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nerva vollenden und denselben mit ehernen Götter- und Königs-
bildern ausschmücken. In einem unterirdischen Gewölbe dieses
Tempels wurden auch die sibillinischen Schicksalsbücher aufbe-
wahrt, in deren Besitz der König auf folgende Art gekommen
sein soll. Einst kam eine unbekannte Alte zu ihm und bot ihm
neun Bücher zu einem außerordentlich hohen Preise an. Weil
der König sie nicht so theuer bezahlen wollte, verbrannte sie drei
derselben, kam dann zum Könige zurück und verlangte die vorige
Summe für die noch übrigen. Wiederum abgewiesen verbrannte
sie abermals drei und erneuerte nun das Anerbieten der drei
letzten unter denselben Bedingungen. Das fiel dem Könige auf,
und nun fragte er seine Auguren. Man erkannte die Bücher
für die Orakel der Sibille von Cumä. Tarquin kaufte sie, und
die Alte verschwand. Diese Bücher, welche als ein Kleinod in
den Händen des Königs und nachmals in Verwahrung des Se-
nats blieben, zog man bei Bedrängnissen und Gefahren zu Rathe
und wußte darin jedes Mal die dienlichsten Orakelsprüche für
das Interesse des Staates zu finden.
Eines Tages setzte eine furchtbare Erscheinung im königli-
chen Palaste die ganze Familie in Angst und Schrecken. Eine
Schlange schlüpfte aus einer hölzernen Säule und raubte das
auf den Altar gelegte Opferfleisch. Bange Ahnung beunruhigte
den König, und er beschloß, das Orakel zu Delphi zu Rache
zu ziehen. Er schickte zwei seiner Söhne mit kostbaren Weih-
geschenken dahin, und gab ihnen seiner Schwester Sohn, den
L. Junius Brutus, zum Begleiter. Dieser spielte, um sein
Leben zu retten, die Rolle eines Blödsinnigen, seitdem sein älte-
rer Bruder vom Könige war ermordet worden. Auch er brachte
dem delphischen Gotte ein Weihgeschenk, seinen hölzernen Stab
nämlich, der aber einen goldenen in sich schloß — ein Sinnbild
seiner selbst!
Als die Jünglinge den Auftrag des Vaters vollzogen hatten,
trieb sie die Neugierde, das Orakel zu befragen, wer nach dem
Vater in Rom regieren würde. Derjenige — war die Antwort
— welcher zuerst die Mutter küssen wird. Die Brüder beschlos-
sen, hierüber das Loos entscheiden zu lassen. Brutus aber hatte
den Sinn des Orakels anders aufgefaßt. Er warf sich unter
dem Scheine, als wäre er über etwas gestolpert, zu Boden und
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aller bürgerlichen Rechte und Ordnungensein erstes Geschäft
war, der durch wachsende Zahl und Wohlhabenheit erstarkten
Klasse der Plebejer eine staatsbürgerliche Stellung zu geben und
so eine für das Wohl des Staates so wünschenswerthe An-
Näherung und Verschmelzung der Patricier und Plebejer zu dem
Ganzen Eines Volkes vorzubereiten. Schon Tarquinius war
mit diesem Plane umgegangen. Fortan sollte das Vermögen der
Maßstab sein, nach welchem alle bürgerlichen Rechte und Pflichten
bestimmt würden. Als Grundlage des Vermögens eines Bürgers
galt aber der Grundbesitz. Um nun das Grundeigenthum der
Plebejer von dem Eigenthum der Patricier und dem Staatsei-
genthum gehörig scheiden zu können, theilte er das Gebiet der
Stadt in vier, das Landgebiet aber in sechs und zwanzig Be-
zirke, und nannte diese nach den drei alten Stammtribus auch
Tribus. Die in jeder dieser Ortstribus ansässigen Plebejer ord-
nete er zu einer Genossenschaft oder Gemeinde unter einem Vor-
steher, welcher Tribun hieß. Dieser hatte ein genaues Verzeich-
niß aller Bewohner seines Bezirkes zu führen mit Angabe des
Alters, Geschlechts und Vermögens. Er fertigte auch die Ge-
burts- und Sterbelisten an, berief seine Bezirksgenossen zur Be-
rathung über Angelegenheiten der Gemeinde (eomitia tributa)
und hatte auch sonst noch manche richterliche und polizeiliche
Befugnisse. Ärmeren Plebejern, welche noch keinen Grundbesitz
hatten, wurde ein solcher von den Staatsländereien (ager pu-
blicus) angewiesen. Durch diese Eintheilung in dreißig, den alt-
bürgerlichen Curien nachgebildeten Gemeinden bekam der ganze
Stand der Plebejer als eine politische Corporation, welcher noch
kein Patricier angehörte, eine gewisse Festigkeit und Geltung.
