Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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hebt. Dieses Schloß wurde fortan des Königs Lieblingsaufenthalt, in dem er nach ernster Tagesarbeit im Verkehr mit gleichgesinnten Freunden seine liebste Erholung fand. Die Abendgesellschaften in Sanssouci wurden bald iu ganz Europa berühmt. Da wechselten heitere und gelehrte Gespräche mit Theateraufführungen und Konzerten. Von 1748 ab war das Schloß Sanssouci den größten Teil des Jahres hindurch die Residenz des Königs; später trat das viel geräumigere und prachtvollere Nene Palais bei Potsdam an dessen Stelle.
Ehe wir von der friedlichen Tätigkeit, die der König nach dem Ii. Schlesischen Kriege entfaltete, scheiden, müssen wir noch seiner großen Verdienste um die Rechtspflege in seinem Lande gedenken. In spätestens einem Jahre sollte jeder Prozeß zu Ende gebracht werden. Mit dieser Verbesserung wurde in Pommern der Anfang gemacht; denn hier fand der Minister Cocceji, des Königs Ratgeber, 2400 Prozesse vor, darunter einen, der 200 Jahre alt war. Schon nach einem Jahre konnte der Justizminister dem Könige berichten, daß alle diese Prozesse erledigt waren und kein Prozeß mehr rückständig sei. Im Jahre 1748 war das neue, segensreiche Verfahren im ganzen Königreich eingeführt.
5. Der Siebenjährige Krieg«
Maria Theresia konnte das geliebte Schlesien, das ihr „der böse Mann" geraubt hatte, uicht verschmerzen. Da sie aber die Tapferkeit und Tüchtigkeit des preußischen Heeres genugsam erkannt hatte, wagte sie es nicht sogleich, die Waffen gegen Friedrich zu ergreifen, sondern war bemüht, ihr Heer nach preußischem Muster auszubilden. Dann suchte sie unter deu europäischen Fürsten nach Bundesgenossen gegen den König, dessen wachsende Größe die übrigen Mächte mit Neid und Mißgunst erfüllte. Es gelang ihr auch, mit Rußland, Polen, wachsen und Frankreich gegen Preußen ein Bündnis zustande zu bringen, das den Zweck hatte, Friedrichs Land zu teilen und ihn selbst zum Markgrafen von Brandenburg zu erniedrigen. Indessen erhielt der König von den Plänen seiner Feinde Kunde und beschloß, ihnen zuvorzukommen.' Wie der Sturmwind wollte er in die Wolken brechen, die sich von allen Seiten um sein Haupt zusammenzogen; durch die Kraft eines unwiderstehlichen Angriffs gedachte er die Wetter zu zerteilen, ehe sie sich entluden.
Vor allem kam es daraus an, sich Sachsens zu bemächtigen, um beim weiteren Vorrücken gegen die Österreicher im Rücken gedeckt zu sein. Nachdem er die schlesischen Festungen kriegsmäßig ausgerüstet und sein Heer, das aus 150000 wohlgeübten Krieg-gent bestand, in Bereitschaft gefetzt hatte, überschritt er aus drei verschiedenen Wegen im August 1756 mit 60 000 Mann die säch-
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Extrahierte Ortsnamen: Sanssouci Europa Potsdam Pommern Polen Frankreich Friedrichs Brandenburg Sachsens
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Man ist bei der Forderung nach Kulturgeschichte zum Teil höchst einseitig geworden und hat z. B. die Kunstgeschichte, ja oft nur einen Teil derselben, die Litteraturgeschichte als Kulturgeschichte bezeichnet. Andere sehen die Geschichte der Künste und Wissenschaften, also das Gebiet des reinen Geisteslebens nur als solche an, während wieder andere nur die Geschichte der Werke des Friedens als solche gelten lassen wollen. Das sind, wie gesagt, Einseitigkeiten, die nur einen Teil des Ganzen und gar oft noch nicht einmal den wesentlichsten treffen.
