129
dunkelste Seite Friedrich Wilhelms Ii. ist seine Kabinetspolitik mit ihren
verderblichen Hinterhalten und Ländertheilungen, die ihm von seinen
Rathgebern eingeredet wurde. Es fällt aber dieser Vorwurf dem ganzen
Zeitalter zur Last. Die Deutschen dieser Zeit zeigten auch nicht eine
Spur von Begeisterung für die Erhaltung des gemeinsamen Vaterlandes;
mit Gleichgültigkeit betrachteten sich die nördlichen und die südlichen
Deutschen wie zwei fremde Nationen.
König Friedrich Wilhelm Iii. (geboren am 3. August 1770)
bestieg den durch den Tod seines Vaters erledigten Thron (1797—1840).
Er war durchdrungen von dem Gefühle seines Berufs, suchte das er-
schlaffte Verwaltungswesen zu heben, stellte den Glaubenßzwang ab,
den Wöllners Religionsedict beabsichtigt hatte, und erregte in dem gan-
zen Volke die freudigsten Hoffnungen. Der König hatte in der Cham-
pagne und im polnischen Feldzuge die Schrecken des Krieges mit eigenen
Augen gesehen, und Erhaltung deß Friedens schien ihm die erste Pflicht,
die er seinem Volke schuldig sei. Daß preußische Kabinet sparte gegen
Frankreich und Oestreich die Worte des Friedens und der Mäßigung nicht;
aber von dem Direktorium wurde das gegenseitige Mißtrauen der beiden
deutschen Kabinette mit großer Kunst unterhalten und mit beiden zugleich
geheime Unterhandlung gepflogen, und bald in dem einen, bald in dem
andern Verdacht und Besorgniß geweckt. In dieser traurigen Verwicke-
lung blieben die redlichen Absichten und die guten Wünsche, die Friedrich
Wilhelm Iii. für Deutschlands Wohl und Erhaltung hegte, ohne Erfolg.
Die Gewaltschritte, welche die französische Regierung sich erlaubte, ®^nb(t
bewiesen, daß das Ziel ihrer Politik die Revolutionirung aller Staaten Republik,
sei. Der erste dieser Gewaltschritte war der Sturz des päpstlichen Thro-
neß. Es fehlte in Rom nicht an Revolutionsfreunden, welche eine
Staatsveränderung wünschten. Am 28. December 1797 kam in Rom
die lange vorbereitete Bewegung der Revolutionspartei zum Ausbruch.
Als die päpstlichen Soldaten die im Bezirke der französischen Gesandt-
schaft versammelte Menge bewaffneter Menschen aus einander trieben,
wurden sie von einem überlegenen Haufen aus dem Gesandtschaftshause
angegriffen. An der Spitze deffelben zeigte sich der französische General
Duphot mit gezogenem Säbel. Die päpstlichen Soldaten gaben nach
mehreren vergeblichen Zurufen Feuer, und Duphot stürzte getödtet nie-
der. Der französische Gesandte Joseph Bonaparte gab keinen Bitten
und Vorstellungen Gehör und reiste in derselben Nacht ab. Das Direkto-
rium sandte Berthier mit etwa 8000 Mann nach Rom. Die muth-
losen geistlichen Staatsmänner übergaben die Engelsburg, und die Fran-
zosen besetzten Rom. Die römische Republik wurde proklamirt, die
vollziehende Gewalt, fünf Consuln, die gesetzgebende einem Senat von
32 und einem Tribunat von 72 Mitgliedern übertragen. Die Stadt
Rom mußte eine Kriegssteuer von sechs, die Landschaft von dreißig Mil-
lionen Livres erlegen. Alle öffentlichen Kunstwerke wurden als Trophäen
nach Paris geschickt, und selbst die Kirchen entgingen der Plünderung
nicht. Der Papst Pius Vi. wurde nach Siena, dann in ein Kar-
thäuserkloster in l>er Nähe von Florenz, später nach Valence im süd-
lichen Frankreich gebracht, wo er 1799 starb. Die Kardinäle wurden
zuerst eingesperrt, dann verbannt.
1«
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T63: [Kaiser Macht Rom Zeit Volk Jahr Mann Staat Augustus Name], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm August Oestreich Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm Joseph_Bonaparte
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Deutschlands Rom Rom Rom Engelsburg Rom Rom Paris Siena Florenz Valence Frankreich
Ili
lichen Auftrag zur Oberleitung der Kirche; und indem die nachhe-
rigen römischen Bischöfe die Erbschaft dieser höchsten Stellung und
Ehre für sich in Anspruch nahmen, gaben sie ihren Forderungen
die Stütze einer Glaubenslehre. Jener Felsen aber bezeichnet Petri
Begeisterung für die Lehre Jesu und die innige Liebe zu ihrem
Stifter; dieser Felsen ist überall, wo ein frommes Herz ist.
Wie das Ansehen der Bischöfe den niederen Geistlichen gegen-
über, so stieg auch das Ansehen des Klerus den Laien gegenüber.
