Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Volksfortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
fangen sollte um vor die rechte Schmiede zu kommen. Auf einmal ruft
eine weibliche Stimme: „He, lieber Mann, was suchen Sie denn?"
Ich sehe auf und — wunderbar — 'C§ war die Frau vom Kirchen-
konzert. Ehe ich noch den Hut recht abgezogen hatte, stand schon ein
Dienstmädchen neben mir, das mich einlud hinauf ins Zimmer zu kom-
men. Daß ich's kurz mache! Hier war ich an die rechte Schmiede ge-
kommen. Der Mann der Frau wies mir die Wege, gab mir Rat, und
— meine Angelegenheit wurde bald und gut zu Ende gebracht. Wer
hätte mir damals in der Kirche gesagt, daß der Mann jener Frau bald
in die Hauptstadt befördert werden und mir für solch geringe Höflichkeit
ein zehnfacher Vergelter sein würde?
Kurz, Höflichkeit macht Edelmann und Bürger, jung und alt, Mann
und Weib beliebt. Wer's besser wissen will, versuche es mit der Unhös-
lichkeit. Er wird wohl sehen, wie weit er kommt.
Nach Hugo Weber.
45. Aus dem Nadelstand in den Adelstand.
Jm Jahre 1832 wurde ganz Hyeres, ein Städtchen in der Nähe von
1 Toulon, durch die Nachricht in Trauer versetzt, daß der Freiherr
Stulz von Ortenberg gestorben sei. Dieser Mann war wenige
Jahre vorher als Millionär nach Hyeres gekommen und war hier
bald ein doppelter Millionär geworden; denn alles, was er anfaßte,
schien sich unter seinen Händen in Gold zu verwandeln. Aber er hatte
auch alle Zeit eine offene Hand und liebte, sein Glück mit anderen
zu teilen. In Hyeres stiftete er ein Krankenhaus, ließ einen herrlichen
Brunnen herstellen und beschenkte die katholische Kirche mit einer
kostbaren Orgel. Die Mittel für die evangelische Kirche in Marseille
wurden fast gänzlich von ihm hergegeben. Kein Wunder, daß die
Nationalgarde mit Fahnen und Trauermusik den Leichenzug begleitete
und daß an der Gruft tief empfundene Reden die Verdienste dieses
Mannes priesen. In seinem Heimatdorf Kippenheim in Baden aber
setzte man Georg Stulz ein Denkmal; denn auch hier hatte er ein
Krankenhaus errichten und die Kirche ausbauen lassen. Für die
Polytechnische* Schule und das Lehrerseminar in Karlsruhe hatte
er je 30 000 Franken gestiftet und verschiedenen wohltätigen Zwecken
hatte er 300 000 Franken zugewandt. Um dieser Ehrentaten willen
hatte ihn der Großherzog von Baden in den Adelstand erhoben.
Georg Stulz war L J. 1778 in Kippenheim bei Lahr geboren.
Ein Schneider war sein Vater und Schneider sollte auch Georg
Sieh Fußnote Seite 49.
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Extrahierte Personennamen: Hugo_Weber Georg_Stulz Georg_Stulz Schneider Georg
Sieh_Fußnote
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Geschlecht (WdK): koedukativ
301
geborstene hatten, zerbrochene Zäulen, kunstvoll gehauene Fenster-
gesimse, — wahrhaftig, ein überwältigender Rnblick! lvehe wird es
einem ums herz in diesen Ruinen!
Und mitten in dir, mein Pfälzerwald, da wohnt ein Volk, be-
scheiden gesegnet an irdischen Gütern, aber gar reich an Gemüt, gar
treu und bieder, mitunter von herzerfrischendem Humor, — ein Volk,
erfüllt von Liebe und Treue zu seinem Pfälzerwalde, zu seiner Heimat,
seinem Vaterlands, zu seinem Könige und Fürsten und nicht in letzter
Linie erfüllt von Liebe und Treue zu seinem Gotte. Tausende und
Ubertausende rufen und jubeln:
,,G Pfälzerwald, wie schön bist du!"
Fritz Claus.