Kultur ist Anbau, Ausbildung. Als die Urbewohner Deutsch-lands, "lnögeü 'eo nun Germanen oder andere gewesen sein, von Jagd- und Fischfang zur Herdenwirtschaft und von da zum Ackerbaue übergingen, auf welch letzterer Stufe sie beim Beginne unserer Zeitrechnung standen, da hatten sie schon ein ganz bedeutendes Stück Kulturgeschichte hinter sich. Wird es dabei immer friedlich zugegangen sein? Bekanntlich handelte es sich bei den vielen Kämpfen und Fehden der alten Germanen im letzten Grunde gewöhnlich um Ackerlose und Viehherden, die zu gewinnen oder zu verlieren waren. Der neidische Nachbar mußte abgewehrt und Rache für Beschädigung des Eigentums genommen werden, wenn der Bestand und Wohlstand des heimatlichen Herdes gesichert bleiben sollte. Und so ging es auch später noch, als unser Volk schon auf einer hohem Kulturstufe angelangt war. Gar oft mußten Schwert und Spieß, Pulver und Blei zur Sicherung und Verteidigung des heimatlichen Herdes und der nationalen Ehre und Eigentümlichkeit ergriffen werden. Wir sehen also, daß auch die Kriegsgeschichte eilt Teil und zwar ein nicht zu unterschätzender Teil der Kulturgeschichte ist, und es wird im letzten Grunde schwer zu beweisen sein, ob die Erfindung des Spinnrades oder die Erfindung der Kanone von größerer Wichtigkeit für den Fortgang der Kulturentwickelung der Menschheit gewesen ist. Und nicht bloß der Verteidigung^, sondern auch der Angriffskrieg ist gar oft kulturfördernd gewesen, wie wir solches an den Eroberungs-kämpfen der Römer, der Völkerwanderung, den Kreuzzügen, den Römerzügen u. a. sehen. Es würde also ganz gewiß ein sachlicher Fehler sein, bei der Kulturgeschichte die Kriegsgeschichte außer acht lassen zu wollen.
Und nun die politische Geschichte! War es denn kein Kulturfortschritt, Ais sich die alten sozialen Markgenossenschaften zu mehr-politischen Gaugenossenschaften und diese sich zu Völkerschaften erweiterten? Die Hanptbedinguug aller Kulturentwickelung besteht darin, Bedürfnisse zu erregen; diese sind aber zu Zeiten des Mangels an bequemen Verkehrsmitteln im großen, zusammenhängenden Staate viel größer als in der einzelnen, abgeschlossenen Gemeinde. Daraus erhellt, daß auch die politische Geschichte, die
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24 Die Faktoren der Geschichte.
dem Leutnant und den Unteroffizier mit dem General verwechselt, so wird er in den meisten Fällen bestehen können. Daß auch hierbei noch ein Unterschied zwischen dem weltabgelegenen Dörflein und der großen Garnison gemacht werden muß, lehrt uns das pädagogische Mahnwort: „Nicht für die Schule, sondern für das Leben!"
Daß ein so wichtiger Faktor des öffentlichen Lebens, wie das Heerwesen, nicht von ungefähr entstanden ist, sondern wie alles Gewordene auch seine Geschichte hat, wird dem Schüler um so wahrscheinlicher dünken, je eindringlicher ihm im Unterrichte das Gesetz von der Entfaltung alles Organischen zum Bewußtsein gebracht wird. Und so erscheint es denn geradezu als eine ganz natürliche Forderung, daß auch die charakteristischen Formen des Heerwesens in ihrer Entwickelung erörtert werden. Wie der germanische Heerbann und die Gefolgschaften, das Lehensheer und die Landsknechte aussahen, wie die eine Art aus der andern hervorging und sich schließlich das stehende Heer mit der allgemeinen Wehrpflicht gestaltete, das darf auch dem Schüler der Volksschule nicht vorenthalten werden, ebenso wenig als die Eigenart der Kampfesweisen dieser Heere. Daß dies alles nicht so geschieht, wie auf der Kriegsakademie und in der Militärschule, ist selbstverständlich.
