Pflicht. Daß ich lebe, ist nicht nötig,
wohl aber, daß ich thätig bin." Alles ordnete er selber an, sorgfältig und
pünktlich. Schon mit vier Uhr des Morgens stand er auf und ging an
den Arbeitstisch. Auf alle eingelaufenen Schreiben und Bittschriften er-
folgte rasch der Bescheid; oft schrieb ihn der König mit eigener Hand in
kurzen, treffenden Worten au den Rand. Keinem seiner Unterthanen ver-
weigerte er das Gehör. „Die armen Leute," sagte er, „wissen, daß ich
Landesvater bin; ich muß sie hören, denn dazu bin ich da." Die freien
Stunden, welche ihm die Staatsgeschäfte übrig ließen, widmete er der
Musik und wissenschaftlicher Beschäftigung. Auch als Schriftsteller erwarb
er sich Ruhm. Während der Mahlzeit unterhielt er sich mit den gebildetsten
seiner Offiziere und berühmten Gelehrten, ans denen er seine Tischgesell-
schaft wählte. Da war er in witzigen, sinnreichen Reden unerschöpflich.
Jedes Jahr bereiste er die Provinzen, um die Truppen zu mustern und
zugleich nach allem in der bürgerlichen Verwaltung zu sehen. Hohe und
niedere Beamte mußten da Rechenschaft über ihre Thätigkeit geben, und
damit auch die Zeit, welche der König auf der Landstraße zubrachte, nicht
unbenutzt bleibe, mußten die Landräte und Amtleute neben seinem Wagen
herreiten und ihm von dem Zustande der Kreise und Ortschaften erzählen.
Auch Kaufleute und Geschäftsmänner sah er gerne, um sich bei ihnen nach
den Gewerbsverhültnissen und dem Gange des Handels zu erkundigen.
Mit Bauern und geringen Leuten redete er freundlich und treuherzig, und
alle Stände hatten sich der Hilfe und unermüdeten Fürsorge ihres Königs-
zu erfreuen.
Nach dem siebenjährigen Kriege war seine erste Sorge darauf gerichtet,
die Wunden zu heilen, welche der Kamps seinem Lande geschlagen hatte.
Das Getreide, welches er schon für den nächsten Feldzug hatte aufkaufen
lassen, vertheilte er als Saatkorn unter die verarmten Landlente, und die
Pferde, die für das Geschütz und Gepäck bestimmt waren, gab er für den
Ackerbau her. Aus seinen eigenen Ersparnissen baute er die niedergebrannten
Ortschaften wieder auf, ließ er notleidenden Gegenden Geldunterstützungen
zufließen. Denn für sich selbst brauchte der König sehr wenig; seine Lebens-
weise, seine Kleidung war höchst einfach. „Ich bin arm," pflegte er zu
sagen, „aber der Staat ist reich; mein Schatz gehört nicht mir, sondern
dem Staate." So hals er mit freigebiger Hand und unermüdlicher Für-
sorge dem gesunkenen Wohlstände seines Landes wieder auf. Ja, er er-
hob durch Herbeizichnng von Ansiedlern, die ganze Strecken wüstliegenden
Bodens urbar machten, durch Unterstützung der Gewerbthätigkeit und des
Handels, durch Förderung der Rechtspflege und der Volksbildung sein Land
zu einer Blüte, wie es sie vorher nie gekannt hatte.
Seinen Unterthanen war Friedrich ein gütiger, leutseliger Herr. Auch
dem Geringsten seines Volkes bewies er sich freundlich.
Einst konnte der König in der Nacht nicht schlafen und wollte sich
etwas vorlesen lassen. Er klingelte, er rief. Da niemand kam, öffnete er
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Kamps Friedrich Friedrich
362
nehmen keinen Bestand. Das neue christliche Königreich in Jerusalem
erhielt sich kümmerlich. Im Jahre 1291 ging auch die letzte Besitzung,
die Stadt Ptolemais verloren. Bei alledem haben die Kreuzzüge aber doch
großen Einfluß geübt. Wie sie aus frischem Glauben hervorgegangen
waren, so belebten sie auch den Glauben wieder und richteten den Sinn
auf höhere Güter. Der Handelsverkehr wurde lebhafter und machte die
Städte reich. Mancher Leibeigene gelangte in den Stand der freien Bauern,
indem sein Herr, um Geld für die Pilgerfahrt zu bekommen, sich Abgaben
und andere Lasten abkaufen ließ. Viel Leben ist durch die Kreuzzüge ge-
weckt worden, welches später eine Reformation der ins Verderben geratenen
Kirche herbeiführen half. Kappe.
