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Fest war auch der Glaube an die Genien oder Schutz--
geister der Menschen, welche dieselben von der Geburt bis zum
Tode durch das Leben begleiten, ihre Freuden und Leiden thei-
len. Der Römer schwur bei seinem Genius und brachte ihm
besonders am Geburtstage Weihegeschenke zum Opfer. Auch
den Manen, oder den Seelen der Verstorbenen, war als hö-
heren Wesen ein jährliches Fest (feralia) geweiht. Die P a r-
een galten als Schicksalsgöttinnen, welche das Unabänderliche
bezeichneten, was dem Menschen von Geburt an beschieden ist. —
Auch viele abstrakte Begriffe wurden personificirt und göttlich
verehrt, wie 8alus, Pax, Concordia, Libertas, Victoria, Termi-
nus, besonders auch moralische Eigenschaften, wie Virtus, Pietas,
Pudicitia, Virtus, Honos, Spes, vor Allem aber die Fides.
Der Religion standen Priester vor, bte zum Theil beson-
dere Collegien bildeten und sich durch Wahl selbst ergänzten.
Übrigens konnten die Staatspriester zugleich die höchsten bürger-
lichen Ämter verwalten, waren aber ohne diese Privatpersonen.
Ein besonderes Collegium bildeten 1) die Pontifices, deren
anfangs 4, später 8, und seit Sulla 15« waren. Sie führten
die Aufsicht über den ganzen öffentlichen und Privatgottesdienst,
wie über die gesammte Priesterschaft, entschieden über kirchliche
Rechtsfälle und ergänzten sich durch Cooptation. Ihre In-
signien waren die Toga präterta und ein kegelförmiger Hut.
Der Vorsteher dieses Collegiums, der Pontifer marimus, regu-
lirte den Kalender, verkündete die Feste und schrieb die annales
maximi. 2) Die Augures, die sich ebenfalls selbst ergänzten
und als Auszeichnung eine purpurne Trabea trugen. Sie muß-
ten aus gewissen Zeichen oder Erscheinungen den Willen der
Götter deuten; denn keine Sache von Wichtigkeit wurde in Rom
und in ganz Italien ohne Befragung der Götter und Beobach-
tung ihrer Zeichen unternommen. Solcher Zeichen gab es vor-
züglich 3 Arten: a) atmosphärische Erscheinungen, wie Donner,
Blitz, Sternschnuppen; b) der Flug und das Geschrei gewisser
Vögel. Zu dem Ende wählte der Augur einen freien Stand-
punkt (templum) und bezeichnte mit einem Krummstabe (lituus)
die Himmelsgegend, von woher der Vogelflug glücklich oder un-
heilvoll war; c) das Fressen gewisser heiliger Thiere, besonders
Hühner. Weissagungen aus den Eingeweiden (Herz, Leber re.)
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von Opferthieren wurde von den Haruspices vollbracht, die
aber kein besonderes Collegium bildeten; 3) die Vorsteher der
sibp klinischen Bücher, deren anfangs 2, duumviri sacro-
rum genannt, dann 10, seit Sulla 15 waren, mußten in bedenk-
lichen Tagen auf Befehl des Senats die von Tarquinius super-
bus angekauften Bücher nachschlagen. 4) Die 20 Fecialen
(S. 51), deren Vorsteher pater patratus hieß. Sie mußten
Kriege feierlich ansagen, Friedensschlüsse und Bündnisse im Na-
men des römischen Volkes beschwören. 5) Die Vestalischen
Jungfrauen (S. 51), anfangs 4, seit Tarquinius Priscus 6,
standen unter Aufsicht des Pontifer marimus, von welchem sie
in einem Alter von 6 bis 10 Jahren gewählt wurden. Sie
mußten 30 Jahre in der Göttin Dienst bleiben, den sie in den
10 ersten Jahren lernten, in den folgenden 10 verrichteten und
in den letzten 10 lehrten. Sie trugen ein weißes Gewand und
eine Stirnbinde (infula). 6) Die Salier (S. 51). 7) Die
arvalischen Priester (lratres arvales), 12 an Zahl, muß-
ten jährlich der Ceres ein besonderes Opfer bringen und hiemit
die Weihe der Felder verbinden. 8) Die Luperci, Priester
des Pan, feierten die Lupercalia zur Entsündigung der Heerden
und ihrer Hirten.