Mit solchen Kenntnissen ausgerüstet, wird der Schüler auch das, was ihm von Kriegen und Schlachten der Vorzeit mitgeteilt werden muß, besser erfassen. Welche Kriege und Schlachten sind dies? Die Kriege, die ganz bedeutsam in die Geschichte des Reichs oder der engern Heimat des Schülers eingegriffen haben und näher der Gegenwart, vielleicht je eine Schlacht, die durch ihr charakteristisches Gepräge einen Einblick in die zur Zeit gebräuchliche Kampfesweise gestattet; es sind also die bedeutendsten Freiheitskämpfe gegen einbrechende Nachbarn und die Kämpfe der verwandten Stämme gegeneinander, Kämpfe, wodurch das Reich eine andere Gestalt erhielt oder die Teile in ein anderes Verhältnis zu einander kamen. Die Namen der streitenden Parteien, die wirkliche oder angebliche Ursache des Krieges, hervorragende Heerführer, die Zeit des Krieges bezw. der Schlacht, der Hauptverlauf, die' Entscheidung und Folgen müssen dabei mindestens mitgeteilt und dem Schüler zum festen Eigentume gemacht werden, damit er schließlich weiß, was es für eine Bewandtnis mit dieser Angelegenheit hatte. Daß dabei selbst einmal Fragen wie die: Wie lauge hat der siebenjährige Krieg gedauert? nicht ganz überflüssig sind, weiß jeder, der nur einige Jahre in der Schule thätig gewesen ist.
Bei dei^Zarstellunz.^jdn&Lknmz^muß uns der Schulzweck stets vor Augen schweben. Der Offizier studiert mit ganz anderer Absicht, andern Hilfsmitteln, andern Vorkenntnissen und anderm
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83. Napoleons Zug nach Rußland (1812).
kündet. Auch in Preußen wurde man ans ihn aufmerksam, und die Königin Luise begeisterte sich für ihn; zu ihm schickte man Schulmänner, die feine Unterrichtsart lernen und sie in Preußen einführen sollten. -Für die Pflege des deutschen Volkstums trat vor allem Ludwig Iahn ein. Um dem Vaterlande möglichst viele körperlich tüchtige Streiter zuzuführen, errichtete er auf der Hafenheide bei Berlin eine T it r ii st n ft ci s t und wurde so der Begründer des deutschen Turu-wesens. Als er einst mit seinen Turnern zum Brandenburger Tor hinausging, fragte er einen von ihnen: „Was denkst bit, wenn bit bieses Tor siehst?" — „Nichts!" — „Schlingel," rief der alte Turnvater, indem er dem Jungen eine Ohrfeige gab, „du sollst denken: ,Da haben uns die Franzosen die Viktoria heruntergestohlen, die müssen wir wieber haben!'" — In Königsberg bisbete sich bnrch eine Vereinigung von Vaterlandsfreunden der Tugendbund, der aber, weil er den Verdacht der Franzosen erregte, balb wieber ausgelöst werben mußte. — 7. Tod der Königin Luise (1810). Leiber sollte die Königin Luise Deutschlands Erhebung nicht mehr schauen. Sie erkrankte 1810, als sie ihre Eltern in der mecklenburgischen Heimat besuchte, und starb, nachdem sie zuvor noch von dem herbeigeeilten Könige und ihren Söhnen Friedrich und Wilhelm Abschied genommen hatte. „Herr Jesu, mach’ es kurz!" waren ihre letzten Worte. Man kann wohl sagen, daß der Gram um das Vaterland der erst 35jährigen Königin das Herz gebrochen hat. Das ganze Land beweinte sie und wirb seine Königin Luise nie oergessen. Über ihrem Sarge zu Charlottenburg bei Berlin erhebt sich ein marmornes Grabbeukmal von touttberbetrer Schönheit, das sie als schlasenb barstellt. Oftmals hat Friedrich Wilhelm 111., sowie nachher Kaiser Wilhelm I. betenb an dieser Stätte gestanden.