20. Die Weiber von Winsperg.
1. Der erste Hohenstaufe, der König Konrad lag
mit Heeresmacht vor Winsperg seit manchem langen Tag.
Der Welfe war geschlagen, noch wehrte sich das Nest,
die unverzagten Städter, die hielten es noch fest.
2. Der Hunger kam, der Hunger! das ist ein scharfer Dorn;
nun suchten sie die Gnade; nun fanden sie den Zorn:
,,Ihr habt mir hier erschlagen gar manchen Degen wert,
und öffnet ihr die Thore, so trifft euch doch das Schwert.“
3. Da sind die Weiher kommen: „Und muss es also sein,
gewährt uns freien Abzug, wir sind vom Blute rein.“
Da hat sich vor den Armen des Helden Zorn gekühlt,
da hat ein sanft Erbarmen im Herzen er gefühlt.
4. ,,Die Weiber mögen abziehn und jede habe frei,
was sie vermag zu tragen und ihr das Liebste sei.
• Lasst ziehn mit ihrer Bürde sie ungehindert fort,
das ist des Königs Meinung, das ist des Königs Wort.“
5. Und als der frühe Morgen im Osten kaum gegraut,
da hat ein seltnes Schauspiel vom Lager man geschaut:
es öffnet leise, leise sich das bedrängte Thor,
es schwankt ein Zug von Weibern mit schwerem Schritt hervor.
6. Tief beugt die Last sie nieder, die auf dem Nacken ruht, —
sie tragen ihre Eh'herrn, das ist ihr liebstes Gut.
„Halt an die argen Weiber!“ ruft drohend mancher Wicht;
der Kanzler spricht bedeutsam: „Das war die Meinung nicht.“
7. Da hat, wie ers vernommen, der fromme Herr gelacht:
„Und war es nicht die Meinung, sie haben’s gut gemacht;
gesprochen ist gesprochen, das Königswort besteht,
und zwar von keinem Kanzler zerdeutelt und zerdreht.“
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17
gesprungen und gerade auf das Kind los, und faßte es mit den Zahnen
hinten an der Jacke und trug es in den Wald. Und da die Mutter wieder-
kam, war kein Kind mehr da, und der Napf lag auf der Erde, aber der
Löffel lag nicht dabei; denn den hatte das Kind in der Hand festgehalten.
Und wie das die Mutter sah, dachte sie gleich: „das hat kein anderer ge-
than als der Wolf", und lief in das Dorf und schrie entsetzlich, daß die
Leute herauskämen.
Unterdessen kam ein Bote durch den Wald gegangen, der hatte sich
verirrt und wußte nicht, wo er war. lind als er durch die Büsche geht
und den Weg sucht, hört er etwas sprechen und denkt gleich: „Da müssen
wohl Leute sein"! Und cs sagte immer: „Geh, oder ich geb' dir was!"
Und als er nun das Gebüsch von einander thut und sehen will, was es ist,
sitzt ein Kindchen aus der Erde und sechs kleine Mölschen herum, die fahren
immer auf das Kind zu und schnappen ihm nach den Händen, — aber die
alte Wölfin war nicht dabei, die war wieder in den Wald gelaufen; und
wenn ihm nun die Mölschen nach den Händchen schnappten, schlägt das Kind
sie mit dem hölzernen Löffel auf die Nase und sagt immer dazu: „Geh,
oder ich geb' dir was"!
Und der Bote wunderte sich und lief geschwind hin und schlug mit dem
Stocke unter die kleinen Wölfe, daß sie alle davon liefen, und das Kind
nahm er geschwind von der Erde in die Höhe und lief und rief; denn er
dachte, die alte Wölfin könnte wieder kommen. Und da währte es gar nicht
lauge, da kamen die Bauern aus dem Dorfe mit Heugabeln und Dresch-
flegeln und wollten den Wolf todt machen. Und die Mutter kam auch mit,
und da sie sah, daß der Wolf das Kind nicht gefressen hatte, war sie sehr
vergnügt und dankte dem guten Manne tausendmal und noch mehr dem
lieben Gott, daß er ihr Kind behütet hatte. Fr. Jacobs.