Die ländlichen Tribus (tribus rustieae) waren die angesehensten,
in diesen wohnten die eigentlichen Grundbesitzer; die städtischen
Tribus (tribus urbanas) dagegen enthielten die Masse des är-
meren Volkes, wie auch die weniger geachteten Krämer und
Handwerker und standen nur im geringen Ansehen.
Nun ging Servius an sein Hauptwerk. Wie kurz vor
ihm Solon zu Athen, so bestimmte jetzt auch er das Vermögen
jedes Bürgers als die Grundlage aller bürgerlichen Rechte und
Servius conditor omnis in civitate discriminis ordinumque. Liv. 1.42.
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353
anwesenden Praefectus praetorio und den eigentlichen Staats-
rächen (comites consistoriani) den Staatsrach (consistorium)
des Kaisers, welchen er namentlich bei der Gesetzgebung zu
Rache zog. Daneben bestanden noch mehre Einrichtungen der
alten Zeit fort; aber fast nur als leere Würden, ohne fernem
Einfluß: so der Senat in Rom und seit Constantin auch in
Constantinopel, dessen Geschäftskreis sich bloß auf das beschränkte,
was der Kaiser ihm etwa vorlegte; die aus seiner Mitte er-
nannten Consuln gaben dem Jahre ihren Namen. .Auch das
Patrieiat bestand noch fort, aber ohne Amtsgewalt und Erblich-
keit, bloß als eine hohe Würde, die der Kaiser besonder» Günst-
lingen verlieh und sie dadurch hoffähig machte. Eine sehr strenge
gegliederte Rang- und Titelordnung bestimmte das äußere Ver-
hältniß der Beamten zu einander und die Grade der Ehrerbie-
tung, welche man Jedem zu erweisen hatte. Die höchsten Civil-
und Militär-Beamten führten den Titel „Erlauchte" (illu-
stres); nach ihnen folgten die „Hoch an sehnlichen" (spec-
tabiles) , dann die „V i e l b e r Ü h m t e n" (clarissimi), hierauf
die „Vielbewährten" (perfectissimi), zuletzt die „Erlese-
nen" (egregii). So führte eine orientalische Hofordnung mit
der strengsten Etiquette stufenmäßig bis zu der erhabenen Höhe
des göttlich verehrten Herrschers hinan.
Die Unterhaltung des glanzvollen Hofstaates nebst dem
Beamtenheere, welches die Büreaukratie in der furchtbarsten
Weise handhabte, und der Armee, die jetzt zum Theil aus be-
soldeten Barbaren bestand, verschlang unermeßliche Summen und
machte eine für das Volk sehr drückende Vermehrung der Ab-^
gaben nöthig. Es wurden erhoben: 1) eine jährliche, vom
Kaiser durch ein Ediet (iudictio genannt) ausgeschriebene Grund-
und Kopfsteuer, welche theils in Geld, theils in Naturprodueten
geliefert wurde. Zum Behuf dieser Steuer wurde alle 15 Jahre
das Grundeigenthum von neuem abgeschätzt und danach ein
neuer Kataster angefertigt. 2) Eine Gewerb- und Handels-
steuer, welche alle 5 Jahre erhoben wurde. 3) Der Ertrag der
Hafen- und Landzölle, der Salz- und Bergwerke, der Mün
zen und der kaiserlichen Fabriken. 4) Die bei feierlichen
Gelegenheiten als Ehrengeschenke von den Städten des Rei-
ches dem Kaiser dargebrachten goldenen Kronen, die nun in
Weiter, Geschichte der Römer. 00
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in den andern spter. Die meisten bildeten mit der Zeit eben so viele Republiken oder Freistaaten, in denen eine be-stimmte Zahl Brger, die das Volk aus seiner Mitte whlte, abwechselnd die Negierung fhrte.
45, Vereinignngspunkte smmtlicher griechischer Staaten.