Die letzteren verloren allmälig fast ganz die Theilnahme an den
Wahlen der Bischöfe, Presbyter und Diakonen, so wie an der Ge-
setzgebung und Verwaltung in den Angelegenheiten der Kirche. Die
Kirchenversammlungcn wurden als zur Gesetzgebung in der Chri-
stenheit verordnete und durch wunderbare Wirkung des heiligen Gei-
stes befähigte Versammlungen der geweihten Nachfolger der Apostel
angesehen. Einige Kaiser nahmen den höchsten Geistlichen des Rei-
ches gegenüber eine demüthige Stellung ein. Einzelne ausgezeich-
nete Geistliche waren durch ihre Macht dem Volke und seinen Rech-
ten nützlich, und man vergaß in dem militärisch-despotischen Staat
das Gefährliche der neuen hierarchischen Gewalt, da das Volk nur
durch die Geistlichkeit einen Einfluß auf die Gesetzgebung und die
öffentlichen Angelegenheiten erhielt. Leiber bildete die Geistlichkeit
nur in einzelnen Fällen ein Gegengewicht gegen die weltliche Des-
potie; gewöhnlich war sie mit dieser vereinigt, um jedes freie Stre-
den zu unterdrücken und die herrschende Form in Kirche und Staat
aufrecht zu erhalten.
Mit der Veränderung in den äußeren Verhältnissen der Kirche
erhielt auch der Gottesdienst einen ganz anderen Charakter. Aus
den einfachen Betsälen der ersten Christen wurden prächtige Kirchen,
die nach dem Muster der heidnischen Tempel mit Marmor geschmückt
und mit Bildhauereien verziert waren. Man suchte den Gottes-
dienst durch Glanz und Pracht genußreicher zu machen und ent-
lehnte vielen äußeren Schmuck aus dem Heidenthume. Altäre, Bil-
der, Lichter, Weihrauch, kostbare Gesänge und eine pomphafte Feier
der gottesdienstlichen Handlungen wurde nach und nach eingeführt.
Auch die Einführung gewisser symbolischer Handlungen, wie des
Anhauchens, des Räucherns, des Bezeichnens mit dem Kreuze, ge-
hören dieser Zeit an. Früher war bei den christlichen Versamm-
lungen das Vorlesen der Evangelien und der Schriften der Apostel
Hauptsache gewesen; jetzt schienen die Hörsäle der Sophisten in die
Kirchen verlegt zu sein; man hörte da Vorträge über die Streitig-
keiten der Geistlichen, und die Prediger strebten, wie die Sophi-
sten, nach dem Pomp und Klingklang der Worte. Ja, man klatschte
sogar den Predigern Beifall, und diese hielten, wie zu unserer Zeit
die Schauspieler in den Theatern, eine Schaar gedungener Klat-
scher. Auch wurde das Hersagen gewisser Gebetsformeln oder eine
rein mechanische Andachtsübung üblich.
Zu den früheren Hauptfesten, Ostern, Himmelfahrt Christi
und Pfingsten, kam jetzt noch das Weihnachtsfest, zur Erin-
nerung an die Geburt Christi. Es wurde in der abendländischen
Kirche auf den 25. December festgesetzt, und da um diese Zeit bei
Veränderung
des Gottes-
dienstes.
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste]]
TM Hauptwörter (200): [T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T167: [Fest Tag Kirche Jerusalem Spiel Stadt Hofer Volk Jahr Zeit], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz]]
Extrahierte Personennamen: Apostel Apostel Christi
184
Pipins
Kriege.
Kirche, nicht bloß der fränkischen Landeskirche, was er von jeher
gewesen war.
Pipin erhielt bald eine Gelegenheit dem Papste seine Dank-
barkeit zu beweisen. Die Langobarden (S. 128 — 132) hatten zwar
nach und nach den katholischen Glauben angenommen, und es hatte
der Krieg gegen den byzantinischen Kaiser und den Papst längere Zeit
geruht; der lougobardische König Luitprand (712 — 744) begann
aber den Krieg von neuem mit großem Nachdruck. Er benutzte den
heftigen Zwiespalt, welcher zwischen den griechischen Kaisern und
den römischen Päpsten dadurch entstanden war, daß die Ersteren in
ihrem Reiche die Bilderverehrung abgeschafft hatten. Luitprand er-
oberte Ravenna, den Sitz des griechischen Exarchen, ohne jedoch die
Stadt behaupten zu können, und brachte die Päpste Gregor Ii.
