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1. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 411

1913 - Wittenberg : Herrosé
411 hat etwas Rührendes und Beneidenswertes, zu sehen, wie sie in Gefahr und Sorge ruhig und heiter zu Gott wie zu ihrem Vater aufschaut, der ja nur das Veste für sein Kind wollen kann. Man kann sich die Freude dieses Mutterherzens vorstellen, als der geliebte Sohn zu immer höhern Ehren aufsteigt, in jungen Jahren erster Minister eines Herzogtums, der Freund von Fürsten und großen Männern wird und als Dichter einen Ruhm erwirbt, der ganz Europa erfüllt. Wenn der Sohn in der freien Zeit, die ihm übrigbleibt, zum Besuche nach Frankfurt kommt, dann ist sein Aufenthalt für die Mutter ein einziger großer Festtag. Eine be- sondre Freude erlebt Frau Rat, als ihr ältester Enkel sie besucht, mit dem sie wieder jung wird. Rach seiner Abreise unterhält sie mit ihm einen regen Briefwechsel. Da schreibt sie ihm einmal: ..Es ist Deine Pflicht. Deinen lieben Eltern gehorsam zu sein und ihnen vor die viele Mühe. die sie sich geben. Deinen Verstand zu bilden, recht viele, viele Freude zu machen ... Ich weiß aus Er- fahrung. was es heißt, Freude an seinem Kinde zu erleben — Dein lieber Vater hat mir nie. nie Kummer und Verdruß verursacht — darum hat ihn auch der liebe Gott gesegnet, daß er über viele, viele emporgekommen ist — und hat ihm einen großen, aus- gebreiteten Ruhm gemacht." Im steten Verkehr mit den Freunden des Hauses und des Sohnes verlebte sie einen heitern Lebensabend. Am 13. Sep- tember 1808 erlosch dieses merkwürdige Frauenleben, das in seiner Umgebung so lichten Schein verbreitet hatte. Die Trauerbotschaft erschütterte den Sohn aufs tiefste. „Er war ganz hin." berichtet darüber einer seiner Freunde. Auch er ist längst zur Ruhe ge- gangen. Wenn aber sein Riesengeist vor unsern Augen erscheint, dann begleitet ihn stets das ewig heitere Antlitz seiner unvergeß- lichen Mutter, der Frau Rat. 234. Ein Brief der Königin Luise an ihren Vater. Jeder Brief, den ein bedeutender Mensch geschrieben hat. ist geeignet, uns den Verfasser persönlich nahezubringen: durch die eigentümliche Sprache, die uns ihm gegenüberstellt, uns gewisser- maßen zum Adressaten macht, und durch die Intimität jedes mit dem Gedanken an nur einen oder wenige Leser verfaßten Schrift- stücks — die Intimität nicht der Mitteilung der privaten, persön- lichen Verhältnisse, sondern die Intimität der Form, der Sprache, des ganzen Seelenzustandes, in dem ein Brief geschrieben wird. Es ist der Alltagsmensch, der aus Briefen lebendig wird: oft be- leuchten Briefe, wie aus den: rein Persönlichen, einer höhern Er- scheinung gleich, das Allgemeine für Momente aufsteigt; Durch- brüche eines tiefer als in e i n e m Menschen und seinen Lebens- umständen wurzelnden Gefühls stehen zwischen trockenen Mit- teilungen. Das Unregelmäßige, Anregende. Ernüchternde und zum Widerspruch Reizende, aber auch das menschliche Anteilnahme

2. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 415

1913 - Wittenberg : Herrosé
415 immer größer. Trotzdem besorgte sie die Pflege lange allein. Ihre Hingabe an diese Lebensaufgabe kannte keine Grenzen. In allen Ortschaften des Tales richtete sie die Bewahranstalten selbst ein. Dabei scheute sie nicht die schlechten Wege. sie ließ sich von ihren Gängen durch keine Witterung abhalten. Erschöpft und durchnäßt, von Kälte erstarrt, kehrte sie oft von diesen Wegen der Barmherzigkeit ins Pfarrhaus zurück und ließ es sich nicht nehmen, hier noch bei der Arbeit behilflich zu sein. Für die Kinder des Hauses sorgte sie, als ob es ihre eignen Geschwister wären. In den schweren Zeiten der Revolution, in den Schrecken eines Hungerjahres, in Krankheit und Leid stand sie treu zu ihrer Herr- schaft. Und als ihre gütige Herrin starb, da wurde sie den sieben Kindern eine zweite Mutter. Und für die seltene Hingebung nahm sie nichts an. als was zur Bestreitung der leiblichen Bedürf- nisse notwendig war. Ihr schönes Herz. ihre edle Uneigennützigkeit spricht sich am rührendsten in dem Briefe aus, den sie nach dem Tode der Frau Oberlin zum Neujahr 1797 an ihren geistigen Führer schrieb. Er lautet: Lieber und zärtlicher Vater! Erlauben Sie mir, daß mit dem Beginn des Jahres ich von Ihnen eine Gnade begehre, nach welcher ich schon lange trachte. Da ich nun ganz frei stehe. d. h., da ich meinen Vater und dessen Schulden nicht mehr zu tragen habe, so bitte ich Sie. lieber Vater, versagen Sie mir die Gnade nicht, mich ganz zu Ihrem Kinde an- zunehmen; geben Sie mir nicht den geringsten Lohn in Zukunft. Da Sie mich in allem wie Ihr Kind halten, so wünsche ich es auch in dieser Hinsicht zu sein. Ich brauche wenig zu meinem körper- lichen Unterhalte: was einige kleine Ausgaben verursachen könnte, sind Kleider. Strümpfe. Holzschuhe, und wenn ich solcher bedarf, so will ich es Ihnen sagen, wie ein Kind seinem Vater. O ich bitte Sie, lieber Vater, gewähren Sie mir diese Gnaden, und sehen Sie mich an als ihr treu ergebenes Kind Luise. Oberlin nimmt sie freudig als Tochter ün. sucht ihr aber für ihre ausgezeichneten Dienste auf Umwegen Geld zukommen zu lassen. Luise merkt aber gar bald die List und bittet inständig, davon abzustehen. Dem guten Oberlin bleibt nichts übrig, als die Bitte zu erfüllen, und nun jubelt Luise über das große Glück, die freie Tochter eines guten Vaters zu sein. Luise wirkte so jahrelang in der engen Welt. die von Fels- wänden abgeschlossen war. Die Welt hinter den Bergen kannte sie nicht. Aber der Ruf von der frommen Gründerin der Kinder- bewahranstalten schwang sich über die Vergspitzen hinweg, drang immer weiter in das Land und erreichte auch die glänzende Stadt Paris. Da hatte ein reicher Graf eine ansehnliche Summe Geldes gestiftet, die unter besonders brave und tugendhafte Mädchen des Volkes verteilt werden sollte. Die französische Akademie, der die Verteilung oblag, erkannte einstimmig der edlen Luise einen

3. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 454

1913 - Wittenberg : Herrosé
454 Glückwunschschreiben. Oppelu, den 30. Dezember 1911. Herzinnig geliebte Eltern! Der letzte Tag des alten Jahres ist herbeigekommen, und ich will das neue Jahr nicht anbrechen lassen, ohne Euch die herz- lichsten Glückwünsche darzubringen. Möge Euch, teuerste Eltern, der Himmel im neuen Jahre mir erhalten und Euch beglücken mit der reichsten Fülle seines Segens! Mögen Kummer und Sorge Euch fernbleiben, und möge es mir gelingen. Euch nur Freude zu machen, den Erwartungen, die Ihr von mir hegt, zu entsprechen und Eurer Liebe und Güte mich immer würdiger zu zeigen! Dies zu erstreben, ist mein fester Vorsatz, und ich bitte den Himmel, mir Kraft zu verleihen, ihn auszuführen, um Euch nicht nur mit Worten, sondern auch durch meine Handlungen zeigen zu können, wie sehr ich bin Eure dankbare Tochter Helene. Einladung. Beuthen O. S., den 13. Okober 1912. Lieber Vetter! Für Sonnabend abend haben sich einige meiner Freundinnen bei mir angesagt. Du würdest gewiß angenehm überraschen, wolltest Du an diesem Tage Dich rechtzeitig bei uns einstellen, um in bekannter liebenswürdiger Weise Dich der Gesellschaft zu widmen. Bringe Deine beste Laune mit! Sicher auf Dein Kommen rechnend, grüßt Dich Deine Cousine Berta. Dankschreiben. Neustadt a. I)., den 6. Mai 1912. Meine liebe Freundin! Für die schnelle und pünktliche Erfüllung meiner Bitte sage ich Dir hierdurch meinen verbindlichsten Dank! Sei versichert, daß ich Dir diese Gefälligkeit sehr hoch anrechne und jede Gelegenheit benutzen werde, um in Gegendiensten mich dankbar zu erweisen. Erhalte auch fernerhin Deine Freundschaft Deiner Dich küssenden Selma.

4. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 10

1913 - Wittenberg : Herrosé
10 Großen fähig; diese Ehrfurcht ist der starke Schutzengel der kind- lichen Unschuld und der eiserne Stab, an dem sich auch der Ge- fallene wieder aufrichtet. Gehorche Vater und Mutter, aber mit freubtger Seele und ohne Murren; denn was dir zum Besten dient, das wissen sie am besten. Ihre Erfahrung ist dir zur Weisheit. Sie nwgen dich küssen oder strafen, immer ist's ihre Liebe, die dich belohnt, ihre Liebe, die dich straft. Ehre Vater und Mutter nicht nur durch die Unterwürfigkeit deines Willens, solange du unmündig und ihrer Fürsorge uber- lassen bist, sondern auch durch dein äußerliches Betragen, durch liebevolle Ehrerbietung in Worten, Gebärden und Handlungen, wenn du nicht mehr unter ihrer unmittelbaren Obhut stehst. — Mangel des Zartgefühls, der Schonung, der Hochachtung und Ehrerbietung im Äußerlichen verrät ein rohes Gemüt, zu großem Vergehungen fähig. Das Auge und das Wort des Menschen sind die Verkünder seines innern Wertes oder Unwertes. — Ehre deine Eltern; denn indem du die mit kindlicher Achtung behandelst, von denen du herstammst, ehrst du dich selber. Ehre deine Eltern, auch wenn bn nicht mehr ihrer Leitung unterworfen bist, und vergiß nie, was sie dir Gutes getan haben. Ehre den Vater, der deinetwillen manche sorgenvolle Nacht durch- wachte, wenn du kummerlos einschliefest; der für dich betete, wenn du freudig deinen Spielen nachjagtest; der sich manche Freude versagte, um sie dir aufzusparen; der manchen Tropfen Schweißes vergoß, um dir in der Welt ein gemächliches Los zu verschaffen. Ach, er hat so lange und nur für dich gelebt, lebe nun dankbar auch für ihn. Ehre die Mutter, die dich mit Schmerzen gebar und schon über deiner Wiege Tränen der Liebe und des Kummers weinte. Womit willst du diese Liebe, diesen Kummer, diese Tränen vergelten, wenn nicht mit der zärtlichsten Aufmerk- samkeit für ihre spätern Tage? Denke, wenn du einen frohen Säugling an seiner Mutier Busen erblickst: so lagst auch du einst hilflos an der Brust der deinigen und von niemand so heiß ge- liebt, wie von ihr. Denke, wenn du eine Mutter voll Entzückens mit ihrem Kinde tändeln oder sie mit bleichgehärmter Wange am Krankenlager ihres Lieblings siehst: so empfand auch deine Mutter für dich das gleiche Entzücken, den gleichen Schmerz. Ach, wie kannst du aufhören, die zu lieben, die aus Liebe für dich so gern oft in den Tod gegangen wäre? Wie kannst du ihr die zärtlichste Ehrerbietung verweigern, der unter allen Menschen aus Erden du das Höchste schuldig bist? Wem nicht Vater, nicht Mutter ehr- würdig sind, dem ist unter dem Himmel nichts ehrwürdig und heilig; den fliehe, denn er hat ein Herz, zu allen Verbrechen reif. Ehre Vater und Mutier, und sei im Alter ihre Pflege, ihr Versorger, ihr Freund und Beschützer. Es ist die böchste aller Freuden, die Gott frommen, tugendhaften, dankbaren Kindern auf Erden gewähren kann, wenn er ihren Eltern ein hohes Alter

5. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 214

1913 - Wittenberg : Herrosé
214 Wundsein ist oft ein Zeichen mangelnder Pflege und durch eifriges Trockenlegen zu bekämpfen. Oft ist es ein Zeichen einer Verdauungsstörung. Wogrind entstanden, nehme man Borvaseline oder frisches warmes Öl. reibe damit abends den Kopf des Kindes ein. wasche es am andern Morgen mit Wasser und Seife ab und kämme den noch feuchten Kopf mit einem ganz saubern Kamme aus. Man sei nicht nachlässig, sonst kann ein schlimmer Ausschlag entstehen, bedenke aber auch, das; Säuglinge, die Grind bekommen, besonders bezüglich ihrer Ernährung in acht genommen werden müssen. D'e Kinderstube sei geräumig, licht, rein und trocken und im Winter mäßig warm. Es soll in dieser keine Wäsche zum Trocknen aufgehängt, auch der Unrat in den Nachtgeschirren sowie die beschmutzte Wüsche immer schnell hinausgetragen werden. Nur in reiner, unverdorbner Luft können sich die Lungen des Kindes kräftigen. Feuchte und schlecht gelüftete Stuben er- zeugen eine bleiche Gesichtsfarbe und gefährliche Hals- und Lungenkrankheiten. Tägliche Lüftung ist daher unerläßlich, jedoch muß dabei eine Abkühlung der Kleinen sorgfältig vermieden werden. Bei schönem Wetter ist das Kind möglichst oft ins Freie zu bringen. Ist die Luft aber kalt, rauh und staubig, so bietet ihm die Stube einen gesündern Aufenthaltsort. An kalten, reg- nerischen Sommertagen ist die Kinderstube zu heizen. In Kinderstuben sollen nie mehr Personen wohnen, als zur Aufsicht und Pflege der Kinder notwendig sind: am wenigsten dürfen kränkliche Leute in diesen geduldet werden. Nach Prof. Dr. Hartmann, Dr. Schreber u. dem Merkblatt des Baterl. Frauen-Dereins. 127. Wiegenlieder. i. Mäßig bewegt, mst. /--H * - 4 fr Karl Maria v. Weber. 1786-1826. 3 : j-t r 9—¥ u du! Tu - e die du, schwe-ben ums Zeit. Spä-ter, ach ^ y ¥ v u 7 1. Schlaf, Her-zens-söhn-chen, mein Lieb-Iing 2. En - gel vom Him-mel, so lieb-lich 3. Jetzt noch, mein Söhn-chen, ist gol - de » 1/ bist wie ne 4. Schlaf, Her-zens-söhn-chen, und kommt gleich die Nacht, sitzt doch die 1. blau - en Guck - äu - ge - lein zu! Äl - les ist ru - hig | und 2. Bett-chen und lä - cheln dir zu. Spä-ter zwar stei - gen sie | 3. spä - 1er ist's nim - mer wie heut. Siel-len erst Sor-gen j ums 4. Mut - ter am Bett-chen und wacht. Sei es so spät auch, j und

6. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 264

1913 - Wittenberg : Herrosé
264 — mal ohne Lächeln hart und steif und bang nach ihr blickte, alles dieses brach ihr gänzlich das Herz. Ihre Klagen brachen jetzt in lautes Schreien aus, und alle Kinder und der Säugling weinten mit der Mutter, und es war ein entsetzliches Jammergeschrei, als eben Lienhard die Tür öffnete. Gertrud lag mit ihrem Antlitz auf ihrem Bette, hörte das Öffnen der Tür nicht und sah nicht den kommenden Vater. Auch die Kinder wurden seiner nicht gewahr; sie sahen nur die jam- mernde Mutter und hingen an ihren Armen, an ihrem Hals und an ihren Kleidern. So fand sie Lienhard. Todesblässe stieg in sein Antlitz, und schnell und gebrochen konnte er kaum sagen: „Herr Jesus, was ist das!" — Da erst sah ihn die Mutter, da erst sahen ihn die Kinder, und der laute Ausbruch der Klage verlor sich. „O Mutter, der Vater ist da!" riefen die Kinder aus einem Munde, und selbst der Säugling weinte nicht mehr. Gertrud liebte den Lienhard. und seine Gegenwart war ihr auch im tiefsten Jammer Erquickung, und auch Lienhard verlich jetzt das erste bange Entsetzen. „Was ist. Gertrud," sagte er zu ihr, „dieser erschreckliche Jammer, in dem ich dich treffe?" „Oh, mein Lieber!" erwiderte Gertrud. „Finstere Sorgen umhüllen mein Herz, und wenn du weg bist, so nagt mich mein Kummer noch tiefer." „Gertrud!" erwiderte Lienhard, „ich weiß, was du meinst... ich Elender!" Da entfernte Gertrud ihre Kinder, und Lienhard hüllte sein Antlitz in ihren Schoß und konnte nicht reden. Auch Gertrud schwieg eine Weile und lehnte sich in stiller Wehmut an ihren Mann. Indessen sammelte sie all ihre Stärke und faßte den Mut, um in ihn zu dringen, daß er seine Kinder nicht ferner diesem Un- glück und Elend aussetze. Gertrud war fromm und glaubte an Gott, und ehe sie redete, betete sie still für ihren Mann und für ihre Kinder, und ihr Herz war sichtbarlich heitrer; da sagte sie: „Lienhard. trau auf Gottes Erbarmen und fasse doch Mut. recht zu tun!" „O Gertrud! Gertrud!" sagte Lienhard und weinte, und seine Tränen flössen in Strömen. „O mein Lieber, fasse Mut!" sagte Gertrud, „und glaube an deinen Vater im Himmel, so wird alles wieder besser gehen! Es geht mir ans Herz, daß ich dich weinen mache. Mein Lieber! ich wollte dir gern jeden Kummer verschweigen; du weißt, an deiner Seite sättigt mich Wasser und Brot, und die stille Mitternachts- stunde ist mir viel und oft frohe Arbeitsstunde für dich und meine Kinder. Aber wenn ich dir meine Sorge verhehlte, daß ich mich noch einst von dir und diesen Lieben trennen müßte, so wäre ich nicht Mutter an meinen Kindern, und an dir wäre ich nicht treu. O Teurer, noch sind unsre Kinder voll Dank und Liebe gegen uns;

7. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 268

1913 - Wittenberg : Herrosé
268 Sie warf sich neben sein Bett auf die Knie, küßte ihn unter tausend Tränen und verhüllte ihr Gesicht. „Weine nicht, liebe Mutter." sagte der Sterbende, „ich bin nicht mehr krank." — „Ich werde ja nicht im Grabe bleiben." setzte er einige Augenblicke darauf mit kaum vernehmlicher Stimme hinzu. „Du hast es mir oft gesagt. Und wenn du auch gestorben bist, und der Vater auch, dann kommen wir im Himmel alle zusammen und sterben nicht wieder." Wie er dies gesagt hatte, lag er einige Augenblicke ganz ruhig und sah still und freundlich vor sich hin. Dann richtete er sich plötzlich auf. sank ebenso schnell zurück und war tot. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne zuckten auf seinem blassen lächelnden Angesicht. Die Kinder kamen weinend und schluchzend nach Hause und erzählten ihrem Vater den ganzen traurigen Hergang. Lange waren sie still und in sich gekehrt. Aber sie hatten ein heitres Bild von dem Tode bekommen, und so oft sie jetzt seiner gedachten, stellte er sich ihnen in der Gestalt ihres ver- storbenen Freundes dar. Fr. Jacobs. 160. O lieb, solang' du lieben kannst! 1. O lieb. solang' du lieben kannst! O lieb. solang' du lieben magst! die Stunde kommt, die Stunde kommt, wo du an Gräbern stehst und klagst. 4. Und hüte deine Zunge wohl, bald ist ein böses Wort ge- sagt! O Gott, es war nicht bös ge- meint, — der andre aber geht und klagt. 2. Und sorge, daß dein Herze glüht und Liebe hegt und Liebe trägt, solang' ihm noch ein ander Herz in Liebe warm entgegenschlägt. 5. O lieb, solang' du lieben kannst! O lieb, solang' du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, wo du an Gräbern stehst und klagst! 3. Und wer dir seine Brust erschließt, o tu ihm, was du kannst, zulieb! Und mach ihm jede Stunde froh, und mach ihm keine Stunde trüb! 6. Dann kniest du nieder an der Gruft und birgst die Augen, trüb und naß, — sie sehn den ar •*» nimmer- mtt./* ui ins lange, feuchte Kirchhofsgras.

8. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 11

1913 - Wittenberg : Herrosé
11 gibt. Dann erst, dann ist es ihnen möglich, den Guten das Gute zu vergelten. Die Schwächen des Alters führen den Menschen wieder in die Hilflosigkeit der Kindertage zurück. Der greise Vater, die betagte Mutter haben zur Arbeit keine Kraft, zur Selbst- beschützung keinen Mut mehr. Nun gib ihnen die frohen Stunden zurück, die sie dir als Kind gaben; nun ernähre sie und verbanne die Sorge von ihrem Herzen, so wie sie auch deiner ehemals pflegten; nun opfere dich für sie auf, wie sie einst sich für dich so oft geopfert haben. Ehre deine Eltern; mögen sie auch ihre Fehler haben, ver- decke sie liebevoll, beurteile sie schonend. Sie haben ja des Guten soviel für dich getan; sie haben ihr Alter mit Ehre erreicht; könntest du jetzt ihr strenger Sittenrichter werden? — Und kannst du, darfst du es nicht vermeiden, gebietet dir deine eigne Hoch- achtung und Liebe, sie auf dasjenige aufmerksam zu machen, wo- durch sie vielleicht in der Achtung bei andern einbüßen, o so ge- schehe es immer mit kindlicher Ehrerbietung, mit sorgfältiger Schonung in den Worten; so laß nie deinen Mißmut, sondern nur die ganze Fülle deiner kindlichen Liebe reden. Und wenn du endlich einsiehst, daß es zu spät sei, diese Fehler, die vielleicht seit langen Jahren tief einwurzelten, von ihnen zu nehmen, so schweige. Schweige und dulde du allein. Schweige und mache diese Fehler für sie und andre so unschädlich, so wenig auffallend wie möglich. Schweige und verhülle ihre Schwächen; denn die Ehre deiner Eltern ist deine Ehre. Erinnere dich, wie auch sie ehemals solange Geduld mit deinen Mängeln und Unarten ge- tragen haben und dich nicht verachteten, sondern mit treuer Zärt- lichkeit dir zugetan blieben. Vergilt; denn auch für dich lebt ein Vergelter. Ehre deine Eltern, mögen sie gegen dich auch zuweilen hart, sogar vielleicht ungerecht gewesen sein. Du wardst nicht geschaffen, der Richter und Straser derer zu sein, durch die dich Gott ins Dasein rief. Ihr Alter fordert deine Hilfe, ihr graues Haupt deine Ehrfurcht, ihre Liebe für dich in jüngern Jahren die schuldige Dankbarkeit deiner spätern Tage. Waren sie hart gegen dich — vielleicht beförderte diese Strenge dein Wohl. Vergilt nun mit Milde. Ach, wie süß ist es, seine eignen Eltern zu seinen Schuldnern machen zu können! Glücklich ist der Sterbliche, dem dieses Himmels- los zuteil wird. Waren sie ungerecht gegen dich, so sei du nun der Gerechte gegen sie. Meide es, sie auch nur aus der Ferne daran zu erinnern. Ach, jede dieser Erinnerungen wäre ja ein Dorn in des Vaters, in der Mutter Brust; und wie sollte solche Wunde in ihren letzten Tagen wieder heilen, da die vergangene Zeit un- widerruflich ist und das Geschehene nicht von ihnen abgeändert werden kann. Sie waren ungerecht und doch vielleicht unschuldig und voller Liebe zu dir. Ein Mutterherz kann doch nie ganz aufhören zu lieben, ein Vaterherz kann sich doch nie ganz verleugnen. Ehre deine Eltern, solange sie leben auf Erden! Ehre sie

9. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 263

1913 - Wittenberg : Herrosé
— 263 — Dann kommt auf einmal über Nacht ein großes, das uns deutlich macht, wie klein das ist. um was vom Morgen bis zum Abend wir grämlich sorgen. So lernt man erst in schweren Tagen an sich halten und weniger klagen. Trojan. 157. Trübe und frohe Stunden. 1. Ein Mann. der die Freude außerhalb des Hauses sucht. Es wohnt in Vonnal ein Maurer, der heißt Lienhard und seine Frau Gertrud. Er hat sieben Kinder und guten Verdienst: aber er hat den Fehler, daß er sich im Wirtshaus oft verführen läßt. Wenn er da lange sitzt, so handelt er wie ein Unsinniger, und es sind in unserm Dorfe schlaue, abgefeimte Burschen, die darauf losgehen, daß sie den Ehrlichern und Einfältigern auf- lauern und ihnen bei jedem Anlaß das Geld aus der Tasche locken. Diese kannten den guten Lienhard und führten ihn oft beim Trunk noch zum Spiel und raubten ihm so den Lohn seines Schweißes. Aber allemal, wenn das am Abend geschehen war. reute es Lienhard am Morgen, und es ging ihm ans Herz, wenn er Gertrud und seinen Kindern Brot mangeln sah. Gertrud ist die beste Frau im Dorfe: aber sie und ihre blü- henden Kinder waren in Gefahr, ihres Vaters und ihrer Hütte beraubt, getrennt und verstoßen zu werden und ins äußerste Elend zu sinken, weil Lienhard den Wein nicht meiden konnte. Gertrud sah die nahe Gefahr und war davon in ihrem Inner- sten durchdrungen. Wenn sie Gras von ihrer Wiese holte, wenn sie Heu von ihrer Bühne nahm, wenn sie die Milch in ihrem rein- lichen Becken besorgte, ach! bei allem ängstigte sie immer der Ge- danke. daß ihre Wiese, ihr Heustock und ihre halbe Hütte ihnen bald werde entrissen werden, und wenn ihre Kinder um sie her standen und sich an ihren Schoß drängten, so war ihre Wehmut immer noch größer, und allemal flössen dann Tränen über ihre Wangen. Vis jetzt konnte sie zwar ihr stilles Weinen vor den Kindern verbergen: aber am Mittwoch vor Ostern, da auch ihr Mann gar zu lange nicht heimkam, war ihr Schmerz zu mächtig, und die Kinder bemerkten ihre Tränen. „Ach, Mutter," riefen sie alle aus einem Munde, „du weinst!" und drängten sich enger an ihren Schoß. Angst und Sorge zeigten sich in jeder Gebärde. Banges Schluchzen, tiefes, niedergeschlagnes Staunen und stille Tränen umringten die Mutter, und selbst der Säugling auf ihrem Arm verriet ein ihm fremdes Schmerzgefühl. Sein erster Aus- druck von Sorge und von Angst, sein starres Auge, das zum ersten-

10. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 304

1913 - Wittenberg : Herrosé
304 dem Aufgeben der mit dem Ackerbau neu entstandenen Verufs- arten, daß sie es sich zum strengen Gesetz machten, daß der Sohn wieder dasselbe Geschäft erlerne, das der Vater getrieben, damit es niemals den Nachkommen verloren gehen könne. Der Sohn des Landmanns nutzte wieder den Acker bauen, der des Schmieds, des Zimmermanns, des Maurers usw. wieder das Geschäft des Vaters erlernen. Das ganze Volk teilte sich in erbliche Stände, die man Kasten nannte, und ist bei dieser Verfassung Jahrtausende geblieben. Am geringsten geachtet wurden die Hirten, am höchsten aber die Priester, die dem Osiris die Gaben des Feldes als Dank- opfer auf den Altar legten. Ja, die alten Ägypter gingen so weit, datz sie alles, was den Ackerbau in ihrem Lande förderte, göttlich verehrten: den Stier, der ihnen den Acker pflügte und das Getreide drasch, wie den Flutz Nil. der ihre Felder durch Überschwemmungen befruchtete. — Wie in Asien und Afrika, so gab es auch in Europa Völker, die den Ackerbau als göttlichen Ursprungs verherrlichten. Die alten Griechen glaubten, datz ihnen das Getreide durch die Göttin Ceres vom Himmel gebracht sei. Dieser war nämlich, so erzählt die Sage, ihr geliebtes Kind geraubt worden. Trauernd durchstreifte sie die Erde mit einer am Feuer des Ätna entzündeten Fackel, um die Tochter aufzusuchen. Nach langem Umherirren erfährt sie, datz der Gott der Unterwelt sie geraubt habe. Dahin aber war der unsterblichen Göttin der Weg ewig verschlossen. Ein Mutterherz weitz Rat. Sie nimmt Eetreidekörnlein, senkt diese in die Erde und harrt, bis sie aus dieser emporsteigen. Nach unten die Wurzel, nach oben der biegsame Stengel, rauscht und flüstert es in dem wogenden Ährenfelde, und wie jetzt wohl eine Mutter unter der Trauerweide auf dem Grabe ihres Kindes sitzt, so satz die Göttin am Ährenfelde und hielt Zwiesprache mit der Tochter, wenn es in den grünen Blättern lebhaft flüsterte. Auf solche Weise soll das Getreide und mit diesem der Ackerbau nach Griechenland gekommen sein. Unsern Vätern, den alten Germanen, war das Getreide das goldne Haar einer Göttin, das alljährlich die kunstreichen Zwerge in ihren geheimnisvollen Werkstätten unter der Erde an- fertigten. Wann das Getreide in unser Vaterland eingewandert ist. darüber schweigen die Nachrichten: aber auch bei uns hat es Wälder gestürzt und Sümpfe getrocknet. Eittöden bevölkert und das Klima gemildert. In jener Zeit. wo der Ackerbau noch nicht im grotzen betrieben wurde und Deutschland noch ein sumpfiger Wald war, sagte ein römischer Schriftsteller von dem Klima am Rhein, es sei der Art. datz daselbst nie eine Kirsche, viel weniger eine Traube reifen könne. Und siehe, jetzt gedeiht dort nicht nur der Kirschbaum und die Weinrebe, es reifen dort auch die sützen Früchte der Kastanien und Mandelbäume. Datz der segnende Pflug Land und Menschen veredelt hat, mögen wohl wenige be- denken, wenn sie am Cetreidefelde entlang gehen: ebensowenig mag ihnen jene Sage der alten Völker einfallen. Aber sollen wir
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