83. Napoleons Zug nach tinßlatii) (1812).
1. Bruch mit Rußland. Die große Armee. Von allen Mächten des europäischen Festlandes stand nur noch Rußland ungebrochen. Die Freundschaft jedoch, die der französische und russische Kaiser 1807 aut jenem Floße im Niemen geknüpft hatten, war längst entzwei. Endlich wagte Alexander es sogar, die Festlaubsperre, die für Rnßlanb befonbers verderblich war, an feinen Grenzen aufzuheben. Die Sperre verfehlte aber ihren Zweck, sobald ein Laub sie aufhob; darum konnte Napoleon das Vorgehen des russischen Kaisers nicht dulden. Ein Krieg mit Rußland war unvermeidlich, obgleich Napoleon sich der Schwierigkeit eines solchen Unternehmens wohl bewußt war. Das ganze Jahr 1811 hindurch rüstete er, aus allen Ländern, von der Straße von Messina bis zur Ostsee, von den Pyrenäen bis zum Niemen zogen auf feinen Befehl die Kriegsscharen heran. Die Franzosen machten kaum den dritten Teil der Armee aus. Das zweite Drittel bilbeten letber Deutsche aller Stämme. Die nichtpreußifchen Deutschen gehörten ja sämtlich zum Rheinbunbe; aber auch Preußen würde gezwungen,
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Extrahierte Ortsnamen: Napoleons Berlin Königsberg Deutschlands Jesu Charlottenburg Berlin Napoleons Messina Ostsee Rheinbunbe
69. Friedrich der Große als Landesvater. 157
die sich in Schlesien vereinigt hatten, in offener Schlacht zu widerstehen. Daher bezog er im August ein befestigtes Lager bei Bunzelwitz, dnrch das er die Festung Schweidnitz deckte und die Perbindung mit Breslan aufrecht erhielt. In feiner trüben Stimmung suchte er oft Trost bei Zieten, der ungebeugt war und die Hoffnung nicht aufgab, daß man doch uoch alles zum guten Ende bringen werde. Da trat im Anfange des Jahres 1762 unerwartet eine günstige Wendung für ihn ein: seine erbitterte Feindin Elisabeth von Rußland starb. Rußland trat infolgedessen vom Kriege zurück und mit Rußland auch Schweden. Nun wollte sich auch Frankreich nicht länger für Österreich aufopfern, und so sah sich Maria Theresia fast von allen Bundesgenossen verlassen. Daß sie aber allein Friedrich . nicht besiegen könne, 'wußte sie wohl; deshalb bequemte sie sich zum Frieden. Dieser wurde aus dem sächsischen Lustschlosse Hubertus-burg (in der Mitte zwischen Leipzig und Meißen) abgeschlossen. Friedrich behielt Schlesien! So glänzend ging Preußen ans dem furchtbaren Siebenjährigen Kriege hervor. Die Schlesier selbst, besonders die zahlreichen Protestanten, waren mit dem Wechsel der Herrschaft wohl zufrieden. Schlesien wurde Friedrichs Lieblingskind und erholte sich unter feiner Fürsorge wunderbar schnell.
13. Folgen und Bedeutung des Siebenjährigen Krieges. Preußen wurde jetzt allgemein als europäische Großmacht anerkannt. Dies Ansehen gründete sich nicht auf seine Größe, sondern aus sein kriegstüchtiges Heer und auf die überlegene Persönlichkeit Friedrichs. Es wurde 'in D e n t} ch l a n d ein selbständiger Staat und unabhängig von Österreich, dessen einzelne Stämme durch den Krieg auch fester 'zusammenwuchsen. Fortan stehen Preußen und Österreich gleichberechtigt nebeneinander. Von dem Verhältnis dieser beiden Großmächte hängt in Zuknuft das Schicksal des deutschen Volkes ab. Mit Stolz fühlten sich die Untertanen Friedrichs als ein preußisches Volk. Aber nicht bloß bei seinem eigenen Volke erweckte Friedrich das Selbstgefühl; an den Taten des großen Königs und seiues tapferen Heeres richtete sich zum ersten Male wieder das Nationalgefühl der Deutschen empor. Ein Aufschwung der Geister trat ein, besonders auf dem Gebiete der Dichtkunst. Es entstand eine selbständige deutsche Poesie, während bis dahin die Deutschen nur Nachahmer der Franzosen und Engländer waren. Goethe sagt darüber: „Der erste wahre und höhere Lebensgehalt kam durch Friedrich den Großen und die Taten des Siebenjährigen Krieges in die deutsche Poesie."