und Gregor Lh. in eine so bedenkliche Lage, daß der Letztere Karl
Martell um Hülfe bat, (S. 182). Gregor's Iii. Nachfolger,
Zacharias, hatte bei einer persönlichen Zusammenkunft mit Luit-
prand dessen frommen Sinn zu erregen und den Langobarden - Kö-
nig zum Frieden zu bewegen gewußt. Allein nach Luitprand's
Tode begannen die Feindseligkeiten der Langobarden gegen den
Kaiser und den Papst von neuem. Einer der folgenden Könige,
Aistul f (749 — 756), trachtete nach der Eroberung von ganz Ita-
lien, nahm das Exarchat mit Ravenna und wandte sich dann gegen
Rom. Der Papst sah keine Rettung, als durch die Franken. Er
bemühte sich daher eifrig, das Band, welches die römische Kirche
mit der fränkischen verband, fester zu knüpfen und seine Bemühun-
gen wurden durch die englischeu Missionäre, welche damals das Be-
kehrungsgeschäft an der östlichen Grenze des Frankenreichs fast aus-
schließlich betrieben, kräftig unterstützt. Der Papst Stephan Ii.,
der Nachfolger des Zacharias, reiste selbst zu Aistulf, um ihn zur
Einstellung der Feindseligkeiten zu bewegen; aber weder Bitten noch
Geschenke hatten einen Erfolg. Der Papst begab sich daher nach
Frankreich 753, um von Pipin Hülfe zu erbitten. Pipin, welcher
kurz vorher durch Besiegung der Mohammedaner im Westen und
heidnischer Sachsen-Stämme im Osten seinen Namen von neuem
verherrlicht hatte, ließ sich, seine Gemahlin und seine beiden Söhne,
Karl und Karlmann, nochmals vom Papst salben. Die nachgesuchte
Hülfe ward versprochen, und im Frühling 754 ging, da Aistulf
friedlichen Anträgen kein Gehör gab, ein gewaltiges Heer über die
Alpen. Als die Franken Pavia belagerten und das Land verwü-
steten, versprach Aistulf das Exarchat herauszugeben und den päpst-
lichen Stuhl nicht weiter zu beunruhigen. Kaum war aber Pipin
nach Hause zurückgekehrt, als Aistulf den Frieden brach und eilig
gegen Rom zog. Die Römer hielten eine dreimonatliche Belage-
rung aus; die Franken drangen noch einmal über die Alpen, nö-
thigten Aistulf von Rom abzuziehen, verwüsteten das Land und be-
lagerten endlich Pavia, die Hauptstadt der Longobarden. Aistulf
mußte, um Frieden zu erlangen, sich zu einem jährlichen Tribut,
zur Auslieferung des dritten Theils seiner Schätze und zur Abtre-
tung des Exarchats verstehen. Das abgetretene Land schenkte Pipin
der Kirche und der römischen Republik, und der Papst wurde Pa-
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken]]
TM Hauptwörter (200): [T132: [König Karl Italien Otto Kaiser Papst Reich Sohn Rom Jahr], T158: [Papst Kaiser Iii Vii Gregor Heinrich Rom Friedrich Italien Jahr]]
Extrahierte Personennamen: Gregor_Ii Gregor Gregor_Lh Gregor Karl
Martell Karl Zacharias Stephan_Ii Karl_und_Karlmann Karl Karlmann Aistulf
Extrahierte Ortsnamen: Ravenna Ravenna Rom Frankenreichs Frankreich Rom Rom Pavia
221
Höhepunkte der Gelehrsamkeit, Frömmigkeit und Sittenzucht dama-
liger Zeit.
Nach der endlichen Unterwerfung der Sachsen wurden in kirch-
lichen Dingen äußerst strenge Strafbestimmungen erlassen, welche
beweisen, daß die Sachsen nur mit innerem Widerstreben das Chri-
stenthum annahmen und daß der Götterglaube ihrer Väter noch
fest bei ihnen wurzelte. Jeder Sachse, der sich verstecken würde,
um nicht getauft zu werden, ferner wer einen Leichnam in heidni-
scher Weise verbrenne, oder wer während der vierzigtägigen Fasten-
zeit aus Verachtung des Christenthums Fleisch genieße, wurde mit
Todesstrafe bedroht. Dieselbe Strafe sollte ferner erleiden wer eine
,Kirche beraube oder anzünde, einen Geistlichen umbringe, wer, vom
Teufel betrogen, mit den Heiden glaube, daß es Zauberer und
Hexen gebe, wer diese verbrenne und ihr Fleisch verzehre oder an-
deren zum Verzehren gebe, wer einen Menschen dem Teufel opfere
oder sich mit Heiden gegen Christen, namentlich gegen den König,
verschwöre. Die Entrichtung des Zehnten an die Kirche wurde auf
das strengste geboten. Die Kirche sollte als Zufluchtsstätte für den
Angeklagten bis zum nächsten Gerichtstage dienen. So war end-
lich das Christenthum unter allen deutschen Stämmen verbreitet und
sein Bestand gesichert.
Nachdem die abendländische Kirche von Rom aus neu begrün- ^as Papst-
det worden war, sah die Geistlichkeit dieser Länder im Papste wirk- Der
lich eine höchste und entscheidende Instanz, von der nicht bloß die
Beurtheilung von Streitfällen, sondern sogar eine Bestätigung der
erzbischöflichen Wahlen durch Uebersendung oder Zurückhaltung des
Palliums, des Zeichens jener Würde, abhänge. Durch die Bekeh-
rung der germanischen und später der slavischen Völker wurde die
Gewalt der Päpste auf diese Länder übertragen und so die Ver-
luste wieder ersetzt, welche das Christenthum durch die Eroberungen
der Araber in Afrika und Spanien trafen. Von dem Einflüsse des
byzantinischen Hofes waren die Päpste nun befreit, und die Ge-
fahren, welche sie von Seiten der Longobarden bedroht hatten, wa-
ren durch Unterstützung der Franken glücklich beseitigt. Durch Karl's
Annahme der Kaiserwürde wurde das Band zwischen Staat und
Kirche, welches schon unter Karl's Vorfahren geknüpft worden war,
noch mehr befestigt. Der Versuch zur Verwirklichung der Idee
des christlich-germanischen Staates ward nun gemacht. Von
nun an sollten Kaiser und Papst gemeinschaftlich die Völker des
Abendlandes leiten. Neben und in einander wurden Staat und
Kirche mit allen ihren Einrichtungen aufgebaut. Wie eine Graf-
schaft oft mehrere Gaue begriff, so zerfiel das Bisthum in Archi-
diakonate; wie der Gau in Hundertschaften eingetheilt war, so das
Archidiakonat in Dekanate. Der Staat war durch und durch rö-
misch-katholisch; aber auch die Kirche nahm durch das Lehnswesen
germanische Einrichtungen in sich auf. So wurde der römisch-
christliche Lehnsstaat die Form/ in welcher sich der germanische Geist
zunächst entwickelte.
