42
Erster Abschnitt.
lichsten Menschen: beide Jünglinge besaßen, was sie bedurften, und waren mehrmals in den öffentlichen Spielen als Sieger gekrönt worden. Zu all dem fanden sie zuletzt noch ein glückliches Ende. Als nämlich einst die Argiver das Fest der Hera feierten, mußte die Mutter der Jünglinge, welche Priesterin war, durchaus nach dem Tempel fahren. Da aber die Stiere nicht zu rechter Zeit vom Felde kamen, spannten sich die Jünglinge selbst vor den Wagen und zogen ihn beinahe drei Stunden weit nach dem Tempel. Dort schliefen sie nach dem Mahle ein. Die Mutter aber flehte zur Göttin, sie möge ihren Söhnen den besten Segen verleihen; diese erhörte die Bitte der frommen Priesterin und nahm die Söhne, ohne daß sie erwachten, von der Erde/' Diese Erzählung fand nicht den Beifall des Krösus, sondern unwillig fragte er Solon, ob denn seine Schätze so gar nichts seien, daß er gewöhnliche Leute ihm vorziehe. Darauf versetzte Solon: „Der Mensch ist ein Spiel des Zufalls, die Gottheit neidisch, das Glück wandelbar. Du bist reich, mächtig und angesehen, o König, allein das macht nicht glücklich. Viele leben unglücklich bei großem Gute, und anderen, welche kaum ihr Auskommen haben, ergeht es wohl. Dich kann ich nicht eher glücklich preisen, als bis ich Dein Ende weiß; denn vielen hat die Gottheit das Glück vor die Augen gehalten und sie dann jämmerlich vernichtet. Niemand ist vor seinem Tode glücklich zu preisen." Dem König mißfielen die Worte des Solon so sehr, daß er sich von ihm abwandte und ihn ungnädig entließ.
Als Cyrus Herr des Mederreiches geworden war, mußte Krösus die Macht der aufstrebenden Perser fürchten. Er beschloß deshalb, die Perser von der Ostgrenze seines Reiches zurückzudrängen und seinen Schwager Astyages an denselben zu rächen. Um aber seines Erfolges sicher zu sein, fragte er bei dem Orakel des Apollo zu Delphi, das er nach genauer Prüfung für das beste hielt, über den Ausgang seines Vorhabens an, worauf er die zweideutige Antwort erhielt: „Wenn Krösus über den Halys geht, wird er ein großes
Reich zerstören." Ein zweites mal verkündete ihm das Orakel, so lange nicht ein Maultier über die Perser herrsche, werde Krösus nicht besiegt werden.
Nachdem die Ägypter, Spartaner und Babylonier Hilfe versprochen hatten, wandte sich Krösus siegesgewiß gegen Cyrus. Es kam zu einer Schlacht mit den Persern, die aber entscheidungslos blieb, worauf Krösus in sein Reich zurückkehrte. Doch Cyrus folgte ihm unerwartet, schloß ihn in seine Hauptstadt Sardes ein, eroberte dieselbe 548 und machte sich das lydische Reich unterthänig. Den Krösus hielt er als Gefangenen bei sich, behandelte ihn milde und benutzte seinen Rat.
Nach einer wenig glaubwürdigen Erzählung soll Cyrus den Krösus nach seiner Gesangennehmung zum Flammentod verurteilt haben. Schon, heißt es, schlugen die Flammen des Scheiterhaufens zu Krösus empor, da gedachte der unglückliche König der Worte des weisen Solon, und tief-
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Zweiter Abschnitt. Erster Zeitraum.