Ungeachtet der Zerstckelung des Landes in eine Menge kleiner unabhngiger Staaten hrten doch die Griechen nicht auf, sich fortwhrend als eine ungeteilte Nation zu betrachten. Auer der gemeinsamen Sprache, dem festen Bindungsmittel einer jeden Nation, gab es vorzglich drei Einrichtungen, welche den Nationalsinn bei ihnen rege hielten und die traurigen Fol-gen der Eifersucht und Zwietracht milderten, die aus jener Zerstckelung nothmendig hervorgehen muten. Diese waren: die gemeinsame Religion (Mythologie) berhaupt und die Orakel insbesondere, die Amphiktyonieu und die Nationalspiele.
1) Die gemeinsame Religion. Die Griechen verehrten nicht wie wir einen einzigen Gott, sondern mehre Götter und Gttinnen. Diese bedeuteten eigentlich nur die Krfte und Mchte der uns umgebenden sichtbaren Natur, durch welche unser Leben sowohl erhalten als auch bedroht wird. In der Stimmung eines ungewhnlich erhhten Lebensgefhles glaub-ten sie daher auch den Gott unmittelbar selbst in ihrer Brust zu fhlen, im Donner ihn zu hren, im Wehen der Lfte zu empfinden, in der rieselnden Quelle ihn zu vernehmen. Sie dachten sich ihre Götter ganz menschlich, mit allen Vorzgen; und Gebrechen der menschlichen Natur; nur an Macht ragten sie der diesen empor. Wer ihnen Opfer brachte, sie anslehete und den Weg der Tugend wandelte, dem waren sie gewogen? den Frevler ereilte ihre Strafe. Die Priester standen als Diener der Gottheit und Vorsteher der Religion im hchsten Ansehen-Man glaubte, da die Götter sie ihres persnlichen Umganges wrdigten und ihre Gebete am ersten erhrten. Der Glaube
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60
jhrlich dreihundert Pferde als Tribut zu liefern und das unter ihnen angefangene Bekehrungswerk nicht zu hindern. Aber kaum hatte der Sieger den Rcken gewandt, so erschlugen sie ihre Bekehrer, verbrannten die Kirchen und kehrten jauchzend in die Wlder zu den Altren ihrer vaterlndischen Götter zurck. Karl sah wohl ein, da ohne vllige Unterwerfung dieser ge-fhrlichen Nachbaren keine Ruhe, keine Sicherheit fr sein eigenes Reich zu gewinnen sei. Auch hielt er sich als Christ im Gewissen verpflichtet, das Heidenthum und insbesondere die grausamen Menschenopfer unter den Sachsen auszurotten und diese mit Gewalt zur Annahme des Christenthums zu zwingen. Auf einer groen Reichs Versammlung zu Worms, im Jahre 772, wurde der Krieg gegen sie beschlossen. Damals ahnete Karl wohl nicht, da dieser Krieg mit geringer Unterbrechung einunddreiig Jahre dauern wrde.
Auf des Knigs Ruf griffen die Franken gegen ihre alten Feinde frendig zu den Waffen. Wie ein verheerender Strom brachen sie in das unvorbereitete Sachsen ein und berfluteten die Beste Ehresburg, einen den Sachsen heiligen Ort. Hier war der Hauptsitz ihrer Götter und Priester, ihrer Volksfeste und Zu-sammenknste. Hier war der heilige Hain mit der Jrmensnl oder Jrmensnle, einem Riesenbaume, der nach dem Glauben der Sachsen das Weltall trug. Da baten die berfallenen um Frieden mid stellten Geiel. Karl ging diesen Frieden jetzt um so lieber ein, weil ihn gerade neue Unruhen nach Italien riefen.
17. Karl erobert das longobardische Reich (774).
In Paota, der Hauptstadt des Longobardenreiches, herrschte nach dem Tode Aifulf's Desiderius. Karl hatte dessen Toch-tcr zur Gemahlin genommen, dieselbe aber schon nach dem ersten Jahre ihm zurckgeschickt. Darber wurde Defiderius hchst ausgebracht und schwur dem treulosen Gemahle seiner Tochter bittere Rache. Gegen ihn selbst wagte er zwar ffentlich nichts zu unternehmen, heimlich aber warb er eine Partei fr die beiden Shne des verstorbenen Karlmann, welche sich mit ihrer
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karlmann
49
hatte. Ein Prophet dieser Seele, der Bäcker Johann
Matthisen aus Hartem, kam mit seinem eifrigsten Apostel,
Johann Bockelsohn, früher Schneider, dann Schenkwirth
und Dichter, aus Leiden nach Münster, wo gerade damals der
Prediger Rottmann die Reformation verbreitete und mit
seinem Anhänge hier einen ähnlichen Sturm gegen den Katho-
licismus veranlaßte, wie damals Karlstadt in Wittenberg.