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken]]
TM Hauptwörter (200): [T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König]]
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Sachsen Rom Afrika Spanien
237
fahrt eine so nothwendige, von der Natur selbst angewiesene Be-
schäftigung, daß dieselbe wohl niemals ganz aufgehört und wenig-
stens als Spedition fortgedauert hat, wenn auch der griechische
Handel mit eigenen Erzeugnissen längst eingegangen war. Die grie-
chische Flotte muß noch immer bedeutend gewesen sein, sonst hätte
Iustinian auf ihr nicht die Unternehmung zur Eroberung des Van-
dalen-Reiches ausrüsten können.
Großen Einfluß hatte der geistliche Stand, wenn auch
keine vom Staate ganz unabhängige Hierarchie sich ausbildete, und
selbst der Patriarch von Constantinopel immer noch Unterthan des
Kaisers blieb und von diesem bestraft und abgesetzt werden konnte.
Auf die dogmatischen Streitigkeiten aber hatte der Kaiser nur Ein-
fluß, wenn er sich selbst als einen einsichtsvollen Theologen geltend
zu machen wußte. Eine vollständige hierarchische Unterordnung fand
nicht statt; der Patriarch von Constantinopel hatte nicht nur oft
Rangstreit mit anderen Patriarchen, namentlich dem zu Alexandria,
sondern die Synoden standen auch über den Patriarchen, und ein-
zelne Bischöfe waren der Gewalt derselben nicht untergeordnet. Die
Zahl der Mönche war sehr groß, und sie hatten einen bedeuten-
den Einfluß auf das Volk; sie sollten von ihrer Hände Arbeit le-
den und beschäftigten sich zum Theil mit Malerei und thaten sogar
Kriegsdienste. Die Kirche durfte Güter erwerben, aber ihre lie-
genden Gründe zahlten eine Abgabe und wurden auch bei außeror-
dentlichen Besteuerungen mit hinzugezogen. Die kirchliche Gerichts-
barkeit stand den Bischöfen zu, von denen an die Patriarchen ap-
pellirt wurde. Das Kirchenrecht wurde durch die vielen Kirchenver-
sammlungen sehr erweitert und von mehreren Schriftstellern bear-
beitet. Die christliche Religion, welche im Abendlande so segens-
reich auf die Bildung und Wohlfahrt einwirkte, hat im Morgen-
lande den entgegengesetzten Einfluß ausgeübt. Sie wurde miß-
braucht zu Sektirerei und Verketzerung, zu leerem Formalis-
mus und Intoleranz; sie trug dazu bei, die Kraft und Einheit des
Staates zu schwächen und die Regierung durch unnütze Streitig-
keiten ihren höheren Aufgaben zu entziehen und zum Spielball der
Parteien zu machen. Auf den Charakter des Volkes übten
der Despotismus und die beständigen Ketzerstreitigkeiten den nach-
theiligsten Einfluß; Vaterlandsliebe und Anhänglichkeit an den Re-
genten wurden, besonders bei dem häufigen gewaltsamen Wechsel
der Herrscher, unbekannte Tugenden. Das Volk erschlaffte immer
mehr und es herrschte eine große Unsittlichkeit. Je mehr das
Volk von der Theilnahme an den Staatsangelegenheiten ausgeschlos-
sen war, um so begieriger ergriff es, durch die Mönche aufgeregt,
die kirchlichen Streitigkeiten, und religiöse Zwietracht theilte das
Reich fortwährend in Parteien. Vergebens suchten einzelne bessere
Kaiser die Eintracht herzustellen, ihre Versuche gaben oft zu neuen
Streitigkeiten Anlaß. Dogmatische Streitigkeiten, Hof-
ceremonien, Palastintriguen und einzelne Kriegsereig-
nisse bilden den Gegenstand der byzantinischen Geschichte. Künste
und Wissenschaften wurden noch betrieben, erhielten aber eine
eigenthümliche Richtung. Auf die Literatur wirkte die Vorliebe
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk]]
242
Arabien.
höher stellen, um sie der Berührung zu entziehen; später verbot er
bei schwerer Strafe alle Bilder Christi, der Engel und der Heili-
gen. Es entstanden zwei einander oft blutig bekämpfende Parteien,
die der Bilderdiener und die zahlreichere der Bilderstürmer.