und Saitenspiel nichts zu widerstehen. Nicht bloß die Menschen wußte er zu fesseln und zu rühren, auch die Tiere des Waldes sammelten sich um ihn und lauschten den erhabenen Weisen. Die Fische tauchten aus den Fluten empor, die wilden Tiere verließen ihre düstern Schlupfwinkel, selbst Bäume und Steine bewegten sich und folgten dem göttlichen Sänger. Die Macht feiner Töne führte die Argonauten wohlbehalten durch alle Gefahren der mühevollen Fahrt und verschaffte ihm selbst Eingang in die Unterwelt, welche allen Lebenden verschlossen war. Die Gemahlin des Orpheus nämlich, Eurydike, war am Bisse einer giftigen Natter gestorben. Klagend durchzog Orpheus in seinem Schmerze die Länder der Welt, bis er an den Eingang der Unterwelt gelangte, wo ihm seine Töne Zutritt verschafften. Der wilde Höllenhund Kerberos wedelte ihm freundlich entgegen, der greise Charon setzte ihn willig über die traurigen Fluten des verhängnisvollen Styx, und die blutlosen Schatten der ganzen Unterwelt vergossen Thränen bei seinen Klageliedern. Selbst die mitleidlosen Rachegöttinnen, die Erinnyen, weinten vor Rührung; Tantalos vergaß den peinlichen Durst, der ihn quälte; Sisyphos ruhte auf seinem schweren Marmorblock; die Danaiden stellten ihre vergeblichen Anstrengungen ein, und der Geier verließ die Leber des festgeschmiedeten Prometheus. Auch den Beherrscher der Unterwelt, den finstern Hades, und seine Gemahlin, die unerbittliche Persephone, wußte Orpheus zu rühren. Sie versprachen, dem göttlichen Sänger die teure Gattin zurückzugeben, wenn er ihren Worten vertraue und sich nicht umsehe, ehe er die Oberwelt erreicht habe. Schon war Orpheus wieder bis zum Eingang in die Unterwelt zurückgelangt, da vermochte er seiner Sehnsucht nicht länger zu widerstehen. In banger Besorgnis, ob ihm die Gattin auch wirklich folge, wandte er sich um und gewahrte dicht hinter sich die geliebte Eurydike, welche vergeblich jetzt die Arme nach ihm ausstreckte und unwiderruflich in das Reich der Schatten zurücksank. Nur seinem Schmerze sich überlassend, saß er lebensmüde sieben Tage und sieben Nächte am Ufer eines Flusses und murrte über sein trauriges Geschick. In Verzweiflung durchirrte er die Länder, mied die Wohnungen der Menschen und gelangte endlich auf den wilden Hämus (Balkan). Dort trafen ihn Dienerinnen des Gottes Bacchus, die in rasender Wut über ihn herfielen und ihn zerrissen. Seine Glieder zerstreuten sie, sein Haupt warfen sie in den Fluß Hebros. Aber die Wogen trugen es an den Strand der Insel Lesbos, wo es bestattet wurde. Seitdem nisteten um die Grabstätte Nachtigallen, und ihr Lied erklang nirgends lieblicher und feierlicher.
Die Götter versetzten den Orpheus nach Elysium und vereinigten ihn mit seiner Gemahlin. Sein Ruhm verbreitete sich durch die Lande, und die kommenden Geschlechter ehrten ihn als den Vater der Gesänge.
6. Die Sage vom trojanischen Kriege.
Veranlassung. An der Nordwestküste Kleinasiens, am Fuße des Berges Jda stand in grauer Vorzeit eine blühende Stadt, welche Ilion oder Troja hieß. Über sie herrschte um 1200 v. Chr. König Prlamos mit seiner Gemahlin H^kabe (Hekuba). Glücklich und einträchtig lebte das
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§. 14, 3. Der thebanifche Sagenkreis.
87
auf und fühlte sich glücklich, bis ein Freund im Zorn ihm vorwarf, er fei nicht der Sohn des Königs sondern nur ein angenommenes Kind. Sein Stolz war gekränkt; er mochte diese Beschimpfung nicht länger ertragen und wandte sich deshalb an das Orakel zu Delphi. Dies gab ihm die Antwort, er solle die Heimat meiden, sonst werde er seinen Vater erschlagen und die eigene Mutter zur Gemahlin erhalten. Da Ödipus den Polybos und seine Gemahlin sür feine wirklichen Eltern hielt, so beschloß er, nach Korinth nicht mehr zurück zu gehen, und begab sich von Delphi nach Theben. Unterwegs kam er an eine Stelle, wo mehrere Pfade zusammenliefen und einen Kreuzweg bildeten. Hier begegnete ihm ein Wagen, worin ein angesehener Mann mit einem Herolde und drei Dienern saß. Ödipus konnte nicht wohl ausweichen, und da die Rosse ihn auf die Seite drängten, so schlug er den Wagenlenker mit seinem Stabe. Der Eigentümer des Wagens aber erwiderte diesen Angriff durch einen Peitschenhieb. Da stürmte Ödipus wütend auf die Gegner ein, tötete den Gebieter nebst seinen Gefährten und setzte dann seine Reise fort. Nur ein Diener konnte sich retten und brachte die traurige Botschaft nach Theben, König Laios sei von einem Räuber erschlagen worden. So hatte Ödipus, ohne es zu wissen, seinen eigenen Vater getötet.