27. Rotkäppchen.
Es war einmal ein kleines liebes Mädchen, das hatte jedermann lieb
der es nur ansah, am allerliebsten aber die Großmutter, die wußte gar nicht
was sie alles dem Kinde geben sollte. Einmal schenkte sic ihm ein Käppchen
von rotem Sammet, und weil ihm das so Wohlstand, und es nichts anderes
mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen. Da sagte einmal seine
Mutter zu ihm: „Komm, Rotkäppchen, da hast du ein Stück Kuchen und
eine Flasche Wein, briug's der Großmutter hinaus: sie ist krank und schwach
und wird sich daran laben; sei aber hübsch artig, guck nicht gleich in alle
Ecken herum, wenn du in die Stube kommst, und vergiß nicht „Guten Morgen"
zu sagen. Geh auch ordentlich und lauf nicht vom Weg ab, sonst fällst
du und zerbrichst das Glas, dann hat die kranke Großmutter nichts."
Rotkäppchen sagte: „Ich will schon alles gut ausrichten", und gab der
Mutter die Hand darauf. Die Großmutter aber wohnte draußen im Wald,
eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun Rotkäppchen in den Wald kam,
begegiwte ihm der Wolf; Rotkäppchen aber wußte nicht, was das für ein
böses Thier war und fürchtete sich nicht vor ihm. „Guten Tag, Rotkäppchen,"
sprach er. — „Schönen Dank, Wolf." — „Wo hinaus so früh, Rot-
käppchen?" — „Zur Großmutter." — „Was trügst du unter der Schürze?"
— „Kuchen und Wein, gestern haben wir gebacken, da soll sich die kranke,
schwache Großmutter etwas zu gut thun und sich damit stärken." — „Rvt-
tz e l mr i ch , Vaterland. Lesebuch. 2
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Jacobs Rotkäppchen Wolf
37
„Gute Nacht, liebes Kind; vergiß Gott nicht und auch mich nicht, so sehen
wir uns einmal wieder hier oder dort." Jakob aber weinte laut, und wie
ein liebes, gutes Kind hing er am Halse der Großmutter.
Jer. Gotthelf.
52. Der Löwe zu Florenz.
1. „Der Löw' ist los! der Löw' ist frei!
die eh'rnen Bande sprengt' er entzwei!
Zurück! daß ihr den vergeblichen Mut
nicht schrecklich büßet mit eurem Blut!"
2. Und jeder sucht mit scheuer Eil'
im Innern des Hauses Schutz und Heil;
auf Markt und Straßen, rund umher,
ward's Plötzlich still und menschenleer.
3. Ein Kindlein nur, sein unbewußt,
verloren in des Speeles Lust,
fern von der sorglichen Mutter Hand,
saß auf dem Markt am Brunuenrand.
4. Wohl viele sahn von oben herab,
sic schauten geöffnet des Kindlcins Grab,
sie rangen die Hände und weinten sehr
und blickten zagend nach Hilfe umher.
5. Doch keiner wagt das eigne Leben
um des fremden willen dahin zu geben;
denn schon verkündet ein nahes Gebrüll
das Verderben, das jedermann meiden will.
6. Und schon mit der rollenden Augen Glut
erlechzt der Löwe des Kindlcins Blut;
ja schon erhebt er die grimmigen Klan'u,
o qualvoll, herzzerreißend zu schaun!
7. So rettet nichts das zarte Leben,
dem gräßlichen Tode dahin gegeben?
Da Plötzlich stürzt ans einem Hans
mit fliegenden Haaren ein Weib heraus.
8. „Um Gottes willen, o Weib, halt ein!
willst du dich selbst dem Verderben weihn?
Unglückliche Mutter! zurück den Schritt!
Du kannst nicht retten, du stirbest mit."
9. Doch furchtlos fällt sic den Löwen an,
und ans dem Rachen mit scharfem Zahn
nimmt sie das unversehrte Kind
in ihren rettenden Arm geschwind.
10. Der Löwe stutzet; und unverweilt
mit dem Kinde die Mutter von dannen eilt.
Da erkannte gerührt so Jung wie Alt
des Mutterhcrzens Allgewalt,
11. Und des Löwen großmütigen Sinn zugleich;
doch manche Mutter, von Schrecken bleich,
sprach still: „Um des eigenen Kindes Leben
hätt' ich auch meines dahingegeben." Bernhardt.