Die Priester für den Tempeldienst einzelner Gottheiten hie-
ßen Fla min es, und ihrer waren 15. Den Vorrang unter
ihnen hatten die Priester der drei obersten Schutzgottheiten Rom's,
des Jupiter, des Mars und Quirinus (Hamen Dialis, Martia-
lis, Quirinalis), und unter diesen war wieder der Priester des
Jupiter, der Flamen Dialis, der erste. Dieser und die vesta-
lischen Jungfrauen hatten auch Lictoren. (S. 52). — Zur Be-
sorgung der von den Königen dargebrachten Staatsopfer wurde
nach Abschaffung der königlichen Regierung ein besonderer Op-
ferkönig (rex saerorum) eingesetzt (S. 73).
Der Cultus, welcher entweder den ganzen Staat oder
einzelne Familien und Personen betraf, bestand in Gebeten und
Gelübden, in Opfern und Begehung von Festen und Spielen
zu Ehren der Götter. Die Hauptfeste kehrten regelmäßig an
bestimmten Tagen des Jahres wieder; andere wurden bei be-
sonderen Veranlassungen vom Magistrate besonders angeordnet.
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tungen wurde er der Stifter und Ordner der römischen Staats-
religion. Mit Wohlthun begann seine Herrschaft. Er vcrtheilte
die von Romulus eroberten Ländereien, weihete die Grenzsteine,
zur Sicherung des Eigenthums, dem Jupiter Terminalis und
stiftete das Fest der Terminalien, welches die Nachbarn in ge-
selliger Freude feierten. Er bauete Tempel und Altäre, beson-
ders den Janus- oder Friedcntempel, der nur im Kriege für
Gebete um Frieden offen sein sollte. Unter seiner friedlichen
Regierung blieb derselbe geschlossen. Er stiftete religiöse Fest-
lichkeiten und Opfer und suchte überhaupt ein friedliches, auf
Religion gestütztes Volksleben zu begründen. Unter ihm wurden
auch mehre Priestercollegien gegründet, unter andern: 1. die
Pontifices, welche die Aufsicht über das ganze Religions-
wesen hatten und zugleich eine gewisse Gerichtsbarkeit ausübten
über Personen und Sachen, die mit dein Cultus in näherer Ver-
bindung standen. Der Pontifices waren seit Numa's Bestim-
mung vier, wahrscheinlich aus jedem der beiden älteren Stämme,
Ramnes und Tities, zwei. An ihrer Spitze als Fünfter stand
ein Pontifer Marimus. — 2. Die Vestalischen Jung-
frauen, welche hochgeehrt das heilige Feuer der Vesta bewach-
ten, aber auch das verletzte Gelübde der Keuschheit mit der
furchtbaren Strafe, lebendig begraben zu werden, büßen mußten.
Unter Numa waren derselben vier, je zwei aus jedem der älte-
ren Tribus. — 3. Die Fecialcn,-) deren zwanzig waren.
Durch sie wurden Bündnisse und Friedensverträge geschlossen
und Kriege feierlich angekündigt/ — 4. Die Salier, zwölf an
der Zahl und Priester des Mars, bewahrten den vom Himmel
') Tie Ableitung ist unbestimmt. Der Pontifex Mucius Scävola
leitet es von posse et facere ab; Varro von pons, weil von jenen Dfceiv,
Priestern der pons Sublicius zuerst erbaut und dann oft wieder hergcstcllt
sei, um diesseits und jenseits der Tiber Opfer bringen zu können; und
die Griechen übersetzen es mit ytcpvqonoioi. Aber jene Brücke soll erst
von Ancus Martius erbaut worden sein. Andere nehmen cs für pom-
pifices, wodurch ihre Leitung aller gottesdienstlichen Aufzüge und Ceremo-
nien bezeichnet sein würde.
2) Wohl von foedus facere abzuleiten. — Ac belli quidem aequitas
sanctissime fetiali populi Rom. jure praescripta est. Cic. de off. I. 11.
— Übrigens schreibt Cicero selbst ihre Einsetzung dem Könige Tullus
Hostilius zu (de.rep. Ii. 31.)