Die Sphinx. In Theben übernahm jetzt Kreon, der Bruder der Königin, die Regierung, als ein noch größeres Unglück über die Stadt hereinbrach. Hera, die Königin des Himmels, sandte aus Feindschaft gegen Theben ein Ungeheuer aus, um Land und Leute gräßlich zu plagen. Es war dies eine Sphinx, oben wie eine reizende Jungfrau, unten wie eine Löwin gestaltet und an den beiden Schultern mit gewaltigen Adlerflügeln ausgerüstet. Dies Ungetüm durchzog das Land und trug unter schrecklichen Tönen ein Rätsel vor, von dessen Deutung Leben und Tod abhing. Der Inhalt desselben war: „Was ist das für ein Wesen, es hat eine Stimme, wandelt morgens auf vier, mittags auf zwei und abends auf drei Füßen einher?" Dann erklärte die Sphinx, sie sei bereit, von dem Gipfel des Berges, wo sie ihren Sitz hatte, sich in den Abgrund hinabzustürzen, wenn jemand den dunkeln Sinn ihres Spruches deuten könne. So wartete sie, und diejenigen, welche das Rätsel zu lösen außer stände waren, verfielen den Klauen des Ungetüms. Unzählige Opfer waren bereits gefallen, und noch fehlte der Retter. In dieser Not ließ Kreon bekannt machen, daß die Königin gesonnen sei, dem ihre Hand und Krone zu geben, welcher die Sphinx vernichte.
Auch Ödipus vernahm das Mißgeschick der Stadt und den Preis für die Rettung. Unverweilt begab sich der jugendliche Held zur Wohnstätte des Ungetüms, um eine Probe seines Scharfsinnes und seines persönlichen Mutes abzulegen. Kaum hatte er das verhängnisvolle Rätsel vernommen, so wußte er auch schon die Lösung und sprach: „Das redekundige Wesen ist der Mensch; am Morgen des Leben bewegt er sich auf vier Füßen, zur Mittagshöhe richtet er sich empor und wandelt auf zweien einher, und zur Zeit des Abends oder im Greisenalter benutzt er einen Stab als dritten Fuß." Bestürzt rollte das Ungetüm sofort vom Felsen und verschwand.
Ödipus wird König in Theben. Unverzüglich erhob das jauchzende Volk seinen Retter auf den erledigten Thron, und die verwitwete
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Zweiter Abschnitt. Erster Zeitraum.
Iokaste reichte dem Fremdling ohne Bedenken ihre Hand. So wurde denn der Orakelspruch seinem ganzen Umfange nach erfüllt, ohne daß Ödipus es ahnete. Eine Reihe von Jahren beglückte er seine Heimat durch eine gerechte und milde Herrschaft. Alles blühte um ihn segensvoll, als im zwanzigsten Jahre seiner Regierung eine grimmige Pest viele Tausende hinwegraffte. Jedes Mittel, der verheerenden Seuche Einhalt zu thun, war vergeblich. Da wandte sich Ödipus an das Orakel zu Delphi und bat um Aufklärung über Ursache und Heilung dieses von den Göttern verhängten Leides. Es kam der Aufschluß, daß die Pest eine Strafe der Götter sei, Welche den Thebanern zürnten, daß die Ermordung des Königs Laios un-«erächt geblieben, und nicht eher werde Rettung möglich, als bis der Mörder aufgefunden und bestraft sei. Ödipus stellte nun eifrige Nachforschungen an und erfuhr nach und nach das Geheimnis seiner Geburt, seine unglückliche Aussetzung, seine wunderbare Erhaltung und seine wirkliche Heimat. Iokaste, welche den Zusammenhang der Dinge ahnte, erhängte sich aus Verzweiflung, noch ehe die ganze Wahrheit von ihrem und des Sohnes Geschick enthüllet war. Neben ihrem Leichnam stach sich Ödipus hierauf eigenhändig -io Augen aus und mußte bald Theben verlassen.