53. Brüderliche Liebe.
Durch schwere Erfahrungen von der Unzuverlässigkeit und dem bösen
Sinne der Menschen war der Kaiser Albrecht dahin gebracht, daß er die
Menschen haßte, düster tu sich gekehrt in seiner Hofburg zu Wien sich ein-
schloß und niemanden vor sich lassen wollte. Nur ein großer Hund, Packan
geheißen, war ihm wegen seiner Treue lieb geblieben, und er sagte cs denen,
mit welchen er durchaus umgehen rnußte, offen, daß ihm die Anhänglichkeit
dieses Thieres allein aufrichtig scheitle. Es war, als ob der Hund diesen
Vorzug anerkenne. Vor deut Zimmer des Kaisers gelagert, ließ er keinen
andern in dasselbe hinein, und wer es dennoch wagen wollte, den knurrte
er grimmig an und wies ihm die scharfen Zähne, vor denen jeder gern
zurückwich.
Eines Tages kam auch der Herzog Leopold, der Sohn des Kaisers,
seinen Vater zu besuchen. Da trat ihm Packan, der ihn kannte, liebkosend
entgegen, wedelte mit dem Schwänze und gab seine Freude auf mancherlei
Weise kund. Herzog Leopold freute sich darüber und schmeichelte ihm wieder.
Dennoch gab cs der Hund nicht zu, daß der Herzog sich deut Zimmer
nahte, uild hielt ihn, fest an dem Wamse mit seinen Zähnen gepackt,
zurück. Der Herzog, ein junger, starker Mann, wehrt ihn ab und will mit
Gewalt zu der Thür; da führt, alles vergessend, der Hund empor und faßt
den Prinzen am Kragen fest. In der Überraschung und Hitze gibt ihm
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Jakob Gotthelf Bernhardt Albrecht Albrecht Leopold Leopold Leopold Leopold
46
4. Der Kranke mass die Traube mit Entzücken,
verschlang sie fast mit seinen heissen Blicken;
dann aber plötzlich, wie nach innerm Streite,
rief er der Pfleger einen sich zur Seite,
5. Und sprach zu ihm mit sichtlichem Behagen:
„Kimm diese Traube, geh, um sie zu tragen
zu unserm kranken Abt als Liebesgabe,
damit er an dem würz'gen Saft sich labe.“
6. So kam sie wieder in Makarius Zelle,
da leuchtete sein Auge selig helle,
und fromm begeistert schaute er nach oben,
um für die Gabe seinen Herrn zu loben,
der, welchen Liebesschatz sein Haus bewahrte,
ihm durch der Traube Wanderung offenbarte!
J. Sturm.
67. Der kleine Friedensbote.
Ein Gerber und ein Bäcker waren einmal Nachbarn, und die gelbe
und die weiße Schürze vertrugen sich aufs beste. Wenn dem Gerber ein
Kind gebaren wurde, hob es der Bäcker ans der Taufe, und wenn der
Bäcker in seinem Obstgarten an Stelle eines ausgedienten Invaliden eines
Rekruten bedurfte, ging der Gerber in seine Baumschule und hob den
schönsten Mann ans, den er darin hatte, eine Pflaume oder einen Apfel
oder eine Birne oder eine Kirsche, je nachdem er auf diesen oder jenen
Posten, auf einen fetten oder mageren Platz gestellt werden sollte. Zn
Ostern, zu Martini und am heiligen Abend kam die Bäckerin, welche keine
Kinder hatte, immer mit einem großen Korbe 31t den Nachbarsleuten her-
über und theilte unter die kleinen Paten ans, was ihr der Hase oder der
gute Märtel oder gar das Christkindlein selbst unter die schneeweiße Ser-
viette gelegt hatte. Je mehr sich die Kindlein über die reichen Spenden
freuten, desto näher rückten sich die Herzen der beiden Weiber.
Aber ihre Männer hatten ein jeder einen Hund, der Gerber als
Jagdliebhaber einen großen braunen Feldmann, und der Bäcker einen
kleinen schneeweißen Mordax. Beide meinten, die besten und schönsten
Thiere in ihrem Geschlechte zu haben. Da geschah es eines Tages, daß
der Mordax ein Kalbsknöchlein gegen den Feldmann behauptete. Vom
Knurren kam es zum Beißen, und ehe sich der Bäcker von seiner grünen
Bank vor dem Hanse erheben konnte, lag sein Hündlein mit zermalmtem
Genicke vor ihm, und der Feldmann lief mit dem eroberten Knochen und
mit eingezogenem Schweife davon. — Sehr ergrimmt und entrüstet warf
der Herr des Ermordeten dem Raubmörder einen gewaltigen Stein nach.