150. Das Bauernhaus an der Haardt.
(7>ie Weindörfer vor der Haardt zeichnen sich aus durch zwei besonders
^ gebildete Teile des Hauses: das Hochparterre* als die äußere Folge
des hochgewölbten Kellers und das freie, hochgewölbte Hoftor.
Der mächtige Keller ist hier oft das halbe Haus. Dem innerlich
Bedeutsamsten gibt aber das Volk wie der echte Künstler auch nach außen
den eigenartigsten Schmuck. Darum hat der alte Pfälzer Weinbauer
seinen Keller da geziert, wo er sozusagen ans Licht tritt — im Keller-
loch; er hat sich ein Ornamentstückff geschaffen, das sich vielleicht in dem
Volksbau der ganzen Welt nicht wiedersindet: ornamentierte Kellerlöcher.
Könnten wir doch alle mit schönen Formen ziellos umhertastenden Bau-
meister vor diese ornamentierten Kellerlöcher führen oder auch in die
Ställe mancher Ökonomen der Pfalz, Ställe, die wahre Prachthallen
sind, massiv aus Stein, mit Pfeilern und Kreuzgewölben!
Die gleiche schöne Wirkung des Wahren und Notwendigen spricht
aus den großen Hoftoren des pfälzischen Weinlandes. Diese gewaltigen
steinernen Rundbogen sind die Triumphbogen des Landmannes, durch die
er mit dem hochbeladenen Erntewagen einzieht. Und wie jeder gern den
mächtigst getürmten Wagen heimführen möchte, so hat auch jeder nach
dem höchstgewölbten Bogen gestrebt, als dem eigentlichen Steindenkmal
seines Reichtums. Die Hochparterre mit den verzierten Kellerlöchern und
die hochgewölbten, schmuckreichen Hoftore stellen uns Wein und Brot dar
als den Grundschatz dieser Weindörfer.
Der pfälzische Bauer schmückt übrigens nicht bloß seine Kellerlöcher,
er schmückt auch seine Fenster, nur nicht so großartig wie jene. Das
* Parterre — Erdgeschoß, in der Pfalz 1. Stockwerk eines Hauses.
1 Ornament — Schmuck, Verzierung.
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Geschlecht (WdK): koedukativ
371
neue Bedürfnisse und neue wünsche mit zurück. Dem Kaufmann,
der für ihre Befriedigung sorgte, öffneten sich die Tore der Burgen,
die bisher für ihn verschlossen gewesen. Dieselben schiffe, welche neue
Kreuzfahrer nach dem Gelobten Lande beförderten, brachten nun auf
der Nückreise die Erzeugnisse des Orients mit. So lernte man Zucker,
Baumwolle und Seide kennen und gebrauchen, man brachte fremde
Bäume und Blumen nach Deutschland, man fand Gefallen an perlen
und Goldschmuck, aber auch an Kunst und Wissenschaft.
Noch andere Wirkungen zeigten sich in den Busgangsländern
dieser Züge. Die ununterbrochene Fahrt von hoch und gering nach
dem heiligen Grabe verschaffte den Gutsherren Bbsatz für ihren Über-
fluß an Getreide, Vieh u. dgl. und dies mußte namentlich in der
Nähe der Tinschiffungsorte, wo große Menschenmassen auf längere
Zeit versorgt wurden, bedeutende Geldsummen in Umlauf bringen.
Nicht minder hat darauf die kostspielige Busrüstung der Ritter und
ihres Gefolges gewirkt, wodurch mancher gezwungen wurde Teile
seiner Besitzungen zu verkaufen oder zu verpfänden. Buch löste sich
manche Fessel, welche die vorhergegangenen Jahrhunderte den kleinen
Grundeigentümern angelegt hatten, viele Kreuzfahrer verordneten
für den Fall ihres Todes die Freilassung ihrer hörigen und Leib-
eigenen.
