189
über Mecklenburg und seine Bewohner. Wir erfahren über die Wenden
folgendes:
Eigentliche Städte besaßen sie nicht, sondern sie wohnten in einzelnen Ge-
höften, von wo sic sich in Kriegszeiten nach den, meistens in Sümpfen angelegten
und durch hohe Wälle geschützten Burgen zurückzogen, deren es eine große An-
zahl im Lande gab. Mit ihrem Ackerbau scheint es nicht sonderlich bestellt ge-
wesen zu sein; der Hauptgegenstand desselben war der Flachsbau. Viehzucht, Jagd
in den Wäldern, sowie Fischerei in den zahlreichen Gewässern sagten ihnen mehr
zu; wo sie aber der Meeresküste nahe wohnten, waren Sceräubercien ihre Lieblings-
beschäftigung.
Ihre Religion bestand aus Götzendicnerci. Einige ihrer Götzen wurden
ohne Bilder in heiligen Hainen verehrt; die in wirklichen Tempeln verehrten
Götzenbilder waren von sehr wunderlicher Gestalt, manche mit zwei, drei oder gar
noch mehr Köpfen. Einer der berühmtesten Tempel befand sich zu Rhctra, welches
wahrscheinlich bei dem jetzigen Dorfe Prillwitz (zwischen Neubrandcnburg und Neu-
strelitz) lag. Den Göttern zu Ehren wurden Feste gefeiert, bei welchen Rinder
und Schafe, oft auch Menschen geopfert wurden, und die mit einem Gelage schlossen.
Die Wenden waren ein harter Menschenschlag, vor keiner Gefahr und Be-
schwerde erschreckend, dabei rauh und ungestüm, wild, roh und grausam; auf
Räuberei und Krieg stand all ihr Sinnen und Denken. Ihre Kriege, die sie zur
See mit den Dänen und auf dem Lande mit den Deutschen jenseits der Elbe
führten, hörten fast nie auf. Dagegen wird ihre Gastfreundschaft rühmend her-
vorgehoben. Niemand brauchte bei ihnen um gastliche Aufnahme zu bitten; was
sie durch Ackerbau, Jagd und Fischerei erwarben, gaben sie mit vollen Händen hin.
Wenn jemand durch Alter oder Krankheit zur Arbeit untüchtig wurde, so nahm
sich der nächste Verwandte seiner an, daher fand man bei ihnen keinen Armen
und Bettler.
Die mecklenburgischen Wenden zerfielen in mehrere, zum Teil von Fürsten
regierte Volksstämme, unter denen die Obotritcn im nordwestlichen und die
Lcutiticr im östlichen Landesteile die angesehensten waren. Von der Burg der
Obotritcn, Michilcnburg, deren Wälle unweit des Dorfes Mecklenburg, eine Meile
südlich von Wismar, noch aus sumpfigen Wiesen hervorragen, ist der Name auf
das ganze Land übertragen worden. Die nächsten deutschen Nachbarn der Wen-
den waren die gegen Ende des 8. Jahrhunderts zum Christentum bekehrten
Lachsen, welche jenseits der Elbe in Hannover und Braunschweig wohnten.
Heutigen Tages wohnen die Wenden nicht mehr in Mecklenburg, nur eine
große Anzahl von teilweise sehr sonderbar klingenden Ortsnamen erinnert an ihre
Sprache, und in einigen südlichen Landstrichen, z. B. in der Gegend von Eldena,
Lübtheen, Grabow und Neustadt, bekundet das schwarze Haar und die gelbe Haut-
farbe eines Teils der Bevölkerung noch die slavische Abkunft.
