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1. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 399

1913 - Wittenberg : Herrosé
390 kunstlos, nur auf das Bedürfnis berechnet, war der Hausrat. Mann und Frau aßen von einem und demselben Teller. Ein oder zwei Becher reichten aus für die ganze Familie. Messer und Gabel dienten für mehrere Tischgenossen zugleich. Die Glasur irdener Gefäße kam erst jetzt auf. Kerzen hatte man noch nicht, sondern nach fröhlichem Schmause ließen sich die Gäste mit Fackeln oder Laternen nach Hause leuchten. Selbst in wohlhabendern Familien hatte der Sohn keine eigne Wirtschaft, sondern wohnte mit seiner jungen Frau in einem Hinterstübchen des elterlichen Hauses. Da- bei fehlte es aber in jenen düstern Räumen durchaus nicht an Heiterkeit und Frohsinn. Sang und Klang war überall, und in mancher deutschen Stadt gab es eine unglaubliche Menge von Spielleuten, die ihre Harfen. Fiedeln. Pfeifen und Zinken er- tönen ließen. C. Wernicke. 229. Gudruns Klage. 1. Nun geht in grauer Frühe der scharfe Märzenwind, und meiner Qual und Mühe ein neuer Tag beginnt. Ich wall' hinab zum Strande durch Reif und Dornen hin, zu waschen die Gewände der grimmen Königin. 2. Das Meer ist tief und herbe, doch tiefer ist die Pein, von Freund und Heimaterde allzeit geschieden sein. Doch herber ist's, zu dienen in fremder Mägde Schar, und hat mir einst geschienen die güldne Krön' im Haar. 3. Mir ward kein guter Morgen, seit ich dem Feind verfiel; mein' Speis' und Trank sind Sor- und Kummer mein Gespiel, sgen, doch berg' ich meine Tränen in stolzer Einsamkeit; am Strand den wilden Schwänen allein sing' ich mein Leid. 4. Kein Dräuen soll mirbeugen den hochgemuten Sinn; ausduldend will ich zeugen, von welchem Stamm ich bin. Und so sie hold gebaren, wie Spinnweb acht' ich's nur; ich will getreu bewahren mein Herz und meinen Schwur. 5. O Ortwin, trauter Bruder, o Herwig, Buhle wert, was rauscht nicht euer Ruder, was klingt nicht euer Schwert! Umsonst zur Meereswüste hin späh' ich jede Stund'; doch naht sich dieser Küste kein Wimpel, das mir kund. 6. Ich weiß es: nicht vergessen habt ihr der armen Maid; doch ist nur kurz gemessen dem steten Gram die Zeit. Wohl kommt ihr einst, zu sühnen; zu retten, ach, zu spät, wenn schon der Sand der Dünen um meinen Hügel weht. 7. Es dröhnt mit dumpfem Schlage die Brandung in mein Wort; der Sturm zerreißt die Klage und trägt beschwingt sie fort. O möcht' er brausend schweben und geben euch Bericht: „Wohl laß ich hier das Leben, die Treue laß ich nicht!" E. Geibel.

2. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 377

1913 - Wittenberg : Herrosé
377 ein großes Waschfest, das mit Vorbereitungen und Nacharbeit acht oder vierzehn Tage alle weiblichen Hausgenossen und noch ein paar Waschfrauen dazu in Anspruch nahm. Ii. Seitdem sind mehr als fünfzig Jahre verstrichen. Auch wenn wir von ländlichen Haushaltungen absehen, die immer noch in der Lage sind, einen großen Teil ihrer Bedürfnisse selbst zu er- zeugen und gebrauchsfertig herzustellen, so läßt sich nicht be- haupten. daß alle erwähnten häuslichen Einrichtungen und Arbeiten aus allen oder den allermeisten deutschen Häusern völlig verschwunden seien. Es gibt immer noch Frauen, die das eine und das andre so machen, wie es ihre Urgroßmütter machten. Aber im großen und ganzen zeigt heute das häusliche Leben in Deutschland ein völlig andres Gesicht. Der allgemeine Brauch ist nicht mehr, selbst zu machen, was man irgend selbst machen kann, sondern zu kaufen, was irgend zu kaufen ist. Den leitenden Grundsatz in Einrichtung und Lebensweise bilden nicht mehr die Sparsamkeit und Genügsamkeit, sondern die Behaglichkeit und Befriedigung des Schönheitssinnes. Man fragt nicht: Was können wir entbehren? Was können wir uns mit eigner Anstrengung schaffen? sondern: Was müssen wir haben? Woher beziehen wir das und jenes am besten? Wenn nun auch Sparsamkeit und Genügsamkeit unbedingt Tugenden genannt werden müssen, so ist« nicht damit gesagt, daß der heutige Zuschnitt unsers häuslichen Lebens ebenso unbedingt verwerflich sei. Jedes Volk führt ihn ein, sobald es sich dazu reich genug fühlt. Unsre westlichen Nachbarn, besonders die Eng- länder und Holländer, haben, weil sie viel reicher sind als wir, schon viel früher diesen Schritt getan. Daß wir ihnen aber jetzt verhältnismäßig so schnell nachgefolgt sind, das liegt nicht an einem ebenso plötzlichen und ebenso starken Wachstum unsers Nationalvermögens. Mit jenen beiden Völkern und den Fran- zosen verglichen, sind wir immer noch ein armes Volk. Vielmehr liegt es einerseits daran, daß durch die Ausbreitung des Eisen- bahnnetzes die Angehörigen aller Kulturvölker in unendlich viel lebhaftere Beziehungen zueinander getreten sind als früher, und anderseits daran, daß durch die Erfindung der verschiedenartigsten Maschinen die Arbeit der Menschenhand überhaupt an vielen Stellen abgelöst worden ist. Der Dampf hat die Welt um- gewandelt! Der Handwerker muß vielfältig dem Fabrikanten weichen: er zieht dafür, soviel er kann, die Arbeit an sich, die früher jeder für sich selbst ausführte. Jetzt sind ein Brot oder ein Kuchen, die nicht der Bäcker gebacken hat. eine Seltenheit: der Bäcker muß sich seinerseits vor der Brotfabrik mit Dampfbetrieb und Dampfmühle wehren, die ihm die Kundschaft zu rauben droht. Der Fleischer hat nicht mehr damit zu rechnen, daß seine Kunden einen großen Teil des Jahres hindurch von ein-

3. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 436

1913 - Wittenberg : Herrosé
436 Patinnen, von denen sie die Namen erhielt. Sechs Jahre lang lebte das blonde, blauäugige Mädchen in der ländlichen Stille, die liebevollste Gesellschafterin ihrer jüngern Schwester, der Prinzessin Karoline Mathilde. Die Prinzessinnen, die einander in herzlicher Liebe zugetan waren, siedelten nach Primkenau über. dem stattlichen Herrschafts- sitz ihres Vaters. Hier begann die Zeit der ernsten Arbeit, die mit Ausflügen in die Umgegend und heiterm Spiel abwechselt. „Liebe Plätze haben die Prinzessinnen daheim. Hinter dem Schlosse, am Anfange des Parkes liegt an zwei Teichen, auf denen Schwäne stolz einherziehen, der Spielplatz. Groß und klein, oft sind auch Gäste dabei, vereinigt sich hier zu fröhlichem Spiel, und helles Kinderlachen erschallt, wenn die Krocketkugel des Vaters ihr Ziel verfehlt. — Doch das Paradies der Kinder liegt tiefer im Parke. Aus dunklem Tannengrün lugt ein kleines Häuschen hervor, im Schweizerstil gebaut; sein Dach ist überwuchert von wildem Wein. Vor ihm befindet sich ein Gärtchen, in dem jedes Kind sein Beet hat. Hier graben, pflanzen, gießen und jäten die Prinzessinnen mit rastlosem Eifer, und stolze Freude empfin- den die kleinen Gärtnerinnen, wenn sie selbstgezogenes Gemüse zur herzoglichen Küche tragen können, das dann bei Tafel auch gebührend gewürdigt werden muß. — Und was birgt das Schweizerhäuschen im Innern? Alles, was ein Mädchenherz sich träumt. Ein niedlich ausgestattetes Zimmer ist Wohnstube für die Prinzessinnen und ihre Lieblinge, die Puppen; daneben liegt eine kleine Küche mit offenem, aus roten Ziegeln gemauertem Herde und einer vollständigen Kücheneinrichtung. Hier schalten und walten die Prinzessinnen als deutsche Hausmütterchen." Die Eltern bleiben nicht immer in Primkenau. Im Winter lebt die herzogliche Familie in Gotha. Auch auf Reisen ins Riesengebirge, nach Frankreich und Schweden werden die Prin- zessinnen mitgenommen. Den ernsten Abschluß ihres glücklichen Mädchenlebens bildet der Konfirmationstag. Es ist der 22. Mai des Jahres 1875, kein Feiertag, und doch sieht's im Städtchen so feierlich aus. Der Landmann ist nicht zur gewohnten Zeit aufs Feld gezogen, in den Werkstätten ruht die Arbeit, und schon früh sind die Kinder in ihren Sonntagsstaat gesteckt worden. Da läuten die Glocken vom Turm, und bald ist das festlich geschmückte Gotteshaus gefüllt. Auguste Viktoria und Karoline Mathilde treten in die Kirche ein. geleitet von ihren Eltern, von Ver- wandten und lieben Freunden des Hauses. „Unsre lieben Prin- zessinnen", sagt ein altes Mütterlein, und ihre Augen werden feucht. Hinter den für sie bestimmten Stühlen vor dem Altar bleiben sie stehen. Alter Sitte gemäß hält der ehrwürdige Geist- liche. Pastor Meißner, mit ihnen eine Prüfung ab. Erfüllt von dem heiligen Ernst dieser Stunde, legen die beiden Konfirman- dinnen vor der versammelten Gemeinde Zeugnis ab von ihrem Glauben und Hoffen. Mit der Verheißung; „Sei getreu bis in

4. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 408

1913 - Wittenberg : Herrosé
408 über das frische Kind eine große Freude. Niemand ahnte aber damals, welche Bedeutung das Mädchen für die ganze deutsche Nation, ja für die gesamte gebildete Welt haben sollte. Im Alter von siebzehn Jahren vermählte sich die Jungfrau Katharina Eli- sabeth mit dem wohlhabenden kaiserlichen Rate Johann Kaspar Goethe und wurde die Mutter von Deutschlands größtem Dichter. Als „Frau Rat" war sie schon zu Lebzeiten ihres Sohnes der gefeierte Mittelpunkt eines ausgedehnten Bekanntenkreises, sie wurde eine Lieblingsgestalt des deutschen Volkes und ist es geblieben bis auf den heutigen Tag. Frohnatur! Goethe hat eigens für die geliebte Mutter dieses Wort erfunden und damit den Charakter dieser herrlichen Frau auf das trefflichste bezeichnet. Ihr sonniges Gemüt, ihre harm- lose. alles beglückende Heiterkeit, ihre kostbare Natürlichkeit und die bis zum Tode bewahrte jugendliche Frische vereinigten sich in ihr zu einem Zauber, der jeden, der in ihre Nähe kam. vom ersten Augenblicke an gefangen hielt. Wer damals von berühmten und hochgestellten Personen nur immer Frankfurt berührte, der stattete auch „Frau Aja", wie sie in Freundeskreisen genannt wurde, einen Besuch ab. Wenn der Besuch das gastliche Haus ver- ließ. da hatte Frau Rat einen Freund und Bewunderer mehr. Der Dichter Wieland nennt sie die Königin aller Weiber, die Krone ihres Geschlechts. Prinz Georg von Mecklenburg und die Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar schließen innige Freundschaft mit ihr. die sie bis zum Tode bewahren. Die beiden Prinzessinnen von Mecklenburg-Strelitz verkehren während ihres Aufenthalts in Frankfurt nirgend lieber als bei der Frau Rat. Munter plätschern sie an dem Hausbrunnen, tollen in Haus und Hof umher, und nichts schmeckt ihnen dann besser, als der von Frau Rat eigenhändig zubereitete Kartoffelsalat. Einer dieser Prinzessinnen hat das Schicksal später ein Königsdiadem um die Stirne gewunden. Es war die Königin Luise, die zeitlebens ihrer mütterlichen Freundin in herzlicher Zuneigung verbunden blieb. Frau Rat besaß die beneidenswerte Kunst, an allen Dingen die gute Seite herauszufinden. „Es gibt doch viele Freuden." schreibt sie einmal an ihren Sohn, „in unsers lieben Herrgotts seiner Welt! Rur muß man sich aufs Suchen verstehen, sie finden sich gewiß." Ewiger Frühling und heller Sonnenschein waren allezeit um sie verbreitet. „Mir geht's." lesen wir in einem andern Briefe von ihr, „wie dem Hund in der Fabel — abwehren kann ich's nicht — zerzausen mag ich mich nicht lassen — gerade wie der Hund, ich-------esse mit. Das ist verdolmetscht — ich freue mich des Lebens, weil noch das Lämpchen glüht — suche keine Dornen — hasche die kleinen Freuden — sind die Türen niedrig, so bücke ich mich — kann ich den Stein aus dem Wege tun. so tue ich's — ist er schwer, so gehe ich herum — und so finde ich alle Tage etwas, das mich freut — und der Schlußstein — der Glaube an Gott! Der macht mein Herz froh und mein Angesicht fröhlich —

5. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 440

1913 - Wittenberg : Herrosé
440 4. Sie schütteln ihr lang', durchnähtes Haar und grüßen wie fremde Boten: sie reichen einen Ring mir dar und Grüße von einem Toten. von dir. von dir — ich erwach' und wein' und schlafe die Nacht nicht wieder ein. 5. Es lechzt vielleicht dein heißer Mund, und ich kann dich nicht laben: du liegst vielleicht im Meeresgrund, sorglos und unbegraben. Ach, daß ich selbst den Trost verlier', im Frieden einst zu ruhn bei dir!" Hermann erngg. 250. Deutsches Frauenleben in fernen Landen. Es ist ein weiter Weg, zu dem deine Phantasie, liebens- würdige Leserin, dich in diesem Augenblick beflügeln soll: über das Rätselland Ägypten hinweg, über die Wundergefilde Indiens, durch die schwerlastende Hitze der Tropen hindurch, mitten unter die bezopften Söhne des himmlischen Reichs, sei es nun in Hongkong, an der nördlichen Grenze der Tropenzone, oder Kanton, Schanghai, das etwa auf der Höhe von Sizilien liegt, oder gar Peking, die Hauptstadt Chinas, des Reiches der Blumen: überall findest du deutsche Frauen, die. mit Aufopferung aller der Vorteile und Genüsse des europäischen Lebens, dem Manne ihrer Wahl in das Ausland gefolgt sind, und die Euro- päern und Fremden in fernen Landen das Bild einer deutschen Häuslichkeit, alle die Anziehungen des deutschen Familienlebens hervorzaubern. Freilich sind im allgemeinen die Ansichten über das Leben in jenen Ländern noch recht verkehrte, und eine, wenn auch nur kurze Darstellung wird lehren, dah es sich auch dort zu- weilen recht angenehm leben läßt. Die junge Frau, die gewöhnlich in zartem Lebensalter dem Manne ihrer Wahl in das Ausland folgt, wird freilich beim ersten Betreten dieses nach langer Seereise nicht wenig bestürzt sein und aller der guten, im deutschen Hause gewonnenen Er- fahrungen und Lehren bedürfen, um in dem Gewirr des Fremden, das von allen Seiten auf sie einstürmt, sich zurecht zu finden und auf der fremden Erde festen Fuß zu fassen. Zunächst gilt es ja, den eignen Haushalt einzurichten, vor allen Dingen sich ein be- hagliches Heim zu schaffen. Die äußern Bedürfnisse sind hierfür in den meisten Fällen bereits alle vorhanden: ein geräumiges, luftiges Haus, durchweg mit hohen, saalartigen Zimmern, meist vollkommen ausmöbliert und wenig von europäischeni Luxus vermissen lassend, empfängt die Ankommende. Das Haus wird belebt von einer gewöhnlich recht zahlreichen Dienerschaft, deren Anblick und Entgegenkommen fremd und im ersten Augenblick

6. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 441

1913 - Wittenberg : Herrosé
441 abstoßend wirkt. Es gibt fast ohne Ausnahme in den europäischen Häusern in China nur männliche Dienerschaft, und. obwohl die schlitzäugigen Gesellen mit einem wahren Feuereifer der neuen Hausherrin entgegenstürzen und ihre Dienste anbieten, so ist doch zunächst ein großes Hindernis für den Verkehr vorhanden: die Sprache. Sorgsam wird ja die Frau. die jahrelang im Ausland zubringen soll, sich vorher der englischen Sprache mächtig gemacht haben und ist vielleicht nicht wenig stolz auf ihre Kenntnisse: ist ihr doch gesagt worden, daß nur im Englischen ein Verkehr im gewöhnlichen Leben dort draußen möglich ist: aber der Wort- schwall mit dem der Boy, der chinesische Diener, die Herrin be- grüßt und ihre Aufträge einholen will, hat keine Ähnlichkeit mit Englisch. Einige schnell und gurgelnd hervorgestoßene kurze Sätze lassen wohl hier und da eine englische Silbe heraushören, aber einen Sinn findet man dann erst, nachdem das Ohr erst be- sonders darin geschult, nachdem das Gedächtnis sich eine Reihe ganz bestimmter Redewendungen eingeprägt hat. Es ist das so- genannte Pidgin-Englisch. eine Vermischung des Englischen mit portugiesischen Ausdrücken, merkwürdigen Anhängesilben und der chinesischen Logik entnommenen Worten. Schon für das Auspacken und Unterbringen aller der Sächel- chen und Kleinigkeiten, die aus der Heimat mitgebracht worden und die in so zarter Weise vielleicht das Band aus den Mädchen- jahren in die junge Ehe hinüberspinnen, die als letzte Geschenke und Andenken ferner Freundinnen eine Art Seelenverbindung mit der fernen Heimat in sinniger Weise erhalten, ergeben sich große Schwierigkeiten, denn dies alles muß von der jungen Frau gewöhnlich selbst besorgt werden, da all die Diener von dem Ge- brauch der Sachen nicht die geringste Ahnung haben, und wenn man sie schalten ließe, sich bald die drolligsten Verwechslungen und Szenen ergeben würden. Jetzt kommt die erste Mahlzeit heran: im Speisezimmer über- rascht die ungemein geschmackvolle Anordnung der Tafel, in der die Chinesen allerdings Meister sind. Vielleicht nimmt an der Tafel schon heute, wie das im ganzen Osten Asiens üblich ist, das ganze europäische Eeschäftspersonal teil. aber es sind wenigstens lauter gute deutsche Physiognomien, wenn auch hin und wieder in ihrer Sprache sich ein englischer Ausdruck oder eine aus dem Eng- lischen entnommene Redensart einschleicht und einen fremden Ein- druck hervorbringt. Hinter jedem Stuhl, hinter jedem Tischgast stellt sich ein eigner Diener auf. andre befördern die Speisen aus der Küche in den Saal. Eine Fülle von Gerichten erscheint hinter- einander: aber die deutsche Hausfrau, die noch ganz im Geist der Heimat lebt. der der Begriff der Hausmannskost noch zu deutlich vorschwebt, wird allen diesen Sachen kaum einen großen Geschmack abgewinnen, und gewiß wird sie zuerst den Entschluß fassen, ihre eigne Küche umzugestalten: dies ist aber nicht so leicht. Auch der Koch ist natürlich ein Chinese: auch hier muß die Schwierigkeit der

7. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 411

1913 - Wittenberg : Herrosé
411 hat etwas Rührendes und Beneidenswertes, zu sehen, wie sie in Gefahr und Sorge ruhig und heiter zu Gott wie zu ihrem Vater aufschaut, der ja nur das Veste für sein Kind wollen kann. Man kann sich die Freude dieses Mutterherzens vorstellen, als der geliebte Sohn zu immer höhern Ehren aufsteigt, in jungen Jahren erster Minister eines Herzogtums, der Freund von Fürsten und großen Männern wird und als Dichter einen Ruhm erwirbt, der ganz Europa erfüllt. Wenn der Sohn in der freien Zeit, die ihm übrigbleibt, zum Besuche nach Frankfurt kommt, dann ist sein Aufenthalt für die Mutter ein einziger großer Festtag. Eine be- sondre Freude erlebt Frau Rat, als ihr ältester Enkel sie besucht, mit dem sie wieder jung wird. Rach seiner Abreise unterhält sie mit ihm einen regen Briefwechsel. Da schreibt sie ihm einmal: ..Es ist Deine Pflicht. Deinen lieben Eltern gehorsam zu sein und ihnen vor die viele Mühe. die sie sich geben. Deinen Verstand zu bilden, recht viele, viele Freude zu machen ... Ich weiß aus Er- fahrung. was es heißt, Freude an seinem Kinde zu erleben — Dein lieber Vater hat mir nie. nie Kummer und Verdruß verursacht — darum hat ihn auch der liebe Gott gesegnet, daß er über viele, viele emporgekommen ist — und hat ihm einen großen, aus- gebreiteten Ruhm gemacht." Im steten Verkehr mit den Freunden des Hauses und des Sohnes verlebte sie einen heitern Lebensabend. Am 13. Sep- tember 1808 erlosch dieses merkwürdige Frauenleben, das in seiner Umgebung so lichten Schein verbreitet hatte. Die Trauerbotschaft erschütterte den Sohn aufs tiefste. „Er war ganz hin." berichtet darüber einer seiner Freunde. Auch er ist längst zur Ruhe ge- gangen. Wenn aber sein Riesengeist vor unsern Augen erscheint, dann begleitet ihn stets das ewig heitere Antlitz seiner unvergeß- lichen Mutter, der Frau Rat. 234. Ein Brief der Königin Luise an ihren Vater. Jeder Brief, den ein bedeutender Mensch geschrieben hat. ist geeignet, uns den Verfasser persönlich nahezubringen: durch die eigentümliche Sprache, die uns ihm gegenüberstellt, uns gewisser- maßen zum Adressaten macht, und durch die Intimität jedes mit dem Gedanken an nur einen oder wenige Leser verfaßten Schrift- stücks — die Intimität nicht der Mitteilung der privaten, persön- lichen Verhältnisse, sondern die Intimität der Form, der Sprache, des ganzen Seelenzustandes, in dem ein Brief geschrieben wird. Es ist der Alltagsmensch, der aus Briefen lebendig wird: oft be- leuchten Briefe, wie aus den: rein Persönlichen, einer höhern Er- scheinung gleich, das Allgemeine für Momente aufsteigt; Durch- brüche eines tiefer als in e i n e m Menschen und seinen Lebens- umständen wurzelnden Gefühls stehen zwischen trockenen Mit- teilungen. Das Unregelmäßige, Anregende. Ernüchternde und zum Widerspruch Reizende, aber auch das menschliche Anteilnahme

8. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 443

1913 - Wittenberg : Herrosé
443 Ding der Unmöglichkeit gewesen. Sprache, Sitten und Lebens- gewohnheiten stehen sich hier durchaus gegenüber. So der Ver- lauf eines gewöhnlichen Tages. Sehr, sehr oft wird er durch mannigfaltige Vergnügungen und Geselligkeit unterbrochen. Es gehören dazu die in ganz Ostasien ungemein beliebten Picknicks. Jeder Haushalt stellt dazu, was ihm beliebt, und als Be- förderungsmittel für die Teilnehmer wird gewöhnlich der leichte, offene, von vier Chinesen an langen Bambusstangen getragene, aus Bambus geflochtene Stuhl benutzt. Gewöhnlich ist das Ziel irgendein nahegelegener Tempel, die stets in ihrer Umgebung schattige Haine oder Bambusgebüsche aufweisen, in denen die mannigfaltigsten Spiele geübt werden. In Schanghai haben die Damen einen eignen Klub gegründet, der ein prachtvolles Ge- bäude mitten in einer bedeutenden Eartenanlage zeigt, und in dem Herren nur auf besondre Einladung zu Spielen oder zur Unterhaltung Zutritt haben. Neben der Geselligkeit ist es der Wohltätigkeitssinn, der in hervorragendem Matze den gegen- seitigen Verkehr, die Annäherung und die Freundschaft befördert. Es gibt keine Dame im Osten, die nicht irgendeinem wohltätigen Vereine angehörte. Die erste große Schwierigkeit im Leben der Fremden ergibt sich in der Kindererziehung. Für den jungen Weltbürger wird eine chinesische Wärterin, eine sogenannte Ahmah, angenommen. Die ersten Sprachversuche bringen neue Schwierigkeiten, denn naturgemäß lernt der kleine Europäer neben seiner Mutter- sprache, und oft noch schneller als diese, den chinesischen Dialekt der Gegend, in der er gerade das Licht der Welt erblickt. Mit dem fünften Jahre etwa ist das Kind der alleinigen Obhut der Ahmah entwachsen, es erhält einen der Boys des Hauses zum ständigen Begleiter, ahmt die Bewegungsspiele der Erwachsenen nach oder unternimmt auf seinem kleinen schottischen Pony, be- gleitet von einem chinesischen Reitknecht, kleine Ausflüge in der Nähe des elterlichen Hauses. In diesem Lebensalter mutz auch die elterliche Erziehung besonders sorgfältig darauf sehen, daß sich nicht, wie dies leider vielfach der Fall ist, bereits bei dem Kinde eine vollkommene Verachtung der chinesischen Bevölkerung herausbildet. Ein Verkehr mit chinesischen Kindern ist auch hier fast ganz ausgeschlossen. Noch einige Jahre später — sofern die Familie überhaupt solange im Osten bleibt — verlangt die geistige Ausbildung gebieterisch die Trennung vom Elternhause. Die geselligen Äußerungen in Theatern und Konzerten sind der wundeste Punkt des ganzen Aufenthalts in China. Höchst selten geschieht es, daß irgendeine kunstreisende französische Operettengesellschaft in dem Saale irgendeines Hotels die alten Offenbachiaden kläglich aufführt; meistens ist der Europäer auf sich selbst angewiesen. Hin und wieder erscheint wenigstens an den Haupthäfen kometenartig ein Virtuose, meist aber hilft auch hier die Liebenswürdigkeit musikbegabter Damen. Der Hoch-

9. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 445

1913 - Wittenberg : Herrosé
445 Militärorchesters, unter der Oberleitung eines Tanzmeisters und nach dem freundlichen Beispiel europäischer Damen lassen sie sich in den fürstlichen Sälen des Rokumeikwan, des großen Regie- rungsklubs von Tokio, von den japanischen Offizieren in Gala, von den Staatswürdenträgern und von Europäern im Tanze drehen. Der Sommer bietet die herrlichsten, unvergleichlichsten Er- holungen. Picknicks und Ausflüge in die überaus lieblichen Um- gebungen der Städte folgen in zahlloser Reihe aufeinander, der Hochsommer aber vereinigt die meisten der deutschen Damen in der erhabenen Szenerie der von mächtigen Gebirgen ein- geschlossenen großen japanischen Bäder, an den Schwefelquellen von Miyanoshita, auf dem Hakone-Eebirge. in den Gefilden der zaubervollen, eine Fülle von Poesie in sich bergenden Tempelstadt Rikko oder an den Ufern der von keinem Lande der Erde an Schön- heit der Landschaft und Milde des Klimas erreichten Inland-See. Aber ich höre die sorgsame Hausfrau auch nach den äußern Lebensverhältnissen sich erkundigen; zum Glück ist auch hierauf die Antwort eine durchaus befriedigende: Lebensmittel von un- übertrefflicher Güte und lächerlicher Billigkeit, Dienstpersonal von zuverlässiger Treue und ungemeiner Willfährigkeit zu kaum nennenswerten Löhnen. Die Toilettenfrage ist durch die großen französischen und- englischen Basare geregelt; eine gute deutsche Schule, die Anwesenheit namhafter Lehrer erleichtern die Kinder- erziehung, eine eigne deutsche Kirche dient den geistlichen An- forderungen. So erscheint Japan auch für das Leben der Frauen von allen Gebieten des Auslandes als das Paradies und der Aufenthalt in Japan in keiner Weise als Entbehrung. A. Neubaur. (Gekürzt.) 251. Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der weißen Frau in Deutsch Südwestafrika. Einen äußerst bedeutsamen Faktor in der Hebung der Kultur unsrer Kolonien bildet das Frauenelement. Die gute deutsche Frau übt einen heilvollen Einfluß aus auf den Kolonisten so- wohl wie auch auf die schwarze weibliche Jugend. Die weiße Frau bewahrt den Ansiedler davor, daß er nicht „verkaffert". Nur allzu leicht kommt es vor. daß der Junggeselle in der Wild- nis den äußern Schliff verliert; Toilette macht er wenig oder gar- nicht, Ordnung im Zimmer, in Wäsche und Kleidern kennt er oft nur noch dem Namen nach. In Ermanglung einer weißen Frau fühlt sich der Kolonist zum schwarzen weiblichen Geschlecht hin- gezogen. Die Anzahl der Bastardkinder hat in den letzten Jahren in erschreckender Weise zugenommen. Daß aber bei solchen Zu- ständen auch das religiöse Leben der Männer nur ein klägliches Dasein fristet, kann nicht wundernehmen. Um nun all diesen Gefahren zu steuern, um die Gründung echt deutscher, christlicher Familien zu erleichtern, die zur Schaffung

10. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 415

1913 - Wittenberg : Herrosé
415 immer größer. Trotzdem besorgte sie die Pflege lange allein. Ihre Hingabe an diese Lebensaufgabe kannte keine Grenzen. In allen Ortschaften des Tales richtete sie die Bewahranstalten selbst ein. Dabei scheute sie nicht die schlechten Wege. sie ließ sich von ihren Gängen durch keine Witterung abhalten. Erschöpft und durchnäßt, von Kälte erstarrt, kehrte sie oft von diesen Wegen der Barmherzigkeit ins Pfarrhaus zurück und ließ es sich nicht nehmen, hier noch bei der Arbeit behilflich zu sein. Für die Kinder des Hauses sorgte sie, als ob es ihre eignen Geschwister wären. In den schweren Zeiten der Revolution, in den Schrecken eines Hungerjahres, in Krankheit und Leid stand sie treu zu ihrer Herr- schaft. Und als ihre gütige Herrin starb, da wurde sie den sieben Kindern eine zweite Mutter. Und für die seltene Hingebung nahm sie nichts an. als was zur Bestreitung der leiblichen Bedürf- nisse notwendig war. Ihr schönes Herz. ihre edle Uneigennützigkeit spricht sich am rührendsten in dem Briefe aus, den sie nach dem Tode der Frau Oberlin zum Neujahr 1797 an ihren geistigen Führer schrieb. Er lautet: Lieber und zärtlicher Vater! Erlauben Sie mir, daß mit dem Beginn des Jahres ich von Ihnen eine Gnade begehre, nach welcher ich schon lange trachte. Da ich nun ganz frei stehe. d. h., da ich meinen Vater und dessen Schulden nicht mehr zu tragen habe, so bitte ich Sie. lieber Vater, versagen Sie mir die Gnade nicht, mich ganz zu Ihrem Kinde an- zunehmen; geben Sie mir nicht den geringsten Lohn in Zukunft. Da Sie mich in allem wie Ihr Kind halten, so wünsche ich es auch in dieser Hinsicht zu sein. Ich brauche wenig zu meinem körper- lichen Unterhalte: was einige kleine Ausgaben verursachen könnte, sind Kleider. Strümpfe. Holzschuhe, und wenn ich solcher bedarf, so will ich es Ihnen sagen, wie ein Kind seinem Vater. O ich bitte Sie, lieber Vater, gewähren Sie mir diese Gnaden, und sehen Sie mich an als ihr treu ergebenes Kind Luise. Oberlin nimmt sie freudig als Tochter ün. sucht ihr aber für ihre ausgezeichneten Dienste auf Umwegen Geld zukommen zu lassen. Luise merkt aber gar bald die List und bittet inständig, davon abzustehen. Dem guten Oberlin bleibt nichts übrig, als die Bitte zu erfüllen, und nun jubelt Luise über das große Glück, die freie Tochter eines guten Vaters zu sein. Luise wirkte so jahrelang in der engen Welt. die von Fels- wänden abgeschlossen war. Die Welt hinter den Bergen kannte sie nicht. Aber der Ruf von der frommen Gründerin der Kinder- bewahranstalten schwang sich über die Vergspitzen hinweg, drang immer weiter in das Land und erreichte auch die glänzende Stadt Paris. Da hatte ein reicher Graf eine ansehnliche Summe Geldes gestiftet, die unter besonders brave und tugendhafte Mädchen des Volkes verteilt werden sollte. Die französische Akademie, der die Verteilung oblag, erkannte einstimmig der edlen Luise einen
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