Noch größer ist der Umschwung, den die Kreuzzüge unmittelbar
und mittelbar in den städtischen Verhältnissen hervorriefen. Zwar
hatten sich die Städte meist schon vor dieser Zeit von der Obergewalt
der Bischöfe und Fürsten losgerissen und tatsächlich ihre Unabhängig-
keit errungen, da sie nur die Oberhoheit der kaiserlichen Gewalt an-
erkannten. Bber diese Freiheit kam nur den ehemaligen Lehensleuten
und Bltfreien, welche ritterlichen Nang besaßen, zugute. Diese führten
das Negiment und neben ihnen stand rechtlos die ganze Übrige Bevöl-
kerung, aus hörigen, Kaufleuten, Handwerkern und Dienern zusam-
mengesetzt.
Zn diese Masse, die arbeitende und tätige Bevölkerung, kam
jetzt aus einmal Leben und Bewegung. Die Kaufleute und Geldwechsler
stiegen in demselben Maße an Bnsehen, als sie sich durch den Handel
bereicherten.
Zn ähnlicher weise veränderte sich die Stellung der meisten Ge-
werbe, namentlich derjenigen, welche Busrüstungsgegenstände verfer-
tigten. Der ungeheure Bedarf an Waffen, Harnischen u. s. w. erhob
die Waffenschmiede schnell zu großer Bedeutung, und daß sie auch in
technischer Beziehung Fortschritte machten, beweist der Nuf, den die
24*
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Geschlecht (WdK): koedukativ
232
Wieder eine andere Art von Vereinen sind die sogenannten Ferien-
kolonien. In der ungesunden, verstaubten Luft der Großstädte bleibt eine
große Zahl von Kindern schwach und hinfällig; sie siechen dahin ohne
bettlägerig zu sein. Da tut frische Land- und Waldluft und kräftige Kost
dringend not. Deshalb haben es sich die Ferienkolonienvereine zur
Ausgabe gemacht armen Kindern Stätten der Erholung entweder in
Kinderheilanstalten, Milchkurorten, Badeorten oder in Familien auf dem
Lande zu verschaffen. Groß und überaus segensreich ist das Verdienst solcher
Wohltätigkeit. Gar manches arme Großstadtkind ist auf diese Weise dem
sicheren Tode oder einem leidensvollen Leben entrissen worden.
In manchen Fällen leben Kinder in einer Umgebung, die für
ihre sittliche Gesundheit von größtem Schaden ist. Oftmals werden Kinder
durch die eigenen Eltern auf die Verbrecherlaufbahn geführt. Da bleibt nichts
übrig, als solche bedauernswerte Kinder den Händen ihrer Verführer zu
entziehen und sie dorthin zu bringen, wo sie zu guten, braven Menschen
erzogen werden. Neben dem Staat und den Gemeinden übernehmen
diese wichtige Aufgabe die Fürsorgevereine, Erziehungsvereine, Pflege-
vereine. Auch die „Innere Mission" bei den Protestanten und manche
Ordensgesellschaften bei den Katholiken nehmen sich solcher armen Kinder
an. In Rettungshäusern, Erziehungshäusern, auch in Waisenhäusern,
am liebsten aber in braven, guten Familien werden solche Kinder unter-
gebracht. Schon manches arme Kind ist so davor bewahrt worden, später
ein Verbrecher zu werden.
Die erwachsenen Knaben und Mädchen bleiben nicht immer daheim bei
Vater und Mutter. Viele gehen hinaus in die Fremde um entweder ihr
Geschäft noch besser zu erlernen oder als Geselle oder Dienstbote größeren
Verdienst zu suchen. Nicht selten sind aber diese alleinstehenden jungen
Leute da draußen in der Welt den größten Gefahren ausgesetzt. Es hat
sich deshalb eine ganze Reihe von Jünglings- und Jungfrauenvereinen,
Gesellen-, Lehrlings-, Arbeiterinnen- und Mägdevereinigungen gebildet,
die sich dieser jungen Leute annehmen, sie vor den Gefahren der Welt
behüten, ihnen Gelegenheit zu geselliger Unterhaltung verschaffen und
sie so vor den Schlingen gewisser Verführer bewahren. Gesellen- und
Pflegehäuser, Gesellen- und Mägdeherbergen, Mädchenheime u. s. w. dienen
diesem Zwecke. Besonders wichtig ist die sogenannte Bahnhofsmission,
die von den Marianischen Kongregationen sowie von Frauenvereinen
(Verein der Freundinnen junger Mädchen) geübt wird. Sie besteht darin,
daß alleinreisende Mädchen auf den großen Bahnhöfen von eigens dazu
aufgestellten Personen abgeholt und ihrem Bestimmungsort oder einer
guten Herberge zugeführt werden. Ferner sind auf allen Bahnhöfen
und in den Bahnzügen selbst Tafeln angebracht, wo die Häuser
verzeichnet sind, in denen die jungen Mädchen Herberge und Pflege finden
können.