Der Streit dehnte sich auch auf Italien aus; der Papst Gregor Ii.
erklärte sich für die Bilder. In Ravenna siegten die Bilderfreunde,
der Exarch wurde in einem Tumulte erschlagen und die Stadt wurde
von dem Longobarden-König Luitprand beseht (S. 184). Auch
Leo's Sohn und Nachfolger Konstantin V. Kopronymus (741
— 775) gehörte zu den bilderstürmenden Kaisern, war aber ein kräf-
tiger Herrscher, welcher das Reich nach Syrien und Armenien hin
erweiterte und siegreich gegen die Slawen und Bulgaren kämpfte.
Auf Konstantin V. folgte dessen Sohn Leo Iv., welcher ebenfalls
gegen die Bilder war. Nach Leo's Tode 780 regierte dessen Ge-
mahlin Irene als Vormünderin ihres zehnjährigen Sohnes Con-^
stantin Porphyrogenitus. Irene hielt eine Kirchenversamm-
lung zu Nixäa, auf welcher der Beschluß gefaßt wurde, den Bil-
derdienst im ganzen Reiche wieder herzustellen. Auch unterhandelte
die Kaiserin mit Karl dem Großen wegen einer Vermählung seiner
Tochter Rotrudis mit ihrem Sohn Konstantin; sie gab aber diesen
Plan wieder auf, um ihren Sohn durch eine solche Ehe nicht zu
mächtig werden zu lassen. Von den Gegnern des Bilderdienstes
wurde Irene gezwungen, ihrem Sohne die Negierung abzutreten;
doch ließ Konstantin seine Mutter bald wieder an der Negierung
theilnehmen und beide regierten unter steter Eifersucht und Feind-
schaft sechs Jahre mit einander. Die herrschsüchtige und unnatürliche
Mutter ging endlich in ihrem Hasse gegen ihren Sohn soweit, daß sie
ihn blenden ließ (797). Sie regierte nun allein, wurde aber 802
von dem Schatzmeister Nicephorus gestürzt und starb in der größ-
ten Dürftigkeit zu Lesbos.
Von einem Lande, welches bisher nur eine unbedeutende Rolle
gespielt hatte, von Arabien, ging in dieser Zeit eine neue Religion
aus. Die Halbinsel Arabien ist viermal so groß als Deutschland
und in ihrem Innern ein größtentheils ebenes Hochland, welches
im Norden mit der syrischen Wüste zusammenhängt, im Osten, Sü-
den und Westen aber durch felsige Bergketten und eine schmale Kü-
ftenebene vom Meere getrennt wird. Der größte Theil des Bodens
besteht aus Wüsten und nackten Felsenhöhen, und nur einige Gegen-
den haben eine Vegetation. Zu diesen gehört das Land Jemen
oder das glückliche Arabien im äußersten Südwesten der Halb-
insel. Wenn das Innere Arabiens auch Wüste und seine Bewohner
noch jetzt Nomaden sind, so haben doch die Küsten der Halbinsel
bereits im Alterthum keine niedrige Stufe der Kultur eingenommen.
Handel und Schifffahrt blühten in den großen und reichen Städ-
ten, welche längs der Küste lagen und den Zwischenverkehr mit In-
dien versahen. Die Küste des rothen Meeres, welche von jeher die
am meisten bevölkerte Gegend gewesen ist, besteht aus einer schma-
len, meist wüsten Ebene und aus einem öden Gebirge, in welchem
einzelne Thäler mit Pflanzen bewachsen und kulturfähig sind. Diese
Küste wird das Hedschas oder das wüste'arabien genannt und
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden]]
TM Hauptwörter (100): [T88: [Sohn Vater König Tod Kaiser Tochter Bruder Jahr Mutter Gemahlin], T47: [Wüste Meer Land Nil Hochland Fluß Gebirge Euphrat Tigris See], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland]]
TM Hauptwörter (200): [T64: [Vater Sohn Jahr Tod Mutter Regierung König Kind Heinrich Bruder], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T193: [Meer Halbinsel Gebirge Norden Süden Osten Westen Küste Insel Europa], T132: [König Karl Italien Otto Kaiser Papst Reich Sohn Rom Jahr], T134: [Land Meer Hochland Persien Tigris China Euphrat Iran Asien Armenien]]
Extrahierte Personennamen: Gregor_Ii Gregor Konstantin_V._Kopronymus Konstantin_V. Leo_Iv. Leo_Iv. Karl_dem_Großen Karl Rotrudis Konstantin Nicephorus
Extrahierte Ortsnamen: Christi Heili- Italien Ravenna Syrien Armenien Nixäa Lesbos Deutschland Arabiens
209
dasselbe nicht erhalten. Die Kämpfe der Britten mit den Angel-
sachsen wurden Jahrhunderte hindurch mit so großer Erbitterung
geführt, daß die Britten sich zur Bekehrung ihrer Feinde und Unter-
drücker nicht angetrieben fühlten. In Irland hatte der heilige Pa-
trik um die Mitte des fünften Jahrhunderts das Christenthum ein-
geführt, und von irischen Mönchen wurde dann auch in Südschott-
land, später auch im nördlichen Schottland das Christenthum und
zugleich der strengste klösterliche Sinn verbreitet. Bei den Britten
hingegen hatte das Christenthum viel früher Eingang gefunden und
es hatte sich dasselbe auch erhalten, als die Britten von den An-
gelsachsen in die westlichen Länder gedrängt wurden. Die britlische
Kirche stimmte mit der katholischen oder römischen Kirche in man-
chen Punkten nicht überein; sie hatte eine abweichende Ansicht über
die Ansetzung des Osterfestes, den Schnitt der Tonsur, die priester-
liche Einsegnung der Ehe, die Priesterehe; die britlischen Bischöfe
wurden durch Presbyter ordinirt, und die brittische Kirche erkannte
die Suprematie des römischen Papstes nicht an. In der britti-
schen Kirche herrschte eine anspruchlvse, tüchtige und reine Gesin-
nung und seltene Gelehrsamkeit. Die britlischen und irischen Mönche
zeichneten sich durch ihre strenge Klosterzucht, durch ihre Beschrän-
kung auf die einfachsten Lebensbedürfnisse und durch die emsige Be-
triebsamkeit, mit der sie von ihrer Hände Arbeit lebten, vor den
schwärmerischen und trägen Mönchen südlicher Länder aus. Die
britlischen Mönche machten nicht nur öde und verwilderte Gegenden
urbar, sondern ihre Klöster waren auch Sitze der Gelehrsamkeit
und Bildung und wurden später die Pflanzschulen für die Lehrer
der germanischen Stämme.
