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1. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 104

1900 - München : Oldenbourg
104 Kampf gegen historische Phrasen. der Erde und häuft Schätze auf Schätze. Die grundsätzliche Voraussetzung für diese Machtstellung ist die Uneinigkeit, die gegenseitige Bekämpfung der Kontinentalmächte auf Leben und Tod, die sie hindert, sich endlich einmal zu verbünden und von dem selbstlosen Albion den ihnen gebührenden Anteil an der Verteilung der Erde zu verlangen. Hat es nun jemals den Anschein, als ob es gelänge, den Kontinent unter einen Hut zu bringen, so wird der Engländer sofort aufmerksam; denn die politische Einigung des Kontinents muss ja früher oder später die wirtschaftliche im Gefolge haben. Das wäre aber eine schnöde Verletzung der heiligsten englischen Gefühle und Rechte; und da ist es dann die heiligste Pflicht der englischen Humanität, für die unterdrückte Freiheit der Geknechteten Gut und Blut aufzubieten. Diese traditionelle, perfide Politik der Engländer durchschaute aber Napoleon ganz genau und baute auf dieser Einsicht sein politisches System auf. Andererseits wussten auch die Engländer ganz genau, wie sie mit Napoleon »daran waren«, und was sie von ihm zu gewärtigen hatten. Beide Gegner sahen ein, dass es hier einen modus vivendi nicht gab, dass die Existenz des einen Systems die Vernichtung des anderen zur naturnotwendigen Folge hatte und haben musste. Entweder ich — oder du? Damit sind wir uns über den Ernst des Kampfes und die tiefere Bedeutung desselben klar geworden. Wie wurde er nun geführt ? Dass es die Engländer meisterhaft verstanden und noch verstehen, andere Nationen ins Feuer zu hetzen und die ihnen bestimmten Schläge auf fremde Rücken gelangen zu lassen, ist bekannt. Was konnte nun Napoleon dagegen thun? Im eigenen Lande konnte er sie nicht fassen, in ihren wichtigen Kolonien nach Trafalgar ebenfalls nicht; blieb also nur die Vernichtung ihres Kontinentalhandels. War nun diese Massregel erfolgversprechend, und lohnte sie die Opfer, die sie naturgemäss kosten musste? Neuere Forschungen gestatten es, diese Frage mit »Ja« zu beantworten. Zunächst kostete die Kontinentalsperre freilich Opfer. Der Zwischenhandel der Küstengebiete musste schwer leiden, besonders der holländische, norddeutsche u. s. w. Auch musste der Preis der Industrieprodukte sehr in die Höhe gehen, wenn plötzlich die englische Einfuhr aufhörte; »heute und morgen« konnte die kontinentale Industrie natürlich nicht ihre Produktion so weit ausdehnen,

2. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 106

1900 - München : Oldenbourg
io6 Kampf gegen historische Phrasen. doppelt werden, auch nicht im Laufe weniger Jahre. Die Industrie hätte also im Laufe der Jahre bankerott werden müssen. Womit wollte aber dann England seinen notwendigen Import bezahlen? Thatsächlich war die Lage für England in der Zeit vor dem russischen Feldzuge höchst kritisch; die Nationalschuld war unermesslich, die Banken waren leer, die Fabriken halb, teilweise sogar ganz still, Fallissements auf f1 allissements; die Bank von England musste verzweifelte Anstrengungen machen, um den drohenden Ruin wenigstens einigermassen zu verschleiern Der Nationalkrach stand vor der Thür. Ängstlich blickten die Engländer nach allen Seiten, ob sich nicht ein Blitzableiter zeige, der das ihnen drohende Gewitter auf sich ziehe. Altengland hatte wieder Glück — der Blitzableiter zeigte sich! Napoleon selbst schmiedete ihn. Berauscht vom Glück, unternahm er den unsinnigen Zug gegen Russland, unsinnig deshalb, weil thatsächlich wenig zu gewinnen, aber alles zu verlieren war. Ein Rechenfehler vernichtete ihn. Napoleon bedachte nicht, dass Russland ein kontinentales Klima hat, dass es infolge dessen der Möglichkeit grosser Klimaschwankungen ausgesetzt ist, dass also im Spätherbst leicht einmal strenge Kalte 4 6 Wochen vor der in Westeuropa sonst gewöhnlichen Zeit eintreten kann. Nicht der Brand von Moskau vernichtete Napoleon; er war Mitte September; Zeit genug für die grosse Armee zurückzukommen. Aber die unbegreifliche Halsstarrigkeit, mit welcher der Imperator noch volle 5 Wochen auf den Trümmern sass, um den Marius auf den Ruinen Karthagos zu kopieren, wurde verhängnisvoll. Als er Ende Oktober aufbrach, war der Winter da. Die grosse Armee ging zu Grunde. Ajax fiel durch Ajax’ Kraft. Als die Kunde von dem Untergang der grossen Armee nach England kam, atmete alles auf. Die Papiere schnellten in die Höhe, man gab und fand wieder Kredit, die Schlote rauchten wieder, die Räder summten. John Bull war gerettet. Der Sturz Napoleons war nur noch eine Frage der Zeit; denn die nach Freiheit lechzenden Kontinentalvölker übernahmen es ja, den Todfeind Englands .vollends niederzuwerfen. Mit ihm fiel natürlich auch die Kontinentalsperre. Und als John Bull sein Konto abschloss, war es gar nicht einmal so übel. Zwar Geld hatte die Geschichte gekostet, viel Geld sogar; schade! Aber das liess sich wieder hereinbringen. Englisches Blut war wenig oder gar keines geflossen — die englischen Söldner sind ja gekauft, wenigstens grösstenteils — nur

3. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 109

1900 - München : Oldenbourg
Das europäische Gleichgewicht und der Erbfeind. 109 punkt erreicht. Der spanische Erbfolgekrieg stürzt es vorübergehend, aber nur, um der Vorherrschaft Englands Platz zu machen. Schwedens Präponderanz war zu vorübergehend, um erwähnt zu werden. Durch Napoleon kommt wieder Frankreich an die Spitze, wird allerdings bald gestürzt und macht der heiligen Alliance Platz. Diese war aber doch nur die verschleierte Vorherrschaft Russlands (siehe Wiener Kongress!). Dann hatte doch gewiss Napoleon Iii. wieder einen Vorrang in Europa; man bedenke nur, mit welcher Andacht die Welt seinen Neujahrsansprachen lauschte. 1870 trat das neugeeinte Deutschland an seine Stelle. Seinen Vorrang in den 70 er Jahren unter der Handlangerpolitik wird niemand bestreiten. Und wie in unseren Tagen der Einfluss »Väterchens« mit dem vielgerühmten »europäischen Gleichgewicht« in Einklang zu bringen ist, das zu beweisen überlassen wir denjenigen, die an der Aufrechterhaltung dieser schillernden Phrase ein sehr gewichtiges Interesse haben. Nun fragen wir drittens: »Wie kommt es, dass diese hohle Phrase den Kontinent so lange beherrschen konnte und noch beherrscht?« Der vorige Abschnitt (siehe Kontinentalsperre!) hat uns bereits die Antwort darauf gegeben. Unsere lieben Vettern jenseits des Kanals haben diese Phrase erfunden, in die Welt gesetzt und liebevoll gehegt und gepflegt, auf dass sie wachse und gedeihe und Früchte trage hundertfach. Bekanntlich haben englische Zeitungen mit der ihnen angeborenen unüberwindlichen Bescheidenheit dem deutschen Kaiser vor einigen Jahren den salbungsvollen Vorschlag gemacht, er möge doch nur immer auf den Rat seiner »weisen Grossmutter« hören. Nun, so weise wie diese Grossmutter waren die Engländer von jeher, nur hatte der ehrliche deutsche Michel seit Jahrhunderten für die innerste Bedeutung und den geheimsten Sinn dieser Eddaweisheit leider nie das richtige Verständnis. Verfolgen wir die Geschichte dieser Phrase historisch-genetisch! Solange England mit der Konstituierung seiner inneren Verhältnisse zu thun hatte, hören wir wenig oder gar nichts davon. Erst als die Engländer in und nach der sogenannten »glorreichen Revolution« die richtige Formel für ihr innerpolitisches Leben gefunden hatten und nach aussen die wunderbar konsequente, wiederholt charakterisierte Interessenpolitik begannen, tauchte das schöne Wort auf. Derjenige, der es zum erstenmal im grossen Stile praktisch in die Politik einführte — und das mit grossartigem Erfolg —,

4. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 51

1900 - München : Oldenbourg
Neuzeit. 51 Siebenjähriger Krieg: Drei Frauen gegen Friedrich. Elisabeth von Russland, Maria Theresia von Österreich, Marquise Pompadour in Frankreich; dazu treten Schweden, Spanien und das Reich. Aber Spanien und das Reich sind bedeutungslos; Schweden ist mit Preussen verschwägert, führt fast nur einen Scheinkrieg. Russland und Frankreich unter dem Weiberregiment politischmilitärisch verkommen, fast ebenso sehr Österreich unter dem schwachen Karl Vi., dessen verhängnisvolle Bedeutung seine wackere Tochter Maria Theresia noch nicht hat ausgleichen können. Ausserdem alle unter sich uneinig (der russische Thronfolger und die öffentliche Meinung in Frankreich schwärmen für Friedrich). Auf der anderen Seite hält Friedrich alles in einer Hand (Gegensatz zu dem berüchtigten k. k. Hofkriegsrat in Wien), hat von seinem Vater ein tüchtiges Heer unter tüchtigen Führern, tüchtige Beamte, gefüllte Kassen u. s. w. geerbt, erhält englische Subsidien; denn England benützt diese schöne Gelegenheit, um den Franzosen und Spaniern die besten Kolonien wegzunehmen; deshalb unterstützt es die preussische Widerstandskraft, solange es für England vorteilhaft ist. Trotzdem kommt Friedrich in grosse Bedrängnis. Der plötzliche Tod Elisabeths rettet ihn. Durch den siegreichen Krieg wird Preussen Grossmacht, und zwar erste und einzige protestantische Gross macht auf dem Festlande; bisher nur protestantische Seemächte (Holland, England), da Schweden bedeutungslos geworden. Deshalb von nun an Preussen Hort des Protestantismus auf dem europäischen Kontinente; beide stehen und fallen miteinander. Friedrich im Frieden. Persönlichkeit, Anekdoten, Hofleben in Sanssouci. Regierungsgrundsatz: Der König ist der erste Diener des Staates; dabei wohl Absolutismus, aber im Dienste der Staatsidee (nicht des Egoismus, wie bei Ludwig Xiv.). Wirtschaftliche Reformen; Ackerbau und Industrie gehoben, Handelswege, Kanäle angelegt; später leider drückende Regie. Rechtspflege reformiert (preussisches Landrecht); Friedrich in religiösen Fragen duldsam, weil persönlich freisinnig; begeistert die deutsche Dichtung, ohne persönlich viel davon zu halten (Zeugnis Goethes). An ihm und seinen 1 haten richtet sich das seit dem Dreissigjährigen Kriege gesunkene National- und Selbstgefühl der Deutschen wieder auf. 4*

5. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 54

1900 - München : Oldenbourg
54 Stoffauswahl und Gedankengang. abwendet. Republik, Königsmord, Konvent, Wohlfahrtsausschuss, Abschaffung des Christentums u. s. w. Alles sehnt sich nach einem Retter. Dieser ersteht in Napoleon Buonaparte; das grösste militärisch-politische Genie der Neuzeit; aufzufassen als Italiener, getragen von dem Geiste der antiken Welteroberer; in seiner Jugend begeistert für Rousseau, dann für Plutarch; hasst zunächst Frankreich als Unterdrückerin der korsischen Freiheit, begreift aber sehr bald, welche Expansivkraft in den »gesunden« Ideen der Revolution steckt und welch grofsartiges Feld sie ihm zur Befriedigung seines riesigen Ehrgeizes und zur Bethätigung seines grofsartigen politisch-militärischen Genies bieten. Indem er sich also mit den gesunden Ideen der Revolution identifiziert und dieselben in sich gewissermaßen verkörpert, reifst er die höchste Gewalt in Frankreich an sich und durchackert dann mit »eisernem« Pfluge das alte, morsch gewordene Europa. Flat er somit auch tausende von berechtigten, weil »geschichtlich gewordenen« Existenzen vernichtet und tausend unverdiente Wunden geschlagen, so hat er doch den Boden bereitet für eine »neue Saat und eine neue Ernte«. Anfangs spielt er bewusst die Rolle Caesars, später die Karls Des Grossen (Direktorium. Napoleon in Ägypten. Die Koalitionskriege. Kaisertum. Wiederaufnahme der universalen Bestrebungen. Westeuropa und das Napoleonische Familiensystem). Auch auf wirtschaftlichem Gebiete hat Napoleon den ganz gesunden Gedanken, den Kontinent wirtschaftlich von der Herrschaft der englischen Industrie zu emanzipieren; weil aber das Übergangsstadium natürlich auch wieder viele berechtigte Interessen schädigen musste (Zwischenhandel der Hafenstädte stark beeinträchtigt, besonders der holländischen) und weil Napoleon überall zunächst die französische Industrie bevorzugte, so wurde seine »Kontinentalsperre« nicht nur nicht verstanden, sondern gehasst (zum Teil mit Recht), ja sogar für »unsinnig« erklärt. Für Frankreich aber bewirkte sie zunächst einen ungeahnten Aufschwung der Industrie und des Binnenhandels. Auch sonst glückliche innere Verwaltung; code Napoleon. Napoleon hat Frankreich aus der Bourbonenzeit mit einer riesigen Nationalschuld übernommen und fast schuldenfrei hinterlassen, was durch die Kontributionen der besiegten Völker allein nicht zu erklären ist. Die Überspannung der universalen Bestrebungen und das Erwachen der nationalen Strömungen besonders in Deutschland, vorher schon in Spanien, führen Napoleons Sturz herbei. Der unglück-

6. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 103

1900 - München : Oldenbourg
Die »unsinnige« (?) Kontinentalsperre. 103 Zergliederung bis zu Mässons Pikanterien hat Napoleon manches gute und schlimme Urteil über sich ergehen lassen müssen. Ob mit Recht, ob ohne Recht? Schliesslich beides; denn wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Überdies sind über den Mann die Akten noch lange nicht geschlossen, noch ist zu viel »ira et Studium«, noch ist zu viel Chauvinismus für und gegen ihn vorhanden. Macht sich doch in Frankreich ein neuer Napoleonskultus, besonders in der Dichtung, geltend, und andererseits sind die Wunden, die er vor allem den Deutschen geschlagen hat, noch lange nicht vernarbt, geschweige denn vergessen. Auch dürfte noch so viel unverarbeitetes Material der wissenschaftlichen Auferstehung harren, dass ein objektives Urteil über diesen Mann wohl noch nicht gefällt werden kann. Wenn wir also trotzdem aus seiner Wirksamkeit eine Massregel herausgreifen und an ihr ein Beispiel für den Kampf der Objektivität gegen Phrasen geben, so muss das schon eine Phrase sein, deren mangelnde Berechtigung so mit Händen zu greifen ist, dass auch das elementarste historische Verständnis das sofort einsehen muss. Eine solche Phrase ist die von der »unsinnigen Kontinentalsperre«. Betrachten wir sie objektiv! Napoleon hatte keinen grösseren und hartnäckigeren Feind als England, obwohl er vielleicht nirgends so eifrige Bewunderer hatte als ebenda. Wie kam das ? Nicht etwa wegen Hannover. Im Gegenteil: die englischen Staatsmänner waren froh, dass Hannover, nur ein pretium affectionis des Fürstenhauses, ihnen genommen war. Hatte doch damit England seinen einzigen angreifbaren Punkt auf dem Festlande glücklich verloren, andererseits einen plausiblen Vorwand gefunden, seinen Hass gegen Napoleon glaubwürdig zu begründen und seinen eigentlichen Beweggrund zu verschleiern ; wo lag aber dieser ? Die Engländer, ausser den alten Römern und den Diplomaten der Kurie so ziemlich die schlauesten Politiker der Geschichte, die absichtlich die Rolle des Brutus spielen, waren vielleicht die einzigen Zeitgenossen, die Napoleon ganz durchschauten, ebenso wie sie umgekehrt damals nur von dem einzigen Napoleon ganz durchschaut wurden. Inwiefern ? Mit einer lächerlich kleinen Handvoll Landtruppen *) und einer seinem Kolonialbesitze noch lange nicht entsprechenden Flotte beherrscht England alle wirtschaftlich irgendwie ertragsreichen Gebiete ) Das sieht man in unseren 1 agen wieder recht deutlich am Burenkriege.

7. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 105

1900 - München : Oldenbourg
Die »unsinnige« (?) Kontinentalsperre. 105 um den Ausfall der englischen Waren auf dem Kontinentalmarkte zu ersetzen und den Bedarf sofort zu decken. Aber diese Opfer mussten im Laufe der Zeit reichlich ersetzt werden. Wenn die kontinentale Industrie von der tödlichen Konkurrenz der englischen befreit war, so musste sie, schon um den notwendigen Bedarf zu decken, einen gewaltigen Aufschwung nehmen. In der 1 hat kam es auch so, freilich zunächst nur in Frankreich; aber wer kann es dem Kaiser als Franzosen verargen, wenn er zunächst für sein Frankreich sorgte ? Hier nahm die Industrie einen ungeahnten Aufschwung; einzelne Zweige, wie die Tuch- und Wollindustrie, Baumwollindustrie , Seidenindustrie u. s. w., konnten ihren Betrieb verdoppeln und verdreifachen. Der Nationalwohlstand stieg gewaltig. Napoleon hatte das Land mit 21/2 Milliarden Schulden, Assignatenwirtschaft u. dgl. übernommen und konnte es den Bourbonen fast — schuldenfrei hinterlassen, trotz der zahllosen Kriege. Aus den Kriegskontributionen u. s. w. allein wird dies doch niemand erklären wollen. Aber — wird man einwenden — um Frankreich allein handelt es sich nicht, sondern um den Kontinent. Nun gut! Frankreich allein konnte auf die Dauer dem industriellen Bedarf des Kontinentes unmöglich genügen, die natürlichen Voraussetzungen (Rohproduktion, wie Eisen, Kohle u. s. w.) genügen dazu auf keinen Fall. Bei längerer Dauer musste z. B. die in Bezug auf natürliche Voraussetzungen besser situierte deutsche Industrie zu ihrem Rechte kommen; ebenso andere. Aber das alles ist nicht Kernpunkt. Dieser liegt vielmehr in der Beantwortung der Frage: »Konnte man durch die Kontinentalsperre die Engländer wirklich bezwingen?« Auch darauf muss nach neueren Forschungen mit »Ja« geantwortet werden. Getroffen wurde ja weniger der englische Handel als die englische Industrie; der Handel war ja nur das Medium der Industrie ; diese aber ist Englands Lebensnerv. Mit dem Export seiner Industrieprodukte muss England den notwendigen Import der Rohprodukte und Nahrungsmittel bezahlen. Wer also Englands Export vernichtet, vernichtet England. Heutzutage würde wohl eine Kontinentalsperre Englands Industrie-Export nicht mehr so tödlich treffen, obwohl der Schaden noch gross genug wäre, aber damals ging noch der grösste Teil der Industrieprodukte nach dem Festlande. Wohin also damit, wenn der Kontinent verschlossen war ? Die Aufnahmefähigkeit der Kolonien konnte nicht von heute auf morgen ver-

8. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 107

1900 - München : Oldenbourg
Das europäische Gleichgewicht und dev Erbfeind. Io1/ deutsches, französisches, österreichisches u. s. w. in Strömen. Was kümmert das aber einen edlen Briten? England war dafür der Hort der Freiheit und hatte ihr eine Gasse in Europa gebahnt.*) Der Kontinent stand der englischen Industrie wieder offen; die schönsten Kolonien hatte man den Kontinentalen mit ihrer eigenen Beihilfe abgenommen. Eine neue politisch-wirtschaftliche Zusammenfassung derselben war so leicht nicht wieder zu fürchten, dafür sorgte das »europäische Gleichgewicht«. Die heilige Alliance sub numine et auspiciis Metternichs hatte Besseres zu thun, als den Engländern auf die Finger zu sehen. Sie musste den Völkern, die riesige Opfer an Gut und Blut gebracht, die dummen Freiheitsgedanken austreiben und das väterliche Regiment über die geliebten Unterthanen wieder aufrichten; sie musste die Nörgler auf die Festungen schicken, und was dergleichen volkstümliche Mafsregeln mehr waren. Albion aber nahm sich diese Kontinentalsperre gar sehr zu Herzen; so etwas durfte nie wieder vorkommen. Mit wunderbarer Konsequenz arbeitete man allmählich darauf hin, die Absatzgebiete immer mehr nach den Kolonien zu verlegen, wozu die neuen Erwerbungen die schönste Gelegenheit boten. Zum grossen Teil ist es bereits gelungen. Eine neue Kontinentalsperre könnte England niemals mehr so tödlich treffen wie früher, wenn sie auch noch immer ernst genug wäre. Bei der Weisheit des europäischen Konzertes ist sie übrigens nicht zu befürchten. c) Das europäische Gleichgewicht und der Erbfeind. Oxenstierna soll zu Gustav Adolf in Erfurt gesagt haben: » Videbis, mi fili, quam parva sapientia vtundus regituri (Du wirst sehen, mein Sohn, mit wie wenig Weisheit die Welt regiert wird). Nun, se non e vero, e den trovato. Oxenstierna stand ja selbst mitten im Getriebe der europäischen Politik und musste es, bezw. konnte es wenigstens wissen. Glauben möchte man es ihm gern, wenn man sieht, wie die hohlsten Phrasen, wenn sie nur etwas Bestechendes an sich haben und der Menschheit lange und klug genug suggeriert werden, Jahrhunderte hindurch die Menschen nicht bloss beherrschen, sondern sie auch veranlassen, Ströme von Blut zu *) Siehe Schiller : »Oie unüberwindliche Flotte«. Dass England mit seinen heuchlerischen Humanitätsphrasen immer wieder gläubige Seelen findet, ist ein geistiges Armutszeugnis, wie wir es uns gar nicht trauriger ausstellen können.

9. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 110

1900 - München : Oldenbourg
I Io Kampf gegen historische Phrasen. war Wilhelm Iii., der grosse Oranier, und zwar bei Gelegenheit des spanischen Erbfolgekrieges. Die Geschichte dieses thörichten Krieges ist bekannt. Am Schlüsse hatte England die französische und spanische Seemacht sehr geschwächt, schöne Kolonien erobert, und die sämtlichen europäischen Staaten waren politisch und wirtschaftlich aufs äusserste abgemattet und erschöpft. Dasselbe Schauspiel wiederholt sich noch öfter; immer spielt England dieselbe Rolle. Am schönsten sehen wir das am österreichischen Erbfolgekrieg und an den schlesischen Kriegen. Das schlaue England kämpft konsequent immer gegen diejenigen Staaten, die auf maritimem Gebiet etwas zu verlieren haben. Solange Frankreich und Spanien gegen Maria Theresia kämpften, kämpfte England für dieselbe (pragmatische Armee). Sobald aber beide mit Österreich sich verbündeten, kämpfte England mit Preussen gegen Maria Theresia. Es ist bekanntlich von den Engländern mit der sie charakterisierenden Wahrheitsliebe behauptet worden, sie hätten durch ihre Subsidien Friedrich Ii. von Preussen gegen seine Feinde gerettet. Es ist das geradezu eine impertinent unverfrorene Behauptung. Preussen spielte in den Augen Englands die Rolle des Prügelknaben, der Frankreich und Spanien auf dem Kontinent beschäftigen musste, um ihren maritimen Widerstand gegen England zu schwächen, und diesen »Freund« musste man unterstützen, damit er nicht so schnell nachlasse. Als die selbstlosen Briten ihren Zweck erreicht zu haben glaubten, zog der edle Lord Bute bekanntlich sofort die Subsidien ein, obwohl dies den Helden Friedrich damals (1761) in seiner grössten Bedrängnis traf. Nachdem eben der Mohr seine Schuldigkeit gethan, konnte er gehen — eventuell auch »zu Grunde«. Friedrich hat aber auch von da an stets nur mit Ingrimm von dem »elenden Krämervolk« gesprochen. Die Stellung Englands in der Napoleonischen Zeit haben wir bereits besprochen. In neuerer Zeit steckt England wieder in tausend Nöten. Die Kontinentalstaaten, besonders Deutschland, sind ihm wirtschaftlich zu sehr erstarkt, machen ihm auf dem Weltmarkt zu fühlbare Konkurrenz und hindern England einigermassen, das letzte Wertvolle, was es auf der Welt noch gibt, nämlich Afrika, sich »anzugliedern«. Man muss sich diese edlen Kulturträger nur unbefangen und ungerührt durch ihre heuchlerischen Phrasen vorstellen, wie sie über den Erdball schreiten. In der einen Hand tragen sie ihre salbungsvollen Predigt- und Erbauungsbücher, Traktate und Traktätchen,