Aber, was half's? Die Handgranate flog nicht dem Hunde an den Kopf,
sondern dessen Besitzer durch das Fenster. Ohne zu fragen, woher der
Schuß gekommen sei, riß der Gerber den zertrümmerten Fensterflügel auf
und stng an zu schimpfen. Der Nachbar mit der weißen Schürze blieb
nichts schuldig; Kinder und Leute liefen zusammen, und — hätten sie ihn
nur sehen können! — Satan stand gewiß in einer Ecke der Gasse und
blies mit vollen Backen in das Feuer. — Der Bäcker verließ den Kampf-
platz zuerst, aber nur, um seinen Nachbar beim Gericht zu belangen. Die
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Extrahierte Personennamen: J. Martini Feldmann Feldmann Feldmann
48
Dörfchen bei Duderstadt so? Der war ein blutarmer Schelm und ein
Witwer dazu, und hatte drei Kinder, die gar oft sagten: ,Mater, wir sind
so hungrig!" Das hört ein Vater gern, wenn er Brot genug hat und noch
etwas dazu; aber wie schneidet das ins Herz, wenn kcins da ist! Und just
so ging's dem armen Kollheim oft genug. Das Betteln verstand er nicht,
aber er verstand Schuhe zu flicken, Kochlöffel zu schnitzen, Besen zu binden
und solcher kleinen Künste mehr, was er auch so fleißig that, daß er sich
kümmerlich mit seinen Kindern durchbrachte; — aber es kam doch mancher
„lange Tag."
Der Kollheim hatte einen recht guten Freund, der hieß Volkmann,
war auch ein Witwer, wie er, und hatte sieben unerzogene Kinder. „Gleich
und gleich gesellt sich gern," heißt's im Sprichwort, und „das Unglück ist
der beste Leim." Der Volkmann und seine Kinder hatten der Fasttage so
viele, daß sie schier die schwere Kunst bald gelernt hätten, wenn nicht das
Lehrgeld gar zu schwer wäre. Beide Leidensbrüder waren rin Herz und
eine Seele. Da sagte einmal der Volkmann zu seinem Busenfreunde Koll-
heim: „Ich ziehe nach Lauterberg ins Hannöversche; dort ist mehr Ver-
dienst." Gesagt, gethan; — und der Hausrat kostete nicht viel Fracht.
Der Kollheim wünschte ihm alles, was ihm heilbringend sein kann; aber
der Arme fand's in Lauterberg nicht; — denn er erkrankte und starb, und
die hungernden Kindlcin schickten die von Lauterberg hin, wo sie herge-
kommen. Die Bauern im Dorfe dachten: „Was mich nicht brennt, das blas'
ich nicht!" und ließen die hungernden Waisen lausen. Dachte auch der
blutarme Kollheim so? Nein, lieber Leser, der nahm die sieben Waisen
seines Freundes in seine kleine Hütte zu seinen Kindern, sah mit einer-
heißen Thräne gen Himmel und seufzte: „Herr, der Du mit wenigen
Broten Tausende gespeist hast, hilf uns und verlaß mich nicht!" — Wenn die
Not am größten, ist Gott am nächsten; — denn das, was Kollheim gethan,
wurde der preußischen Regierung in Erfurt bekannt, und diese sandte ihm
40 Thaler zur ersten Hilfe; auch sandte ihm ein frommer Mann heimlich
10 Thaler. Und als es der fromme Preußenkönig Friedrich Wilhelm Iii.
hörte, so sandte dieser dem guten Kollheim ein Kapitälchen, daß er sich
konnte ein Feldgütchen kaufen; eins der Volkmann'schen Kinder aber kam
ins Waisenhaus nach Halle, welches der fromme Francke gestiftet hat, der
auch nicht sagte: „Was mich nicht brennt, das blas' ich nicht!"
Saget auch ihr nie so, wenn ihr hadern höret, wenn ihr Zeugen
fauler Geschwätze, sündhafter Flüche, schändlicher Handlungen oder mensch-
lichen Jammers seid! Das brennt euch wohl, und wenn ihr nicht blaset,
— wie steht's dann um euer Gewissen? W. O. v. Horn.
69. vieuerlreiie.