Uber dreihundert Jahre, von den Zeiten Karl des Großen bis zum Jahre
1160, dauerten zwischen den Wenden und den benachbarten Deutschen die Kämpfe,
die mit der Besiegung und Unterwerfung der Wenden unter die Herrschaft des
Sachsenherzogs Heinrich des Löwen endigten. Zahlreich sind die Versuche in
diesem langen Zeitraume, die Wenden zum Christentume zu bekehren; hartnäckig
war der Widerstand der Heiden. Die Art, wie damals von den Sachsen die neue
Religion verbreitet wurde, war freilich keine sehr milde und liebevolle. Die „Un-
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
TM Hauptwörter (100): [T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
TM Hauptwörter (200): [T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T185: [Jagd Viehzucht Bewohner Ackerbau Jäger Fischfang Wald Fischerei Krieg Land], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit]]
239
Mitternacht. Da kamen ihrer viele in einen ungeheuren Wald.
Wohl manche Tagereise zogen sie darin nach allen Richtungen um-
her und konnten sein Ende doch nicht finden. Breite Flüsse durch-
schnitten die Wildnis. Die meisten derselben rollten von Mittag nach
Mitternacht. Auch an unermeßliche Sümpfe kamen die Wanderer,
darin hauste furchtbar Gewürm, das sie erschlugen. Aus den finsteren
Bergschluchten sprangen ihnen der riesige Ur und das Elentier, der
Wolf und der Bär entgegen; im Kampfe mit diesen Tieren erprobten
sie freudig ihre Kraft. Auf den Triften aber, die dem Sonnenlichte
offen standen, weideten kleine, wilde Rosse im hohen Grase; diese
fingen sie listig und gewandt, schwangen sich darauf und tummelten
sie. Welche von den Einwanderern bis an die Meeresküste drangen,
die fanden dort den goldglänzenden Bernstein, den die Wellen beim
Nord- oder Westwind ihnen zuwarfen; welche tiefer in die Mitte des
Landes hinzogen, die entdeckten reiche Salzquellen, deren Flut sie auf
glühende Kohlen gossen.
So gewannen sie edle Würze zum Schmause des erlegten
Wildes. So rauh dies Land auch war, dem kernhaften Volke ge-
fiel's. Nichts auf der Welt ging ihm über die Freiheit; in den
Wäldern und Bergschluchten schien sie am besten geborgen. Und so
blieben denn die einzelnen Stämme auf den weiten Länderstrecken als
auf ihrem Eigentume, und jeder einzelne Hausvater bauete sich, fern
von dem andern, aus gewaltigen Stämmen schlicht das Haus und
umgab den Hofraum mit Pfahlwerk. Das war nun sein und der
Seinigen unverletzliches Heiligtum, und er waltete nach alter Sitte
darin wie ein Priester, Richter und Fürst.
Groß, stark und schön waren die Deutschen in alter Zeit;
Keuschheit, Einfachheit der Sitten und Freiheit erhielten den Kindern
die Kernkraft der Eltern. Wie Riesen erschienen sie den Menschen
des Südens. Weiß und rein war die Farbe ihrer Haut; in üppiger
Fülle floß das goldgelbe Haar, der Mähne des Löwen ähnlich, bei
Männern und Frauen hernieder, und ans den großen, blauen Augen
blickten Mut und edler Freiheitsstolz. Die Kraft des Leibes wurde
frühzeitig gestählt. Das neugeborene Kind wurde in kaltes Wasser ge-
taucht, das herangewachsene durch Leibesübung abgehärtet. Der
Knabe ging mit dem Vater auf die Jagd, oder er warf sich bei
Sturm und Wetter in den Strom und rang mit den Wellen. Der
Jüngling sprang nackt zwischen Schwertern und Lanzenspitzen einher.
Ein solcher Schwerttanz war das einzige Schauspiel, woran das Volk
Gefallen fand, und sein Beifall lohnte den Kecksten und Geschicktesten
reichlich. (Eduard Duller.)
185. Deutsches Lied.
Von allen Ländern in der Welt Doch Männer hat es, Korn und Wein
Das deutsche mir am besten gefällt; Und Frauen allerwegen.
Es traust von Gottes Segen. Von allen Sprachen in der Welt
Es hat nicht Gold, noch Edelstein; Die deutsche mir am besten gefällt,
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T185: [Jagd Viehzucht Bewohner Ackerbau Jäger Fischfang Wald Fischerei Krieg Land], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil]]