Das betrübende Bild, welches die durch innere Parteiungen
zerrissene Stadt darbot, hatte die Sehnsucht nach einem besseren
Zustande der Dinge rege gemacht. Da kamen die Wiedertäufer
und predigten ihnen ihre Grundsätze von einem neu aufzurich-
tenden Reiche Christi, in welchem völlige Freiheit und Gleich-
heit herrsche. Das trügerische Zauberbild zog die Gemüther
der aufgeregten und neuerungssüchtigen Menge an. Viele
ließen sich durch den abermaligen Empfang der Taufe zu
Bürgern des neuen Reiches einweihen. Auch Rottmann schloß
sich an die Wiedertäufer. Der Bischof und das Domkapitel
flohen aus der stürmisch bewegten Stadt.
Bald hatten die Wiedertäufer die Ueberhand, und der
Schneider Johann von Leiden und der Tuchmacher Knip-
perd olling, nachmals der Catilina der unglücklichen Stadt
genannt, spielten jetzt die Hauptrolle. Furchtbar begann das
abenteuerliche Reich; Kirchen und Klöster wurden rein aus-
geplündert, zum Theil zerstört, Heiligthümer mit Füßen ge-
treten, Bilder und Statuen zerschlagen, schriftliche Urkunden
und Denkmäler zerrissen, alle Bücher, bis auf Luther's Bibel,
auf öffentlichem Markte verbrannt. Nichts sollte übrig bleiben,
was an den früheren Zustand erinnern konnte. Alsdann
wurde förmliche Gütergemeinschaft und Vielweiberei eingeführt.
Die längst verheißene Freiheit aber endete in der Schreckens-
herrschaft des Johann von Leiden, der nun als Prophet und
König auftrat, da Matthisen bei einem Ausfälle aus der Stadt
geblieben war. Auf dem Markte stand für ihn der „Stuhl
David's" aufgerichtet. Täglich wurden die ausgesuchtesten
Hinrichtungen wie ein öffentliches Schauspiel aufgeführt. Der
Weiter's Wcltgesch. Iii. 16. Aust. 4
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Extrahierte Personennamen: Johann Apostel Johann_Bockelsohn Johann Schneider Schenkwirth Rottmann Karlstadt Rottmann Schneider_Johann_von_Leiden Johann Johann_von_Leiden Johann
Extrahierte Ortsnamen: Wittenberg Christi Luther's_Bibel
242
und Erbrichter vorstanden, suchten sich dieser Oberherrlichkcit
ganz zu entziehen. Da beschloß Leopold, das abtrünnige Volk
zu züchtigen und so die C'hre des Hauses Oesterreich zu rächen.
Er rief sein Kriegsvolk zusammen, um — wie er höhnisch sagte
— die Schweizcrbanern mit dem Fuße zu zertreten. Denn
er meinte, schon der Anblick seiner geharnischten Scharen würde
die Hirten erschüttern, welche, ungewohnt des Krieges, kein an-
deres Geschäft, als die ruhige Pflege ihrer Heerdcn kannten.
In stolzer Zuversicht zogen die österreichischen Ritter, alle vom
Kopfe bis zu den Füßen gepanzert, mit hochwallenden Helm-
büschen und klirrenden Lanzen durch die Hohlwege der Alpen
gerade auf Schwyz los.