10. Die mittlere und neue Welt - S. 149

1873 - München : Lindauer
149 nach Deutschland ausgewandert war, rüstete auf die Nachricht, daß seine Güter in den Niederlanden von dem Rate der Unruhen mit Beschlag belegt seien, m Vereinigung mit semem Bruder Ludwig von^ass^Nlzeer, welches in zwei Abteilungen auf die Niederlande losging. Ludwig von Nassau wurde an der Ems, Wilhelm von Oranien an der Maas von Alba zurückgedrängt. Da Alba zur Fortführung des Krieges viel Geld nötig hatte so Teate Philipp Ii den Niederländern eine neue, sehr druckende Steuer auf (einmalige Erhebung des loosten Pfennigs von allen Kapitalien, außerdem Erhebung des 20sten Pfennmgs von den unbeweglichen, und des loten. von den beweglichen Gütern, so oft ste verkauft wurden). Die rücksichtslose Hntterbuna .drchr Sten. und das Verbot des englischen Handels berührten den Wolstand ier Holländer so empfindlich, daß diese für den ^n den Wasiergeusen (Freibeutern an den niederländischen Küsten) unterstutzten Wilhelm von Oranien Partei ergriffen und Denselben ^Dor^rechtals allem rechtmäßigen Statthalter von Holland anetot^ (1572). Als Philipp Ii hievon Kunde erhielt, nef er den Herzog Alba von den Niederlanden ab (1573). Der neue Statthalter Luis de Requesenz y Zur iga (1573—1576) hob den Rat der Unruhen auf und schlug em Heer der Landgeusen 1574 auf der Mooker Heide (bei Nvmwegen), mußte aber auf die Eroberung der Stadt Leyden , . (welche für ihre Ausdauer statt Steuerfreiheit eme Universität 'wählt e 1575) verzichten. Da nach seinem Tode die spanischen Soldtruppen viele Städte (darunter Mästricht und Antwerpen) plünderten so,> vereinigten sich mehrere Provinzen zur Geuter Pacifikativn, -welche Duldung der Neugläubigen und Entfernung der spanischen Soldtrnvven verlangte. Des Requesenz Nachfolger Don Juan d'austria (1576—1578), Ph Az,. 4 ^ bnibcv, bewilligte die Forderungen der Genier Pacchkation durch das sogenannte „ewige Edikt", allem die Provmzen Holland> und Seeland nahmen dieses Edikt wegen der unbestimmten Fassung des Artikels über Glaubensduldung nicht an. Nach Don ^uans Kode I't 1578) sandte Philipp alz Statthalter der Niederlande den Sohn Margareta's, der ehemaligen Statthaltenn, den einftchts- 60avmä|t"ueh von Parma (1578-1592), welcher die religiösen Verhältnisse so ordnete, wie sie unter Karl V bestanden, dafür aber alle politischen Freiheiten und Vorrechte der Niederlande wieder herstellte. Dadurch erhielt er das katholische Belgien für Spanien, während die sieben nördlichen Provinzen (Holland, Seeland, Utrecht, Geldern, Groningen, Frisland und Overyssel), in welchen die Reformation allgemein eingeführt worden war, in der Utrechter Union 1579> sich zu einem unteilbaren Ganzen verbanden und 1581 die Absetzung
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