Für solche Leute, die gar übers Meer in einen anderen Erdteil
wandern, besteht die große Gefahr, daß sie in den Hafenstädten von
gewissenlosen Geschäftsvermittlern irregeführt und schändlich betrogen wer-
den. Aber die „Innere Mission" protestantischerseits und der Raphaelverein
katholischerseits haben unter den größten Schwierigkeiten jenen Leuten das
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
259
Kurz erst recht darauf, daß Vogt eine Strafsumme zahlen müsse. Auch
der Bürgermeister machte Vogt aufmerksam, daß er gegen Paragraph 185
des Strafgesetzbuches verstoßen habe und daß er vom Gerichte sicher
verurteilt werde. Was er aber dann an Strafe und an Gerichtskosten zu
zahlen habe, werde weit höher sein als die geforderte Geldbuße. Der
hartnäckige Vogt jedoch bestand auf seiner Weigerung und so verlief der
Sühnetermm, ohne daß man sich geeinigt hatte.
Kurz überlegte sich, ob es nicht besser wäre die Sache nun ruhen
zu lassen. Würden aber seine Neider nicht glauben, daß wirklich etwas
Wahres au den Beschuldigungen Vogts wäre? Und sollte er sich un-
bestraft beleidigen lassen? Nein und abermals nein! Seine angegriffene
Ehre verlangte eine Sühne. Am nächsten Morgen schon fetzte er sich
hin, fertigte eine Klageschrift gegen Vogt an und richtete sie an das
Königliche Amtsgericht. Diesem Schriftstücke legte er eine Bescheinigung
des Bürgermeisteramts über die erfolglos versuchte Sühne bei. Nach
einiger Zeit wurden beide, Kurz und Vogt, vor das Schöffengericht
geladen. Dieses setzte sich zusammen aus einem Amtsrichter, als dem
Vorsitzenden, und zwei angesehenen Bürgern der Stadt, denen das Ehren-
amt eines Schöffen übertragen war. Nach Eröffnung der Hauptverhand-
lung trug der Vorsitzende den Sachverhalt vor und forderte den beschul-
digten Vogt auf sich hierüber zu erklären. Vogt suchte seine Äußerung als
ganz harmlos hinzustellen. Ein Zeuge, der ebenfalls vernommen wurde,
bestätigte jedoch alle Angaben des Kurz. Auch das Kirchenvorstandsmitglied
wurde verhört und es ergab sich, daß sein Verkehr mit Meister Kurz gar
keinen Einfluß auf die Vergebung der Arbeiten gehabt hatte. Das Schöffen-
gericht zog sich zur Beratung zurück. Dann verkündete der Amtsrichter
das Urteil. Vogt wurde zu einer Geldstrafe von fünfzig Mark und zur
Tragung der Kosten in der Höhe von 26,30 Mark verurteilt. Wären
die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten gewesen, so würde der Kosten-
betrag bedeutend höher gewesen sein. Vogt war wütend; doch einsichtige
Freunde rieten ihm, keine weiteren Schritte in der Angelegenheit zu tun.
Außer neuem Ärger werde er nur noch größere Geldkosten haben. Darum
sah er von einer Berufung an das Landgericht ab. Es dauerte aber lange
Zeit, ehe er sich mit Kurz versöhnte und einsah, wie gut es gewesen wäre,
wenn er die Zunge besser im Zaume gehalten hätte.
Nach Erich Walter.