Ein reicher Herr in Polen fuhr zur Winterzeit in einem Schlitten
nach dem Städtlein Ostrowo, nur von seinem Knechte Jakob begleitet,
der dem Schlitten vorreiten musste. Ehe sie die Stadt erreichten,
mussten sie durch einen langen, einsamen Wald, und es war bereits
Abend. Der Knecht schlug daher dem Herrn vor, in einer Herberge,
die am Eingänge des Waldes lag, zu übernachten; denn im Walde
seien viele Wölfe, und die Unthiere seien jetzt gar grimmig, weil
der Winter so hart sei. Der Herr war aber einer von den -wunder-
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Extrahierte Personennamen: Volkmann Volkmann Volkmann Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Francke Städtlein_Ostrowo Jakob
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liehen, von denen, die einen guten Rat, wenn er von einem Knechte
kommt, nicht annehmen mögen, fuhr ihn an und schrie, er werde
wohl des Reitens überdrüssig sein; sie müssten noch nach Ostrowo,
es möge gehen, wie es wolle. Und so ging’s vorwärts, was die Pferde
laufen konnten. Kaum aber sind sie eine Strecke im Walde, so
hört der Herr hinter sich ein lautes Heulen, und wie er sich umkehrt,
sieht er die Wölfe in Rudeln hinter dem Schlitten herjagen und die
vordersten schon ganz nahe. „Jakob, Jakob!“ ruft er, „die Wölfe, die
Wölfe!“ Der treue Jakob erwidert kein Wort, sondern lässt ruhig
den Herrn vorausfahren, reitet zwischen den Schlitten und die Wölfe,
zieht seine Pistolen und schiesst von Zeit zu Zeit unter sie.
Damit schreckt er eine Weile die Bestien. Endlich aber hat er
kein Pulver mehr; und als sie nun an den Schütten heranstürzen,
sagt er: „Herr, ich muss meinen armen Braunen opfern und sehen,
dass ich zu euch auf den Schlitten komme, sonst ist alles verloren.
— „Thue, wie du willst,“ sagte der Herr, und im Augenblick war
der Jakob vom Pferde und auf den Schlitten gesprungen, hielt sein
Pferd am Zaume fest, bis die Wölfe herankamen; dann überliess er
es ihnen zur Beute. Es schien, als sollten sie dadurch einen Vor-
sprung gewinnen; aber nicht lange, so war ein Theil der Wölfe wie-
der heulend hinter ihnen her, und einige schickten sich an, in den
Schlitten zu springen. Der Edelmann gab sich jetzt verloren. Da
sagte Jakob: „Herr, nun will ich in Glottes Kamen auch das letzte
für euch thun. Dort sind schon die Lichter von Ostrowo, und ihr
könnt das Städtlein erreichen, wenn ich nur auf ein paar Minuten
euch die Bestien vom Halse halte. Sorgt für mein Weib und meine
Kinder!“ Damit zog er den Säbel, sprang aus dem Schlitten und
stürzte sich mitten unter die Wölfe. Diese stutzten, fielen ihn aber
dann wütend an und übermannten ihn endlich. Sein Herr aber
war mittlerweile unversehrt entkommen. Schnell nahm er Leute zu
sich und eilte in den Wald zurück; aber er fand nichts mehr als die
Oebeine seines treuen Knechtes. Die sammelte er und liess sie be-
graben. Das Weib aber und die Kinder desselben versorgte er väter-
lich, und wurde allen seinen Dienern ein freundlicher, gütiger Herr,
beklagte es auch oft mit Thränen, dass er nicht ohne bittere Reue
an seinen treuen Knecht gedenken könnte. Caspari.
7v. Aus: Minna von Barnhelm.
Herr v. Tellheim. Bist du endlich fertig?
Just. (Indem er die Augen trocknet.) Ja!
v. Tellheim. Du hast geweint?
Just. Ich habe in der Küche meine Rechnung geschrieben, und die Küche ist voll
Rauch. Hier ist sie, mein Herr!
v. Tellheim. Gib her!
Just. Haben sie Barmherzigkeit mit mir, mein Herr! Ich weiß wohl, daß die
Menschen keine mit ihnen haben; aber —
v. Tellheim. Was willst du?
Just. Ich hätte eher den Tod als meinen Abschied vermutet,
v. Tellheim. Ich kann dich nicht länger behalten; ich muß mich ohne Diener-
behelfen lernen. (Er schlägt die Rechnung auf und liest laut:) Was der Herr Major
mir schuldig ist: Drei und einen halben Monat Lohn, den Monat sechs Thaler, macht
ein und zwanzig Thaler. Seit dem ersten dieses an Kleinigkeiten ausgelegt: Einen
Helmrich, Vaterland. Lesebuch. 4
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Extrahierte Personennamen: Jakob Jakob Jakob Ostrowo Caspari Minna_von_Barnhelm