69. Friedrich der Groke als Landesvaler.
1. Die Landwirtschaft. Es war Friedrich eine Herzensfreude, Wüsteneien in blühende Gefilde zu verwandeln; fein Ziel war, daß keine Handbreit Erde unbebaut bleibe. An Voltaire schrieb er einst: „Wahrer Reichtum ist nur das, was die Erde hervorbringt. Wer den
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Extrahierte Ortsnamen: Schweden Frankreich Hubertus-burg Leipzig Friedrichs
91. Die Zeit Friedrich Wilhelms Iv. (1840—1861).
horsam gegen seine Gesetze ihrem Bernse nachgehen, um den allgemeinen Wohlstand zu sichern; die Regierung sollten sie dem Stönv, überlassen. Diese überschwengliche Auffassung seiner Königswürbe verschleierte ihm den Blick, um die Berechtigung der Wünsche des Volles zu erkennen.
* 3. Erstarken der deutschen Einheitsbcslrebungen. Im Jahre 1840 verlangten die Franzosen die Abtretrv bcs linken Rheinnfers von Deutschland; sie fühlten sich b.ieidigt, eil bei einem Kriege
zwischen der Türkei irnb Ägypten Preußen sich auf die Seite der Türkei, Frankreich bagegen sich aus die Seite Ägyptens gestellt hatte. Diese Anmaßung der Franzosen erregte in ganz Dentschlanb einen gewaltigen Sturm der Entrüstung; überall würde das „Rheiulieb" des Bonner Nikolaus Becker: „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein" gesungen; damals bichtete auch schon der Württembergs Max Schneckenburger „Die Weicht am Rhein", die von dem Thüringer Karl Wilhelm eine Melobie erhielt, aber erst später zum Nationalliebe würde. Ebenfalls in biefer Zeit schuf der Hannoveraner Hoffmann von Fallersleben das Lieb „Deutschland, Dentschlanb über alles." — Aufs neue und mit stärkerem Drang? erwachte die Sehnsucht nach dem einigere deutschen Reich. Da? Lied wurde zum Träger des deutschen Nationalgefühls. Jetz! blühten die Mannergesangvereine auf, die in den weitesten Volkskreisen den deutschen Einheitsgedanken lebendig erhielten. — Auch das Turnen würde wieber gestattet; Friedrich Wilhelm Iv. bezeichnete es (1842) in einem Erlasse als einen notwenbigen und unentbehrlichen Bestandteil der männlichen Erziehung; Turnvereine entstanden, die wieder wie zu Jahns Zeiten die Flamme der vaterländischen Begeisterung nährten. — Festlichkeiten, wie das 400 jährige Jubiläum der Buch-dr uckerkunst in Leipzig 1840, die erste deutsche Gewerbeausstellung zu Mainz 1842 ober die Grund-st e i n I e g u it g zum Kölner Dom boten Gelegenheit, dem nationalen Empfinben Worte zu leihen. Beim Kölner Feste sprach Friedrich Wilhelm Iv., der die Anregung zu dem Plane, den seit Jahrhunberten unfertigen Bau feiner Vollendung zuzuführen, gegeben hatte, wieber schwungvolle, begeisterte Worte; er sah im Geiste schon „durch Gottes Guabe die Tore einer neuert, großen, guten Zeit" und betonte, daß bazn eine festere Einheit Dentfchlanbs nötig fei. Der König von Württemberg brachte ein Hoch auf das gemeinsame große Paterlanb ans, und dem Erzherzog Johann von Österreich legte man die Worte in den Mnnb: „Kein Österreich, kein Preußen mehr, ein einiges, großes Dentschlanb, fest wie seine Berge!" — Ebenso sanb der Gebanke Bändels, in der Gegend der Hermannsschlacht auf dem Teutoburger Walde ein Hermanns-Denkmal als Sinnbild deutscher Macht zu errichten, in dieser Zeit begeisterte Zustimmung. — Eine besonders starke Erregung des deutschen Nationalgefühls veranlaßte die Tat des dänifchen Königs Christian Viii. Dieser erklärte 1846 in einem
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96. Der Deutsch-Französische Krieg von 1870—71.