ödtpus im Unglück» Ödipus hatte vier Kinder, zwei Söhne, Et^okles und Polyneikes, und zwei Töchter, Antigone undism6ne. Die beiden Söhne, welche sich ihres unglücklichen Vaters schämten, wandten, sobald sie die Regierung übernahmen, die Strafe der Verbannung, welche Ödipus über den Mörder des Laios schon vorher verhängt hatte, auf den eigenen Vater an und jagten ihn von Hans und Hof. Zornig sprach Ödipus den schrecklichsten Vaterfluch über die unnatürlichen Söhne aus und irrte lange unftät in der Welt umher, geleitet von seiner treu ausharrenden Tochter Antijone, bis er nach dem Flecken K 0 l 6 n 0 s bei Athen gelangte. Hier sollte er das Ziel seiner unglücklichen Wallfahrt auf Erden finden. Ein benachbarter Hain der Furien, welche die Athener als Eumenrven (d. h. die Huldreichen) verehrten, war die Ruhestätte, welche der Flüchtling erwählte. Der athenische König Th eseus erbarmte sich des schwer heimgesuchten Greises und sicherte ihm Schutz und Beistand gegen jede Verfolgung zu. Das Orakel aber hatte kurz vorher verkündet, dasjenige Land, welches in seinem Schoße die Gebeine des mit den Göttern ausgesöhnten, flüchtigen Königs von Theben bewahre und nicht rauben lasse, werde herrlich ausblühen und stets unüberwindlich fein. Als Die Thebaner diesen Ausspruch vernahmen, sandten sie Boten an i>en bisher verachteten Ödipns und luden ihn ein, seine alten Tage in Theben zu beschließen. Allein Ödipus grollte seinen Söhnen und wurde auch bald von seinem Leiden erlöst. Ein Donnerschlag verkündete ihm sein Ende; die Erde öffnete sich und nahm den lebensmüden Greis sanft und rasch in ihren Schoß auf. Theseus stand neben ihm, als dies Wunder sich ereignete, und verschwieg die bedeutungsvolle Stätte, wo Ödipus' Leiche ruhte.
Krieg der Sieben gegen Teben. Die Söhne des Ödipus, Etvoktes und Polyneikes, waren noch bei Lebzeiten des Vaters dahin übereingekommen, daß sie abwechselnd ein Jahr um das andere regieren wollten. Diesen Vertrag brach aber der ältere Bruder Et^okles noch vor Ablauf des ersten Jahres und verjagte seinen Bruder Polyneikes aus Theben. Der Flüchtige fand freundliche
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Extrahierte Personennamen: Iokaste Ödipus Iokaste Hans
§. 2. Göttersagen und Götterverehrung der Germanen. 11
Naturkraft, die Kuh Audhumbla die lebende Natur. Dmer erschafft die zerstörenden Eisriesen (Hrymtursen), Audhumbla den Gott Buri, den Vater Odins. Diner wird erschlagen; aus seinem Körper wird die Erde geschaffen. Die ersten Menschen entstehen aus einer Esche.
Die Götter. Der unsichtbare, allwaltende Gott hieß ursprünglich Allvater; an der Spitze der 12 Äsen oder Hauptgötter wurde Odin (Wodan oder Wuotan), der Gott der edlen Geschlechter oerehrt. Er galt später als Vater der Götter und Menschen, als Gott der Sonne, weshalb er nur ein Auge hatte, als Lenker der Welt, als Lehrer der Menschen in künstlichen Bauten, als Ordner der Kriege und Lenker der Schlachten. Wer nicht in Odins Diensten stand, den küßten auch nicht die Walküren. Dies waren jungfräuliche Göttinnen, welche Odin aussandte, die Helden zum Göttermahle in Walhalla zu laden, dem Aufenthalte der Seligen. Odin hieß den eintretenden Einherier (Schreckenskämpfer) willkommen, der Sänger Bragi empfing ihn mit Gesang, längst vorangegangene Volkshelden begrüßten ihn, und Bragis Gemahlin Iduna reichte ihm den Apfel der Verjüngung, der ihm wie den Göttern Kraft, Schönheit und Jugend verlieh. Die Helden durften an den Kampfspielen der Götter teilnehmen und nach dem Mahle aus ewig grünen Auen lustwandeln. Wer aber den Heldentod nicht starb, der mußte als stummer Schatten hinabwandern in das Reich der bleichen Hel, wo kein Kamps, kein Spiel, kein Trank, sondern ein trauriges Zusammensein bereitet war. Walhalla, die Sehnsucht aller tapfern Helden, war eine riefengroße Feenstadt mit 500 Thoren und 50 Pforten. Täglich ritt hier Odin mit feinen Helden aus, tummelte die lustigen Rosse mit ihnen und ergötzte sich am heitern Kampfe. Die Helden durchbohrten sich mit den Speeren, spalteten einander die Köpfe oder teilten so gefährliche Streiche aus, daß Arme und Beine vom Körper sich lösten. Demungeachtet konnten alle nach geendetem Kamsspiele sich wieder frisch und munter auf ihren Rossen nach der Stadt begeben, wo ein stattliches Mahl bereitet war. An langen Tafeln schmausten die Helden vom Fleische des Skrimmer, eines Schweines , welches immer unversehrt blieb, auch wenn man täglich noch so viele und derbe Stucke davon abschnitt, und tranken dazu den köstlichen Gerstensaft , welchen die Walküren kredenzten. Auch Milch war im Überflüsse vorhanden; denn die Euter der Heidrun-Ziege versiegten nie. So dachten sich die alten Germanen Odins Reich, und um desselben nach dem Tode teilhaftig zu werden, kämpften sie gegen fremde
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Aus der deutschen Vorzeit.