4*
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nerva vollenden und denselben mit ehernen Götter- und Königs-
bildern ausschmücken. In einem unterirdischen Gewölbe dieses
Tempels wurden auch die sibillinischen Schicksalsbücher aufbe-
wahrt, in deren Besitz der König auf folgende Art gekommen
sein soll. Einst kam eine unbekannte Alte zu ihm und bot ihm
neun Bücher zu einem außerordentlich hohen Preise an. Weil
der König sie nicht so theuer bezahlen wollte, verbrannte sie drei
derselben, kam dann zum Könige zurück und verlangte die vorige
Summe für die noch übrigen. Wiederum abgewiesen verbrannte
sie abermals drei und erneuerte nun das Anerbieten der drei
letzten unter denselben Bedingungen. Das fiel dem Könige auf,
und nun fragte er seine Auguren. Man erkannte die Bücher
für die Orakel der Sibille von Cumä. Tarquin kaufte sie, und
die Alte verschwand. Diese Bücher, welche als ein Kleinod in
den Händen des Königs und nachmals in Verwahrung des Se-
nats blieben, zog man bei Bedrängnissen und Gefahren zu Rathe
und wußte darin jedes Mal die dienlichsten Orakelsprüche für
das Interesse des Staates zu finden.
Eines Tages setzte eine furchtbare Erscheinung im königli-
chen Palaste die ganze Familie in Angst und Schrecken. Eine
Schlange schlüpfte aus einer hölzernen Säule und raubte das
auf den Altar gelegte Opferfleisch. Bange Ahnung beunruhigte
den König, und er beschloß, das Orakel zu Delphi zu Rache
zu ziehen. Er schickte zwei seiner Söhne mit kostbaren Weih-
geschenken dahin, und gab ihnen seiner Schwester Sohn, den
L. Junius Brutus, zum Begleiter. Dieser spielte, um sein
Leben zu retten, die Rolle eines Blödsinnigen, seitdem sein älte-
rer Bruder vom Könige war ermordet worden. Auch er brachte
dem delphischen Gotte ein Weihgeschenk, seinen hölzernen Stab
nämlich, der aber einen goldenen in sich schloß — ein Sinnbild
seiner selbst!
Als die Jünglinge den Auftrag des Vaters vollzogen hatten,
trieb sie die Neugierde, das Orakel zu befragen, wer nach dem
Vater in Rom regieren würde. Derjenige — war die Antwort
— welcher zuerst die Mutter küssen wird. Die Brüder beschlos-
sen, hierüber das Loos entscheiden zu lassen. Brutus aber hatte
den Sinn des Orakels anders aufgefaßt. Er warf sich unter
dem Scheine, als wäre er über etwas gestolpert, zu Boden und
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in den andern spter. Die meisten bildeten mit der Zeit eben so viele Republiken oder Freistaaten, in denen eine be-stimmte Zahl Brger, die das Volk aus seiner Mitte whlte, abwechselnd die Negierung fhrte.
45, Vereinignngspunkte smmtlicher griechischer Staaten.
Ungeachtet der Zerstckelung des Landes in eine Menge kleiner unabhngiger Staaten hrten doch die Griechen nicht auf, sich fortwhrend als eine ungeteilte Nation zu betrachten. Auer der gemeinsamen Sprache, dem festen Bindungsmittel einer jeden Nation, gab es vorzglich drei Einrichtungen, welche den Nationalsinn bei ihnen rege hielten und die traurigen Fol-gen der Eifersucht und Zwietracht milderten, die aus jener Zerstckelung nothmendig hervorgehen muten. Diese waren: die gemeinsame Religion (Mythologie) berhaupt und die Orakel insbesondere, die Amphiktyonieu und die Nationalspiele.
1) Die gemeinsame Religion. Die Griechen verehrten nicht wie wir einen einzigen Gott, sondern mehre Götter und Gttinnen. Diese bedeuteten eigentlich nur die Krfte und Mchte der uns umgebenden sichtbaren Natur, durch welche unser Leben sowohl erhalten als auch bedroht wird. In der Stimmung eines ungewhnlich erhhten Lebensgefhles glaub-ten sie daher auch den Gott unmittelbar selbst in ihrer Brust zu fhlen, im Donner ihn zu hren, im Wehen der Lfte zu empfinden, in der rieselnden Quelle ihn zu vernehmen. Sie dachten sich ihre Götter ganz menschlich, mit allen Vorzgen; und Gebrechen der menschlichen Natur; nur an Macht ragten sie der diesen empor. Wer ihnen Opfer brachte, sie anslehete und den Weg der Tugend wandelte, dem waren sie gewogen? den Frevler ereilte ihre Strafe. Die Priester standen als Diener der Gottheit und Vorsteher der Religion im hchsten Ansehen-Man glaubte, da die Götter sie ihres persnlichen Umganges wrdigten und ihre Gebete am ersten erhrten. Der Glaube
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Quirinlis, der Wohnsitz der Sabiner, wurde mit in das Gebiet der Stadt Rom gezogen, und die Rmer und Sabiner bildeten seitdem unter dem gemeinschaftlichen Namen Qu irrten die rmische Brgergemeinde. So vergrerte sich die Zahl der Bewohner, wie der Umfang des neuen Staates.