134. De Reknung' ahn Wirt.
„Gun Morgen, Herr Avkat, mi is do wat passiert,
Mi hett dor up de Strat so’n unverschämtes Dirt
Von Köter in de Beinen beten
Un mi en Stück ut mine Büxen reten.
Dat is ’ne ganze nige Hos’,
Und ick wull Sei dat bloß mal fragen,
Ob ick den Kirl nich körnn verklagen,
De so’n bettchen Hund lett los’
Hier up de Strafen rümmer gähn?“ —
17
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Volksfortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
„Gewiß, mein lieber Freund, das können Sie!
Der Eigentümer von dem Vieh,
Das solches Ihnen angetan
Und Ihre Hose riß in Fetzen,
Muß Ihnen selbige ersetzen.“ —
„Süll’t woll drei Daler föddern können?“ —
„Gewiß, das können Sie! Für diese schönen
Und neuen Hosen ist das nicht zu viel.“
„Na, Herr Avkat,“ sagt Möller Thiel,
„Denn geben S’ man drei Daler her,
Wißt Ehr oll Keter wesen ded.“ —
„Mein Hund? — mein Polio biß Sie in die Waden?
Nun gut! Ich glaub’s und stehe für den Schaden:
Hier sind drei Taler für die Hosen.
Was Recht ist, muß als Recht bestehn
Und sollt’ die Welt in Stücken gehn!“ —
De Möller lacht so recht gottlosen
Und denkt: „De hast du richtig nommen!“
Strikt sik dat lütte Geld tausamen
Und will gehorsamst sik empfehlen. —
„Halt, lieber Freund!“ seggt de Avkat,
„Ich kann es Ihnen nicht verhehlen,
Daß in beregter Sach’ für Müh’ und guten Rat
Drei Taler sechzehn Groschen mir gebühren.
Man wedder rut mit de drei Daler,
Un söstein Groschen bigeleggt!
Denn kömmt de Sak erst richtig t’recht.
Recht, Fründing, möt as Recht bestahn,
Und süll de Welt in Stücken gähn!“
Fritz Reuter.
135. fom Keweröegericht.
^^chlofsermeister Schulz: „Nehmen Sie es nicht übel, lieber Nachbar,
^ wenn ich Sie einige Augenblicke aufhalte. Ich möchte mir in einer
für mich wichtigen Angelegenheit Ihre Auskunft erbitten. Da erhalte ich
soeben von dem Gerichtsschreiber des hiesigen Gewerbegerichts eine Ladung
mich morgen vor dem genannten Gericht einzustellen, weil ein von mir
plötzlich entlassener Geselle dort eine Klage gegen mich angestrengt hat.
Was für eine Einrichtung ist eigentlich dieses Gewerbegericht?" —
Klempnermeister Bürger: „Gewerbegerichte bestehen nach dem Reichs-
gesetz vom 20. Juli 1890, das vom 1. Januar 1902 ab in einer neuen
Fassung gültig ist. Sie sind dazu errichtet, um Streitigkeiten zwischen ge-
werblichen Arbeitern und Arbeitgebern möglichst schnell und billig zu
erledigen. Wie liegt denn der Fall, um den es sich bei Ihnen handelt?"
Schulz: „Ich habe einen größeren Auftrag in Bauarbeiten für
mehrere herrschaftliche Häuser erhalten und suchte deshalb schnell einige
Gehilfen. Unter den sich Meldenden war auch der jetzt gegen mich klagbar
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
377
trieb sein Geschäft mit Eifer und Liebe' es nahm den größten Teil der
Tageszeit in Anspruch und die Abendstunden verbrachte er gern im Kreise
seiner Familie an der Leite seiner Hausfrau. Nur die gemeinsamen
öffentlichen Zerstreuungen, die bei Gelegenheit der jährlichen Lchützen-
feste, Jahrmärkte u. s. w. dargeboten wurden, unterbrachen zeitweilig
die Nuhe des häuslichen Lebens. Hin und wieder besuchte der Haus-
vater auch wohl abends die Trinkstube der Geschlechter oder das
Zunfthaus,' aber wenn nicht besondere Feste dort abgehalten wurden,
befand er sich, sobald die Natsglocke ertönte (wohl die 10. Nbend-
stunde), wieder daheim,' denn es galt für unanständig ohne besondere
Veranlassung länger auswärts zu fein. Das häusliche Leben der Bürger
im Mittelalter mag nach den heutigen Begriffen von Zerstreuung und
Bequemlichkeit nicht besonders unterhaltsam erscheinen,' genügsamer
und innerlicher als heute war es jedenfalls.