Das Verdienst die Angelsachsen zum Christenthum zu bekehren
erwarb sich der Papst Gregor der Große. Er hatte sich für
diesen Gedanken, schon ehe er Papst geworden war, begeistert, als
er einst auf dem Sklavenmarkt zu Nom Jünglinge zum Verkauf
ausgestellt sah, die sich durch ihren Wuchs, so wie durch Schön-,
heit des Gesichts und lange, auf vornehme Abkunft deutende Haare
auszeichneten, und auf seine Nachfrage vernahm, daß sie zum
Volke der Angeln gehörten. Wohl, rief er aus, sie sollen der En-
gel (snkkii) Genossen in den himmlischen Neichen sein, denn sie
haben ein englisches Antlitz. Als er den Namen ihres Landes,
Deira, hörte, entgegnete er: l)e irs eruti, der Verdammniß entris-
sen und zur Barmherzigkeit Christi berufen. Und als sie ihren Kö-
nig Aella nannten, sprach er: Allelujah, das Lob Gottes, der die
Welt geschaffen hat, soll in jenen Reichen gesungen werden. Gre-
gor beabsichtigte selbst nach Britannien zu gehen, aber der Papst
wollte ihm eine so lange Entfernung von Nom nicht gestatten. Als
aber Gregor selbst den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, sandte er
596 den römischen Abt Augustin mit vierzig anderen Geistlichen
nach Britannien. Sie reisten durch Gallien und fanden bei den
fränkischen Königen freundliche Aufnahme und Unterstützung. Sie
landeten an der Küste von Kent. In diesem Lande regierte damals
Ethelbert (560 — 616), welcher zugleich Bretwalda war. Er
hatte Bertha, eine fränkische Prinzessin, zur Frau, die bereits
christliche Geistliche mit nach England gebracht und durch ihre Tu-
14
i
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste]]
TM Hauptwörter (200): [T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter]]
Extrahierte Personennamen: Gregor_der_Große Gregor Gregor Gregor Kent Bretwalda Bertha
Extrahierte Ortsnamen: Irland Südschott- Schottland Christi Gottes Britannien Britannien Gallien England
213
mehr Geltung. Durch den Umsturz des westlichen Kaiserthrons
hatte der Primat des römischen Patriarchen nur gewonnen;
er war frei von der lästigen Aufsicht der Kaiser, welche dem Pa-
triarchen von Constantinopel fortwährend hinderlich war. Wenn
auch Theodorich in Beziehung auf die Papstwahl die Majestäts-
rechte der Bestätigung und Beaufsichtigung derselben übte, so küm-
merte er sich doch nicht um die innern Angelegenheiten der Kirche.
Die katholischen Kirchen von Gallien, Spanien, Jllyrien, Afrika
und den Donauländern fühlten sich in ihrer Bedrängniß stärker nach
ihrem alten Mittelpunkte, nach Rom, hingewiesen. Daher konnte
der Papst Gelasius im Jahre 494 den schon früher beanspruch-
ten Vorrang (S. 108 und 110) als Glaubenssatz aufstellen
und einige Jahre später Papst Symmachus die Unabhängigkeit
der inneren Verfassung und Verwaltung der Kirche vom Staate
aussprechen. In derselben Zeit sammelte der Abt Dionysius zu
Rom einen Theil der Beschlüsse der allgemeinen und Proviuzialsy-
noden, der Cánones, und fügte die Entscheidungen und Lehrbriefe
(Decretalen) der Päpste über einzelne ihnen vorgelegte Fälle
hinzu. Durch Zusammenstellung mit den anerkannten Kirchengesetzen
fanden auch die Decretalen nach und nach Gehorsam.