Es lie sich aber voraussehen, da der herrschschtige Ro-mulus, der nicht einmal seinen Bruder hatte neben sich dulden knnen, gewi nicht lange mit einem Fremden den Thron thei-len wrde. Tatius wurde nach sechs Iahren beim Opferfeste zu ! aoimunt von der erzrnten Volksmenge daselbst im Auflaufe . erschlagen, nicht ohne den Verdacht, da es auf heimliche Ver-anstaltungen des Romulus geschehen sei. Bald wurde Romulus | selbst ein Opfer seiner Herrschsucht. Als er auf dem Felde vor den Thoren eine allgemeine Heeresmusterung hielt, und ein pltzliches Ungewitter die erschrockenen Haufen des Volkes aus-einander trieb, wurde er im Getmmel vermit. Das Volk wurde unruhig und forderte Rechenschaft von den Senatoren. Diese gaben vor, er sei bei dem schrecklichen Ungewitter unter Donner und Blitz gen Himmel gefahren. Ja, ein Senator ver-sicherte in ffentlicher Volksversammlung mit scheinbarer Ver-wunderung: Romulus Geist sei ihm diesen Morgen in glorreicher Gestalt vom Himmel erschienen, habe Roms Brgern Glck und Segen verkndet und verlangt, da sie ihn, jetzt zum Gott erhoben, auch gttlich, unter dem Namen Quin-nus, verehren sollten. Von nun an verehrte ihn das Volk wirklich als einen Gott und verga, da er vielleicht von den herrschschtigen Senatoren ermordet sei.
78. Numa Pompilius (715672).
Nach dem Tode des Romulus bernahm der Senat ein ganzes Jahr hindurch die Regierung. Jedes einzelne Mitglied desselben fhrte in wechselnder Ordnung auf fnf Tage die knigliche Macht sowohl als Auszeichnung. Htte das Volk dazu geschwiegen, so wrde wohl gar kein König wieder
i
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jhrlich dreihundert Pferde als Tribut zu liefern und das unter ihnen angefangene Bekehrungswerk nicht zu hindern. Aber kaum hatte der Sieger den Rcken gewandt, so erschlugen sie ihre Bekehrer, verbrannten die Kirchen und kehrten jauchzend in die Wlder zu den Altren ihrer vaterlndischen Götter zurck. Karl sah wohl ein, da ohne vllige Unterwerfung dieser ge-fhrlichen Nachbaren keine Ruhe, keine Sicherheit fr sein eigenes Reich zu gewinnen sei. Auch hielt er sich als Christ im Gewissen verpflichtet, das Heidenthum und insbesondere die grausamen Menschenopfer unter den Sachsen auszurotten und diese mit Gewalt zur Annahme des Christenthums zu zwingen. Auf einer groen Reichs Versammlung zu Worms, im Jahre 772, wurde der Krieg gegen sie beschlossen. Damals ahnete Karl wohl nicht, da dieser Krieg mit geringer Unterbrechung einunddreiig Jahre dauern wrde.
Auf des Knigs Ruf griffen die Franken gegen ihre alten Feinde frendig zu den Waffen. Wie ein verheerender Strom brachen sie in das unvorbereitete Sachsen ein und berfluteten die Beste Ehresburg, einen den Sachsen heiligen Ort. Hier war der Hauptsitz ihrer Götter und Priester, ihrer Volksfeste und Zu-sammenknste. Hier war der heilige Hain mit der Jrmensnl oder Jrmensnle, einem Riesenbaume, der nach dem Glauben der Sachsen das Weltall trug. Da baten die berfallenen um Frieden mid stellten Geiel. Karl ging diesen Frieden jetzt um so lieber ein, weil ihn gerade neue Unruhen nach Italien riefen.