sagte u. st.: „Sie, Kriegsminister v. R o v n , haben unser Schwert geschärft, Sie, General v. M o l t k e , haben es geleitet, und Sie, Gras v. Bismarck, haben durch Ihre Politik Preußen auf'die jetzige Höhe gehoben." Am folgenden Morgen wurde die frohe Kunde in Deutschland bekannt. Das war ein unvergeßlicher Tag. Man ließ die Arbeit stehen; die Schulen entließen die jubelnden Kinder nach Hause; man lachte und weinte vor Freude, drückte einander die Hände ans den Straßen und dankte Gott aus Herzensgründe. Alles hoffte, nun werde der blutige Krieg zu Ende sein und ein ruhmvoller Friede geschlossen werden.
12. Frankreich wird Republik (4. September 1870). Die Friedenshoffnung der Deutschen sollte getäuscht werden. In Paris ries die Kunde von den Ereignissen bei Sedan eine Revolution hervor. Die Kaiserin Eugenie, die besonders zu diesem Kriege getrieben hatte, floh nachts und in Verkleidung nach England; der K aiser, den man vergöttert haben würde, wenn er gesiegt hätte, wurde für abgefetzt n n d Frankreich für eine Republik erklärt. Es bildete sich eine republikanische Regierung, deren hervorragendstes Mitglied der Advokat G a m b e 11 a war. Dieser übte bald eine solche Gewalt aus, daß er als unumschränkter Herrscher Frankreichs gelten konnte. Die neuen Gewalthaber meinten, da Napoleon sa nun abgesetzt sei, sollten die Deutschen friedlich nach Hause gehen. Als aber Bismarck fragte, ob sie denn auch Elsaß-Lothringen herausgeben wollten, schrieen sie: „Keinen Zollbreit französischer Erde, keinen etein von unseren Festungen!" So mußte denn der Krieg seinen Fortgang haben. Da Frankreich kein einziges Heer mehr im Felde hatte, so ries Gambetta alle Männer bis zu 40 Jahren zu den Waffen und predigte: „K l ieg bis aufs Messer gegen die Barbaren, die den heiligen Boden Frankreichs bejubeln!"