Nach Nugustzböe.
188. Schutz des zünftigen Handwerks.
Schuhmachermeister Daniel Spörken kam sehr aufgeräumt heim
und erzählte, der Ratsherr Mildehövet habe ihn, als er zufällig
vorbeigekommen, zu sich herein rufen lassen und ihm seine Not geklagt
über das leidige Podagel*), das ihm im linken großen Zeh arge Schmer-
zen verursache; er habe es nun schon fast bei allen Schuhmachern in
Lüneburg versucht; aber keiner habe ihm das Schuhzeug recht zu Danke
machen können; ob er, Daniel, ihm nicht Hilfe zu schaffen vermöchte.
„Freilich können wir ihm Hilfe schaffen," rief Timmo, der Schusterknecht,
„habt Ihr ihm denn Maß genommen, Meister?" „Maß hab' ich
ihm genommen," versetzte Daniel, „aber auf das Podagel verstehe ich
mich auch nicht." „Wir müssen ihm ein Paar Pelzstiefel machen aus
weichem Kalbleder und inwendig mit Rauchwerk gefüttert," sagte Timmo.
„Rauchwerk!" wiederholte der Meister, „wir können doch den Pelzern nicht
ins Handwerk pfuschen, das würde eine schöne Buße kosten." „Was
werden wir denn die Pelzer groß drum fragen!" lachte der Gesell, „das
machen wir alles selbst; hab' ich schon öfters getan und ein paar Kar-
nickelfelle werden sich ja wohl noch auftreiben lassen." „Böhnhase!"**)
drohte der Meister; „wenn es herauskommt, machen sie Jagd auf uns,
und was der Geselle gesündigt hat, muß der Meister ausbaden."
„Hat sich was auszubaden!" lachte Timmo, „der Ratsherr wird froh
sein, wenn er sein Podagel los wird und Euch nicht ans Pelzeramt
verraten. Schneidet nur die Stiefel recht weit und bequem zu und laßt
mich machen und die Karnickelfelle, Hans, für die sorgst du!" „Kleinig-
keit!" sagte Hans mit einem Gesichte wie ein Fuchs, der auf der Lauer
liegt und eben zuspringen will.
*) Podagra — Fußgicht.
**) Böhnhase = unechter Hase; einer, der ohne Berechtigung ein Hand-
werk treibt.
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Extrahierte Personennamen: Daniel_Spörken Mildehövet Daniel Daniel Timmo Hans Hans
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Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
73
fangen sollte um vor die rechte Schmiede zu kommen. Auf einmal ruft
eine weibliche Stimme: „He, lieber Mann, was suchen Sie denn?"
Ich sehe auf und — wunderbar — >es war die Frau vom Kirchen-
konzert. Ehe ich noch den Hut recht abgezogen hatte, stand schon ein
Dienstmädchen neben mir, das mich einlud hinauf ins Zimmer zu kom-
men. Daß ich's kurz mache! Hier war ich an die rechte Schmiede ge-
kommen. Der Mann der Frau wies mir die Wege, gab mir Rat, und
— meine Angelegenheit wurde bald und gut zu Ende gebracht. Wer
hätte mir damals in der Kirche gesagt, daß der Mann jener Frau bald
in die Hauptstadt befördert werden und mir für solch geringe Höflichkeit
ein zehnfacher Vergelter sein würde?
Kurz, Höflichkeit macht Edelmann und Bürger, jung und alt, Mann
und Weib beliebt. Wer's besser wissen will, versuche es mit der Unhöf-
lichkeit. Er wird wohl sehen, wie weit er kommt.
Nach Hugo Weber.
m. Aus dem Nadelstand in den Adelstand.