Völker oder wilde Tiere, um früh den Heldentod sterben und durch einen Kuß der Walküren nach Walhalla geladen werden zu können. Da Odin die edelsten und unvergänglichsten Güter bescherte, so war seine Verehrung auch die allgemeinste und feierlichste. Ihm war der Mittwoch (holl. Woensdag, engl. Wednesday) heilig. Raben saßen aus seinen Schultern, flogen aus in die Welt und brachten als treue Boten ihm Kunde zu.
Odins Gemahlin war Frigg (Hulda), die Mutter der Götter, die Beschützerin der Ehe, der Familie und des häuslichen Glückes. Mit dem Namen Bertha (Berchtha) wurde sie als die glänzende Himmelskönigin bezeichnet, die zuweilen das Land durchzog, die Fleißigen segnete und die Faulen strafte. Blätter und Holz, von ihr verschenkt, verwandelten sich in Gold. Nus diesem segensreichen Umzuge entstand die Sage von der wilden Jagd der Frau Holle, aus Wodan wurde der wilde Jäger, welcher die Herbst- und Winterstürme vorstellt. Als Erdmutter hieß sie Hertha oder Nerthus. Ihr gehörte auf Rügen ein heiliger Hain. In diesem befand sich ein geweihter, mit einem Gewände verhüllter Wagen, welchen nur der Priester berühren durste. Dieser wußte es, wenn die Göttin im Heiligtum verweilte, und führte sie dann auf ihrem von Kühen gezogenen Wagen im Lande umher. Während ihres feierlichen Um-
zuges herrschte überall, wo sie erschien, Friede; der Krieg konnte erst nach der Rückkehr der Göttin in den Tempel wieder beginnen. Darauf wurden Wagen, Gewänder und die Göttin selbst in einem
geheimnisvollen See gebadet. Die Sklaven, deren man sich dabei
bediente, kehrten nie zurück; sie verschlang der See.
Frigg war die Mutter des Thor oder Donar, des mächtigen, rotbärtigen Donnergottes, der über Regen und Wolken gebot und sich durch Donner und Blitz kündete. Ihm war die Eiche geheiligt und ein Hammer als Symbol gegeben, der stets in die Hand zurückkehrte, wenn er geworfen wurde. Thor fuhr mit einem Bockgespann, welches er alle Abend verspeiste, woraus es früh wieder lebendig wurde. Böcke, Ziegen, Eichen und Hollunder waren ihm heilig, der Donnerstag ihm geweiht. Seine Verehrung zeichnete sich durch einen feierlichen Eichen-dienst aus, wahrscheinlich weil sein Donnerkeil gern alte Eichen traf* Eine Eiche Thors hieb Bonifacius bei Geismar um; mit ihr sank das Heidentum in jenen Gegenden.
Dem Thor stand an Macht zunächst der Kriegsgott Ziu oder Tyr, woher der Dienstag (bei den Schwabenziestag)seinen Namen erhielt. Er hieß auch Er (von Ares) und verlieh der sächsischen Feste Eres-
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188
Zweite Periode der Neuzeit.
sich die Brandenburger bei der Eroberung Ofens so auszeichneten, daß sie von den Türken Feuermänner genannt wurden.