13. Einschließung von Paris; Einnahme von Straßburg und Metz. Sofort nach dem Siege von Sedan marschierten die Truppen der 3. und 4. Armee nach Paris und schlossen am 19. September diese gewaltige Stadt ein. Paris ist eine Riesenfeste, die durch einen Gürtel von dreizehn starken Forts geschützt ist. Um diesen Festungsgürtel legten sich die Deutschen; sie waren genötigt, einen Ring von zwölf Meilen im Umfange zu bilden. Zn einer Beschießung fehlte es zunächst ein den nötigen großen Geschützen; catch hoffte König Wilhelm, daß der Hunger die Stadt bald zur Übergabe zwingen werde. -Während die Deutschen vor Paris lagen, fiel zuerst Straßburg (28. September). Jedes deutsche Herz wurde von inniger Freude erfüllt, daß diese alte „wunderschöne" Stadt, ein so lange verlornes und beklagtes Kleinod Deutschlands, wieder unser war. — Vier Wochen später (27. Oktober) hieß es: „Metz hat kapituliert!" Bazaiue hatte sich vergeblich bemüht, den eisernen Ring, der ihn umklammerte, zu durchbrechen; als nun alle Lebensmittel, selbst die Pferde, aufgezehrt waren, ergab er sich mit seiner ganzen Armee dem Prinzen Friedrich Karl. Damit sielen 173 000 Mann und eine unendliche Menge von Geschützen, Waffen und Kriegsvorräten in die Hände der Sieger. —-
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99. Der Ausbau des Deutschen Reichs 255
läge hatte. In Preußen wurde die Vorlage von dem Landtage angenommen, aber die andern deutschen Staaten verhielten sich vollständig ablehnend. Sie fürchteten einen Eingriff in ihre Hoheitsrechte und eine Einbuße der Erträge ihrer Bahnen. So mußte Fürst Bismarck diesen großartigen Plan einer Reichseisenbahn fallen lassen; aber mit aller Entschiedenheit führte er dann den S t a a t s b a h n -gedanken in Preußen durch. Alle bedeutenden Privatbahnen wurden nach und nach vom Staate erworben. Auch iu den andern Staaten verschwanden allmählich die meisten Privatbahnen und machten Staatsbahnen Platz. Nur die Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen sind Reichseisenbahnen. Doch besteht seit 1902 zwischen Preußen und Hessen eine Betriebsgemeinschaft, die vielleicht der Anfang eines weiteren Zusammenschlusses der deutschen Eisenbahnen wird.
7. Deutsche Kolonien. Durch den aufblühenden Handel und Gewerbefleiß sah sich Deutschland genötigt, neue Bezugsquellen der Rohstoffe und neue Absatzgebiete für fertige Waren zu suchen. Schon längst hatten einzelne deutsche Kaufleute in fremden Erdteilen Handelsniederlassungen gegründet. Da das Reich sich aber nicht um sie kümmerte, waren sie den Feindseligkeiten der Wilden und neidischer Großmächte schutzlos ausgesetzt. Daher erscholl aus dem deutschen Volke die Forderung, die deutschen Handelsniederlassungen in den noch herrenlosen fremden Ländern dadurch zu fchützeu, daß sie als deutsche Kolonien erklärt würden. Das geschah auch. 1884 wurde Deutsch-Südwestafrika, wo der Bremer Kaufmann Lüderitz große Besitzungen erworben hatte, unter den Schutz des Reichs gestellt. In demselben Jahre nahm der Afrikareisende G n st a v N a ch t i g a l als Reichskommissar das T o g o -land unweit der alten verfallenen Kolonie des Großen Kurfürsten und das K a m e r n n g e b i e t, wo der Hamburger Kaufmann Woermann blühende Handelsniederlassungen besaß, für Deutschland in Besitz. Im folgenden Jahre kam Dentfch-Ostafrika hinzu, das der Afrikareifende Karl Peters durch Verträge mit Negerhäuptlingen erworben hatte. Auch in Australien faßte das Reich durch die Erwerbung des Bismarckarchipels, des Nordostens von Neuguinea (Kaiser W i l h e l m s l a u d), eines Teils der S a l o m o n s-i n s e l n und der Marschallinseln Fuß. Damit war Deutschland in die Reihe der Kolonialstaaten eingetreten. Zur Förderung des deutschen Handels mit Ostasien, Australien und Afrika wurde eine regelmäßige Dampferverbindung mit diefen Ländern hergestellt, wozu das Reich eine ansehnliche Unterstützung gewährte.