Tm Jahre 1832 wurde ganz Hyeres, ein Städtchen in der Nähe von
Toulon, durch die Nachricht in Trauer versetzt, daß der Freiherr
Stulz von Ortenberg gestorben sei. Dieser Mann war wenige
Jahre vorher als Millionär nach Hyeres gekommen und war hier
bald ein doppelter Millionär geworden; denn alles, was er anfaßte,
schien sich unter seinen Händen in Gold zu verwandeln. Aber er hatte
auch alle Zeit eine offene Hand und liebte, sein Glück mit anderen
zu teilen. In Hyeres stiftete er ein Krankenhaus, ließ einen herrlichen
Brunnen herstellen und beschenkte die katholische Kirche mit einer
kostbaren Orgel. Die Mittel für die evangelische Kirche in Marseille
wurden fast gänzlich von ihm hergegeben. Kein Wunder, daß die
Nationalgarde mit Fahnen und Trauermusik den Leichenzug begleitete
und daß an der Gruft tief empfundene Reden die Verdienste dieses
Mannes priesen. In seinem Heimatdorf Kippenheim in Baden aber
setzte man Georg Stulz ein Denkmal; denn auch hier hatte er ein
Krankenhaus errichten und die Kirche ausbauen lassen. Für die
Polytechnische* Schule und das Lehrerseminar in Karlsruhe hatte
er je 30 000 Franken gestiftet und verschiedenen wohltätigen Zwecken
hatte er 300 000 Franken zugewandt. Um dieser Ehrentaten willen
hatte ihn der Großherzog von Baden in den Adelstand erhoben.
Georg Stulz war L J. 1778 in Kippenheim bei Lahr geboren.
Ein Schneider war sein Vater und Schneider sollte auch Georg
* Sieh Fußnote Seite 49.
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Stulz Georg_Stulz Georg_Stulz Schneider Georg
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
260
f
„Gewiß, mein lieber Freund, das können Sie!
Der Eigentümer von dem Vieh,
Das solches Ihnen angetan
Und Ihre Hose riß in Fetzen,
Muß Ihnen selbige ersetzen." —
„Süll't woll-drei Daler föddern können?" —
„Gewiß, das können Sie! Für diese schönen
Und neuen Hosen ist das nicht zu viel."
„Na, Herr Avkat," sagt Möller Thiel,
„Denn geben S' man drei Daler her,
Wißt Ehr oll Keter wesen ded." —
„Mein Hund? — mein Polio biß Sie in die Waden?
Nun gut! Ich glaub's und stehe für den Schaden:
Hier sind drei Taler für die Hosen.
Was Recht ist, muß als Recht bestehn
Und sollt' die Welt in Stücken gehn!" —
De Möller lacht so recht gottlosen
Und denkt: „De hast du richtig nommen!"
Strikt sik dat lütte Geld tausamen
Und will gehorsamst sik empfehlen. —
„Halt, lieber Freund!" seggt de Avkat,
„Ich kann es Ihnen nicht verhehlen,
Daß in beregter Sach' für Müh' und guten Rat
Drei Taler sechzehn Groschen mir gebühren.
Man wedder rut mit de drei Daler,
Un söstein Groschen bigeleggt!
Denn kömmt de Sak erst richtig t'recht.
Recht, Fründing, möt as Recht bestahn,
Und süll de Welt in Stücken gähn!"
Fritz Reuter.
185. 'Dom Kewerbegericht.
^^chlossermeister Schulz: „Nehmen Sie es nicht übel, lieber Nachbar,
wenn ich Sie einige Augenblicke aufhalte. Ich möchte mir in einer
für mich wichtigen Angelegenheit Ihre Auskunft erbitten. Da erhalte ich
soeben von dem Gerichtsschreiber des hiesigen Gewerbegerichts eine Ladung
mich morgen vor dem genannten Gericht einzustellen, weil ein von mir
plötzlich entlassener Geselle dort eine Klage gegen mich angestrengt hat.