17. Karl erobert das longobardische Reich (774).
In Paota, der Hauptstadt des Longobardenreiches, herrschte nach dem Tode Aifulf's Desiderius. Karl hatte dessen Toch-tcr zur Gemahlin genommen, dieselbe aber schon nach dem ersten Jahre ihm zurckgeschickt. Darber wurde Defiderius hchst ausgebracht und schwur dem treulosen Gemahle seiner Tochter bittere Rache. Gegen ihn selbst wagte er zwar ffentlich nichts zu unternehmen, heimlich aber warb er eine Partei fr die beiden Shne des verstorbenen Karlmann, welche sich mit ihrer
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karlmann
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hatte. Ein Prophet dieser Seele, der Bäcker Johann
Matthisen aus Hartem, kam mit seinem eifrigsten Apostel,
Johann Bockelsohn, früher Schneider, dann Schenkwirth
und Dichter, aus Leiden nach Münster, wo gerade damals der
Prediger Rottmann die Reformation verbreitete und mit
seinem Anhänge hier einen ähnlichen Sturm gegen den Katho-
licismus veranlaßte, wie damals Karlstadt in Wittenberg.
Das betrübende Bild, welches die durch innere Parteiungen
zerrissene Stadt darbot, hatte die Sehnsucht nach einem besseren
Zustande der Dinge rege gemacht. Da kamen die Wiedertäufer
und predigten ihnen ihre Grundsätze von einem neu aufzurich-
tenden Reiche Christi, in welchem völlige Freiheit und Gleich-
heit herrsche. Das trügerische Zauberbild zog die Gemüther
der aufgeregten und neuerungssüchtigen Menge an. Viele
ließen sich durch den abermaligen Empfang der Taufe zu
Bürgern des neuen Reiches einweihen. Auch Rottmann schloß
sich an die Wiedertäufer. Der Bischof und das Domkapitel
flohen aus der stürmisch bewegten Stadt.
Bald hatten die Wiedertäufer die Ueberhand, und der
Schneider Johann von Leiden und der Tuchmacher Knip-
perd olling, nachmals der Catilina der unglücklichen Stadt
genannt, spielten jetzt die Hauptrolle. Furchtbar begann das
abenteuerliche Reich; Kirchen und Klöster wurden rein aus-
geplündert, zum Theil zerstört, Heiligthümer mit Füßen ge-
treten, Bilder und Statuen zerschlagen, schriftliche Urkunden
und Denkmäler zerrissen, alle Bücher, bis auf Luther's Bibel,
auf öffentlichem Markte verbrannt. Nichts sollte übrig bleiben,
was an den früheren Zustand erinnern konnte. Alsdann
wurde förmliche Gütergemeinschaft und Vielweiberei eingeführt.
Die längst verheißene Freiheit aber endete in der Schreckens-
herrschaft des Johann von Leiden, der nun als Prophet und
König auftrat, da Matthisen bei einem Ausfälle aus der Stadt
geblieben war. Auf dem Markte stand für ihn der „Stuhl
David's" aufgerichtet. Täglich wurden die ausgesuchtesten
Hinrichtungen wie ein öffentliches Schauspiel aufgeführt. Der
Weiter's Wcltgesch. Iii. 16. Aust. 4
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Extrahierte Personennamen: Johann Apostel Johann_Bockelsohn Johann Schneider Schenkwirth Rottmann Karlstadt Rottmann Schneider_Johann_von_Leiden Johann Johann_von_Leiden Johann
Extrahierte Ortsnamen: Wittenberg Christi Luther's_Bibel
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und Erbrichter vorstanden, suchten sich dieser Oberherrlichkcit
ganz zu entziehen. Da beschloß Leopold, das abtrünnige Volk
zu züchtigen und so die C'hre des Hauses Oesterreich zu rächen.
Er rief sein Kriegsvolk zusammen, um — wie er höhnisch sagte
— die Schweizcrbanern mit dem Fuße zu zertreten. Denn
er meinte, schon der Anblick seiner geharnischten Scharen würde
die Hirten erschüttern, welche, ungewohnt des Krieges, kein an-
deres Geschäft, als die ruhige Pflege ihrer Heerdcn kannten.
In stolzer Zuversicht zogen die österreichischen Ritter, alle vom
Kopfe bis zu den Füßen gepanzert, mit hochwallenden Helm-
büschen und klirrenden Lanzen durch die Hohlwege der Alpen
gerade auf Schwyz los.