8. Deutschland als Hort des Friedens. Seit dem Kriege 1870/71 sann Frankreich darauf, wie es sich an Deutschland rächen und uns Elsaß-Lothringen wieder abnehmen könne. Solange Frankreich ohne Bundesgenossen war, konnte Deutschland ruhig sein. Aber im Jahre 1879 schien es, als ob es sich mit Rußland gegen uns verbinden wolle. Da schloß Deutschland ein Bündnis mit Österreich. Beide Reiche sicherten einander Beistand zu, falls eins von ihnen zugleich von zwei
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266 103. Reichskanzler Fürst Bismarck und Generalfeldmarschall Moltke.
säumte, um Preußen herabzusetzen, empfing Bismarck, als dieser ihn besuchte, in Hemdsärmeln, rauchte eilte Zigarre und lud ihn nicht einmal zum Sitzen ein. Schnell zieht Bismarck seinen Rock aus, wirft ihn auf einen Stuhl und spricht: „Sie haben recht, Exzellenz, es ist hier höllisch heiß" —, dann nimmt er seine Zigarrentasche heraus und sagt: „Darf ich um ein wenig Feuer bitten, Exzellenz?" — worauf ihm die Exzellenz ganz verblüfft Feuer gibt. Uud mm setzte sich Bismarck dem Grafen gegenüber und fangt ein Gespräch an, als wenn nichts vor-gefallen wäre. Seitdem behandelte Graf Thun den Gesandten Preußens mit der größten Achtung. — Durch sein entschiedenes Eintreten für die Sache Preußens hatte er sich aber doch viele Feinde zugezogen, so daß es der König für geraten hielt, ihn eine Zeitlang auf einen andern Posten zu stellen. Er wurde als Gesandter zuerst nach Petersburg, baitu nach Paris geschickt; hier sammelte er viele Erfahrungen, die ihm spater nützlich werden sollten.
2. Ministerpräsident und Bundeskanzler. Im Jahre 1862 berief ihn König Wilhelm I. zum Ministerpräsidenten. Mit seinem Eintritt ins Ministerium begann für ihn eine Zeit der unermüdlichsten Arbeit. Zunächst führte er die Umgestaltung des Heerwesens durch. Ein Meisterstück weiser Umsicht und kluger Berechnung war dann die Lösung der schleswig-holsteinischen Frage; mit Hilse Österreichs gewann er beide Provinzen. Und schließlich wurde Österreich selbst von Preußen besiegt. Damit war Österreich aus Deutschland herausgedrängt; Bismarck hatte seilt Ziel erreicht, Preußen übernahm die Führung der deutschen Angelegenheiten. An die Stelle des „Deutschen Bundes" trat 1867 der „Norddeutsche Bnn d", und Bismarck wurde Bundeskanzler. Als solcher arbeitete er weiter an der Einigung Deutschlands, die in dem Kriege 1870/71 zustande taut. Sowohl 1866 als auch 1870/71 begleitete Bismarck den König und ertrug die nicht geringen Strapazen des Krieges mit dem militärischen Sinn eines alten Soldaten, Nach der Rückkehr aus Frankreich wurde Bismarck in den Fürstenstand erhoben und erhielt deit Sachsenwald mit Friedrichsruhe in der Nähe von Lauen-bürg zum Geschenk.
3. Reichskanzler. Im neuen Reich wurde Bismarck der erste Reichskanzler. In ehrfurchtsvoller Liebe und unerschütterlicher Treue diente er seinem Herrn. Harte Kämpfe hatte er allerdings auch jetzt noch zu bestehen; denn Unzufriedenheit im Innern und Mißgunst auswärtiger Mächte drohten fortwährenb das Reich triebet zu zertrümmern. Aber Bismarck staub ans der Wacht und hütete des Reiches 'Wohlfahrt. Uud als einst neidische Nachbarn uns durch Kriegsdrohungen schrecken wollten, sprach er das machtvolle Wort: „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts aus der Welt!" — Bismarck war der volkstümlichste Mann in ganz Deutschland. ~ Seine Hünengestalt mit der Uniform des 7. Kürassierregiments stand vor aller Augen. Mit großer Begeisterung feierte Deutschland am 1. April 1885 den siebzigsten Geburtstag seines größten Staatsmannes. Der schwerste Tag in Bismarcks Leben war wohl Kaiser Wilhelms
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