Was für eine Einrichtung ist eigentlich dieses Gewerbegericht?" —
Klempnermeister Bürger: „Gewerbegerichte bestehen nach dem Reichs-
gesetz vom 20. Juli 1890, das vom 1. Januar 1902 ab in einer neuen
Fassung gültig ist. Sie sind dazu errichtet, um Streitigkeiten zwischen ge-
werblichen Arbeitern und Arbeitgebern möglichst schnell und billig zu
erledigen. Wie liegt denn der Fall, um den es sich bei Ihnen handelt?"
Schulz: „Ich habe einen größeren Auftrag in Bauarbeiten für
mehrere herrschaftliche Häuser erhalten und suchte deshalb schnell einige
Gehilfen. Unter den sich Meldenden war auch der jetzt gegen mich klagbar
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Kurz erst recht darauf, daß Vogt eine Strassumme zahlen müsse. Auch
der Bürgermeister machte Vogt ausmerksani, daß er gegen Paragraph 185
des Strafgesetzbuches verstoßen habe und daß er vom Gerichte sicher
verurteilt werde. Was er aber dann an Strafe und an Gerichtskosten zu
zahlen habe, werde weit höher sein als die geforderte Geldbuße. Der
hartnäckige Vogt jedoch bestand auf seiner Weigerung und so verlief der
Sühnetermin, ohne daß man sich geeinigt hatte.
Kurz überlegte sich, ob es nicht besser wäre die Sache nun ruhen
zu lassen. Würden aber seine Neider nicht glauben, daß wirklich etwas
Wahres an den Beschuldigungen Vogts wäre? Und sollte er sich un-
bestraft beleidigen lassen? Nein und abermals nein! Seine angegriffene
Ehre verlangte eine Sühne. Am nächsten Morgen schon setzte er sich
hin, fertigte eine Klageschrift gegen Vogt an und richtete sie an das
Königliche Amtsgericht. Diesem Schriftstücke legte er eine Bescheinigung
des Bürgermeisteramts über die erfolglos versuchte Sühne bei. Nach
einiger Zeit wurden beide, Kurz und Vogt, vor das Schöffengericht
geladen. Dieses setzte sich zusammen aus einem Amtsrichter, als dem
Vorsitzenden, und zwei angesehenen Bürgern der Stadt, denen das Ehren-
amt eines Schöffen übertragen war. Nach Eröffnung der Hauptverhand-
lung trug der Vorsitzende den Sachverhalt vor und forderte den beschul-
digten Vogt auf sich hierüber zu erklären. Vogt suchte seine Äußerung als
ganz harmlos hinzustellen. Ein Zeuge, der ebenfalls vernommen wurde,
bestätigte jedoch alle Angaben des Kurz. Auch das Kirchenvorstandsmitglied
wurde verhört und es ergab sich, daß sein Verkehr mit Meister Kurz gar
keinen Einfluß aus die Vergebung der Arbeiten gehabt hatte. Das Schöffen-
gericht zog sich zur Beratung zurück. Dann verkündete der Amtsrichter
das Urteil. Vogt wurde zu einer Geldstrafe von fünfzig Mark und zur
Tragung der Kosten in der Höhe von 26,30 Mark verurteilt. Wären
die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten gewesen, so würde der Kosten-
betrag bedeutend höher gewesen sein. Vogt war wütend; doch einsichtige
Freunde rieten ihm, keine weiteren Schritte in der Angelegenheit zu tun.
Außer neuem Ärger werde er nur noch größere Geldkosten haben. Darum
sah er von einer Berufung an das Landgericht ab. Es dauerte aber lange
Zeit, ehe er sich mit Kurz versöhnte und einsah, wie gut es gewesen wäre,
wenn er die Zunge besser im Zaume gehalten hätte.
Nach Erich Walter.
134. De Reknung ahn Wirt.
„Gun Morgen, Herr Avkat, mi is do wat passiert,
Mi hett dor up de Strat so'n unverschämtes Dirt
Von Köter in de Beinen beten
Un mi en Stück ut mine Büxen reten.
Dat is ’ne ganze nige Hos’,
Und ick wull Sei dat bloß mal fragen,
Ob ick den Kirl nich künn verklagen,
De so’n bettchen Hund lett los’
Hier up de Straten rümmer gähn?" —
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