Nach der Vernichtung des ostgothischen Reiches und nach der
Wiederherstellung der griechischen Herrschaft in Italien machten die
Kaiser ihre alten Rechte wieder geltend. Der Einbruch der Lango-
barden und die daraus entstehende Unordnung in Italien schien die
Päpste wieder freier und unabhängiger zu machen. Auf der ande-
ren Seite erkannten sie wohl, daß es um ihre höhere Stellung ge-
schehen war, wenn es den Longobarden gelang, ganz Italien zu
erobern. Daher suchten sie dieses zu verhindern. Den Ruhm al-
ler Päpste jener Zeit hat Gregor I. der Große überstrahlt (S. 131
und 209). Er stammte von einem altrömischen Patriciergeschlechte
und war schon bis zur Würde eines Präfecten von Rom emporge-
stiegen, er entsagte aber dem weltlichen Leben und wurde Mönch.
Als Haupt der römischen Kirche zeigte er die größte Thätigkeit.
Wo damals im Abendlande das Evangelium durch römische Missio-
näre gepredigt wurde, da ward auch das Ansehen des Papstes ver-
breitet. Ueberall, wo die päpstliche Auctorität noch nicht anerkannt
war, suchte Gregor sie geltend zu machen. In Spanien waren be-
reits vor Gregor's Wahl die Gothen und die Sueven zur ka-
tholischen Kirche übergetreten (S. 139); die Angelsachsen nah-
men das römische Christenthum an, und in Italien wurde der
Grund zur Bekehrung der arianischen Longobarden gelegt. Gre-
gor war nicht bloß sehr thätig für die Ausbreitung der christlichen
Religion und die Hebung des päpstlichen Ansehns, sondern er be-
saß auch die schönen Tugenden eines christlichen Bischofs. Er hatte
einen schweren Beruf in jenen schlimmen Zeiten, wo die Longobar-
den das römische Gebiet hart bedrängten und die Kriegsstürme viel-
fache Noth erzeugten. Er legte Hospitäler an und sorgte für die
Armen. Er gründete eine Unterrichtsanstalt für die Kirchenmusik
und hob den Gottesdienst durch seine tröstenden Reden und durch
Einführung feierlicher Ceremonien. Sein Meßkanon oder seine
Abendmahlsliturgie ist in der römischen Kirche herrschend geworden.
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T192: [Italien Reich Gallien Volk Land Römer Donau Hunnen Jahr König], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort]]
Extrahierte Personennamen: Dionysius Gregor_I. Gregor Gregor
Extrahierte Ortsnamen: Constantinopel Gallien Spanien Afrika Donauländern Rom Italien Italien Italien Rom Spanien Italien
216
irland der heilige Kilian und predigte mit Erfolg das Christen-
thum. Es scheint, daß die erste Verbreitung des Christenthums in
Deutschland noch nicht im Geist und im Interesse des Papstes ge-
schah, daß dieses Christenthum noch reiner in seinen Lehrsätzen und
weniger mit kirchlichen Gebräuchen überladen war, als der spätere
Katholicismus.
Das römisch-katholische Christenthum kam durch angelsächsische
Missionäre nach Deutschland. Der bedeutendste derselben ist Win-
fried oder Bonifacius, mit Recht der Apostel der Deut-
schen genannt. Er stammte ans einer adligen Familie und erhielt
in einer Klosterschule trefflichen Unterricht. Er trat unter dem Na-
men Bonifacius in den Benediktiner-Orden und zeichnete sich bald
durch seine Gelehrsamkeit so aus, daß ihm der Weg zu den höch-
sten geistlichen Würden offen stand. Allein schon früh war in ihm
das Verlangen erwacht, unter den Heiden das Evangelium zu ver-
künden. Er verließ daher 715 sein Vaterland und wandte sich
nach Friesland, wo besonders der Angelsachse Wilibrord für
die Ausbreitung des Christenthums wirkte. Allein die Verfolgun-
gen, welche damals der Herzog Radbod von Friesland über die
Christen verhängte, bewogen Bonifacius zur Rückkehr nach Eng-
land. Im Jahre 718 begab er sich nach Rom, wo damals Gre-
gor Ii. auf dem päpstlichen Stuhle saß. Dem Papste war es
hauptsächlich darum zu thun, die zu bekehrenden Deutschen der Au-
torität des Papstthums zu unterwerfen. Daher wurde Bonifacius
streng angewiesen, den Deutschen das Christenthum in römischer
Auffassung zu lehren und in den zu gründenden Sprengeln das rö-
mische Kirchenwesen einzuführen. Mit dieser Anweisung wanderte
Bonifacius durch Baiern nach Thüringen. Hier fand er bereits
Christen, aber sie wußten nichts von der Oberherrschaft des Bischofs
zu Rom; die Geistlichen waren verheirathet, und zwar zuweilen
mit einer Frau, die schon ehelich verbunden gewesen war. Boni-
facius scheint in Thüringen keinen empfänglichen Boden für seine
Lehren gefunden zu haben. Er begab sich daher nach Friesland,
wo sich inzwischen die Verhältnisse günstiger für das Christenthum
gestaltet hatten, und wo er drei Jahre lang in segensreicher Weise
das Bekehrungswerk Wilibrord's unterstützte. Im Jahre 722 ging
Bonifacius, begleitet von mehreren frommen Männern, nach Hes-
sen und verkündete mit großem Erfolge das Evangelium. Tau-
sende nahmen das Christenthum an. Der Papst erkannte bald,
welch ein brauchbares Werkzeug dem Christenthume wie auch der
Hierarchie in diesem thätigen und dabei lenksamen Manne gewor-
den sei. Er rief ihn 723 wieder nach Rom und weihte ihn zum
Bischof der neubekehrten und noch zu bekehrenden Deutschen. Beim
Empfang der bischöflichen Weihe mußte Bonifacius schriftlich und
mündlich, die Hand unter Anrufung Gottes auf den Leichnam des
Apostels Petrus gelegt, einen feierlichen Eid leisten. Es war im
Wesentlichen derselbe Eid, welchen die zu dem Patriarchal-Spren-
gel Rom's gehörenden Bischöfe leisteten. In diesem Eide ge-
lobte Bonifacius, den katholischen Glauben in seiner Reinheit zu
lehren, an der Einheit dieses Glaubens, in welcher alles Heil der
Christen bestehe, zu halten und sich niemals gegen die Einheit der
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche]]
TM Hauptwörter (200): [T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche]]
218
sentlich die Klöster bei, die Bonifacius mit Hülfe seiner männli-
chen und weiblichen Gehülfen gründete. Mönche und Nonnen wett-
eiferten, die neuen Christen zu unterrichten, und zwar nicht nur in
den christlichen Heilswahrheiten, sondern auch in den Kenntnissen
und Fertigkeiten des Landbaues, der Handwerke und vieler häusli-
chen Verrichtungen und Arbeiten.