Allein auch der friedliche Hirt wird zum muthigen Strei-
ter, wenn ihn das theure Vaterland unter seine bedrängte Fahne
ruft. Schnell eilten die Männer von Uri und Unterwalden
denen aus Schwyz zu Hülfe; dennoch kam nur ein Häuflein
von dreizehnhundert Mann zusammen. Aber der Muth ersetzte
die Menge, und die Oertlichkeit begünstigte die leichtbewaffneten
Hirten mehr, als die schwer gerüsteten Ritter. Die Schweizer
besetzten den Engpaß Morgarten, der sich zwischen dem Berge
Deorgarten und dem Agerisee hinzieht. Hiedurch ging der
glänzende Zug der Ritter. Und als der Paß zwischen Berg
und See mit Menschen und Pferden dicht angefüllt war, da
erhoben sich die Dreizehnhundert. Mit lautem Geschrei wälzten
sie mächtige Stcinblöcke von der Höhe des Berges hinab und
schleuderten andere mit großer Leibeskraft mitten in den ge-
drängten Haufen. Da entstand eine gräuliche Verwirrung im
Hohlwege. Die Pferde wurden scheu und drängten zurück auf
das nachfolgende Fußvolk, andere sprengten in den See. In
diesem Augenblicke rannten die Schweizer herunter und fielen
in vollem Laufe den Feinden, die sich in dem beengten Raume
kaum rühren tonnten, in die Seite, schlugen mit Keulen drein
und stachen mit Hellebarden die Ritter von den Pferden. Da
sanken viele der Grafen und Ritter und Edelen aus Leopold's
Heere entseelt zu Boden. Auch Landenberg war unter ihnen.
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279
Am furchtbarsten waren die Osmanen durch ihr vortreffliches
Fußvolk, das schon von Orchau errichtet, aber von Murad ver-
vollkommnet ward. Hiezu nahm der Sultan die schönsten und
stärksten Christenjünglinge und ließ sie im Islam und in den
Waffen erziehen. Er beschenkte sie reichlich, verbot ihnen aber
zu heirathen; denn sie sollten nur ihm und dem Kriege leben.
Sie wohnten in Kasernen zusammen, wo sie in klösterlicher Zucht
zum Gehorsam, zur Enthaltsamkeit und zu steter Waffenübung
angehalten wurden. Ein Derwisch segnete sie ein und gab ihnerr
den Namen Janitscharen, d. i. neue Krieger. Ihrer unge-
stümen Tapferkeit vermochte lange keine Gewalt zu widerstehen.
An ihrer Spitze eroberte Murad Macedonien, Albanien und
Servien. Nach ihm drang Bajesid (1389—1402), welcher
wegen der Schnelligkeit seiner siegreichen Züge Jilderim d. i.
Blitz genannt wurde, in Thessalien ein und näherte sich selbst
der Hauptstadt Constantinopel. Die Gefahr für ganz Europa
ward immer drohender, und doch konnten sich die abendländischen
Fürsten lange nicht entschließen, dem griechischen Kaiser gegen
den keck vordringenden Feind Hülfe zu leisten. Endlich zog
Sigismund, der damalige König von Ungarn, derselbe, wel-
cher nachher auch deutscher Kaiser wurde, mit einem ungarischen
und französischen Heere gegen die Türken; allein er erlitt eine
fürchterliche Niederlage in der Schlacht bei Nikopolis, in der
Bulgarei (1396). Schon Bajesid würde Constantinopel erobert
haben, wäre nicht über den mächtigen Eroberer ein noch mäch-
tigerer gekommen. Der war Timur, gewöhnlich Timur lenk, d. i.
der lahme Timur, genannt, der Anführer mongolischer Horden,
ein Nachkomme des mächtigen Dschengis - Khan (1369 — 1405).
Sein Vater nannte ihn Timur, d. i. Eisen; denn eisern war
sein Sinn und Leben. Nachdem er sich den größten Theil
Asiens unterworfen hatte; wandte er sich gegen den Sultan
Bajesid. Er schlug ihn bei Ancyra (Angora) in Kleinasien
(1402), nahm Bajesid selbst gefangen und führte ihn in einer
vergitterten Sänfte auf seinen Zügen mit sich fort. Derselbe
starb aber schon im nächsten Jahre.
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240
rung im Nütli angesehen, und jener Sage gemäß der Schütze
Tell als Nationalheld und Befreier des Vaterlandes weit und
breit gepriesen.*)
Kurze Zeit nach dem Abschlüsse dieses Schutzbündnisses
wurde Albrecht I., im sechzigsten Jahre seines thatenreichen Le-
bens durch die Hand eines nahen Verwandten ermordet. Der
junge Johann von Schwaben, der Sohn von Albrecht's ver-
storbenem Bruder Rudolf, grollte seinem Oheim und Vormund,
weil dieser ihm das väterliche Erbe in Schwaben nicht so frühe
übergeben wollte, als cs im Wunsche des durch böse Gesellschaft
verdorbenen Jünglings lag. Er verband sich mit vier jungen
Rittern, und die Verschworenen ermordeten den Kaiser am 1.