Wie der Kurfürst nach außen zum Schutze des Reiches auftrat und die Rechte seines Landes wahrte, so wirkte er im Innern mit scharfem Blick und fester Hand für die Wohlfahrt seiner Unterthanen. Die Schäden, welche der 30jährige Krieg seinem Lande gebracht hatte, tilgte er, indem er dem Ackerbau aufhalf und in den verwüsteten Landschaften niederländische und schweizer Kolonisten ansiedelte. Die weit aus einander liegenden Teile seines Landes verband er durch Einführung einer einheitlichen Verwaltung enger mit einander. Die Vorrechte der Stände, welche nur auf ihren Vorteil bedacht waren, hob er auf und brach den Widerstand, der ihm in Preußen von denselben entgegengesetzt wurde. Auf inländische wie ausländische Gegenstände des täglichen Verbrauchs legte er eine Steuer, die alle Unterthanen ohne Unterschied treffen sollte, und erhöhte dadurch die nötigen Staatseinkünfte. Handel und Verkehr förderte er durch Anlegung von Landstraßen und Einrichtung des Po st wesen s. Zwischen Oder, Spree und Elbe schuf er eine Wasserstraße durch Anlage des Friedrich-Wil-helms-Kanals. Ja, sein Blick richtete sich bereits auf den Seehandel, den er bei den Holländern in Blüte gesehen; darum sein Streben nach dem Besitze Vorpommerns und dessen Häfen. Er wollte Brandenburg auch zu einer Seemacht erheben, begann deshalb mit Erbauung einer Flotte und gründete an der Goldküste von Guinea 1683 eine Kolonie mit der Festung Großfriedrichsburg (die unter Friedrich Wilhelm I. an Holland kam). Einen erfreulichen Zuwachs an betriebsamen Kräften erhielt fein Land durch 20000 Hugenotten, die nach der Aufhebung des Ediktez von Nantes 1685 aus Frankreich flohen und bereitwillig von ihm aufgenommen wurden. Die meisten ließen sich in Berlin nieder, wo sie die „französische Kolonie" gründeten und sich durch Fleiß und Geschicklichkeit auszeichneten.
Eine Hauptsorge für ihn bildete die Verbesserung des Heerwesens. Entgegen der bisherigen Einrichtung, wonach im Kriegsfälle Ritter und Bauern zum Kampfe aufgeboten und nach Beendigung des Krieges wieder entlassen wurden, schuf er ein stehendes Heer aus geworbenen und besoldeten Leuten, die in Friedenszeiten im Militärdienst tüchtig geschult wurden. Bei der Ausbildung des Heeres, das allmählich auf 28 000 Mann anwuchs, . unterstützten ihn der General von Sparr, ein Meister des Geschütz-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm_I. Friedrich Wilhelm_I.
Extrahierte Ortsnamen: Vorpommerns Brandenburg Guinea Holland Nantes Frankreich Berlin Friedenszeiten
32, 5. Die Schweiz, Spanien, England.
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Krone und Landtag zu keiner Verständigung; der Landtag ging resultatlos auseinander, und die Aufregung und Unzufriedenheit im Volke wurde durch politische Schriften und die Tagespresse gesteigert.
Östreich. In Östreich hatte unter dem gutmütigen Kaiser Franzi. (1792 —1835), wie unter dessen schwachem Sohn Ferdinand I. (1835 — 1848), der einem rheinischen Adelsgeschlecht entstammende Minister Fürst Metternich (geb. 1773) als Staatskanzler 39 Jahre lang die Leitung des Staates in Händen. Nur auf die Erhaltung des Bestehenden bedacht, trat er nicht bloß jedem freiheitlichen Fortschritt als staatsgefährlicher Neuerung entgegen, sondern hemmte auch die Entwicklung des geistigen Lebens überhaupt in dem östreichischen Staate. Am Bundestage in Frankfurt lähmte er die auf die Ausbildung des deutschen Bundesstaates gerichtete Thätigkeit, und selbst auf die deutschen Einzelstaaten suchte er einen entnervenden Druck auszuüben. In den europäischen Angelegenheiten wirkte er den Verfassungsbestrebungen der Völker entgegen, um die unbeschränkte Fürstenmacht in Geltung zu erhalten.