Allein auch der friedliche Hirt wird zum muthigen Strei-
ter, wenn ihn das theure Vaterland unter seine bedrängte Fahne
ruft. Schnell eilten die Männer von Uri und Unterwalden
denen aus Schwyz zu Hülfe; dennoch kam nur ein Häuflein
von dreizehnhundert Mann zusammen. Aber der Muth ersetzte
die Menge, und die Oertlichkeit begünstigte die leichtbewaffneten
Hirten mehr, als die schwer gerüsteten Ritter. Die Schweizer
besetzten den Engpaß Morgarten, der sich zwischen dem Berge
Deorgarten und dem Agerisee hinzieht. Hiedurch ging der
glänzende Zug der Ritter. Und als der Paß zwischen Berg
und See mit Menschen und Pferden dicht angefüllt war, da
erhoben sich die Dreizehnhundert. Mit lautem Geschrei wälzten
sie mächtige Stcinblöcke von der Höhe des Berges hinab und
schleuderten andere mit großer Leibeskraft mitten in den ge-
drängten Haufen. Da entstand eine gräuliche Verwirrung im
Hohlwege. Die Pferde wurden scheu und drängten zurück auf
das nachfolgende Fußvolk, andere sprengten in den See. In
diesem Augenblicke rannten die Schweizer herunter und fielen
in vollem Laufe den Feinden, die sich in dem beengten Raume
kaum rühren tonnten, in die Seite, schlugen mit Keulen drein
und stachen mit Hellebarden die Ritter von den Pferden. Da
sanken viele der Grafen und Ritter und Edelen aus Leopold's
Heere entseelt zu Boden. Auch Landenberg war unter ihnen.
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rung im Nütli angesehen, und jener Sage gemäß der Schütze
Tell als Nationalheld und Befreier des Vaterlandes weit und
breit gepriesen.*)
Kurze Zeit nach dem Abschlüsse dieses Schutzbündnisses
wurde Albrecht I., im sechzigsten Jahre seines thatenreichen Le-
bens durch die Hand eines nahen Verwandten ermordet. Der
junge Johann von Schwaben, der Sohn von Albrecht's ver-
storbenem Bruder Rudolf, grollte seinem Oheim und Vormund,
weil dieser ihm das väterliche Erbe in Schwaben nicht so frühe
übergeben wollte, als cs im Wunsche des durch böse Gesellschaft
verdorbenen Jünglings lag. Er verband sich mit vier jungen
Rittern, und die Verschworenen ermordeten den Kaiser am 1.
Mai 1308 unweit der Habsburg an der Neuß. Seit dieser
Gräuelthat führte Johann den Namen Parriclda, d. i. Verwand-
tenmörder. Man sah ihn von dem Tage ab nicht wieder.
Heinrich Vii. von Luxemburg (1308—1313). —
Die deutschen Fürsten wählten keinen von Albrecht's Söhnen,
sondern wieder einen minder mächtigen, aber tapferen und die-
deren Ritter, den Grafen Heinrich von Luxemburg, einen Bru-
der des Erzbischofes von Trier. Zuerst suchte er die Ruhe im
Reiche herzustellen, that die Mörder Albrecht's in die Acht und
ertheilte den von der habsburgischcn Laudgrafschaft Aargau ab-
hängigen Gemeinden in den drei schweizerischen Urkantonen bis
auf weitere Verfügung die Freiheit. Sehr lag cs ihm am Her-
zen, feine nur unbedeutende Hausmacht zu erweitern, und das
gelang ihm auch. Durch die Vermählung seines Sohnes Jo-
hann mit Elisabeth, der Enkelin Ottokar's, Königes
von Böhmen, gewann er die böhmische Krone.
*) So wird die Geschichte von Tell in alten Erzählungen berichtet.
Aber diese Erzählungen sind nicht gleichzeitig mit den Begebenheiten, und
die Wahrheit der auch bei den Dänen und Isländern vorkommenden
Erzählung von dem Schusse nach dem Apfel ist schon längst in Zweifel
gezogen worden.
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Extrahierte Personennamen: Albrecht_I. Albrecht_I. Johann_von_Schwaben Johann Rudolf Rudolf Johann Johann Heinrich_Vii Heinrich Heinrich_von_Luxemburg Heinrich