Mai 1308 unweit der Habsburg an der Neuß. Seit dieser
Gräuelthat führte Johann den Namen Parriclda, d. i. Verwand-
tenmörder. Man sah ihn von dem Tage ab nicht wieder.
Heinrich Vii. von Luxemburg (1308—1313). —
Die deutschen Fürsten wählten keinen von Albrecht's Söhnen,
sondern wieder einen minder mächtigen, aber tapferen und die-
deren Ritter, den Grafen Heinrich von Luxemburg, einen Bru-
der des Erzbischofes von Trier. Zuerst suchte er die Ruhe im
Reiche herzustellen, that die Mörder Albrecht's in die Acht und
ertheilte den von der habsburgischcn Laudgrafschaft Aargau ab-
hängigen Gemeinden in den drei schweizerischen Urkantonen bis
auf weitere Verfügung die Freiheit. Sehr lag cs ihm am Her-
zen, feine nur unbedeutende Hausmacht zu erweitern, und das
gelang ihm auch. Durch die Vermählung seines Sohnes Jo-
hann mit Elisabeth, der Enkelin Ottokar's, Königes
von Böhmen, gewann er die böhmische Krone.
*) So wird die Geschichte von Tell in alten Erzählungen berichtet.
Aber diese Erzählungen sind nicht gleichzeitig mit den Begebenheiten, und
die Wahrheit der auch bei den Dänen und Isländern vorkommenden
Erzählung von dem Schusse nach dem Apfel ist schon längst in Zweifel
gezogen worden.
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Extrahierte Personennamen: Albrecht_I. Albrecht_I. Johann_von_Schwaben Johann Rudolf Rudolf Johann Johann Heinrich_Vii Heinrich Heinrich_von_Luxemburg Heinrich
258
h. Schrift im Munde. Im Jahre 1420 streiften wieder sieben-
zigtausend Mann ihrer wilden Rotten sengend und mordend,
plündernd und verheerend umher durch Sachsen. Niedergebrannte
Burgen, Dörfer und Städte bezeichneten ihren Weg. Männer,
Weiber und Kinder wurden ohne Schonung niedergemacht. Als
das verheerte Land der Menge nicht mehr Beute und Nahrung
geben konnte, nahm sie ihren Zug nach Franken und Bayern
und verbreitete ihre Gräuel an den Ufern der Saale. Hun-
dert Städte und Burgen, fünfzehnhundert Dörfer wurden von
dem grimmigen Feinde auf dieser Fahrt verheert, und viele er-
standen nicht wieder aus Schutt und Asche. Auf dreitausend
Wagen führte der Sieger seine Beute, den ganzen Glückstand
seiner Nachbaren, in die böhmischen Wälder. Prokopius der
Große und Prokopius der Kleine waren auf diesen Ver-
wüstungszügcn die Anführer; denn Ziska war bereits im Jahre
1424 an der Pest gestorben. Der Papst ließ gegen sie, wie
einst gegen die Türken, das Kreuz predigen; aber wie Spreu
vom Winde wurden die Kreuzheere zerstreuet. Da endlich sah
man ein, daß mit Gewalt gegen die Hussiten nichts auszurichten
sei, und man suchte sich in der Güte mit ihnen zu vergleichen.
Im Jahre 1431 wurde eine neue Kirchenvcrsammlung zu Basel
gehalten und friedliche Unterhandlungen mit den Hussiten an-
geknüpft. Wenngleich der größte Theil des böhmischen Volles,
der langen Gräuelthaten müde, für die Annahme des Vergleiches
war; so wollte doch der andere in seiner Wuth von keinem Ver-
gleiche hören. Hierüber entspann sich ein Krieg unter den Hus-
siten selbst. Die Feinde de§ Friedens wurden überwunden, die
beiden Prokope fielen in der Schlacht. Nun erst, im Jahre
1434, kam der Vergleich glücklich zu Stande. Der Genuß des
Abendmahles unter beiden Gestalten wurde ihnen zugestanden.
Der Kaiser Sigismund wurde jetzt auch als König von Böh-
men anerkannt; aber nur ein Jahr saß er auf diesem Throne;
denn schon im folgenden Jahre 1437 starb er.
Wegen der vielen Kriege, welche der Kaiser Sigismund
während der ganzen Dauer seiner Regierung zu führen hatte,
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