5. Die Schweiz, Spanien, England.
Der Schweiz hatte der Wiener Kongreß die Kantone Genf und Wallis zugeteilt und fortdauernde Neutralität zugesichert. 1815 hatten sich die 22 selbständigen Kantone zu einem Staatenbund lose vereinigt, und die aristokratische Partei führte die Regierung in denselben. Nach der Julirevolution in Frankreich wurde die Aristokratenherrschaft gestürzt, und einzelne Kantone führten demokratische Verfassungen ein. Dabei kam es im Kanton Basel zum Bürgerkrieg und 1832 zur Trennung in die beiden Kantone Baselstadt, mit aristokratischer Vorherrschaft, und Baselland. Als die radikale Regierung des Kantons Aargau 1841 die Klöster aufhob und das Vermögen derselben sür den Staat einzog, entstanden neue Unruhen; der Parteistreit wuchs, als der „ultramontane" Kanton Luzern 1844 die Jesuiten zur Leitung des Unterrichts berief. Ein Versuch von Freischaren, dies zu verhindern, mißlang und führte 1845 zur Vereinigung der sieben „katholischen" Kantone: Luzern, Schwyz, Uri, Unterwalden, Zug, Freiburg und Wallis zu einem Sonderbund. Dieser wurde aber als verfassungswidrig mit einem Heer unter General Düfour 1847 gesprengt und unterworfen, worauf die Jesuiten das Land wieder verlassen mußten. Nun bewirkte die radikale Partei 1848 eine Reform des Bundes, durch welche die Kantone zu einem Bundesstaat mit doppelter Landesvertretung vereinigt wurden.
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300
Dritte Periode der Neuzeit.
tum Warschau als „Königreich Polen" an Rußland kam, während Preußen sich mit einem Teile Sachsens begnügen mußte.
Mit den Bourbonen war eine große Anzahl Emigranten und Altadliger nach Frankreich zurückgekehrt, welche nach ihrer Heimkehr große Ansprüche erhoben. Die Großen aus der Kaiserzeit verloren ihre Lehen und ihr Ansehen, und die Armee war unzufrieden. Lud-wig Xvijjl. that dem gegenüber nichts, um den neuen Zustand erträglich zu machen, er belastete sogar den Staatsschatz mit 60 Millionen Franken, welche er im Exil gebraucht hatte. Den Emigranten wurden unermeßliche Summen und die besten Stellen bewilligt.
Napoleon hörte auf Elba durch seine Getreuen in Frankreich von den Vorfällen in Wien und von der Unzufriedenheit des französischen Volkes mit der Regierung der Bourbonen und beschloß, die Lage der Dinge zu seinem Vorteile zu benutzen. Er besaß noch einen großen Anhang im französischen Volke, und eine weit verzweigte Verschwörung arbeitete insgeheim für ihn. Plötzlich verließ er, rasch entschlossen, sein Eiland und landete am 1. März 1815 mit etwa 1000 Mann in Frejus bei Cannes. Mehrere schnell verbreitete Proklamationen gewannen ihm die Herzen des Volkes wieder, und alle gegen ihn ausgeschickten Truppen gingen zu ihm über; nur die in Paris liegenden Schweizerregimenter Ludwigs Xviii. blieben ihrem Eide treu, ließen sich entwaffnen und kehrten in ihre Heimat zurück. Am 20. März hielt Napoleon bereits seinen Einzug in Paris, von wo Ludwig Xviii. nach Gent geflohen war.
Die Verbündeten in Wien stellten nun die Eintracht wieder her, erklärten Napoleon als Ruhestörer in die Acht und wiesen seinen Gesandten ab, welcher versicherte, daß sein Kaiser sich fortan nur um Frankreich kümmern wolle. Aufs neue rüsteten sich die Heere Europas, und nach 2 Monaten standen sie schlagfertig im Felde. Mürat, welcher nach rechtzeitigem Abfall von Napoleon im Besitze Neapels belassen worden war, jetzt aber sich auf Napoleons Seite stellte und die Völker Italiens zur Herstellung ihrer Einheit voreilig zu den Waffen rief, wurde von den Östreichern rasch besiegt und vertrieben, bei einem erneuten Einsall in das Land, von Korsika aus, gefangen genommen und (13. Okt. 1815) erschossen. In den Niederlanden nahmen Blücher mit 116 000 Mann Preußen und Wellington mit 94 000 Mann Engländern, Hannoveranern, Nassauern und Braunschweigern unter ihrem Herzog Wilhelm feste Stellung. Napoleon beabsichtigte, erst diese Armeen zu vernichten und dann den übrigen Feinden entgegenzutreten. Er erschien daher plötzlich in der Nähe von
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