Nach dem Tode des Papstes Gregor Ii. begrüßte Bonifacius
den neuen Papst Gregor Hi. durch eine Gesandtschaft, und dieser
überschickte ihm als Anerkennung seiner Verdienste das erzbischöfliche
Gewand, erließ aber auch Befehle an den neuen Erzbischof. Der
Papst untersagte den Verkauf von Sklaven an Heiden, den Genuß
des Pferdefleisches, die Heirathen unter näheren Verwandten, aber
auch das Gebet für diejenigen, die nicht als römisch-katholische Chri-
sten gestorben wären. Mit rastlosem Eifer war Bonifacius auf die
Förderung seines Werkes bedacht. Zur Bekehrung der Sachsen
schickte er einige seiner Gehülfen ab; er selbst ging nach Baiern.
Hier hatte am Ende des siebenten Jahrhunderts Rudbert, Bischof
von Worms, für die Ausbreitung des Christenthums in römisch-ka-
tholischer Auffassung gewirkt. Es war auf den Trümmern der al-
ten Römerstadt Juvavia das Kloster Salzburg gegründet und mit
päpstlicher Einwilligung Bisthümer zu Salzburg, Passau und
Regensburg errichtet worden. Da aber jetzt durch einen baieri-
schen Priester, Namens Ermwolf, das päpstliche Ansehn bedroht
erschien, so begab sich Bonifacius nach Baiern und stellte durch
Ausstoßung Ermwolf's aus der Kirchengemeinschaft die Autorität des
Papstes wieder her.
Nachdem Bonifacius 738 Rom zum dritten Male besucht und
sich daselbst während eines längeren Aufenthaltes mit dem Papste
über alles verständigt hatte, hielt er sich drei Jahre in Baiern auf.
Daselbst gab es noch Geistliche, welche freigeistige, d. h. von der
katholischen Kirche abweichende Ansichten hegten und, wie z. B.
der Bischof Virgilius von Salzburg, sich der Einführung des
Lateins als Kirchensprache widersetzten. Bonifacius befestigte aufs
neue die Herrschaft der römischkatholischen Kirche und theilte das
Herzogthum in vier Bisthümer: Salzburg, Freisingen, Re-
gensburg und Passau. Darauf gründete er auch in Hessen und
Thüringen, wo noch immer Heidnisches und Christliches sich misch-
ten, zuerst drei Bisthümer: Nürnberg bei Fritzlar für Hessen,
Würzburg für die Maingegenden und Erfurt für Thüringen,
fügte aber bald noch das Bisthum Eichstädt für die Lande zwi-
schen Main und Donau hinzu. Bonifacius beschloß, an der Schei-
demark zwischen Hessen und Thüringen einen Ort auszuwählen zur
Anlegung eines Hauptklosters, das zugleich als Stützpunkt für das
Bekehrungswerk und als Unterrichtsstätte für die zu bildenden Prie-
ster dienen könnte. Sturm, sein Lieblingsschüler aus dem Klo-
ster Fritzlar, wählte eine Stelle am Flusse Fulda, wo jetzt die
Stadt gleiches Namens steht. Der Bau des Klosters begann 744.
Sturm wurde der erste Abt des Klosters, das durch die Thätigkeit
seiner Mönche, durch reiche Geschenke und bedeutende Privilegien
bald Reichthum und Anschn erlangte. In ihm ruhte Bonifacius
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner]]
TM Hauptwörter (100): [T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T73: [Stadt Schloß Augsburg Grafe Nürnberg Reichsstadt Bischof Sitz Regensburg Fürst], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T93: [Bayern Baden Hessen Württemberg Königreich Sachsen Franken Schwaben Land Rhein], T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort]]
Extrahierte Personennamen: Gregor_Ii Gregor Gregor_Hi Gregor Namens_Ermwolf Bonifacius Bonifacius Bonifacius